08.09.2014 Antifaschismus gegen Kriegshetze der Nazis - am Beispiel Dortmunds Beitrag von Ulrich Sander für das "Friedensjournal" Die
Auseinandersetzung zwischen Antifaschismus und Antimilitarismus
einerseits und Nazismus/Neonazismus und Kriegstreiberei andererseits
vollzog sich in Dortmund bis zur Zäsur von 1989/90 ähnlich
wie in der ganzen Republik. Es galt der Schwur von Buchenwald in seiner
Kurzform „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“. Ab 1990
bot sich auch den Dortmunder Neonazis in der untergegangenen DDR ein
großes Betätigungsfeld. Die rechten Kader kehrten dann 2000
zurück und machten sich bemerkbar: drei Morde an Polizisten, die
nie geahndet wurden, weil der Haupttäter sich das Leben nahm. Im
Herbst 2000 dann der erste große Aufmarsch der bundesweiten
Naziszene. 2009 erreichten die Nazis, das Familien aus Dortmund flohen,
um ihrem Terror zu entgehen. Da spätestens wachte die Stadt
Dortmund auf, unternahm große Aktivitäten der
Aufklärung und des "Mut machens" der Bürger gegen
Rechts. Siehe: http://www.dortmund.de/de/rathaus_und_buergerservice/lokalpolitik/vielfalt_toleranz_und_demokratie/interview_anders_hoepgen/interview_hartmut_andershoepgen.html Über
die Bewegung der politischen Kräfte in der Stadt berichtete Ulrich
Sander (VVN-BdA) jetzt in "Friedensjournal", wobei er hier vor allem
auch auf das Verhältnis Friedensbewegung/Antifabewegung eingeht. Sein Beitrag hat den Wortlaut: Das
Ringen um Frieden und Freiheit und gegen Nazismus waren eins. Nazismus,
das waren vor allem die alten Kräfte des Krieges und des
Faschismus, die in der Bundesrepublik wieder aufsteigen durften. Diese
waren vielfach im Staatsapparat und im Militär verankert oder
bekamen Pensionen, von denen Antifaschisten nicht mal träumen
durften. Sie wurden vielfach politisch verfolgt und wegen des
Widerstandes gegen die Wiederbewaffnung – man nannte es wieder
Landesverrat – eingesperrt. Die 68er stellten dann ihre
Väter- und Großvätergeneration zur Rede. Bis Ende der
80er Jahre schieden die letzten alten Nazis aus dem Staatsapparat aus
– aus biologischen Gründen. In Dortmund war die Besetzung
der Polizei mit alten Nazis besonders gravierend. Die Arbeiterbewegung
stellte sich in besonderem Maße den Nazis entgegen, - einhellig
war der Widerstand gegen die NPD-Auftritte in der Stadt, die jedoch von
der Polizei begünstigt wurden, ebenso wie die Auftritte der neuen
faschistischen Kühnen-Richtung (Borussen-Front, FAP) Ab 1990
bot sich auch den Dortmunder Neonazis in der untergegangenen DDR ein
großes Betätigungsfeld. Die rechten Kader kehrten dann 2000
zurück und machten sich bemerkbar: drei Morde an Polizisten, die
nie geahndet wurden, weil der Haupttäter sich das Leben nahm. Im
Herbst 2000 dann der erste große Aufmarsch der bundesweiten
Naziszene. Die Antifaschisten und die bürgerlichen Demokraten
waren sich einig, diesen Bestrebungen entgegenzutreten. Uneinig waren
sie, was den Legalismus der Nazis anbetraf: Jene, die nur die
„politische Auseinandersetzung“ bei Gewährenlassen der
Nazis mit Hilfe der Polizei wollten, kamen in großer Zahl auf dem
Hansaplatz zusammen; die VVN-BdA unterstützte dies, veranstaltete
aber zuvor mit dem neuentstandenen Bündnis „Dortmund gegen
Rechts“ eine Kundgebung auf dem Platz von Leeds, autonome
Kräfte demonstrierten danach auf den Wällen und reihten sich
nicht auf dem Hansaplatz ein. Letztere wurden dann von der Polizei
eingekesselt und brutal stundenlang eingepfercht. Es folgten
ungefähr fünf Jahre mit nachlassender
bürgerlich-demokratischer oder zivilgesellschaftlicher
Aktivität gegen die immer stärker werdende militante
Naziszene: Es sei besser, die rechte Szene nicht durch zuviel
Aufmerksamkeit aufzuwerten. So wurden die terroristischen
Qualitäten der Nazis verkannt; es geschah in dieser Zeit ein Mord
eines „unpolitischen“ Nazis an einem autonomen Jugendlichen
und an einem türkischen Kioskbesitzer, später als NSU-Opfer
erkannt. Der etablierte und der linke Antifaschismus waren gespalten.
