03.03.2015
„Der Name beleidigt
die Toten“
Französische
Antifaschisten sind empört über den Namen
„Karl Theodor Molinari“ der Bildungseinrichtung
für Bundeswehrsoldaten.
Von Georges Hallermayer
Auch Deutsche können sich einer Petition
anschließen, mit der die Tilgung des Namens der
Bundeswehrverbandstiftung für die Bildung der Soldaten
„Karl Theodor Molinari“ verlangt wird.
Hier die Adresse: http://www.vireux-rive-gauche.fr/index.php?post/2014/09/03/Petition-pour-exiger-la-dissolution-de-la-fondation-KTMS.
Dazu berichtet der deutsch-französische
Journalist Georges Hallermayer:
Der Deutsche
Bundeswehrverband DBwV betreibt seit
über 25 Jahren die Karl-Theodor-Molinari-Stiftung als
Bildungswerk. Über den Namensgeber teilt der DBwV mit, dass er
Generalmajor der Bundeswehr und der erste Bundesvorsitzende des
Verbandes war. Dass Molinari im Juni 1944 als Kommandeur eines
Panzerregiments in einem Wald nahe Les Hauts Buttés in den
Ardennen 106 französische Resistance-Kämpfer
erschießen ließ und deswegen 1951 in Frankreich in
Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde, erwähnt beim DBwV
niemand.
Rene Vissè (77), ein
französischer kommunistischer Politiker aus den
Ardennen, ist empört: „Der Name beleidigt
die Toten“, zitierte ihn die regionale Tageszeitung
L‘Union am 22. August 2014. Und René
Vissé schrieb an den französischen
Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian, denn „der Skandal
dauert schon viel zu lange.“
Kasernennamen der Bundeswehe kamen in den letzten
Jahren ins Gerede, manche wurden geändert. Die Benennung der
Kasernen liegt juristisch bei den Soldaten, klärte 1999
Vizeadmiral Hans Frank, stellvertretender Generalinspekteur, die beim
Bundeswehrverband versammelten Generale und Obersten sowie
Spitzenbeamten auf.
Pikanterweise gehört auch Karl-Theodor
Molinari (1915-1993), Namensgeber für die gleichnamige
Stiftung, die 1999
das Traditions-Forum ausgerichtet hatte, zu den Gründern. Er
war nicht nur Ritterkreuzträger - den Orden erhielt er
für seine „Tapferkeit“, so der Oberst
Gertz von der Stiftungsleitung -, sondern auch Korpschef der Bundeswehr
in Mainz. Was der Oberst vergaß: Molinari mußte
einst aus dem Verkehr gezogen werden, weil er in Belgien und Frankreich
wegen Kriegsverbrechen gesucht wurde.
Protest wird
reaktiviert
René
Vissé gibt auch mit 77
Jahren keine Ruhe. Seine 2008 erschienene Biographie zeichnet ihn als
kommunistisches Urgestein: Fünfmal in den Generalrat von
Monthermé (Ardennes) gewählt, vertrat er bis 2004
auch im Regionalrat Ardennen die Interessen der kleinen Leute,
während drei Jahre auch als Abgeordneter in der
Nationalversammlung. Er verschrieb sich besonders dem
französischen Widerstand - sein Vater wurde von den Nazis
deportiert. Deshalb sein Engagement gegen den Namen Molinari.
Er stützt sich auf eine Studie von Roland
Pietrini, der aus Gründen der Ethik wie des einfachen Respekts
vor den Opfern die Frage erhebt, ob es wirklich notwendig sei,
„dass eine Stiftung noch einen Namen trägt, der
durch den starken Verdacht beschmutzt ist, an einem Kriegsverbrechen
beteiligt gewesen zu sein, selbst wenn es der Name des
Gründers ist … Pardon verhindert weder
die Erinnerung noch macht es das Leiden das Leiden jener vergessen, die
in Juni 1944 bestialisch ermordet wurden. … Die
deutsch-französische Freundschaft verlangt nur ein Verhalten,
das des Respekts vor der Erinnerung“.
