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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

22.02.2015

Europa braucht eine starke antifaschistische Friedensbewegung

Mit einem Treffen in Kassel nahm die VVN-BdA-Arbeitsgruppe Frieden ihre Tätigkeit auf. Der Erfahrungsaustausch am 21. Februar 2015 galt auch der Beantwortung von Fragen, die hinsichtlich der Rolle von Antifaschismus und Antimilitarismus in der Friedensbewegung an die VVN-BdA herangetragen wurden. Das Einführungsreferat hielt der Bundessprecher Ulrich Sander. Er machte eingangs diese Bemerkung: „Es geistern im Internet Ermahnungen an die VVN-BdA und Dokumentationen über sie herum, mit denen Fragen, auch besorgte, an die VVN gerichtet werden. Sie kommen von Leuten, die herausgefunden haben wollen, dass wir Spalter und Antideutsche sind. Sie kommen von den Autoren einer Dokumentation, die meinen, uns mit den Pressepolemiken gegen die Friedensbewegung in eine Reihe stellen zu dürfen. Sodann werden Unterschriften unter Texten gesammelt, die nach Meinung der Absender von der VVN-BdA in ihrer Zeitschrift „antifa“ abgedruckt werden sollten. Gemeinsam ist diesen Hervorbringungen: die Position der VVN-BdA kommt nicht oder kaum vor. Diese möchten wir gern bekannt machen.“ Wortlaut des Referats:

Von Ulrich Sander

General Klaus Naumann, Begründer der „neuen“ Bundeswehr „im Einsatz“ nach dem Anschluss der DDR, hat den Klassencharakter heutiger Kriege genau definiert: „Es gibt zwei Währungen in der Welt: Wirtschaftliche Macht und die militärischen Mittel, sie durchzusetzen.“ (laut „Spiegel“ Nr. 3/93)

Karl Marx und Friedrich Engels haben jegliche Geschichte, auch die Geschichte der Kriege, letztlich als Geschichte von Klassenkämpfen gesehen. Das wurde deutlich bei der Gründung der Internationalen, der Arbeiterassoziation vom 28. September 1864.  Dieser Jahrestag vor 150 Jahren ist leider ganz vergessen worden, obwohl er auch die Gründung der weltweiten Friedensbewegung markiert.

Mit der Gründung der 1. Internationale startete auch die Weltfriedensbewegung

Die Solidarität mit den polnischen Aufständischen gegen die zaristische Fremdherrschaft und die enge Verbundenheit mit den britischen Arbeitern, die gegen den Eintritt Großbritanniens in den Bürgerkrieg in den USA auf Seiten der Sklavenhalter kämpften, standen im Mittelpunkt der Gründungsversammlung der Ersten Internationale. Die englische Arbeiterbewegung stellte sich in gewaltigen Demonstrationen gegen die Absicht  der englischen Regierung, in den USA zugunsten der Südstaaten zu intervenieren. Voll Genugtuung würdigte Karl Marx in der Öffentlichkeit die hohe Moral des englischen Proletariats, das, „obgleich die Fortdauer des Amerikanischen Bürgerkriegs einer Million englischer Arbeiter die furchtbarsten Leiden und Entsagungen aufbürdet – nämlich durch die Baumwollkrise und Massenarbeitslosigkeit in der englischen Textilindustrie – doch selbstlos für die Erhaltung des Friedens und die internationale Solidarität eintrat“. (MEW 15, S. 577)

Sollte diese hohe Moral nicht auch heute von den Arbeitern der Rüstungsindustrie erwartet werden? Sie entsagen jedoch nichts, sondern produzieren weiter die Waffen, die sich gegen ihre Klassenbrüder richten.

Allerdings gibt es auch hier und heute eine Antikriegsstimmung, die nun endlich einmal für den Frieden zu Buche schlug. Nachdem wir jahrelang klagten, dass die Menschen zwar in der Mehrheit gegen den Krieg eingestellt seien, aber dies nicht öffentlich bekundeten, - und dass sich diese Massenstimmung auch nicht für den Frieden auswirkte, haben wir mit dem Abkommen von Minsk endlich einen großen Erfolg errungen. Angesichts der Stimmung in unserer Bevölkerung sträubte sich Angela Merkel, den US-amerikanischen Mainstreampolitikern zu folgen, die mit Waffenlieferungen den Krieg gegen das ostukrainische Volk anheizen wollten.

