07.05.2015
Rechtsterrorismus in NRW: „Oldschool Society“ – die öffentlichste Terrorgruppe in Deutschland
Am 06. Mai 2015 klickten die Handschellen
der GSG 9: In den frühen Morgenstunden ging das BKA mit einer
großangelegten Razzia gegen die „Oldschool Society“
(„OSS“) vor. Bei der Durchsuchung seien
„pyrotechnische Gegenstände mit großer
Sprengkraft“ sowie weitere Beweismittel sichergestellt worden
sein. Die Neonazis sollen nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft
für das folgende Wochenende Anschläge auf
Asylbewerberwohnheime, Muslime und Moscheen geplant haben. Vier Leute
wurden festgenommen. Außerdem ermittelt die Anklagebehörde
gegen fünf weitere Beschuldigte, deren Wohnungen ebenfalls
durchsucht wurden. Die Gruppe soll spätestens seit November 2014
bestehen. Die Facebook-Seite bestand seit September 2014. Es bestehen
vielfältige Bezüge nach Nordrhein-Westfalen.
Die Protagonisten der „OSS“: Der
56-jährige Augsburger „Präsident“ Andreas H., der
47-jährigen Olaf O. aus Wattenscheid-Günnigfeld (Bochum,
„Amt für Presse und Öffentlichkeit“) sowie Markus
W. (39 Jahre, „Vizepräsident“) und
„Denise“ Vanessa G. (22 Jahre) aus Sachsen wurden in
Karlsruhe dem Ermittlungsrichter vorgeführt. Dabei stammt Markus
W. gebürtig aus Düren. Andreas H. aus Mülheim an der
Ruhr.
Selbstverständnis und Gewaltphantasien des Terrornetzwerkes
Laut
Eigenbeschreibung der „OSS“ auf der bis zuletzt
öffentlich zugänglichen (sie ist inzwischen gesperrt)
Facebook-Seite seien sie eine „Verbindung
gleichgesinnter Menschen die, die Werte Respekt, Loyalität, Ehre,
Bruderschaft und Toleranz nicht nur als Floskel sehen, sondern diese
Tugenden leben.“ Drohungen gegen Menschen wurden dort offen ausgesprochen: „Eine Kugel reicht nicht aus“. Und um „ungebetene Gäste“ würde sich die Gruppe selbst kümmern. Man „rufe nicht die Polizei“.
Es werden alle möglichen rassistischen Seiten gepostet. Aus
verschiedenen politischen Richtungen. Hogesa steht natürlich hoch
im Kurs. Beiträge von NPD, „Die Rechte“, PI-News,
Pegida und freien neofaschistischen Seiten werden geteilt. Aber auch
Beiträge der „Mainstreammedien“, wenn es ideologisch
passt.
Dass Programm der „OSS“ ist stramm an die historische Ideologie des Nationalsozialismus angelehnt:
„[…]
- Wer als Ausländer in Deutschland nicht arbeitet,
straffällig wird, oder sich Integration Unwillig zeigt wird sofort
Ausgewiesen.
- Rente bleibt generell nur dem Deutschen
Staatsbürger, die keinen ausländischen Hintergrund haben,
Vorbehalten. Alle anderen müssen sich wie ein
Selbstständiger, selbst versichern, somit kann auch keine
Versicherung an schein Kinder Frauen weitergeleitet werden bzw
mitversichert, es sei denn der Versicherte zahlt.
- Des Weiteren müssen sich nicht Deutschstämmige privat Krankenversichern.
- Auch räumen wir ein Asylrecht ein, in besonderen
Fällen, allerdings sehr begrenzt und an Orten die dem Volk nicht
schaden und mit der Auflage unentgeltliche Arbeit zu leisten.
- […]“
Wer da nicht an die Nürnberger Rassengesetze von 1935 denkt…
Geschlossene Chat-Gruppe der „OSS“
Das Titelbild der Facebook-Seite.
Wer nun aber denkt, rassistische und
gewaltverherrlichende Postings gäbe es auf Facebook doch genug
– was ist also so besonderes an der „OSS“, der wird
bei der FAZ fündig:
"Noch
deutlicher ging es in den geschlossenen Chat-Räumen von OSS zu.