Am 30. Juli 2014 schrieb René
Vissé an den französischen Verteidigungsminister:
“Diese Stiftung organisiert oder ko-organisiert mit Euromil,
geleitet von (dem Belgier, G.H.) Emmanuel Jacob, Seminare zu
Problemen der Zivilgesellschaft und Verteidigung“. Auf diese
Seminare nehmen die Bundeswehrverbandsvertreter, die den
Kriegsverbrecher Molinari verehren, Einfluß. René
Vissé: „Das geringste, was wir ohne jeden Zweifel
erwarten können, ist aus Respekt und Ehrerbietung den
Massakrierten von Manises und der Gesamtheit der Resistance
gegenüber die Elimination dieser Stiftung wie auch eine ernste
Untersuchung der ideologischen Natur der Ziele, die diese Stiftung wie
auch Euromil bis heute verfolgt.“
Zur
Vorgeschichte
Die Staatsanwaltschaft Hagen leitete in den 60er
Jahren ein Ermittlungsfahren gegen General Molinari ein, nachdem
„ein Geisteskranker aus Bonn“ (so die Medien)
Strafanzeige gestellt hatte. General Karl Theodor Molinari musste nach
anfänglichem Leugnen zugeben, „anwesend“
gewesen zu sein. Der Spiegel titelte
„Kriegsverbrechen/Molinari: Dabei oder nicht?“ .
Die Beweise waren zu erdrückend, denn Überlebende
hatten im Prozess 1951 in Metz bezeugt, ein „sehr
großer Offizier“ sei an den
„Misshandlungen“ beteiligt gewesen. Und Molinari
überragte alle mit seinem Gardemaß von 1,96 m.
Rehabilitieren
unmöglich
Den zum Tode verurteilten Molinari
konnte man nicht rehabilitieren – der BGH hatte 1966
verfügt, dass die deutsche Justiz keine Fälle der
Alliierten aufrollen darf – und stellte das Verfahren ein.
Das
war kein Einzelfall: Um nur den Fall des
SS-Sturmbannführers Helmut Schlierbach zu nennen: Der Chef der
Gestapo von Straßburg, im gleichen Jahr wie Molinari von
einem französischen Gericht in Abwesenheit zum Tode
verurteilt – nachdem die Briten den 1946 zu zehn Jahren
Zuchthaus Verurteilten 1952 wieder freigelassen hatten - machte in der
Bundesrepublik Karriere, starb unbehelligt 2005. Zum BGH-Urteil wurde
festgestellt: „Das Ergebnis ist unbefriedigend. Wir
dürfen nichts tun, Molinari auch nicht an Frankreich
ausliefern, wir können ihn nicht rehabilitieren.“ So
zitierte der Spiegel am 27. Juli 1970 Staatsanwalt Heimeshoff und
meldete am 3. August 1970: „Da bei einem Ermittlungsverfahren
der Staatsanwaltschaft Hagen für Molinari keine volle
Rehabilitierung möglich war, zog der General die Konsequenzen
und bat um seinen vorzeitigen Abschied. Verteidigungsminister Schmidt
(SPD) nahm den Rücktritt an.“ General Karl Theodor
Molinari: „Ich bin nach wie vor meiner politischen Gesinnung
treu“, er ging „mit allen Ehren“
– auch mit den Ehren seiner CDU - in den Ruhestand. Nach
einer scharfen Debatte im französischen Parlament deckte die
Zeit ihr Mäntelchen des Vergessens über den Skandal.
In Deutschland bestimmt die weißwaschende Version der
Täter bis heute die Deutungshoheit, sei es in
Oradour-sur-Glane oder Tulle oder Manises. Oder wie
Bundeswehr-Brigadegeneral a.D. Winfried Vogel feststellte.
„Die gleiche Tabuisierung erfuhr die Wehrmacht, die die
Legende aufrecht erhalten konnte, dass ihr
„Ehrenschild“ sauber geblieben sei und alle Untaten
von SA und SS verursacht worden seien. Wir wissen seit
langem, dass dies nicht zutrifft.“
Was geschah
1944?
Einhundertsechs Einwohner, die sich 1944 nach der
Landung der Alliierten in der Normandie der örtlichen
Resistance angeschlossen hatten, wurden exekutiert – Dutzende
nach viehischen Folterungen. Major Karl Theodor Molinari, wie sein Chef
Oberst Botho Grabowski 1951 in Metz in Abwesenheit zum Tode verurteilt,
machte hingegen in Westdeutschland eine
„Bilderbuch-Karriere“: In der CDU umtriebig, dann
als Landrat gewählt, nach der Remilitarisierung in die
Bundeswehr als hoher Offizier reaktiviert. Statt Entnazifizierung wurde
„die Ehre des deutschen Soldaten“ wiederhergestellt
als „Junktim“ zur Zustimmung zur Wiederbewaffnung.
