31.03.2015
Warum schützt die Polizei – und die Justiz - Neonazi-Zusammenrottungen?
Rede von Jürgen Schuh in Düsseldorf
Auf einer Kundgebung vor dem
Düsseldorfer Polizeipräsidium hat VVN-BdA-Kreissprecher
Jürgen Schuh an die Grundlagen von Verfassung und Völkerrecht
von 1945 erinnert und nachgewiesen, dass der Schutz von Nazis durch
Polizei und Justiz verfassungswidrig ist.Er sagte:
Montag für Montag schützt die
Düsseldorfer Polizei mit einem ca. 1000 bis 1200 umfassenden
Aufgebot eine Zusammenrottung von max. 50 bis 80 ausgewiesenen
neofaschistischen Schlägern. Attackiert und festgenommen werden
Antifaschist/innen, die sich diesem Mob in den Weg stellen.
“Deutsche Polizisten schützen die Faschisten“, schallt mit Recht den vom Staat missbrauchten Beamten entgegen.
Der Polizeipräsident Wesseler sagt: Es geht um den
Schutz des hohen Rechtes der Versammlungsfreiheit. Dummes Zeug. Bei
linken Demonstrationen wird der „Schutz des hohen Rechtes der
Versammlungsfreiheit“ ganz anders bewertet.
Jeder dieser Polizeieinsätze könnte von den
geschätzten Kosten eine Grundsanierung einer der Düsseldorfer
Schulen ausmachen.
Kann die Polizei, die Verwaltung, der Innenminister nun
wirklich nichts anderes tun, als diese Neonazis-Zusammenrottungen zu
schützen?
Liebe Freundinnen und Freunde,
Kameradinnen und Kameraden,
Genossinnen und Genossen,
was ich als Vorbemerkung am 8. Dezember 2014 vor dem
Landtag NRW zitiert habe, gilt nach wie vor. Es heißt in
„DIE ALLGEMEINE ERKLÄRUNG DER MENSCHENRECHTE“, der
Resolution 217 A (III) der Generalversammlung der Vereinten Nationen
vom 10. Dezember 1948:
Artikel 14:
1) Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen“.
Artikel 18:
Jeder hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- Religionsfreiheit; dieses
Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder seine
Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder
seine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen,
öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst
und Kulthandlungen zu bekennen.“
Diese Erklärung wurde unter dem unmittelbaren
Eindruck des Faschismus in Paris im Dezember 1948 von den Vereinten
Nationen einstimmig beschlossen. Daran halten sich allerdings weder die
Neonazis noch die mit ihnen verbandelten Rechtskonservativen der AfD
noch die Mehrheit der Bundestagsparteien.
Der damalige Polizeipräsident Schenkelberg antwortete auf den Brief der VVN-BdA Düsseldorf am 15.5.2006 so:
“Ich kann sehr gut
nachvollziehen, dass das organisierte Auftreten von Rechtsextremisten
in unserer Stadt für viele ... nur schwer zu ertragen ist. ...
Aber: als Polizeipräsident muss mein Blickwinkel ein anderer sein;
Das Grundgesetz schützt alle Versammlungen, und zwar ohne
inhaltliche Bewertungen des Anliegens ... das hat das
Bundesverfassungsgericht in vielen Entscheidungen deutlich gemacht ...
. Der Schutz des Grundgesetzes erstreckt sich damit auch auf
Versammlungen und Demonstrationen von Rechtsextremisten, wenn die
öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht unmittelbar und konkret
gefährdet wird.“
Unserer Gegendemonstration wünschte Herr Polizeipräsident Schenkelberg „viel Erfolg“, kündigt allerdings an „gegen diejenigen, die sich nicht an die demokratischen Spielregeln halten, konsequent vorzugehen.“
Wie meint er das? Die wirklichen „Spielregeln“ sind in Artikel 139 des Grundgesetzes vom 23. Mai 1949 völkerrechtlich festgeschrieben:
“Die zur
‚Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und
Militarismus’ erlassenen Rechtsvorschriften werden von den
Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.“
Diese Rechtsvorschriften sind das bekannte „Potsdamer Abkommen“, unterschrieben am 10.
Oktober 1945 von P. Koenig, Armeekorps-General; W. D. Sokolowski,
General der Armee; D. D. Eisenhower, General der Armee und B. H.
Robertson, Generalleutnant.
Darin heißt es: „Der
deutsche Militarismus und Nazismus werden ausgerottet, und die
Alliierten treffen nach gegenseitiger Vereinbarung in der Gegenwart und
in der Zukunft auch andere Maßnahmen, die notwendig sind, damit
Deutschland niemals mehr seine Nachbarn oder die Einhaltung des
Friedens in der ganzen Welt bedrohen kann.“
In diesem Dokument unter dem Titel: “Auflösung und Liquidierung von Naziorganisationen“
heißt es unter Artikel I:
1) Die
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, ihre Gliederungen, die
ihr angeschlossenen Verbindungen und die von ihr abhängigen
Organisationen, einschließlich der halbmilitärischen
Organisationen und aller anderen Nazieinrichtungen, die von der Partei
als Werkzeuge ihrer Herrschaft geschaffen wurden, sind durch
vorliegendes Gesetz abgeschafft und für ungesetzlich erklärt.