‚Da haben die richtig die Sau rausgelassen‘, heißt es
aus Sicherheitskreisen. Ganz offen habe der sich unbeobachtet
fühlende OSS-Zirkel darüber kommuniziert, dass man nicht
länger zuschauen wolle, wie Deutschland weiter vor die Hunde gehe,
dass es nun zu handeln gelte. ‚Der Ekelfaktor der
Äußerungen ist kaum zu überbieten. Die haben sich
gegenseitig aufgestachelt, jeder sollte in seiner jeweiligen Region
etwas machen.‘ Seit Anfang des Jahres sei die Diskussion in dem
geschlossenen Chat-Raum immer konkreter geworden. Zunächst
hätte es demnach um den bewaffneten Kampf gegen islamistische
Salafisten gehen sollen. Das Kalkül sei gewesen, damit
öffentliche Akzeptanz für mögliche Anschläge zu
erreichen. Ob die mutmaßliche Terrorgruppe aber auch schon
konkrete Anschlagsziele oder Anschlagstermine ins Auge gefasst hatte,
ist indes unklar."
Markus W., gebürtig aus Düren
Markus W., einer der beiden Rädelsführer, lebt
zurzeit in Borna in der Nähe von Leipzig. Gebürtig stammt er
aus Düren (bis 2010). Vor seinem Umzug ins Leipziger Umland soll „Markus Wilms der [2012] verbotenen ‚Kameradschaft Aachener Land‘ angehört haben“, so Andrea Röpke im Blick nach Rechts. Nach Angaben von Michael Klarmann vom Lokalen Aktionsplan Aachen war er zeitgleich „im
‚Ordnerdienst‘ des NPD-Kreisverbandes Düren aktiv und
fungierte ab 2005 sporadisch auch als Ordner bei NPD-Infoständen
oder braunen Aufmärschen wie jenen in Stolberg. […]
Für die Partei fungierte er bei den Kommunalwahlen 2009 zudem in
Düren-Stadt und im Kreis Düren als Direktkandidat in zwei
Wahlbezirken, auch war er bei diesen Wahlen Kandidat auf den
Reservelisten der NPD für den Dürener Stadtrat und
Kreistag.“
Nach der Mitgliedschaft in der „Kameradschaft Aachener Land“ sei er „bei
einer Gruppierung ‚Kameradschaft und Loyalität‘ (KL)
aktiv gewesen. Sein Auftauchen in der Region hätte die
Sicherheitsbehörden alarmieren müssen. Zumal ein anderes
KL-Mitglied an der Tötung des Irakers Kamal Kilade in Leipzig im
Jahr 2010 beteiligt gewesen sei“, so Kerstin Köditz (Die Linke) gegenüber dem MDR.
Olaf O., Bochum
Olaf O., Mitte
Olaf O. galt bisher eher als Mitläufer und Maulheld denn als Organisator. Der Messie kommt aus der Rocker- und Hooliganszene und ließ sich immer wieder mal auf Skinhead-Konzerten sehen. „Es gibt Hinweise darauf, dass er sich durch die ‚Hooligans gegen Salafisten‘ radikalisiert hat“, so das Blog ruhrbarone.de.
„Ogorek nannte
sich „Olli Ruhrpott“ und hatte nach eigenen Angaben das
‚Amt für Presse und Öffentlichkeit‘ inne. Im
Dezember 2011 nahm er als Ordner an einer Demonstration mit Christian
Worch in Köln teil“, ergänzt Andrea Röpke im Blick nach Rechts [s.o.].
Die „OSS“ „vor Ort“. Hier: Naziaufmarsch von „Die Rechte“ am 28. März in Dortmund.
Als Pressereferent war Olaf O. wohl der Fotograf der
Gruppe: Es gibt auf der Facebook-Seite der „OSS“ zwei
große Fotogalerien: Zunächst natürlich die
obligatorische Fotogalerie vom Hogesa-Aufmarsch im Oktober 2014 in
Köln. Zum anderen war die „OSS“ nach eigenen Angaben
am 28. März 2015 in Dortmund beim Naziaufmarsch von „Die
Rechte Dortmund“.
Andreas H., Augsburg
Der mittelständische Unternehmer, Waffennarr und
„Präsident“ der „OSS“ Andreas H. aus
Augsburg kommt auch aus NRW: „Hafemann stammt aus Mülheim an der Ruhr“, so Andrea Röpke im Blick nach Rechts [s.o.]. Er ist bei Facebook mit bekennenden, gewaltbereiten Neonazis und „bayerischen
NPD-Politikern wie Karl Richter und Manfred Waldukat oder mit Jörg
Uckermann, einst bei der rechtsextremen Bürgerbewegung pro NRW
aktiv“ befreundet, so die Mittelbayrische Zeitung.