Molinari wurde als General Personalchef des Heeres und blieb als
Zwei-Sterne-General auch in Nato-Frankreich unbehelligt - bis 1969, in
der Umbruchzeit mit Willy Brandt als Kanzler. Marcel Noiret,
kommunistischer Bürgermeister von Vivier-au-Court
(Champagne-Ardennes) entdeckte bei einem Besuch in der DDR den Namen
Molinari als Unterstützer des „Prager
Frühlings“. Nach seiner Rückkehr
gründete er ein „Komitee für die Bestrafung
des Molinari“, das auch zur internationalen Kampagne beitrug,
die Verjährungsfrist von NS-Verbrechen - am 26. Juni 1969 - zu
verlängern. Am 5. Dezember 1969 verlangte die aus
den Nürnberger Prozessen berühmte Kommunistin
Marie-Claude Vaillant-Couturier, Ehrenvizepräsidentin der
Nationalversammlung, in einer Rede französischen Parlament die
umgehende Bestrafung. Um eine Wiederholung des ganz Frankreich
empörenden Skandals um General Hans Speidel 1958 zu vermeiden,
musste schnell etwas geschehen.
“Speidel:
„Wenn es Sie
trösten kann, sollten Sie wissen, dass ich Ihre
Künder unter
meinem Befehl haben werde.“
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Exkurs zur Erinnerung: General Hans Speidel
(1897-1984) wurde
13 Jahre nach Kriegsende Nato-Oberbefehlshaber Europa-Centre mit Sitz
im Schloss Fontainbleau, was in den Reihen des französischen
Widerstands und der Deportierten zu heftigen Protesten führte.
Denn Speidel war 1940 bis 1942 als Stellvertreter des
Militärbefehlshabers in Frankreich General Carl-Heinrich von
Stülpnagel für die Erschießung
von 500 Geiseln verantwortlich. Zunächst 14 Wehrpflichtige,
Söhne von Resistancekämpfern und
Deportierten, später Hunderte weigerten sich, unter einem
Ex-Nazi-General Dienst zu tun. Selbst Gefängnisstrafen konnten
die jungen Leute nicht abschrecken, so dass sie nach einer monatelangen
Solidaritätskampagne, rehabilitiert werden mussten –
und in Übersee Dienst leisteten. Bis 1963 dauerte es, dass
General Speidel auf Druck von Staatspräsident General de
Gaulles hin abgelöst wurde.
Die linke Basisbewegung vor Ort in den Ardennen
stellte am 20. September 2014 eine Petition ins Netz, mit der die
Auflösung der Karl-Theodor-Molinari-Stiftung gefordert wird.
Acht Wochen später waren es über hundert
Unterzeichner, die damit auch gegen das Vergessen ankämpfen.
„Einige linke Web-Seiten haben sich im Dezember
angeschlossen. Die Mobilisierung verbreitert sich gegen
Lethargie und Vergessen.
Übrigens: auch Deutsche können
sich anschließen unter der folgenden Adresse:
Petition zur
Auflösung der Stiftung KTMS, also der
Karl-Theodor-Molinari-Stiftung, Bildungswerk des Bundeswehrverbandes
Von Michel Cartiaux gestartet, am Montag, 1. Dez.
2014, gerichtet an den Französischen Verteidigungsminister
Die Gruppe Vireaux-Rive-Gauche bringt eine
Petition ein,
welche die Auflösung dieser Stiftung fordert, die von
René
Visse im „Nouvelle Ardenne“ angeklagt wird. Die
Petition
hat sich ganz und gar der Ehrung des Andenkens an alle Helden des
Widerstandes verschrieben.
Petition zur Auflösung der Karl Theodor
Molinari Stiftung KTMS.
Die deutsche Stiftung trägt noch immer
den Namen
des Schlächters der 106 Jugendlichen des Widerstandes von
Manises
Revin. Diese Stiftung veranstaltet Seminare, die sich mit Problemen
staatsbürgerlicher Verantwortung und Verteidigung befassen.
Der
Stiftungsgründer wurde 1951 im Prozess von Metz in Abwesenheit
zu
Tode verurteilt und konnte 1993 ungestört seine Tage in
Deutschland beschließen. So können wir lediglich die
Auflösung der Stiftung fordern, die eine Beleidigung des
Andenkens
der Helden des Widerstandes darstellt.
KTMS, diese deutsche Stiftung trägt noch
immer den Namen des Schlächters der 106 ardennischen
Jugendlichen:
http://www.vireux-rive-gauche.fr/index.php?post/2014/09/03/Petition-pour-exiger-la-dissolution-de-la-fondation-KTMS
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