Angela Merkel nimmt die Warnungen der Friedensbewegung ernst

Laut „FAZ“ vom 7.2.15 sagte sie, sie lehne Waffenlieferungen an die Ukraine ab, und so kam es zum Minsker Abkommen. „Militärisch ist diese Krise nicht zu lösen“, sagte Merkel. Sie könne sich „keine Situation vorstellen kann, in der eine verbesserte Ausrüstung der ukrainischen Armee dazu führt, dass Präsident Putin so beeindruckt ist, dass er glaubt, militärisch zu verlieren. Ich muss das so hart sagen. Es sei denn...  Über ‚es sei denn‘ möchte ich nicht sprechen.“

Aber wir sollten über das „es sei denn“ sprechen: Es sei denn, man will den ganz großen Krieg. Und der ist mit dem deutschen Volk derzeit nicht zu machen.

Das Volk soll weiter kriegsbereit gemacht werden

Doch das sich Einstellen auf den großen Krieg, das ist durchaus nach wie vor auch die Politik der großen Koalition! Betrachten wir den Koalitionsvertrag.

Der Koalitionsvertrag der Union-SPD-Bundesregierung besagt: »Mit  ihrer Neuausrichtung wird sie [die Bundeswehr] auf die veränderten sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ausgerichtet. Wir werden diese Neuausrichtung konsequent fortsetzen  und zum Erfolg führen.« Die Ausrichtung reicht bis zur Atomwaffe. Der Koalitionsvertrag bekennt sich zur Umsetzung der Beschlüsse der NATO-Tagung im Mai 2012 in Chicago.  In Chicago vereinbarte man unter anderem: Die »NATO wird [...] sicherstellen, daß alle Elemente der Abschreckung, auch der nuklearen Abschreckung der NATO solange zuverlässig, sicher und effektiv bleiben, wie die NATO ein nukleares Bündnis bleibt [... Dabei] ist es erforderlich, dass [...] die Planungsrichtlinien den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entsprechend angepasst werden.« [Zum Koalitionsvertrag sei auch dies bemerkt: Die BRD trägt durch ihre bedingungslose Nato-Unterstützung u.a. laut Koalitionsvertrag zur brandgefährlichen Militarisierung der internationalen Politik bei; sie hat sogar den Irak-Krieg trotz offizieller Ablehnung dieses Kriegsverbrechens von Ramstein aus logistisch unterstützt. Sie hat verschiedene Völkerrechtsbrüche wie den Balkankrieg, die Unterstützung der illegalen de-fakto-Regierung in Kiew und den sog. Antiterror-Krieg der USA immer wieder mitgetragen. Sie ist dadurch mit am Versuch der USA beteiligt, die internationale Architektur des Völkerrechts durch eine Politik des Stärkeren zu ersetzen. Die Friedensbewegung steht gegen diese Gefährdung des Weltfriedens unter  anderem auf den Ostermärschen und den Aktionen zum 70. Jahrestag der Befreiung Europas von Faschismus und Krieg auf. Sie fordert alle am Frieden interessierten Humanisten auf, sich an den Aktionen zur Rettung des Friedens zu beteiligen.]

Damit fällt die jetzige Koalition sogar hinter die FDP Westerwelles zurück, die in ihrem Koalitionsvertrag dereinst noch die Forderung nach Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland verankerte. Heute aber wird geplant, die in Deutschland lagernden A-Waffen zu modernisieren. Diese Modernisierung erfolgt in Büchel (Eifel), dem deutschen Atomwaffenstützpunkt von NATO und USA.

Beunruhigendes aus Büchel, Kalkar und Ramstein

Über den Absturz eines Tornadoflugzeugs vom 16. Januar 2014 in der Nähe Büchels wird bis heute Stillschweigen geübt. Warum wohl? Bei anderen Meldungen verlassen sich die offiziellen Stellen darauf: Tote reden nicht – und sie können sich nicht verteidigen gegen das, was über sie im Zusammenhang mit dem Aufprallen eines Eurofighters auf einen Learjet 35 berichtet wird. Der Vorfall trug sich am 23. Juni 2014 über dem Sauerland zu. Die Eurofighter sind ständig in der Luft; sie wurden und werden vom NATO-Luftkommando Kalkar/Uedem gelenkt und haben die Aufgabe, »verdächtige« Flugzeuge abzuschrecken oder zum Absturz zu bringen. Der Standort Kalkar/Uedem ist das  Gegenstück zu Ramstein, worüber hier und dort im Zusammenhang mit dem Drohnenkrieg der USA von deutschem Boden aus und über den gegen Russland gerichteten Raketenschirm berichtet wird.

Alles, was Ramstein jetzt kann, wird künftig Kalkar/Uedem auch können. Ramstein ist für den Raum südlich der Alpen zuständig, Kalkar/Uedem für den Raum nördlich der Alpen. Schon jetzt brüstet man sich dort damit, einen Radius bis zum Baltikum abzudecken, große Teile Russlands eingeschlossen (s. Ossietzky 7/12).

