15.10.2014 L'autre guerre - Der andere Krieg: Weltkrieg I
Kolloquium
in Spa/Belgien mit VVN-BdA Ein
internationales Kolloquium befaßte sich am 20. September 2014
mit Fragen, die zum Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges in
den meisten Rezeptionen unberücksichtigt blieben. Das
Kolloquium wurde durchgeführt auf Initiative der VVN/BdA NRW
und unter der Schirmherrschaft der Weltunion der Freidenker. L'autre guerre - Der andere
Krieg - Bericht vom Kolloquium 20.9.2014 in Spa Ein
internationales Kolloquium befasste sich am 20. September 2014 mit
Fragen, die zum Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges in den
meisten Rezeptionen unberücksichtigt blieben. Das Kolloquium
wurde durchgeführt auf Initiative der VVN/BdA NRW und unter
der Schirrmherrschaft der Weltunion der Freidenker. Austragungsort war
das ehemalige "Hotel le Britannique" in Spa, jenes Hotel, in dem der
deutsche Kaiser 1917/18 residierte - und abdankte. Freidenker und
laizistische Organisationen in Belgien (Spa, Lüttich,
Stavelot, Malmedy) sowie der Ostermarsch Rhein/Ruhr und die DFG-VK NRW
unterstützen das Kolloquium. Die internationalen
Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden durch Simultanübersetzer
unterstützt. Zunächst
wandte sich der René Burget, ein Lehrer aus Limoges und
Aktivist der französischen Friedensbewegung, einem vergessenen
Skandal zu. In der französischen Armee hatte es eine breite
Bewegung von Verweigerung und Flucht gegeben, in einem Jahr wurden
allein 116 Meutereien verzeichnet. Ein Großteil dieser sog.
"Meuterer" wurde aus Abschreckung hingerichtet, ohne letztlich diese
Form des Widerstandes gegen den Krieg beenden zu können. Der
Skandal der Ermordung der Kriegsgegner jedoch lebt fort. Bis heute hat
es jede Regierung abgelehnt, diese Ermordeten zu rehabilitieren. Burget
berichtete von einem medienwirksamen Tribunal namens
"Pazifistengericht", das die Befehlsgeber dieser Morde benannte,
verurteilte und die Opfer rehabilitierte. Die französische
Friedensbewegung will, auch mit aktuellen Motiven, die Forderung nach
Rehablitierung auf der Tagesordnung halten. Die
Gräueltaten der deutschen Armee im besetzten neutralen Belgien
waren Thema des Referates von Patrice Lefebvre, dem Vorsitzenden des
Laïzitätshauses in Stavelot. Bekanntlich hatten
deutsche Einheiten ca. 6.000 Belgier ermordet und ca. 20.000
Gebäude dem Erdboden gleichgemacht, so sollte die
Bevölkerung der Besatzungsmacht gegenüber
gefügig gemacht und als Schutzschild gegen feindliche Truppen
missbraucht werden. Die Vernichtung der weltberühmten
Universitätsbibliothek von Leuven oder das Massaker an 674
Menschen in Dinant (ein Zehntel der Bevölkerung) waren
Höhepunkte der deutschen Barbarei. Lefebvre
erläuterte das deutsche Vorgehen anschaulich am Beispiel von
Francorchamps, in dem nach Schüssen unbekannter Herkunft die
umliegenden Dörfer niedergebrannt und 14 Männer und
Frauen erschossen wurden. Hubert Hedebouw vertrat
Lucas Catherine vom Institut für marxistische Studien und
Forschungen (Brüssel) und beleuchtete die Opfer der
"vergessenen Schützengräben" in Afrika. Belgien hatte
hunderttausende Kongolesen rekrutiert und geopfert, um sein
Kolonialreich gegen "Deutsch-Ostafrika" auszuweiten. Es waren aber
rassistische Motive, Kongolesen nicht an der Yserfront gegen
Deutschland einzusetzen. Wie wichtig die Erinnerung an diese Opfer des
Krieges ist, zeigt allein die Tatsache, dass in Belgien (Leuven) erst
vor weniger als zehn Jahren ein Lehrstuhl zur Erforschung des
belgischen Kolonialismus eingerichtet wurde. Ein bereits 1913 auf