Die unterschiedliche Bewertung der Polizeipolitik war dafür der
offen erkennbare Grund. Der DGB wanderte ins bürgerliche Lager,
denn man dürfe doch die Kollegen von der Polizeigewerkschaft nicht
in ihrem schweren Amt allein lassen. Zudem haben sich autonome
Antifaschisten nie ganz mit der Bezugnahme auf das Grundgesetz
anfreunden können, wie sie der traditionelle, noch mit dem
Widerstand und den Erfahrungen und Errungenschaften von 1945-1949
verbundene Antifaschismus praktizierte. Dazu sagten wir: Das
Grundgesetz und seine antifaschistisch-antimilitaristische Aussagen, so
in Artikel 14/15, 26 und 139 galt und gilt es zu befolgen, Faschisten
sind zu verbieten, das waren und sind die Positionen von Bündnis
Dortmund gegen Rechts und VVN-BdA wie auch DKP, Partei DieLinke. Doch
auch ein weiterer inhaltlicher Grund für die
Nichtübereinstimmung aller antinazistischen Kräfte in der
Stadt lag vor. Die sich zivilgesellschaftlich nennenden Kräfte
blieben nicht so zivil, wie sie sollten. SPD und Grüne wurden 1999
Kriegsparteien, die CDU und FDP folgten gerne, der DGB und die Kirchen
widersprachen nicht. Doch mit der Aufnahme einer verlogenen
Friedensrhetorik in die Thematik der Aufmärsche der Nazis begann
sich das Blatt zu wandeln. Hatten SPD- und Grüne Minister 1999 die
Parole ausgegeben: „Nie wieder Auschwitz“ bedeutet nicht
mehr gleichzeitig Nie wieder Krieg, im Gegenteil, so kehrte mit den
„nationalen Antikriegstagen“ der Rechten nach und nach auch
das „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“ bei
Gewerkschaftern und vielen Sozialdemokraten zurück – wenn
auch die Hauptlosung „Unsere Stadt sei bunt statt braun“
blieb – und nicht etwa konsequent in „Bunt statt Braun und
Olivgrün“ umbenannt wurde. Das lag aber auch daran,
daß die Nazis ihre Kriegsbefürwortung tarnten. Sie
marschierten am Antikriegstag 1. September – aber nicht weil das
der Tag des Überfalls auf Polen 1939 war, sondern weil am 2.
September 1939 Großbritannien als Polens Verbündeter
offiziell in den Krieg eintrat. Die Nazis und die anderen
Rechtsextremen sind – und da unterscheiden sie sich nicht von den
Vertretern der offiziellen deutschen Militärpolitik, –
für eine starke Bundeswehr, gegen Abrüstung, für den
„Kampf um deutsche Interessen“. Sie drängen in die
Bundeswehr, allein schon um das „Waffenhandwerk“ zu
erlernen. Sie sind zahlreich in den Reservistenverbänden
vertreten. Sie stehen in der Tradition der Hitler-Wehrmacht. Sie wollen
die Grenzen in Europa ändern und Land im Osten zurückholen. „Gegen
eine von der extremen Rechten imaginierte Funktion der Einkreisung als
Mittel der Schwächung und Niederhaltung Deutschlands fordert sie
Deutschlands ‚Lebensrecht’ und Mission,“ schreibt
Prof. Fabian Virchow (Universität Düsseldorf) in seiner
Studie über „Internationale Beziehungen und Militär in
den politischen Konzeptionen der extremen Rechten“, die er
unter dem Titel „Gegen den Zivilismus“ herausbrachte
(Wiesbaden 2006). Die mit der „kleinstdeutschen Einheit vom Rhein
zur Oder“ verbundenen Gebietsverluste werden beklagt: „Was
ist schon ein Deutschland ohne Schlesien, Ostpreußen,
Österreich oder Südtirol?“ (S. 112 bei Virchow) Die
extreme Rechte, so Virchow, strebt mit ihrer Friedensrhetorik die
Durchsetzung eines völkisch-arrondierten und mit umfassenden
Gewaltmitteln ausgestatteten Groß-Deutschland an. „Dieses
soll nach weitreichender Militarisierung von Militär und
Gesellschaft als imperiale europäische Ordnungsmacht und
weltpolitisch als Gegenpol gegenüber den USA auftreten.“ Die
VVN-BdA erklärte angesichts „friedenspolitischer
Aktivitäten der neuen Rechten nach Beginn des Konfliktes in der
Ukraine, der vom Westen, insbesondere von den USA, angeheizt wird: "Mit
der sogenannten ‚Friedensbewegung 14’ und ihren
Montagsmahnwachen ist der Versuch verbunden, eine rechtspopulistische
bzw. neurechte Bewegung auch zur Desavouierung der klassischen
Friedensbewegung zu installieren," Das Jahre währende
Gedenken der rechten Szene in Dresden - „Gedenken an die
deutschen Opfer“, wofür sie Revanche wollen – und die
seit Jahren in Dortmund zelebrierten „Antikriegstage“
dieser Szene, aber auch die „Montagsmahnwachen“ ab
März 2014, das sind dreisteste „Diskurspiraterien“
(nach der Übernahme linker Diskurse und Themen wie
Antikapitalismus, Sozialpolitik und Interessenvertretung). Denn die
Rechten sind wie eh und je für den Krieg, nur nicht für die
gegenwärtig von Deutschland mit geführten US- und
Israelfreundlichen Kriege. Voraussetzung des Friedens sei der Sieg des
„nationalen Sozialismus“, und im „gelobten Land
Israel“ seien dann „ja alle im Himmel“ (Siegfried
Borchardt, alter Neonazikader aus Dortmund in einer
„Friedensrede“). Erstmals haben sich ältere
Antifaschisten in den Jahren 2008 und 2009 diesem Treiben mit sowohl
antifaschistischen als auch antimilitaristischen Äußerungen
entgegengestellt. Eine „Aktion 65 plus“ führte am 6.