Schwerpunkt NRW
Ob sich die drei Männer schon zu ihrer Zeit in NRW
kennengelernt haben, ist nicht bekannt. Aber es fällt schon auf,
dass drei der vier Verhafteten Wurzeln in NRW haben. Bekannte Besuche
von Demonstrationen sind nur aus NRW bekannt: Das sind Hogesa 2014 in
Köln und der Aufmarsch von „Die Rechte“ am 28.
März in Dortmund. Nur ihr „Familientreffen“ fand in
Borna statt. Es fallen Namen aus dem gesamten rechtspopulistischen und
neofaschistischen Spektrum: Von pro NRW (Facebook-Kontakt von Andreas
H.: Jörg Uckermann, Ex-proNRW) über Pegida (Lobhudeleien auf
der Facebook-Seite von der „OSS“) und Hogesa
(„OSS“ war 2014 in Köln dabei; Fotogalerie) bis zur
NPD (Markus W. war bei den Kommunalwahlen NRW in 2009 Kandidat der NPD)
und „Die Rechte“ (Neonazi-Aufmarsch am 28. März in
Dortmund; Fotogalerie)…
„Rechte Deppen haben eine Bombe gebaut und der Verfassungsschutz wollte einen Arbeitsnachweis liefern“ (telepolis)
Auch wenn „es sich bei ihnen um Personen, die nicht über eine hohe Intelligenz verfügen, sondern eher dumpf sind“, handelt, wie Burkhard Freier, der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, gegenüber der WAZ
äußert, darf man die „OSS“ nicht
unterschätzen. Schließlich gab es über das interne
Chat-Forum wohl konkrete Absprachen für das Wochenende und Freier
befürchtete: „Wir hatten wegen ihrer Gewaltfantasien Sorge, dass sie völlig durchdrehen“!
Anschlag am Wochenende geplant
„Die
Nachrichtenagentur dpa meldet, die Gruppe habe ein Attentat am
kommenden Wochenende geplant. Das sei aus der internen Kommunikation
hervorgegangen, die abgehört wurde. Das erfuhr die dpa aus
Sicherheitskreisen. Mit den von der OSS geplanten Bomben hätten
demnach Menschen verletzt oder getötet sowie Gebäude stark
beschädigt werden“, so die Mittelbayrische Zeitung.
Hat der VS etwa gelernt aus dem NSU?
Es liest sich oft in den Medien wie ein gewollter
„Arbeitsnachweis“ für den Verfassungsschutz. Aber
nein: Es gab eine konkrete Bedrohung! Ob der VS aus dem NSU gelernt
hat? Wer weiß das? Schließlich haben es die Mitglieder des
Terrornetzwerkes „OSS“ dem VS durch ihre Verknüpfung
mit einer offenen Facebook-Gruppe auch arg einfach gemacht…
Jan Große Nobis
VVN-BdA Bochum zum Rechtsterror
Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes –
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten /VVN-BdA) Bochum ist
entsetzt, dass in Bochum ein Ableger der faschistischen Organisation
OSS (Old School Society) existiert. Es ist offensichtlich, dass es in
Bochum einen Unterstützerkreis für den Naziterror gibt. Es
ist zu einfach zu meinen, dass der kürzlich Festgenommene in
Bochum allein für die OSS und etliche andere faschistische Gruppen
aktiv war. Wir erinnern an den großen Unterstützerkreis der
Hogesa in Essen. Auch die zahlreiche Morde des NSU sollten mahnen,
dringend nach weiteren potenziellen OSS-Mitgliedern und Sympathisanten
der Naziszene auch in Bochum zu fahnden. Zu oft haben sich Polizei und
Staatsanwaltschaft schon auf den berühmten Einzeltäter
festgelegt. Der jetzt festgenommene Olaf O. soll ja auf der inzwischen
abgeschalteten Homepage der OSS mit zahlreichen Freunden zu sehen sein
(vgl. WAZ vom 7.5.2015). Außerdem soll er bei zahlreichen
Naziaufmärschen anderer faschistischer Organisationen gewesen sein.
Es ist beschämend, dass am 8. Mai 2015, dem 70
Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, an derartige Vorgänge
erinnert werden muss.
Die VVN-BdA Bochum fordert energische Maßnahmen
gegen den Neofaschismus und deren Hintermänner und -frauen in
Springerstiefeln und in Nadelstreifenanzüge.
Siehe auch:
Aus der Kommentarspalte in den bewaffneten Kampf – ein Hintergrundartikel zum OSS
http://wutimbau.ch/article/aus-der-kommentarspalte-in-den-bewaffneten-kampf-ein-hintergrundartikel-zum-oss/
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