Logo VVN/BdA NRW

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

31.03.2015

Gedenken an Thomas „Schmuddel“ Schulz

Empörung über eine Gerichtsurteil zugunsten der Mörder

Am 28. März jährte sich zum zehnten Mal der Tod von Thomas Schulz, einem Punk, genannt Schmuddel. Er wurde von einem 17jährigen Nazi erstochen. Zur Erinnerung an diese Tat sind rund 700 Nazis mit Genehmigung der Justiz in Dortmund aufmarschiert, um die Opfer der Neonazis zu verhöhnen. Zugleich fanden Protestaktionen dagegen statt, an denen über 2000 Menschen beteiligt waren. Im Rahmen der Veranstaltungen des Tages riefen das Bündnis Dortmund gegen rechts und die VVN-BdA am Tatort des Mordes an der U-Bahnstation Kampstraße zu einer Gedenkveranstaltung auf. Für die Veranstalter sprach Ula Richter vor rund 300 Antifaschistinnen und Antifaschisten. Sie sagte:

Ich begrüße Sie/Euch im Namen des Bündnis Dortmund gegen Rechts und der VVN/BdA Dortmund zu einer Gedenkveranstaltung für den Punk und Nazigegner Tomas Schulz

Heute, am 28. 3. 2015 jährt sich der Todestag von Thomas Schulz., der von dem Nazi-Skin Sven Kahlin durch einen gezielten Stich ins Herz getötet wurde. An diesem 28. 3. dürfen Nazibanden durch Dortmund marschieren und diese Schandtat ihres Kameraden Sven Kahlin außerdem mit einem Nazi-Konzert feiern. Eine ungeheure Provokation, für alle, die Tomas Schulz nahe standen, für alle Demokrat/innen und Antifaschist/innen.

28. 3. 2005: „Schmuddel“ ist mit Freunden zu einem Konzert unterwegs, als die Gruppe hier auf der Rolltreppe auf Sven Kahlin, Mitglied der Skinheadfront Dorstfeld, und seine Freundin treffen. Die Pöbeleien und Beschimpfungen des Nazis will Schmuddel nicht hinnehmen und stellt ihn zur Rede, ohne zu wissen, dass der bereits sein Messer gezogen hat. Mit einem gezielten Stich ins Herz wird Schmuddel tödlich verwundet und stirbt am gleichen Abend in einem Krankenhaus.

Während Freunde von Schmuddel trauern, feiert der braune Mob diese „Heldentat“. „Die Machtfrage wurde gestellt  und für uns befriedigend beantwortet. Dortmund ist unsere Stadt!“ steht auf ihren Aufklebern und auf ihren Plakaten, die sie vor der großen Antifa-Demo für Schmuddel massenhaft kleben, heißt es: „wer der Bewegung im Wege steht, muss mit den Konsequenzen rechnen.“ Und der berüchtigte SS-Siggi postet: „Täter sind keine Opfer. No tears for punks!“ Zynismus und Menschenverachtung, die auf der verbrecherischen Ideologie des Faschismus fußen.

Empörend das Gerichtsurteil damals: keine politische Straftat, kein Mord, sondern eine spontane Tat aus plötzlicher Wut und Verärgerung erkannten die Richter und verpassten dem „spontanen Wüterich“ eine Jugendstrafe von 7 Jahren, von denen zwei Jahre wegen guter Führung und guter Sozialprognose abgezogen wurden.

Wir kennen den weiteren Werdegang dieses Unschuldslammes: Überfälle, Prügeleien, schwere Misshandlungen von türkischen Jugendlichen. Motiv: Hass auf alle Andersdenkenden, maßloser Rassenhass.

So empörend das Gerichtsurteil damals, so empörend das Gerichtsurteil heute: Die Bewunderer dieses Mordbuben Sven Kahlin, die Menschenverächter und gewaltbereiten Rassisten, die Woche für Woche vor den Flüchtlingsheimen ihren Rassenhass heraus grölen, dürfen heute marschieren.

Die Richter haben durch zwei Instanzen das Demo-Verbot des Polizeipräsidenten aufgehoben. Ihre Begründung dafür ist meiner Kenntnis nach einmalig in der Geschichte der Rechtsprechung nach 1945 und öffnet dem Nazi-Unwesen Tor und Tür.

Wörtlich heißt es: die Verbreitung von Nationalsozialistischen Gedankengut ist von der Versammlungsfreiheit geschützt, soweit die Strafbarkeitsschwelle nicht überschritten wird.