September 2008 in Dortmund einen 700köpfigen spontanen
Demonstrationszug an. Am 5. September 2009 war eine erneute derartige
Aktion erforderlich. Der Blockadegedanke war enttabuisiert. Nunmehr
rufen auch Politiker zu Blockaden auf. Es bildete sich
„blockaDo“, die breiteste, zumeist jugendgeführte
Aktion, – die allerdings den Nachteil hat, daß sie sich
inhaltlich nicht auf einen Aufruf für den Frieden einigte und vom
Mitführen von Fahnen und Transparenten absah. Dies ist nicht im
Sinne von „65 plus“ Denn die 65plus- Erklärung lautete
u.a.: „Aktion 65 plus – Wir haben es erlebt. Nie
wieder. Bombennächte. Ständige Angst. Hausdurchsuchungen. Die
Eltern im KZ. Verwandte sterben im Krieg. Nachbarn mit dem gelben Stern
werden abgeholt. Nachts träumen wir davon. Die Nachfolger der
Nazibande, die das verschuldete, erheben wieder ihr Haupt. Jahr
für Jahr kommen sie nach Dortmund. Sie rufen „Nie wieder
Krieg“ und fügen hinzu: „ ... nach unserem Sieg, dem
Sieg des ‚nationalen Sozialismus’“. Das Maß ist
voll. Sie reden von Frieden, Antikapitalismus, ja Sozialismus. Das
taten Hitler und Goebbels auch. Es kam zum furchtbarsten aller Kriege.
Zur schlimmsten Form des Kapitalismus: Nicht nur Ausbeutung durch
Arbeit, sondern Vernichtung durch Arbeit. Es kam zur Versklavung und
zum Holocaust. Die NPD und andere Nazigruppen betreiben
umfassende „Ostkontakte“ zu faschistischen Gruppen in
Polen, der Ukraine, Russland und anderswo, wobei sich der Schwerpunkt
mal von den Gruppen in Kiew hin zu jenen in Moskau verlagert. Indem die
ukrainischen Faschisten mit Hilfe des Westens in die Regierung in Kiew
gelangten, ist erstmals ein Pakt der EU- und NATO-Behörden mit
Faschisten geschmiedet worden, ein Pakt, der innerhalb Deutschlands
noch nicht möglich erscheint. Der Vorgang erinnert an die Zeit ab
1949, da die westlichen Alliierten, vornehmlich die USA, mit
NSDAP-Kadern paktierte, um ein Bollwerk gegen die Sowjetunion
aufzubauen. Nun wird wieder ein aggressives Bollwerk gegen Moskau
errichtet. Und Faschisten erhalten darin ihren Platz. Gleichzeitig
liegt dem Bundesverfassungsgericht ein Antrag des Bundesrates vor, die
NPD als verfassungsfeindlich zu verbieten. Ein solches Verbot ist
unbedingt erforderlich, allein um Standards des höchsten Gerichts
zu schaffen, die auf Naziparteien anzuwenden sind. Und in Dortmund?
Dort haben sich vor einem Jahr die damals verbotenen Nazigruppen sofort
wieder in einer Partei „Die Rechte“ eingefunden, um das
Parteienprivileg zu nutzen. Nationale und internationale Standards
gegen Rechts sind
erforderlich. Zu
den Bemühungen der Stadt Dortmund, den Rechtsextremismus als
"Stadt des Widerstandes" gegen Neonazis zu bekämpfen, siehe hier: http://www.dortmund.de/de/rathaus_und_buergerservice/lokalpolitik/vielfalt_toleranz_und_demokratie/interview_anders_hoepgen/interview_hartmut_andershoepgen.html PS:
Die neue Ausgabe des "Friedensjournals" liegt nun vor und beinhaltet
wie immer ein aktuelles Schwerpunktthema - diesmal: Neuer Faschismus - mit alten "Vorbildern". Die gesamte Internetausgabe des neuen Friedensjournals kann hier abgerufen werden: http://www.frieden-und-zukunft.de/pdf/FJ_2014-5.pdf bzw. unter http://www.frieden-und-zukunft.de/?Friedensjournal Weitere Anti-Rechts-Bündnisse in Dortmund: Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus dortmund[at]dgb[dot]de, rgv[at]vkk-do[dot]de http://www.dortmund.de/media/downloads/pdf/vielfalttolernaz/Dortmund_aktiv_gegen_Rechtsextremismus.pdf Bündnis Dortmund gegen Rechts http://dortmundgegenrechts.wordpress.com/ |