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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

28.10.2014

Der Rechtspopulismus und Militarismus im Visier

6. Antifaschistische Regionalkonferenz in Würselen

„Das Fazit des vergangenen Jahres ist niederschmetternd“, heißt es in der Abschlusserklärung der sechsten Regionalkonferenz „Aktiv gegen Rechts“, die am Samstag im Städtischen Gymnasium Würselen stattfand. So haben die Parteien der äußersten Rechten erschreckende Wahlergebnisse in ganz Europa erreicht. „Auch in Deutschland konnte mit der AfD eine chauvinistische und nach Rechts offene Partei Parlamentssitze erringen“, führen die Konferenz-Teilnehmer vor Augen.

Aachens DBG-Vorsitzender Ralf Woelk führte durch das Programm der Regionalkonferenz. Er begrüßte auch den Schirmherren der Veranstaltung, Würselens Bürgermeister Arno Nelles, der sich angesichts der nicht abebbenden Flüchtlingswelle nachdrücklich für eine positive Willkommenskultur in unserem Land aussprach.

Eine Analyse des europäischen Rechtspopulismus legte der Sozialwissenschaftlers Alexander Häusler vor. Der Dozent der FH Düsseldorf arbeitet im Forschungsschwerpunkt Rechtsradikalismus/Neonazismus (Forena). Er referierte  darüber, wie es den  Rechtsaußenparteien europaweit gelingt zu erstarken. Er deckte dabei auch nationalistische und europafeindliche Tendenzen der "Aktion für Deutschland" (AfD) auf, die er als Hoffnungsträger für Rechts-Parteien wie den französischen Front National im Streben nach Vernetzung auffasst. Dagegen sei man hierzulande nicht gewappnet.

"Zu sehr ist der Kampf gegen Rechts noch immer auf neonazistische Tendenzen und deren Straftaten konzentriert." Häuslers Appell: Den Blick zu weiten auch auf den aufkeimenden Rechtspopulismus, der als „biedermännisch bürgerlicher Nationalismus“ daherkomme.

In Arbeitsgruppen befassten sich die Teilnehmer mit Rassismus gegen Flüchtlinge, dem „Feindbild Islam“ und der „Militarisierung der Außenpolitik“, ferner mit antifaschistischer Erinnerungsarbeit und Zeitzeugenberichten.

Wie sehr sich auch schon junge Menschen gegen Rassismus einsetzen, stellten Schüler des Gymnasiums unter Beweis: Sie präsentierten Beiträge im Zuge des Projekts „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, die großen Anklang fanden.

Die Regionalkonferenz hat im Kampf gegen Rechts auch die Behörden im Visier:

In den NSU-Untersuchungsausschüssen etwa seien „haarsträubende Dinge ans Licht gekommen und nicht aufgeklärt worden“, heißt es in der Erklärung. So sei die Mordserie der NSU nur möglich gewesen, weil Behörden und Teile der Gesellschaft die Augen verschlossen hätten.

Unter dem Firmenschild „Die Rechte“ genössen Faschisten Parteiprivilegien.

Zwar gebe es in der Region gute Beispiele für Engagement gegen Rechts, doch, so schließt die Erklärung, reiche es nicht, nur gute Gesinnung zu zeigen: „Es ist nötig, sich über Rassismus, Antisemitismus, Militarismus und Neonazismus aufzuregen“, fordert die Konferenz.

Die Regionalkonferenz soll im kommenden Jahr den Arbeitstitel „Weiter so?“ tragen und sich  mit Arbeitsweisen, Organisation von Bündnisarbeit und Vernetzung auseinandersetzen.

Hier der Wortlaut der Erklärung.

Abschlusserklärung der 6. Regionalkonferenz Aktiv gegen Rechts am 25.10.2014 in Würselen

Die Konferenz:

Zum sechsten Mal trafen sich Vertreterinnen und Vertreter lokaler Initiativen gegen Rechts in unserer Gesellschaft. In diesem Jahr standen besonders die Ergebnisse der Europawahlen und die  Flüchtlingsabwehr europäischer Staaten im Zentrum der Diskussionen. Moderator Ralf Woelk (Geschäftsführer des DGB-NRW Süd-West) begrüßte die rund 100 Anwesenden und hob hervor, dass es eine gute Tradition der bislang sechs Konferenzen Aktiv gegen Rechts in den verschiedenen Städten ist, dass Basis-Aktivist_innen und Mandatsträger_innen aus Gemeinden um ein gemeinsames Auftreten gegen Rassismus und Neonazismus gerungen haben und es viele positive Beispiele für Zusammenarbeit auf der lokalen Ebene gibt.