flämisch erschienenes Buch von Lucas Catherine zu diesem Thema
wird in den nächsten Wochen auch auf Französisch
aufgelegt. Für die Landesvereinigung der
VVN/BdA referierte ihre Vorsitzende, Iris Bernert-Leushacke,
über den Vertrag von Versailles und den Aufstieg des deutschen
Faschismus und hob die Kontinuität der deutschen Kriegsziele
hervor. An dieser Stelle seien genannt die schon 1911 formulierten
Führungsansprüche in Europa ("Deutschland ist der
unbestrittene wirtschaftliche Herr Europas", Stinnes) und die
Ausweitung des deutsches Einflussgebietes Richtung Osten - inclusive
Vereinnahmung der Ukraine. Es waren dann beispielsweise auch Vertreter
des Alldeutschen Verbandes und der 1917 kurzzeitig gegründeten
"Deutschen Vaterlandspartei", die mit massiver Unterstützung
des Großkapitals und revanchstischer militärischer
Verbände ("Freikorps") letztlich die alten Kriegsziele in die
NSDAP einbrachten. Bernert-Leushacke erinnerte daran mit dem Verweis
darauf, dass - obwohl sich Geschichte nicht wiederhole - diese
Kriegsziele auch in den aktuellen Auseinandersetzungen durchscheinen
und die Versuche der Einverleibung der Ukraine in EU und Deutschland
beleuchten. (Redebeitrag im Anhang bzw. zum Download: ...) Annie-Lacroix-Riz,
Historikerin und emeritierte Professorin der Pariser
Universität, erläuterte die Rolle des Vatikans im
Verlaufe des ersten Weltkrieges. Sie trat der herrschenden
Geschichtsschreibung, die in der vatikanischen "Friedensinitiative" vom
1. August 1917 eine unpolitische humanitäre Aktion sieht,
entgegen und nahm dabei den Nuntius Pacelli, den späteren
Papst Pius XII., ins Visier. Unter seinem Einfluss wurde der Vatikan
zur Schlüsselmacht der germanischen Welt. Als Nuntius in
München nutzte er seinen Einfluss als Schutzherr der
Rechtsextremen und entwickelte sich zum Symbol des Hasses gegen die
Entente. Den abschließenden Vortrag des
Kolloquiums hielt der Vorsitzende der Weltunion und des Deutschen
Freidenkerverbandes, Klaus Hartmann. Er betrachtete den Krieg als
Ausdruck konkurrierender imperialistischer Mächte, von denen
Deutschland mit besonderer Aggressivität hervorstach und die
Verantwortung für den Ausbruch des Krieges zu tragen hatte.
Und damit war Hartmann mitten in der Gegenwart. Denn es sind wieder
nackte imperialistische Interessen an Rohstoffen, Absatzwegen und
Märkten, die Kriege auslösen und beflügeln.
Und wieder sind es antirussische Kampagnen, die den
Bevölkerungen Kriegszustimmung abgewinnen sollen. Hartmann
konnte sich dabei auf seine Vorrednerinnen und Vorredner beziehen, die
alle in ihren jeweiligen Vorträgen auf die
Kontinuität antirussischer Hetz- und Lügenkampagnen
hingewiesen haben. Insgesamt stach das Kolloquium aus
der breiten Reihe der Veranstaltungen zum 100sten Jahrestag des
Kriegsbeginns hervor. Der Schwerpunkt lag auf "vergessenen" Aspekten
dieses Krieges, und die gesamte Ausrichtung zielte darauf, vor den
aktuellen Kriegsentwicklungen aufmerksam zu machen und zu warnen,
insbesondere der (wiederholte) Griff auf die Ukraine wurde als massive
Gefährdung des Friedens betrachtet. Das Kolloquium war
international besetzt und organisiert. Damit war es zugleich auch
Ausdruck des Zustandes der internationalen Friedensbewegung, einen
Impuls für Aktionen der Friedensbewegung z.B. gegen
die Militarisierung der EU-Länder wie der EU selber konnte es
nicht setzen, das wird kommenden gemeinsamen Veranstaltungen
vorbehalten sein. Das Kolloquium wird in Bälde per DVD
nachzuhören sein. Der Vortrag von Iris Bernert-Leushacke als PDF. |