Logo VVN/BdA NRW

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

19.03.2015

Skandalöse Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen

Justiz als Helfer der Dortmunder Naziszene

Am 28. März 2015 wird es in Dortmund antifaschistische Aktionen und ein Gedenken an den von Nazis vor zehn Jahren ermordeten Punk Thomas Schulz geben, aber – Dank Gelsenkirchener Verwaltungsgericht – auch eine Nazifeier für diesen Mord. Dazu erklärte VVN-BdA-Bundessprecher Ulrich Sander:

Laut Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gilt neuerdings dies: „Auch das öffentliche Auftreten neonazistischer Gruppen und die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts in öffentlichen Versammlung – ‚soweit sie die Strafbarkeitsschwelle nicht überschreiten‘ – sei durch die Versammlungsfreiheit geschützt.“ Somit dürfen Dortmunds Neonazis den zehnten Jahrestag eines Nazimords an einen Punk öffentlich feiern.

Im Jahre 2000 erschoss ein Dortmunder Neonazi drei Polizistinnen und Polizisten und sich selbst. „Er war einer von uns“, schrieben Neonazis später in anonymen Flugblättern. Trotz dieses Bekenntnisses wurden die Polizistenmorde nie zu Ende recherchiert. Einer der NSU-Morde von 2006 steht offenbar mit der Dortmunder Szene im Zusammenhang, was nie aufgeklärt wurde. Und was nun andernorts für Entsetzen sorgte, die bedrohlichen Aufmärsche vor Wohnhäusern ihrer Opfer, ist in Dortmund gang und gäbe. Fast täglich findet vor einer Flüchtlingsunterkunft derzeit ein Naziaufmarsch statt.

Lang ist es her, dass höchste Gerichte so entschieden: „Rechte Aufmärsche, die von einem Bekenntnis zum Nationalsozialismus geprägt sind, müssen nach Ansicht des Präsidenten des NRW-Oberverwaltungsgerichtes, Michael Bertrams, verboten werden. Eine rechtsextremistische Ideologie sei von Grundgesetz von vornherein ausgeschlossen und lasse sich auch mit Mitteln des Demonstrationsrechtes nicht legitimieren.“ (DPA am 26. März 2001)

Derartiges wird nun durch Karlsruhe verhindert.

Allerdings gab es auch dies: Nachdem die Nazis den Antikriegstag zu vereinnahmen versuchten („Nie wieder Krieg – nach unserm Sieg“), belebte der DGB sein Friedensengagement. Seit Jahren finden mehrtägige Aktionen des DGB am Hauptbahnhof zum Antikriegstag 1. September statt.

Im Zusammenhang mit dem Tod von Ex-Bundespräsident von Weizsäcker wurde oft daran erinnert, dass er 1985 von dem 8. Mai 1945 mutig als Tag der Befreiung sprach. Dieser Begriff steht jedoch seit 1948 in unserem Grundgesetz. Der Artikel 139 des Grundgesetzes bestimmt: „Die zur ‚Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus‘ erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmung dieses Grundgesetzes nicht berührt.“

Also handeln wir danach.

Die Pressemitteilung des VG Gelsenkirchen:

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: Verbot „rechter“ Demonstration in Dortmund rechtswidrig.

17.03.2015

Mit Beschluss vom heutigen Tage hat die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen auf Antrag des Landesverbandes NRW der Partei „DIE RECHTE“ die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen das vom Dortmunder Polizeipräsidenten verhängte Verbot eines Demonstrationsmarsches am 28. März 2015 in Dortmund wiederhergestellt. Die Versammlung kann nach dieser Entscheidung daher stattfinden.

Die Verbotsverfügung des Polizeipräsidenten stellt sich als rechtswidrig dar, weil sie den Anforderungen, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - auch gerade zu Verboten „rechter“ Demonstrationen in Dortmund - entwickelt wurden, nicht entspricht.

Zunächst stellte die Kammer in der Begründung der Entscheidung fest, dass der angemeldete Demonstrationszug, entgegen der in der Verbotsverfügung geäußerten Auffassung des Polizeipräsidenten, durch die Versammlungsfreiheit geschützt ist. Aus den politischen Zielen der Partei „DIE RECHTE“ und deren in der Verbotsverfügung zutreffend dargestellter, gerade in Dortmund immer deutlicher zu Tage tretender Radikalisierung und Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung könne nicht der Schluss gezogen werden, die angemeldete Demonstration unterliege nicht mehr dem Schutzbereich der im Grundgesetz garantierten Versammlungsfreiheit. Allein der Umstand des öffentlichen Auftretens neonazistischer Gruppierungen und die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts in öffentlichen Versammlungen und Aufzügen, soweit sie die Strafbarkeitsschwelle nicht überschreiten, führt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht dazu, dass eine Versammlung von diesem Schutzbereich ausgeschlossen werden könnte.

Das Vorliegen von Verbotsgründen aus dem Versammlungsgesetz für die konkret angemeldete Demonstration wurden durch den Polizeipräsidenten nicht ausreichend durch Tatsachen belegt. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass es in der Vergangenheit in Dortmund immer wieder zu Übergriffen und Ausschreitungen gekommen ist, die zweifellos der „rechten Szene“ in Dortmund zuzurechnen sind und ihren Ursprung im Umfeld der Partei „DIE RECHTE“ haben dürften.

Der Polizeipräsident hat jedoch weder in der Begründung seiner Verbotsverfügung noch in seiner Antragserwiderung tatsachengestützte Anhaltspunkte benannt, aus denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann, dass der angemeldete Demonstrationszug die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Versammlungsverbot erfüllt.

Insbesondere wurde das zentrale Argument der Verbotsverfügung, das angemeldete Versammlungsthema sei lediglich vorgeschoben und in Wahrheit sei beabsichtigt, anlässlich des 10. Todestages des von einem Dortmunder Rechtsextremisten erstochenen Thomas Schulz dessen Persönlichkeit zu verunglimpfen und das Gedenken an ihn zu stören, nach Auffassung der Kammer nicht tragfähig belegt.

Des weiteren wurden in der Verbotsverfügung die Möglichkeiten, der befürchteten Störung der öffentlichen Ordnung durch Auflagen zu begegnen,  nicht ausreichend in Erwägung gezogen.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein - Westfalen eingelegt werden.

Die Entscheidung wird in Kürze unter www.nrwe.de veröffentlicht.

Über das Verbot einer Versammlung des Bundesverbandes der Partei „DIE RECHTE“ mit Rechtsrock-Konzert ebenfalls am 28. März 2015 in Dortmund-Dorstfeld wird die Kammer in Kürze entscheiden.

Aktenzeichen: 14 L 474/15

© Der Präsident des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, 2015