Die Thinktanks des Weltkriegs Drei arbeiten schon

Vom 18. bis 20. November 2014 fand die jährliche NATO-Spitzentagung des Kalkarer Joint Air Power Competence Centre (JAPCC; Gemeinsames Luftmacht-Kompetenzzentrum) statt. Diesmal unter dem Titel »Future Vector«. Der Pfeil oder Vektor steht nicht für einen schnellen Weg in eine gute Zukunft. Er fliegt über Europa bis ins All. Er kann die Zukunft der Menschheit tödlich treffen: Man spricht im Tagungsmaterial von »Nexus« und meint damit die Verbindung aller Elemente der Kriegsführung. Auch der atomaren. Zur derzeitigen Tätigkeit des Luftkommandos gehört die Ermöglichung jeder Art von »tödlicher wie nichttödlicher militärischer Gewaltanwendung«. In den Dokumenten wird von Luft-, Weltraum- und Cybermacht als eigenständiges, offensives (!) und möglicherweise entscheidendes Instrument gesprochen. Das ist eine unverhohlen offensive Strategie.

Im NATO-Tagungsmaterial des JAPCC für 2014 ist zu lesen: »Die zwei Jahrzehnte überdauernde Annahme, daß es in Europa keinen Ausgangspunkt für einen größeren Krieg gebe, ist einigermaßen zweifelhaft.« Das heißt doch: Der Krieg ist möglich, schon bald, und die NATO sieht sich als Sieger.

Das sich Einstellen auf den großen Krieg, in den auch wir Deutsche wieder ziehen sollen, das geschieht auch mit Hilfe jener Kriegsprediger mit Namen Steinmeier, Gauck und von der Leyen, die seit einem Jahr dem Volk predigen, man müsse mehr Verantwortung in der Weltpolitik übernehmen, und zwar auch militärische. Einstellen sollen wir uns auch auf den Krieg durch die Hinnahme neuer Verteidigungspolitischer Richtlinien, die man diesmal im Volk diskutieren wolle.

Sagen wir unsere Meinung zu den Verteidigungspolitischen Richtlinien

Ja, dann man los, - greifen wir in die Diskussion ein.

So auch durch die Stimmen aus der Friedensbewegung, die an ihre großen Diskurstraditionen anknüpfen sollte. Sie begannen gleich nach dem 8.Mai 1945. In Potsdam wurde beschlossen: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen; der deutsche Militarismus wird abgeschafft.

Als viele von uns begannen, in der VVN-BdA aktiv zu werden, da galt noch uneingeschränkt: „Nie wieder Faschismus und Krieg“. Seit Jahren ist der zweite Teil immer mehr zurückgedrängt worden. Doch dann kam es zur gefährlichen Krise in der Ukraine, wo ultrarechte Politiker mit Hilfe auch deutscher Politiker an die Macht kamen und begannen, sich an der NATO-Politik gegen Russland zu beteiligen, und zwar auch mittels einer militarisierten EU. Das stellt unsere VVN-BdA seit einem Jahr vor eine völlig neue Situation.

Zur Situation in der Ukraine nahmen Antifas sofort Stellung

Wir in NRW sagten uns, es sollte gelingen, eine Anti-Kriegs-Erklärung aus der Mitte der antifaschistischen Kräfte heraus zu schaffen. Sie haben wir in Dortmund gleich nach dem profaschistischen Putsch vom Februar 2014 in Kiew durch ein gemeinsames Komitee der Hinterbliebenen und heutigen Mitstreiter des Widerstandes erarbeitet. In der Erklärung hieß es u.a.: "Als Förderverein Steinwache/Internationales Rombergparkkomitee, Mitglied der FIR, sind wir besorgt über das Schicksal unserer Mitglieder in der ehemaligen Sowjetunion. Wir sind mit ihnen solidarisch. Wir fürchten um ihre Sicherheit vor den Angriffen rechter Kräfte. Jetzt sind antifaschistische Aktionen nötiger denn je, ebenso Aktionen für den Frieden!"

Jetzt sind auch wieder mehr Gewerkschafter und Sozialisten, auch Sozialdemokraten Teil der Friedensbewegung. Diese Tendenz nimmt wieder zu. Dieses Jahr gibt es wieder viel mehr sozialdemokratische Unterstützung für die Ostermärsche. Nicht zu vergessen: Die Erklärung „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“ Sie wurde von ehemals führenden SPD-Leuten mit initiiert. Allerdings hat sie erhebliche Mängel: Sie thematisiert die aggressive NATO-Strategie nicht.

