13.01.2015
Aufruf der VVN-BdA: 8. Mai
1945 – Tag der Befreiung, Chance für Frieden und
Demokratie in Europa
Der Bundesausschuss der
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten hat
zum Jahresbeginn einen Aufruf zum 8. Mai 2015, dem 70. Jahrestag der
Befreiung von Krieg und Faschismus herausgegeben. Die VVN-BdA fordert
darin, dass der 8. Mai als Tag der Befreiung endlich auch in
Deutschland ein gesetzlicher Feiertag wird. Weiter wird festgestellt:
Der Wiedereintritt Deutschlands in die Reihe der Krieg
führenden Länder stellt einen Bruch mit dem
Nachkriegskonsens „Es soll nie wieder Krieg von deutschem
Boden ausgehen“ als wichtigste Lehre aus der
jüngeren deutschen Geschichte dar. Nie wieder Krieg und
Faschismus bleibe das zentrale herausragende Vermächtnis des
Sieges der Antihitlerkoalition von 1945. Der Wortlaut des Aufrufes
lautet:
Am 8. Mai wurde ganz Europa von der
Geißel des Faschismus befreit. In Deutschland erlebten in
erster Linie die überlebenden Verfolgten und
Widerstandskämpfer_innen diesen Tag als Befreiung. Aber auch
wir alle, die wir heute leben, verdanken die Grundlagen unseres Lebens
in Frieden, Freiheit und Vielfalt den Siegern des 8. Mai. Die
alliierten Streitkräfte, unter denen die Rote Armee mit
Abstand die größte Last des Krieges in Europa zu
tragen hatte, sind und bleiben auch unsere Befreier. Mit besonderer
Dankbarkeit erinnern wir an den Beitrag, den der deutsche
antifaschistische Widerstand in Deutschland, in der Emigration, als
Teil von Partisanenverbänden und in den Streitkräften
der Anti-Hitler-Koalition geleistet hat.
Mehr als 55 Millionen Menschen fielen Nazi-Terror,
Holocaust und Vernichtungskrieg zum Opfer. Sie bezahlten den deutschen
Griff nach der Weltherrschaft mit unvorstellbarem Leid und ihrem Leben.
Die deutsche Wirtschaft, allen voran Chemie- und
Rüstungsindustrie und Banken waren die Gewinner von
„Arisierung“, Krieg und der Ausbeutung von
KZ-Häftlingen und Zwangsarbeiter_innen. Diese Gewinne bildeten
die Grundlage des „Wirtschaftswunders“ in der
Bundesrepublik, während die Opfer um jede Mark
Entschädigung kämpfen mussten und bis heute
kämpfen müssen.
In nahezu allen ehemals von Nazi-Deutschland
besetzten Ländern wurden der 8. und/oder 9. Mai gesetzliche
Feiertage, das war auch in der DDR der Fall. Genau 40 Jahre hat es
gedauert, bis ein Präsident der Bundesrepublik an einem 8. Mai
von Befreiung gesprochen hat. Bis dahin hatte die Sicht der Nazis, der
Deutsch-Nationalen, der „Frontkämpfer“,
der Profiteure und Mitläufer das offizielle Vokabular
geprägt: Zusammenbruch, Kapitulation, Besatzer. Mit
Weizsäckers Rede wurde die Perspektive der Verfolgten des
Nazi-Regimes „gesellschaftsfähig“.
Damit das so bleibt, fordern wir, dass der 8. Mai
als Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg endlich auch in
Deutschland ein gesetzlicher Feiertag wird.
Wir wissen, dass die Früchte des 8. Mai
stets gefährdet sind. Rassismus, Chauvinismus, Antisemitismus
und Antiziganismus, Islamfeindlichkeit – alle
möglichen Ideologien zur Begründung sozialer
Ungleichheit und gesellschaftlicher Ausgrenzung haben Konjunktur. Wir
wissen, die soziale Spaltung der Gesellschaft hat ein Ausmaß
erreicht, in dem die Angst vor dem Abstieg Anpassungsdruck und
Ausgrenzungsbereitschaft erhöht. Wir erleben, dass Grundrechte
immer weiter eingeschränkt werden. Wir sehen mit Sorge, wie
unbarmherzig unsere Gesellschaft Flüchtlingen
gegenübertritt und gewaltsame Übergriffe duldet.
Der rasante Aufstieg neofaschistischer und
rechtspopulistischer Kräfte in nahezu allen
europäischen Ländern verlangt entschiedene Gegenwehr.
Der Wiedereintritt Deutschlands in die Reihe der
Krieg führenden Länder stellt einen Bruch mit dem
Nachkriegskonsens „Es soll nie wieder Krieg von deutschem
Boden ausgehen“ als wichtigste Lehre aus der
jüngeren deutschen Geschichte dar. In vielen Ländern
der Welt, im Irak, in Syrien, in der Ukraine und in weiten Teilen
Afrikas toben Kriege. Wieder sind deutsche Waffen - und oft auch
deutsches Militär - überall beteiligt. Die
Bereitschaft, „deutsche Interessen“ erneut mit
militärischen Mitteln durchzusetzen ist gegen den Willen der
Mehrheit der Bevölkerung in Regierung und Bundestag wieder
politische Praxis geworden.
Gerade darum wollen wir den Tag zum Feiertag
machen, den die Überlebenden als
„Morgenröte der Menschheit“ erlebt haben,
wie es der als Jude und Kommunist verfolgte
Résistance-Kämpfer Peter Gingold
ausgedrückt hat. Wir wollen am 8. Mai vor allem an die
Hoffnung der Befreiten auf eine Welt ohne Kriege, Elend und
Unterdrückung erinnern und diese als Impuls nehmen, weiter an
der Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit zu
arbeiten, so wie es die befreiten Häftlinge von Buchenwald
geschworen haben.
In diesem Sinne rufen wir auf:
Nie wieder
Faschismus – nie wieder Krieg!
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