29.01.2015
70 Jahre nach der Befreiung
von Faschismus und Krieg: Für eine neue Entspannungspolitik,
nein zur Vorbereitung auf den Krieg!
Ludwig
Baumann, Esther Bejarano, Heinrich Fink, Peggy Parnass, Sally
Perel, Eckart Spoo, Peter Strutynski, Konstantin Wecker und
andere Persönlichkeiten rufen auf
Eine Erklärung
„70 Jahre nach der Befreiung von Faschismus und Krieg:
Für eine neue Entspannungspolitik, nein zur Vorbereitung auf
den Krieg!“ wurde anlässlich des 70. Jahrestags der
Befreiung von Krieg und Faschismus der Öffentlichkeit
übergeben. Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA,
bezeichnete die Erklärung als wichtiges Eingreifen
verantwortungsbewusster Menschen in die Bewegungen dieser Zeit. Es
heißt darin: „Wir rufen alle Demokratinnen und
Demokraten, insbesondere die jungen Menschen auf: Erinnert mit einer
Vielzahl von regionalen und örtlichen Veranstaltungen das
ganze Jahr über an die Befreier und an die großen
Hoffnungen der Befreiten.“
Der Wortlaut der Erklärung:
70 Jahre nach
der Befreiung von Faschismus und Krieg: Für eine neue
Entspannungspolitik, nein zur Vorbereitung auf den Krieg!
Am 8. Mai 1945 wurde ganz Europa von dem
Verbrechersystem des deutschen Faschismus und seinem Krieg befreit.
Mehr als 55 Millionen Menschen waren zuvor Nazi-Terror, Holocaust und
Vernichtungskrieg zum Opfer gefallen. Millionen Menschen auf der ganzen
Welt bezahlten den deutschen Griff nach der Weltherrschaft mit
unvorstellbarem Leid.
Anstifter und Nutznießer des Raub- und
Vernichtungskrieges waren deutsche Banken und Konzerne, allen voran der
Chemie- und Rüstungsindustrie. Die deutsche Wirtschaft
profitierte von der „Arisierung“ und der Ausbeutung
von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern ebenso wie von der
Ausplünderung der besetzten Länder. Unvorstellbar,
welch weitere Opfer es gekostet hätte, wäre der
Faschismus nicht besiegt und zerschlagen worden.
Deshalb verdanken wir als heute Lebende die
Grundlagen eines Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt den Siegern
des 8. Mai. Die alliierten Streitkräfte, unter denen die Rote
Armee mit Abstand die größte Last des Krieges in
Europa zu tragen hatte, sind auch unsere Befreier.
Ihre Rolle und die des Widerstands in Deutschland
und den von der Wehrmacht besetzten Ländern zu
würdigen und die geschichtliche Wahrheit über
Ursachen und Folgen des Faschismus zu bekräftigen, ist bis
heute eine unerlässliche Pflicht. Angesichts der deutschen
Verantwortung für die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts
muss die historische Konsequenz, dass von deutschem Boden nie wieder
Krieg ausgehen darf, verteidigt und an die nachfolgenden Generationen
weitergegeben werden.
Trotz schwieriger politischer Konstellationen
folgte dem Sieg über den Faschismus in Europa eine lange
Friedensperiode. Der Drang der Völker, nach zwei
mörderischen Kriegen dauerhaft friedliche Beziehungen
aufzubauen und demokratische Verhältnisse zu errichten, trug
Früchte. Diese Periode endete mit dem Jugoslawien-Krieg, an
dem sich auch Deutschland wieder beteiligte. Dieser Wiedereintritt
Deutschlands in die Reihe der Krieg führenden Länder
war ein eklatanter Bruch mit den Lehren der jüngeren deutschen
Geschichte. Heute sind deutsche Waffen – und oft auch
deutsches Militär – wieder an den meisten Kriegen in
der Welt beteiligt. Die Bereitschaft, „deutsche
Interessen“ mit militärischen Mitteln durchzusetzen,
wurde gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung erneut zur
politischen Praxis der Regierenden.
Mit großer Sorge sehen wir, dass die
gegenwärtige Krise um die Ukraine Europa an den Rand
eines neuen Krieges treibt. An dieser gefährlichen
Entwicklung tragen die deutsche Regierung, die EU und die
NATO erhebliche Mitschuld. Entgegen den Festlegungen des
2-plus-4-Vertrages haben sich NATO und EU Schritt für Schritt
an die heutigen Grenzen Russlands heran erweitert. Mit der Einbeziehung
der Ukraine in EU und NATO-Strategien wurde eine explosive Situation
geschaffen. Nicht als Vermittler, sondern als Konfliktpartei, behandeln
NATO und EU Russland heute als neuen alten Feind, dem sie mit
Propaganda, Drohgebärden und Sanktionen
gegenübertreten.
Wir fordern die sofortige Beendigung dieser
gefährlichen Politik. Im 70. Jahr der Befreiung vom Faschismus
steht die Bundesregierung in der historischen Verantwortung, eine neue
Entspannungspolitik mit Russland auf den Weg zu bringen, in der die
Sicherheitsinteressen aller Beteiligten Berücksichtigung
finden.
An den 8. Mai 1945 zu erinnern, heißt
heute mehr denn je, den Frieden in Europa zu sichern. Eine starke
Friedensbewegung muss Druck machen für Verständigung
und Abrüstung statt Hetze und Rüstungsexport.
Wir werden als Antifaschist/innen und
Aktive aus der Friedensbewegung diese Lehre aus der Geschichte mit
vielfältigen Veranstaltungen, die am und um den 8. Mai in der
ganzen Republik stattfinden werden, in die Öffentlichkeit
bringen. Und wir rufen alle Demokratinnen und Demokraten, insbesondere
die jungen Menschen auf: Erinnert mit einer Vielzahl von regionalen und
örtlichen Veranstaltungen das ganze Jahr über an die
Befreier und an die großen Hoffnungen der Befreiten.
Nie wieder
Faschismus – Nie wieder Krieg!
Ludwig Baumann,
Rolf Becker, Esther Bejarano, Volker Bethge, Henny Dreyfuss, Prof. Dr.
Heinrich Fink, Silvia Gingold, Lühr Henken, Willi Hoffmeister,
Liesl Jäger, Jutta Kausch, Patrik Köbele, Bernd
Meimberg, Willi van Ooyen, Günter Pappenheim, Peggy Parnass,
Karl-Heinz Peil, Sally Perel, Tobias Pflüger, Anne Rieger,
Ulrich Sander, Monty Schädel, Horst Schmitthenner, Gerd
Schramm, Prof. Dr. Ursula Schumm-Garling, Friedo Seydewitz, Frank
Skischus, Justin Sonder, Eckart Spoo, Dr. Peter Strutynski, Horst
Trapp, Bernhard Trautvetter, Peter Christian Walther, Konstantin
Wecker, Marianne Wilke, Steffi Wittenberg, Kutlu Yurtseven
Berlin, 28.01.2015
|