Ich finde, auch wir haben als VVN-BdA den richtigen Ton getroffen und haben mit unserem Bundeskongress und auch in der Zeit danach wichtige Aussagen gemacht, mit denen wir in den Friedensdiskurs wirkungsvoll eingriffen. Ich darf zitieren:

VVN-BdA protestiert gegen die Kriegsvorbereitung

Kriegsvorbereitung einstellen, Frieden in Europa sichern! geschrieben von Bundessprecherkreis der VVN-BdA - 8. Dezember 2014 - Mehr denn je seit dem Ende des Kalten Krieges haben wir Anlass zur Sorge um den Frieden in Europa.

Mit dem 2-plus-4-Vertrag, der die Vereinigung der beiden deutschen Staaten erst möglich gemacht hat, sollte die Block-Konfrontation enden. Wesentliche Bedingung von Seiten der damaligen Sowjetunion war die Zusage, dass der Osten Deutschlands atomwaffenfrei bleiben sollte und die NATO keine Erweiterung bis an die Grenzen (…) anstrebe. Im „Gemeinsamen Europäischen Haus“ sollten alle Staaten in Sicherheit zusammen leben.

Seitdem haben sich NATO und EU Schritt für Schritt an die heutigen Grenzen Russlands heran erweitert. Mit der Einbeziehung der Ukraine in EU und NATO-Strategie wurde eine neue explosive Situation geschaffen. Die EU ist in diesem Konflikt kein Vermittler, sondern (Mit-)Verursacher. Die Bundesregierung muss in dieser Situation ihre historische Verantwortung für den Frieden in Europa wahrnehmen.

Wir fordern deshalb von der Bundesregierung, sich an die Zusagen an Michail Gorbatschow zu erinnern und die russischen Sicherheitsinteressen ernst zu nehmen. [Es wurde Gorbatschow nicht versprochen, dass sich die Nato nicht bis an die Grenze der Sowjetunion ausdehnt. Das stand bei d. 2+4-Verhandlungen nicht an, niemand konnte sich da das Ende des Warschauer Paktes vorstellen. Verboten wurden Atomwaffen auf dem Gebiet der DDR.] Das bedeutet

  • Keine weitere Ausweitung der NATO nach Osten!
  • Keine provozierenden Manöver an den russischen Grenzen!- Schluss mit antirussischer Propaganda und Drohgebärden!
  • Einspruch gegen die Eskalationsstrategie, die besonders von Polen und den baltischen Staaten gefordert und von NATO-Generalsekretär Stoltenberg aufgegriffen wird!
  • Kein Schulterschluss mit der ukrainischen Regierung, die sich politisch und militärisch auf die reaktionärsten Kräfte des Landes unter Einschluss faschistischer Parlamentarier und Milizen stützt!

Es drängt sich der Verdacht auf, dass die gefährliche Situation in der Ukraine genutzt werden soll, um mit der Neuaufstellung der „Speerspitze“ genannten multinationalen Eingreiftruppe unter deutscher Führung der von Bundespräsident Gauck mehrfach geforderten „Übernahme von mehr Verantwortung“ näher zu kommen.

Wir sagen NEIN zur weiteren Militarisierung der deutschen Politik!

  • Schluss mit den Auslandseinsätzen!
  • Abrüstung statt Interventionsarmee!
  • Kein Werben für’ s Töten und Sterben!

Dort, wo künftige Kriege vorbereitet werden, werden wir gemeinsam mit unseren Freunden aus der Friedensbewegung Widerstand leisten.

Zu diesem Widerstand haben wir in zwei wichtigen Dokumenten aufgerufen: einmal in unserer eigenen Erklärung zum 8. Mai, 70. Jahrestag der Befreiung von Krieg und Faschismus, und zum anderen in der gemeinsamen Erklärung von Bündnispartnern. Sie möchte ich hier vorstellen:

70 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg: Für eine neue Entspannungspolitik, nein zur Vorbereitung auf den Krieg!

Am 8. Mai 1945 wurde ganz Europa von dem Verbrechersystem des deutschen Faschismus und seinem Krieg befreit. Mehr als 55 Millionen Menschen waren zuvor Nazi-Terror, Holocaust und Vernichtungskrieg zum Opfer gefallen. Millionen Menschen auf der ganzen Welt bezahlten den deutschen Griff nach der Weltherrschaft mit unvorstellbarem Leid.

Anstifter und Nutznießer des Raub- und Vernichtungskrieges waren deutsche Banken und Konzerne, allen voran der Chemie- und Rüstungsindustrie. Die deutsche Wirtschaft profitierte von der „Arisierung“ und der Ausbeutung von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern ebenso wie von der Ausplünderung der besetzten Länder. Unvorstellbar, welch weitere Opfer es gekostet hätte, wäre der Faschismus nicht besiegt und zerschlagen worden.