Die Schandtaten der Dortmunder Nazis, der Mord an Tomas Schulz sind aber genau auf diesem nationalsozialistischen Gedankengut gewachsen, das die Herren Richter unter der Strafbarkeitsschwelle sehen.

Deshalb sagen wir: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

Die faschistische Ideologie ist verbrecherisch und gebiert Verbrechen. Sagen wir es mit Bertolt Brecht: Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!

Das Urteil der Richter aber ist ein Anschlag auf die Demokratie. Es missachtet den antifaschistischen Konsens des Grundgesetztes. Im Art. 139 GG ist nämlich festgehalten, dass die Bestimmungen des Potsdamer Abkommens ihre Gültigkeit behalten, nach denen auch die Nachfolgeorganisationen der NSDAP und das verbreiten nationalsozialistischen Gedankengutes verboten und unter Strafe zu stellen sind.

Dieses Gerichtsurteil ist ein Paradigmenwechsel in der bundesdeutschen Rechtsprechung, das faschistischem und rassistischem Gedankengut Tür und Tor öffnet und die rechtesten Kräfte im Lande stärken wird. Ein Urteil, wie auf Bestellung, weil man in den härter werdenden sozialen Kämpfen den braunen Mob noch brauchen wird?

Wie rechts sind die heutigen Richter, wie weit unterwandern Neonazis, deren klügere Köpfe Jura studieren, bereits die Gerichte?

Tomas Schulz ist einer von fünf Naziopfern in Dortmund. Die drei von Michael Berger erschossenen Polizist/innen bekamen ähnlich widerliche Nachrufe wie Thomas Schulz. „Berger war ein Freund von uns. 3 zu 1 für Deutschland. Ich kann mich nicht erinnern, dass die Dortmunder und Waltroper Polizei dieses Verbrechen politisch gewertet haben, und den „Freundeskreis“ von Berger unter die Lupe genommen hätte.

Auch die Aufklärung des fünften Mordes ist eher Vernebelung bis auf den heutigen Tag. Den üblen Verdächtigungen, denen die Familie Kubasik über Jahre ausgesetzt war, folgte die Erkenntnis, dass Mehmet Kubasik ein Opfer des NSU geworden war. Aber wieso sich der NSU ein Opfer in Dortmund ausgesucht hatte, woher die Mörder die Mallinckrodtstr. kannten und den kleinen Kiosk, woher sie die Lebensumstände des türkischen Familienvaters kannten? Schleierhaft!

Dem naheliegenden Gedanken, dass solche Kenntnisse nur über Kontakte zur Dortmunder Naziszene kommen können, - wird dem nachgegangen? Bekannt ist, dass die Dortmunder braune Szene Kontakt zum verbotenen „blood and honor“ hatte oder hat, auch zum „combat 18“, dem bewaffneten Arm von „Blood and honor“, der sogar einen Ableger in Dortmund unterhielt, beides Terrororganisationen, die auch mit dem sog. „Thüringer Heimatschutz und dem NSU verbunden waren, müssten da nicht alle Alarmglocken klingeln?

Der endlich eingesetzte Untersuchungsausschuß NRW, dessen Vorsitzende wegen nicht öffentlich gemachter  Kontakte zu Michael Berger zurücktreten musste, hat seine Arbeit immer noch nicht begonnen.

Der Münchener Prozess mit seiner zu bezweifelnden Annahme lediglich eines Tätertrios, mit einer schweigenden Hauptangeklagten und Zeugen, die sich nicht erinnern können oder wollen, und fließenden Grenzen zwischen V-Leuten und Nazis: eine Qual für die Opferfamilien, eine Zumutung für alle, die Aufklärung erwarten.

Die gesamte Naziszene wird’s freuen, der Demokratie erwächst ein nicht abzusehender Schaden.

+ Wir fordern Aufklärung der Verbrechen des NSU, Aufklärung und Verfolgung seiner Kontakte zur Dortmunder Naziszene!

+ Wir fordern die Justiz auf, Verunglimpfungen der Naziopfer, gewalttätige Übergriffe auf Demokrat/innen und Tötungsdelikte der Nazis als politische Straftaten zu verfolgen und zu verurteilen!

+ Wir fordern das Verbot der Partei „Die Rechte“ und aller Naziorganisationen!

+ Wir fordern eine Gedenktafel für den Nazi-Gegner Thomas Schulz!