2) Diejenigen
Naziorganisationen, die auf der Liste im Anhang aufgeführt sind,
oder solche, die außerdem zusätzlich bezeichnet werden
sollten, sind ausdrücklich aufgelöst.
3) Die Neubildung
irgendeiner der angeführten Organisationen, sei es unter dem
gleichen oder unter einem anderen Namen, ist verboten.
Unter Artikel IV heißt es ergänzend:
Jeder, der irgendeiner Bestimmung des vorliegenden Gesetzes zuwiderhandelt, setzt sich strafrechtlicher Verfolgung aus.
Der Artikel 139 ist nach wie vor Bestandteil des verbindlichen und gültigen Grundgesetzes.
Willy Brandt erklärte noch in seiner Rede vor dem
Plenum der UNO zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den
Vereinten Nationen 1973:
„Das
ausdrückliche Verbot von neonazistischen Organisationen und
gleichfalls die Vorbeugung gegenüber neonazistischen Tendenzen
folgen aus dem Grundgesetz mit der Wirkung, dass die von den alliierten
und deutschen Stellen erlassene Gesetzgebung zur Befreiung des
deutschen Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus weiterhin in
Kraft ist.“
Dies besagt schlicht: neonazistische Organisationen
müssen nicht verboten werden, sondern sind verboten. Sie
müssen aufgelöst werden. Sie sind illegal. Und deshalb
widersprechen wir Polizeipräsident Schenkelberg (Interview in der
Rheinischen Post vom 25. Mai 2006) als Antifaschist/innen
grundsätzlich, wenn er sagt: „...solange
es keinen begründeten Anlass für ein Verbot (von
Neonazis-Aufmärschen) gibt, werde ich mich daran halten. Und ich
erwarte ehrlich gesagt gerade von Antifaschisten, dass sie dem
zustimmen. Schließlich haben gerade sie in der Geschichte erlebt,
was geschieht, wenn Polizei sich nicht an Recht und Gesetz
hält.“
Und dann wurde der Artikel 139 GG entsorgt
Theodor Maunz, ein hochkarätiger Nazi-Jurist, beschrieb seine Rechtsauffassung so:
“Der oberste Plan des Führers ist oberstes Rechtsgebot.“
Der überzeugte Nazi-Jurist Maunz setzte nach 1945
seine Karriere ungebrochen fort. Professor Maunz wurde bayerischer
Kultusminister. Er starb hochgeehrt mit 92 Jahren, und die
Süddeutsche Zeitung schrieb zum 90. Geburtstag: „Seine
verfassungsrechtliche Arbeit in den fünfziger und sechziger Jahren
hat dazu beigetragen, die Grundlagen für ein demokratisches
Deutschland zu schaffen.“
Otto Köhler, der oft für „Ossietzky“ schreibt, brachte es an den Tag:
Es war die rechtsextremistische Deutsche Nationalzeitung, die sehr bewusst den Irrtum über Maunz und über das demokratische Deutschland aufklärte. „Deutschland verlor seinen größten Rechtsgelehrten“, titelte sie und fuhr unmittelbar fort, „Dr. Frey seinen wunderbaren Wegbegleiter.“ Bis zum 91. Lebensjahr hatte Maunz der von der National-Zeitung-Herausgeber angeführten „Deutschen Volksunion“ mit juristischen Gutachten geholfen, jahrzehntelang traf er sich einmal in der Woche mit Frey „zu einer stundenlangen Besprechung aller zentralen politischen und juristischen Fragen“. Ohne seine juristische Beihilfe hätte die Neonazi-Partei nicht so viele Prozesse gewonnen.
Aber Theodor Maunz, des „Teufels Jurist“,
schrieb die Abendzeitung, musste irgendwann gehen. Aber zuvor brachte
er mit Hilfe seines Schülers, dem Chef des
Bundesverfassungsgerichts a.D. und ehemaligen Bundespräsidenten
Roman Herzog den „Maunz“ heraus. Den für alle Juristen
gültigen Kommentar zum Grundgesetz. Dazu sagt Otto Köhler:
“Dort (im Grundgesetz)
gab es – und gibt es eigentlich noch immer – einen Artikel
139, der die Fortgeltung des Verbots der NSDAP betrifft. Dieses
Artikels nahm sich Roman Herzog an: ‚Bei seinem Inkrafttreten
fand das GG eine beträchtliche Anzahl von alliierten und deutschen
Rechtsvorschriften vor, die sich mit der sog. Befreiung des deutschen
Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus, kurz mit der sog.
Entnazifizierung befassten’.