Deshalb verdanken wir als heute Lebende die Grundlagen eines Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt den Siegern des 8. Mai. Die alliierten Streitkräfte, unter denen die Rote Armee mit Abstand die größte Last des Krieges in Europa zu tragen hatte, sind auch unsere Befreier.

Ihre Rolle und die des Widerstands in Deutschland und den von der Wehrmacht besetzten Ländern zu würdigen und die geschichtliche Wahrheit über Ursachen und Folgen des Faschismus zu bekräftigen, ist bis heute eine unerlässliche Pflicht. Angesichts der deutschen Verantwortung für die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts muss die historische Konsequenz, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf, verteidigt und an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden.

Trotz schwieriger politischer Konstellationen folgte dem Sieg über den Faschismus in Europa eine lange Friedensperiode. Der Drang der Völker, nach zwei mörderischen Kriegen dauerhaft friedliche Beziehungen aufzubauen und demokratische Verhältnisse zu errichten, trug Früchte. Diese Periode endete mit dem Jugoslawien-Krieg, an dem sich auch Deutschland wieder beteiligte. Dieser Wiedereintritt Deutschlands in die Reihe der Krieg führenden Länder war ein eklatanter Bruch mit den Lehren der jüngeren deutschen Geschichte. Heute sind deutsche Waffen – und oft auch deutsches Militär – wieder an den meisten Kriegen in der Welt beteiligt. Die  Bereitschaft, „deutsche Interessen“ mit militärischen Mitteln durchzusetzen, wurde gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung erneut zur politischen Praxis der Regierenden. (…)

Wir fordern die sofortige Beendigung dieser gefährlichen Politik. Im 70. Jahr der Befreiung vom Faschismus steht die Bundesregierung in der historischen Verantwortung, eine neue Entspannungspolitik mit Russland auf den Weg zu bringen, in der die Sicherheitsinteressen aller Beteiligten Berücksichtigung finden.

[Am 28. Januar 2015 in Berlin unterschrieben und veröffentlicht von: Ludwig Baumann, Rolf Becker, Esther Bejarano, Volker Bethge, Henny Dreyfuss, Prof. Dr. Heinrich Fink, Silvia Gingold, Lühr Henken, Willi Hoffmeister, Liesl Jäger, Jutta Kausch, Patrik Köbele, Bernd Meimberg, Willi van Ooyen, Günter Pappenheim, Peggy Parnass, Karl-Heinz Peil, Sally Perel, Tobias Pflüger, Anne Rieger, Ulrich Sander, Monty Schädel, Horst Schmitthenner, Gerd Schramm, Prof. Dr. Ursula Schumm-Garling, Friedo Seydewitz, Frank Skischus, Justin Sonder, Eckart Spoo, Dr. Peter Strutynski, Horst Trapp, Bernhard Trautvetter, Peter Christian Walther, Konstantin Wecker, Marianne Wilke, Steffi Wittenberg, Kutlu Yurtseven]

Antifaschismus und Antimilitarismus gehören zusammen

Wir erleben eine Welle von Völkerhass und Gewalt, und zwar nicht nur in Kriegen. Heute kommt der Auseinandersetzung Antifaschismus vs. Faschismus und Antimilitarismus vs. Kriegstreiberei eine besondere Bedeutung zu. Dies sowohl im Inland, wo die rechten Bewegungen gegen die Opfer der Kriegspolitik und der Krise, gegen den Zuzug von Flüchtlingen, immer größere Ausmaße annehmen. Und dies gilt für die europäische Politik gleichermaßen. Es sind z.T. offen faschistische Kräfte, die immer mehr Einfluss in der Nato und der EU gewinnen. Sie sehen die Chance, 70 Jahre nach dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition, die unter der besonderen Mitwirkung der UdSSR den deutschen Faschismus bezwang, das Rad der Geschichte zurückzudrehen und wieder gen Osten zu marschieren – wenn nicht alle antifaschistischen Kräfte dagegen gemeinsam mobil machen.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten ruft daher verstärkt zu Antikriegsaktionen auf. Die Friedens- und Antifakräfte müssen gemeinsam handeln. In den Stätten, in denen die aktuellen Nato-Kriegsvorbereitungen forciert werden, sind entschiedene Antikriegsaktionen durchzuführen, als da sind solche

  • in Kalkar am Niederrhein, wo Tag für Tag die NATO-Luftstreitkräfte an der russischen Grenze navigiert werden, was den großen Knall auslösen kann.
  • in Münster, wo die Nato mit Zustimmung der Bundesregierung eine 4000-Mann-Schnelle-Eingreiftruppe aufbaut, die den aggressiven und bezeichnenden Namen „Speerspitze" tragen soll.
  • in Ramstein, von wo die USA ihren Drohnenkrieg durchführen, der jederzeit auch auf Osteuropa ausgedehnt werden kann.
  • vor den Regierungsgebäuden,  wo derzeit Kriegsvorbereitung groß geschrieben wird und wo die Losung heißen muss: Raus aus der NATO..
  • vor Medienhochburgen, wo die Kriege als etwas völlig Normales, ja Notwendiges propagiert werden.
  • vor Rüstungsbetrieben, wo die neue Welle der Kriegsvorbereitungen ihren Auftrieb erfahren.