Der Hauptvortrag des Vormittags wurde gestaltet von Alexander Häusler vom Forschungsschwerpunkt Rechtsradikalismus/Neonazismus (FORENA) an der FH Düsseldorf. In der Mittagspause präsentierten Schülerinnen und Schüler des Würselener Gymnasiums ihre Beiträge zum Projekt Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage. Außerdem konnten sich die Teilnehmer_innen an Infoständen über die Arbeit und Projekte der beteiligten Basisgruppen informierten. Im Nachmittag wurde in fünf Arbeitsgruppen informiert und diskutiert über die Situation von Flüchtlingen, die Erinnerungsarbeit anderer europäischer Länder, über die Stellung des Islams in Europa und über die Militarisierung der Außenpolitik. Für Schüler_innen wurde eine Arbeitsgruppe mit dem Zeitzeugen Helmut Clahsen durchgeführt.

Der Stand der Dinge:

Das Fazit des vergangenen Jahres ist niederschmetternd: Die Parteien der äußersten Rechten haben erschreckende Wahlergebnisse erreicht. Rassismus und Nationalismus in Europa konnten nicht zurückgedrängt werden. Auch in Deutschland konnte mit der AFD eine chauvinistische und nach rechts offene Partei Parlamentssitze erringen. Leidtragende sind vor allem Flüchtlinge, deren Behandlung nicht zuletzt in Deutschland der Menschenwürde widerspricht.

Zusätzlich hat die „freie“ Welt Brandfackeln in die öl-und rohstoffbesitzenden Länder geworfen. Staaten sind im Chaos versunken. Unter dem Vorwand, Diktatoren zu bekämpfen, bewaffnete sie Regimegegner. Dabei stachelte sie Kräfte an, die sie nun bekämpfen. Immer mehr wird Krieg zur Lösung von Problemen und nachher stellt sich heraus, dass die Probleme größer geworden sind, darüber aber hunderttausende Tote zu beklagen sind. Die Bundesrepublik ist daran durch Waffenlieferungen und Destabilisierung von Regierungen beteiligt. So werden Fluchtgründe geschaffen und die Flüchtlinge, die nicht vor den Außengrenzen der EU ertrinken, werden in der EU illegalisiert und verfolgt.

Die Konferenz hat in jedem Jahr in ihrer Schlusserklärung die Untätigkeit und Unfähigkeit von Behörden im Kampf gegen Rechts kritisiert. In den NSU-Untersuchungsausschüssen sind haarsträubende Dinge ans Licht gekommen und nicht aufgeklärt worden. Das Spitzelunwesen der Geheimdienste ist zur Gelddruckmaschine für kriminelle Nazi-Banden geworden. Es hat sich herausgestellt, dass die Mordserie der NSU nur möglich war, weil Behörden und Teile der Gesellschaft die Augen vor dem Problem des rechten Terrors verschlossen haben. Bis heute ist das Bombenattentat auf das Oktoberfest nicht aufgeklärt. Bis heute ist die Öffentlichkeit nicht darüber informiert, wie viele von der Polizei gesuchte Neonazis untergetauchte Zeitbomben sind.

Die Nachfolger der verbotenen Nazi-Kameradschaften genießen unter dem Firmenschild Die Rechte Parteienprivilegien. Die Provokationen dieser Neonazis sind unappetitlich und kriminell. Sie gehören verboten wie die FAP der 90er Jahre, von der es auch jahrelang hieß, sie könne als Partei nicht verboten werden. Und so, wie in Deutschland die Augen vor dem Neonazismus verschlossen wurden, so erkennen viele die Nazis auch nicht, wenn sie in der Ukraine als Teil der neuen Machthaber auftauchen.

In der Region gibt es gute Beispiele für lokales Engagement gegen Rechts. Oftmals reicht es jedoch nicht, „nur“ gute Gesinnung zu zeigen. Wenn es ernst wird, wenn persönliches Handeln gefragt ist, dürfen die Aktiven nicht weniger werden, denn wir brauchen vielfältigen, aktiven Widerstand. Es ist immer noch so, dass Naziaufmärsche von Behörden und Institutionen verheimlicht werden, „damit es keinen Ärger gibt“. Die, die sich den Nazis dann entgegenstellen, dürfen nicht als gewaltbereite Ruhestörer_innen denunziert werden. Das alles ist aber kein Problem des rechten Randes, es ist ein Problem der Gesamtgesellschaft und solange Ruhe die erste Bürgerpflicht ist, wird sich daran wenig ändern. Es ist nötig, sich über Rassismus, Antisemitismus, Militarismus und Neonazismus aufzuregen und sich vielfältig dagegen zu engagieren.

Was tun?

Auch wir haben keine Patentrezepte, aber wir arbeiten daran, Lösungen zu finden, die viele mittragen können. Der Zusammenhalt der vergangenen sechs Regionalkonferenzen ist gewachsen und eine gute Basis für die Zukunft. Wir schlagen daher vor, die Regionalkonferenz 2015 unter dem Titel Weiter so? durchzuführen und uns dort intensiv mit Arbeitsweisen, Organisation von Bündnisarbeit und Vernetzung auseinanderzusetzen. Hier sollen die Fragen, die wir „unterwegs“ in der gemeinsamen Arbeit gegen Rechts nur unzureichend klären konnten, behandelt werden.