22.07.2015
Nach dem Lüneburger
Auschwitzprozess: Ende der Strafbefreiung für
NS-Verbrecher?
Wird nach dem
Lüneburger Auschwitzprozess nun endlich Schluss sein mit einer
Nachkriegsjustiz der selektiven Aburteilung und damit vielfachen
Strafbefreiung? Wird endlich dem Initiator des Frankfurter Auschwitz
Prozesses, Fritz Bauer, gefolgt, der vergeblich verlangt hatte, die
Mitwirkenden an der Mordmaschine zu bestrafen und nicht nur jene, denen
man eine ganz bestimmte Tat nachweisen konnte? Und wird endlich die
Unverjährbarkeit von Mord und Beihilfe zum Mord
tatsächlich gültig – wie sie das Gesetz
befiehlt – oder werden weiter Altersgrenzen gelten? Diese
Fragen warf Ulrich Sander (Bundessprecher der VVN-BdA) in einem
Zeitungskommentar auf. Er fährt fort:
Es gibt viele solcher Fragen nach einem
Prozeß wie dem in Lünbeurg. Denn erst
kürzlich war vom Oberlandesgericht Köln ein
Freispruch eines Mörders erfolgt, der als SS-Mann an dem
Massenmord an der Bevölkerung von Oradour-sur-Glane teilnahm.
Opferverbände haben jetzt erneut betont: Jeder, der in der
Mordmaschinerie seinen Platz einnahm, sollte wegen Mord und Beihilfe
dazu verurteilt werden. Das erfordert nicht nur die Bestrafung von
SS-Leuten aus Konzentrationslagern und ihren Helfern, sondern auch der
Mitwirkenden an der Mordmaschinerie der Wehrmacht, wie sie in
sowjetischen, griechischen und italienischen Städten und
Dörfern unbeschreiblich grausam herrschte.
Mit den Verurteilungen der Wachmänner von
Sobibor und Auschwitz, Demjanjuk und Gröning, ist es nicht
getan. Wenn Kriegsverbrecher nach 1945 wieder Soldaten wurden, waren
sie von Strafe befreit. Die Gebirgsjäger aus Wehrmacht und
Bundeswehr waren faktisch vor Strafe geschützt, obwohl sie an
Massakern teilgenommen haben. Der in Frankreich zum Tode verurteilte
General Karl-Theodor Molinari stieg auch in der Bundeswehr auf,
mußte erst zurücktreten, weil er wegen eines
Haftbefehls nicht mehr ins Ausland reisen konnte. Er wurde dann
CDU-Politiker und Gründer des Bundeswehrverbandes, dessen
Bildungswerk noch immer den Namen „Karl-Theodor
Molinari“ trägt.
Zudem muß die Praxis der deutschen
Justiz, Verbrechen alter und neuer Nazis nicht mehr zu verfolgen, wenn
der Haupttäter verstorben ist und überhaupt stets von
Einzeltätern auszugehen und mörderische Netzwerke
etc. (wie im Falle NSU) auszublenden, mit dem Urteil im
Lüneburger Auschwitzprozess endgültig in Frage
gestellt werden.
|