Das Überlebensinteresse Europas erfordert starke Friedensbewegungen

In dieser brandgefährlichen Situation zwischen Krieg und Frieden wird es zum Überlebensinteresse Europas, aber auch der Menschheit insgesamt, dass alle Bewegungen, die als Gegenkraft relevant sind, zu gemeinsamen Aktionen für das Leben finden. Das betrifft die Friedensbewegung genauso, wie die Umweltbewegung, die Gewerkschaften und neue soziale Bewegungen, die etwas zum Frieden beitragen können und wollen. Es kommt auf jeden Einzelnen an, wir brauchen einen langen Atem und wirksame Aktionsformen.

In unserer Bündniserklärung stellen wir uns und allen friedliebenden Menschen die Aufgabe:

An den 8. Mai 1945 zu erinnern, heißt heute mehr denn je, den Frieden in Europa zu sichern. Eine starke Friedensbewegung muss Druck machen für Verständigung und Abrüstung statt Hetze und Rüstungsexport. Wir werden als Antifaschist/innen  und Aktive aus der Friedensbewegung diese Lehre aus der Geschichte mit vielfältigen Veranstaltungen, die am und um den 8. Mai in der ganzen Republik stattfinden werden, in die Öffentlichkeit bringen. Und wir rufen alle Demokratinnen und Demokraten, insbesondere die jungen Menschen auf: Erinnert mit einer Vielzahl von regionalen und örtlichen Veranstaltungen das ganze Jahr über an die Befreier und an die großen Hoffnungen der Befreiten.

Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!

Zu einigen neuen Aspekten, die uns herausfordern, sollten wir heute diskutieren, regte Ulrich Sander auf dem Treffen in Kassel an und führte u.a. aus:

  • Wie gehen wir mit dem islamistischen Terrorismus um? Es gibt Leute, die raten uns, auf Kritik am Islam zu verzichten, denn die Muslime verdienten unsere Solidarität, wenn sie von Rechten und Rassisten angegriffen werden. Ich finde, unser Kamerad Peter Trinogga hat den richtigen Ton gefunden, als er in Köln beim rassistischen Aufmarsch „Hooligans gegen Salafismus“ am 26. Oktober seine Rede unter das Motto stellte: „Brüder im Geiste – gemeinsam gegen rassistische Hooligans und djihadistische Gotteskrieger“. Wenn die muslimischen Repräsentanten sagen: Der Terrorismus hat mit dem Islam nichts zu tun, dann ist mir dies zu wenig.
  • Wie gehen wir mit dem Staatsterrorismus, besonders der USA um? Der IS-Terror ist ohne den Staatsterrorismus nicht zu verstehen. Die von den USA ausgegangenen Kriege in Afghanistan, Irak, Libyen haben den islamistischen Terrorismus begünstigt, vor allem die Waffen und die ideologischen Begründungen wurden den Islamisten geliefert.  Öffentliche Hinrichtungen sind barbarisch, aber die Hinrichtungen per Kampfdrohnen, direkt gesteuert aus dem Vorzimmer des US-Präsidenten, sind es nicht minder.
  • Angesichts dieser Politik der USA rät uns eine „neue“ Friedensbewegung (Montagsmahnwachen) zu vorrangigem Antiamerikanismus. Die "neue" Friedensbewegung sagt sehr schlicht: Alles gegen die US-Banken und die US-Regierung, das sei der Punkt, um den Frieden zu erringen. Das ist nicht wahr, darum geht es nur jenen, die aus nationalistischen – aus völkischen - Gründen Deutschland den Vorteil verschaffen wollen; das hat mit Friedensbewegung nichts zu tun. Da geht es nur um die "Interessen des Vaterlandes" anstelle derer der FedBank. Aber die Menschen sehnen sich doch nach einfachen Lösungen, und sie sind zugleich sehr verängstigt über das, was die USA und auch Israel anstellen - zu Recht. Wir müssen aber an dem Zitat vom "Hauptfeind im eigenen Land, die deutsche Kriegspartei" (Karl Liebknecht) dranbleiben. Dieser Hauptfeind ist der, der die USA (und NATO) gewähren lässt, weil er selbst gern eigene Großmachtinteressen wahrnehmen will oder zumindest partizipieren möchte am Machtgewinn des Westens, Profit durch Rüstung etc.: Das ist der deutsche und EU-Imperialismus. Der lässt die USA von deutschem Boden aus fast jede Kriegstreiberei machen. Der verbündet sich mit Faschisten in Kiew, die wiederum mit den USA verbündet sind, um sogar Krieg gegen Russland zu führen. Auch im Kalten Krieg ab 1950 haben das die USA und die NATO gemacht, sich mit Nazis gegen den Osten verbündet. Faschistische Regime wie damals Spanien, Griechenland und Portugal waren Mitglied der NATO.
  • Zu den Montagsmahnwachen schrieb uns Bernhard Trautvetter: Seit 2014 gibt es Versuche der sog. Montagsmahnwachen, die klassische Friedensbewegung in ein Bündnis zu bewegen. Die Montagsmahnwachen sind  so heterogen und basisdemokratisch, dass das zu einer auch inhaltlichen Diversität führt, die dieses Ansinnen unmöglich macht. In ihnen ist der Begriff des Faschismus zum Teil so unscharf, dass dies dem antifaschistische Grundkonsens der Friedensbewegung nicht gerecht wird. Auf der Website von Lars Märholz ‚www.mahnwache.info‘ wird in  einem Text „Lars Märholz über Faschismus“ nichts zum Faschismus gesagt, viel aber über Vorgehen von L. Märholz‘ Kritikern, denen durch eine derartige Textgestaltung implizit faschistoides Verhalten vorgeworfen wird. Das ist eine Verharmlosung des Faschismus, die für die Friedensbewegung inakzeptabel ist. Demgegenüber gibt es im Spektrum der Mahnwachen antifaschistisch-humanistische Positionen mit klaren Abgrenzungen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, wie es auf der Website  von Pedram Shayar zu finden ist:  „Viele Teilnehmer der Montagsmahnwachen waren ... darüber empört und enttäuscht, dass Herr Elsässer ... einen Artikel veröffentlichte, in dem wieder einmal konkreten personenbezogenen Herabwürdigungen Raum gegeben wurde. In der aktuellen Ausgabe seines Magazins kommt ... ein Autor zu Wort, der in unsäglicher Weise gegen Migranten, Homosexuelle und Frauen vom Leder zieht. Es ist schlichtweg nicht glaubwürdig, sich auf der Friedensbühne kurzfristig zu mäßigen, um hinterher unverdrossen mit Ressentiments zu spielen,...“ (Für einen humanistischen Grundkonsens)
  • Zur Rolle der Nato merkte Bernhard Trautvetter an: Die Nato hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges um 12 Staaten des östlichen Europa bis an die Grenzen Russlands ausgedehnt und warnt die Öffentlichkeit vor dem Expansionsdrang Russlands. Sie legitimiert ihre eigene Expansion mit dem Willen der Menschen in den demokratischen neuen Mitgliedsstaaten. Dabei verschweigt sie, dass die Nato entsprechende Staaten mit Druck und Bestechung in diese Richtung drängte: Rumänien wurde 1997 bei Verhandlungen zur Erlass von Auslandsschulden deutlich gemacht, man könne dem Land leichter entgegenkommen, wenn es in die Nato kommt (Blätter f. Deutsche u. internat. Pol. 215, S.66). Die Verantwortlichen der Nato belügen die Öffentlichkeit beweisbar und gefährden mit ihrer Expansionspolitik ohne Rücksicht auf die Interessen anderer Staaten den Weltfrieden, um dann im Gegenzug Russland aufgrund dessen Reaktionen als Verantwortlichen für die Kriegsgefahr darzustellen. Dies so zu analysieren bedeutet nicht, die Rechtsbrüche Russlands zu rechtfertigen. Aber umgekehrt gilt auch, dass man sich die Völkerrechtsbrüche nicht herauspicken darf, gegen die man vorgeht. Denn diese Doppelmoral, derzufolge der Westen der Gute ist und der Russe Putin alleine der Brandstifter, steigert die Spannungen und damit die Kriegsgefahr.
  • Noch einmal zur Religionsfrage. Wenn es um Gewalt und Religion geht, dann sind die Diskurse mit einem Mangel behaftet: Sie problematisieren nicht die Tatsache des religiösen „Märtyrertums“ der Selbstmordattentäter und auch nicht den mittelalterlichen Feudalismus, der dem zugrunde liegt. Dieses Thema darf aber nicht aus der Debatte über die Religionsfreiheit und den Schutz der Religionen vor Verleumdung ausgeklammert werden. Sogar die deutschen Neonazis bemühen religiöse Vorstellungen, um Verbrechen zu heiligen. Im Jahre 2000 erschoss ein Dortmunder Neonazi drei Polizistinnen und Polizisten und sich selbst. „Er war einer von uns“, schrieben Neonazis später in anonymen Flugblättern und bemühten den Germanen-Kult: „Zeigt kein Erbarmen und keine Reue. Sieg oder Walhalla.“ Dem Mörder und Selbstmörder wurde der Einzug ins Paradies verheißen – ähnlich wie bei vielen Selbstmordattentaten im Nahen Osten.