Damit musste nun Schluss sein. Der spätere Bundespräsident Herzog verfügte im Grundgesetzkommentar:
‚Mit dem Abschluss der sog. Entnazifizierung ist Art.139 obsolet geworden’.“
1982 also verfügte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Roman Herzog die „Entnazifizierung für abgeschlossen“ und die Deutsche Nationalzeitung konnte sich „an der Spitze des höchsten deutschen Gerichtes keinen geeigneteren Fachmann als Prof. Herzog“ vorstellen.
Kein Politiker hat sich bisher getraut, an den Artikel 139 des Grundgesetzes Hand anzulegen.
Die Drecksarbeit machte Bundespräsident Roman
Herzog. Damit hat er dem Deutschen Bundestag faktisch die wesentliche
Möglichkeit entzogen, dem offenen Treiben neonazistischer Banden
Einhalt zu gebieten.
Der Dank der Neonazis ist ihm gewiss.
Herr Herzog hat damit auch dem noch amtierenden
Polizeipräsidenten Wesseler freie Hand gegeben, den Neonazis jeden
Montag in Düsseldorf den Weg mit 1000 Polizeibeamtinnen den
Weg freizuknüppeln und der Frau Geilhausen von der Rheinischen
Post die Argumente zu liefern, „dass die Gegendemonstration (gegen Dügida) von Extremisten des linken Lagers missbraucht wird“. In der Pressemittteilung der Neonazis heißt es dann auch wohlwollend: „Die
Polizei ist in Düsseldorf zudem wesentlich kooperativer und
freundlicher. Sie regelt den Zustrom der Teilnehmer am Hauptbahnhof
Düsseldorf besser. Das heißt, keine autonomen Störer
befinden sich montags im Eingangsbereich des Hauptbahnhofs und
versperren Ausgänge. Die Polizei duldet dort keinen
Spießroutenlauf für bürgerliche Teilnehmer unserer
Kundgebung.“
In Düsseldorf trifft sich nicht nur der
neonazistische Mob. Hier trifft sich auch die konservative Mitte. Im
bürgerlichen Parteienspektrum sind ernsthafte Konsequenzen zu
vermissen. Der CDU-Sozialexperte Jens Span: „Aber es nervt, wenn SPD und Grüne jeden kleinen Kontakt zur AfD skandalisieren …!“ Der Düsseldorfer CDU-Chef Thomas Jarzombek: „Die angegebenen Ziele der Dügida sind auf dem Boden der Verfassung, auch wenn wir nicht alle Thesen teilen.“
Die kürzlich erschienene Kolumne von Reinhold Michels in der RP gegen Bundesjustizminister Heiko Maas stimmt bedenklich: „Eine
Schande für das Land ist schon eher ein Verfassungsminister (der
Verfassungsminister ist der Innenminister – die Red.), der
friedliche, verfassungskonforme Demonstrationen (ohne Steinewerfer)
für schandbar hält.“
Dem sächsischen Innenminister Markus Ulbich ist
entschieden zu widersprechen, wenn er angesichts dieser neonazistischen
Zusammenrottungen erklärt: „Ich
halte es für gefährlich, wenn hier die üblichen
Antifa-Reflexe kommen. Ich denke, man kann bei dieser Konstellation
nicht pauschal gegen Demonstranten sein, die ihre Meinung sagen.“
Solche Äußerungen sprechen entweder für
Dummheit, Ahnungslosigkeit oder sind Ausdruck hemmungsloser Demagogie
oder verdeckter Sympathie für rechte Demagogen.
Aus dem vorher gesagten ergibt sich zwingend nur folgender Schluss:
Um den rassistischen, nationalistischen,
neofaschistischen Spuk auf unseren Straßen zu beenden, geht es
nicht um können sondern um wollen!
Und am WOLLEN hapert es bei den Polizeipräsidenten
von Dresden bis Düsseldorf, den Innenmister/innen des Bundes und
der Länder, den diversen Verwaltungsrichter/innen, den
Politiker/innen der bürgerlichen Parteien auf Bundes-, Landes und
kommunalpolitischer Ebene. Sie alle wollen sich nicht aus dem Fenster
gegen Rechts legen. Sie alle würden sich ja selbst ins Knie
schießen. Denn: ausländerfeindliche Politik ist längst
in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen.
Für meine Organisation, der Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und
Antifaschisten sage ich klar und eindeutig:
„Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!“
Die alte Losung der Internationalen Brigaden, die in
Spanien 1936 gegen den faschistischen Putschgeneral Franco
kämpften, gewinnt heute abend und hier neue Aktualität:
“NO PASARAN! – Lasst sie nicht durch!“
Für diese Politganoven und ihre heimlichen
Sympathisanten in den bürgerlichen Parteien, in den Medien und in
den Gerichten ist in Düsseldorf kein Platz!
Wir rufen den Neonazis und ihrem Fußvolk zu: Haut ab!
Jürgen Schuh
Kreissprecher der VVN-BdA Düsseldorf
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