Im angeblich von Gott erlaubten, „heiligen“ oder „gerechten“ Kriegen gilt der Kämpfer, der tötet und getötet wird, als Märtyrer, der ins Paradies einzieht. So wird die Hemmschwelle zum Mord gesenkt, auch zum Massenmord. Nie zurückgenommen wurde jenes Gebetbuch für Soldaten, in dem die deutsche katholische Kirche im Sommer 1939 dem Soldaten einschärfte: „An der Front ist mein Platz, und wenn es mir noch so schwer fällt. Falle ich dort, was macht das! Sterben müssen wir alle einmal, und einen Tod, der ehrenvoller wäre als der auf dem Schlachtfelde in treuer Pflichterfüllung, gibt es nicht.“ Der Terror der Islamisten wird allgemein verurteilt. Aber niemand von Seiten sämtlicher Religionsgemeinschaften geht daran, die verbrecherische Anstiftung zum Märtyrertum der Selbstmordattentäter völkerrechtlich in Frage zu stellen und auch die eigene Geschichte in dieser Hinsicht kritisch zu durchleuchten. Liegt es daran, daß es in allen großen Religionen derartige Konzeptionen gab oder gibt, die aus dem Mittelalter stammen? Warum wird nicht offen ausgesprochen: Es gibt keinen Lohn im Jenseits für „heilige“ Krieger und Selbstmordattentate. In keiner Religion. Sollten wir nicht von den Religionsführern verlangen, eine Konvention zu erarbeiten, die religiöses Märtyrertum als Mittel der Kriegsführung ächtet?

Fällig ist eine Erklärung der UNO, die besagt: Religiös verbrämte Kriegshetze wird nicht länger von der Religionsfreiheit gedeckt. Bert Brecht schrieb 1951 an die deutschen Schriftsteller und Künstler: „Völlige Freiheit des Buches, des Theaters, der bildenden Kunst, der Musik, des Films – mit einer Einschränkung. Die Einschränkung: Keine Freiheit für Schriften und Kunstwerke, welche den Krieg verherrlichen oder als unvermeidbar hinstellen, und für solche, welche den Völkerhass fördern.“ Ich erlaube mir hinzuzufügen: Völlige Freiheit der Religion  – mit einer Einschränkung. Keine Freiheit der Religion, wenn sie zum Mord aufruft, Krieg verherrlicht oder als unvermeidbar hinstellt und den Völkerhass fördert.

  • Bernard Trautvetter schrieb uns zur Gefahr, die aus der Existenz von Atomanlagen in der Ukraine erwächst: In der Bundestagsdrucksache 18/2496 erklärt die Bundesregierung die Verantwortung für den Schutz von Atomanlagen auch im Krieg als alleinige Aufgabe des jeweiligen Landes. Die Nato einschließlich der Bundeswehr hat sich im Konflikt in der Ukraine auf Seiten der de-fakto-Regierung betätigt, was auch weiterhin geschieht und was durch erneute Pläne, weitere Waffen zu liefern, Fortsetzung findet. Dies ist nicht nur Öl ins Feuer eines gefährlichen Krieges in Europa, der sich zum Flächenbrand ausdehnen kann; es ist auch das ‚Russisch Roulette‘ mit dem atomaren Inferno. Atomanlagen und Krieg, das darf niemals miteinander verknüpft werden. In der  Situation gibt es keine Alternative zu einer umsichtigen De-eskalation und Entspannungspolitik. Alle Nato-Militär-Beiträge zugunsten der ukrainischen de-fakto-Regierung sind sofort zu beenden. Friedensverhandlungen unter UNO-Vermittlung sind der einzig mögliche Ausweg aus einem Konflikt, der militärisch nicht gewonnen werden kann, sondern die Gefahr eines nuklearen Infernos birgt.

Angesichts dieser Gefahr wird es noch einmal umso wichtiger, dass die Friedensbewegung weitere Unterstützung aus der Gesellschaft erhält. Dafür werden wir uns einsetzen.