30.06.2014 Offener Brief an NRW-Innenminister Jäger bezüglich Polizeibericht zum Naziangriff auf das Dortmunder Rathaus MdB
Ulla Jelpke (Die Linke / VVN-BdA-Aktivistin) hat von NRW-Innenminister
Ralph Jäger eine Entschuldigung oder den Rücktritt verlangt.
Die Rechtfertigung Jägers für den Polizeibericht
bezüglich des Neonaziangriffs auf das Dortunder Rathaus am 25. Mai
sei unerträglich. Der Wortlaut des Briefes an Jäger: Herr Innenminister Ralf Jäger Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW Sehr geehrter Herr Minister, Als
Dortmunder Bundestagsabgeordnete und Antifaschistin kann ich es nicht
unwidersprochen lassen, wie Sie den Polizeibericht zum Angriff der
Nazipartei "Die Rechte" auf das Dortmunder Rathaus am Wahlabend des 26.
Mai gutheißen. Dieser Bericht ist ein erschreckendes
Dokument, das zweierlei zeigt: Zum einen ist die fatale Neigung der
Polizei, die von Nazis ausgehende Gefahr zu verharmlosen, noch immer
nicht überwunden. Ich hatte gedacht, in Dortmund sei man
inzwischen weiter - das war wohl leider ein Irrtum. Zum anderen zeigt der Bericht, dass die gleiche Polizei die entschlossene Abwehr der Nazis durch Demokraten diffamiert. Der
Polizeibericht stellt das Zerrbild auf, wonach Antifaschistinnen und
Antifaschisten die eigentlichen Gewalttäter gewesen seien, die
eine harmlose Gruppe von Anhängern der "Rechten" am Besuch einer
öffentlichen Veranstaltung hindern wollten. Auf Videos (http://www.youtube.com/watch?v=u2B6n7nD1PA)
ist deutlich zu sehen, wie Nazis protestierende Demokraten mit
Faustschlägen attackieren. Es ist zu sehen, wie Nazis gezielt mit
Tränengas ihre Gegner angreifen. Es ist zu hören, wie die
Nazis Parolen wie "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus"
skandieren. Bei den Angreifern handelt es sich zum Teil um frühere
Aktivisten der 2012 nach zahlreichen Gewalttaten wegen
Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus und der SA verbotenen
"Nationalen Widerstand Dortmund", die auch der Dortmunder Polizei
einschlägig bekannt sind. Aber davon steht im Polizeibericht kein
Wort, das wird verschwiegen. Die Polizei stellt ausschließlich
die Demokraten als Gewalttäter dar. Auf eine solche Weise Täter und Opfer zu vertauschen, finde ich unerträglich und erschütternd. Es
war doch von Anfang an klar, dass die Nazis nicht normale Besucher der
öffentlichen Wahlfeier sind, sondern ihr Aufmarsch den Charakter
einer Demonstration hatte, noch dazu mit einschüchterndem
Charakter, was sich allein schon durch ihre Quasi-Uniformierung zeigte.
Von daher ist es durchaus gerechtfertigt, von einem Sturm auf das
Rathaus zu sprechen. Dass in einer solchen Situation
Demokratinnen und Demokraten zusammenhalten und den rechten Ansturm
abwehren, sollte sich von selbst verstehen. In Dortmund war das auch
so, was auch der Polizeibericht indirekt konstatiert, indem er
durchgehend von "Linken/Bürgerlichen" spricht. Linke,
Antifaschistinnen und Antifaschisten und bürgerliche Kräfte
haben zusammen gegen die Nazis Stand gehalten. Anstatt dies zu
begrüßen, machen Sie sich das Zerrbild der Dortmunder
Polizei zueigen, die versucht, die Antifaschistinnen und Antifaschisten
als betrunken zu diffamieren. Sehr geehrter Herr Innenminister, es
hätte Sie nachdenklich stimmen sollen, dass der Ältestenrat
der Stadt Dortmund den gewalttätigen (!) Angriff der Nazis auf das
Rathaus missbilligt und sich bei allen bedankt, die sich den Nazis "aus
wohlverstandenem bürgerschaftlichem Engagement" in den Weg
gestellt haben. Es hätte Sie nachdenklich stimmen sollen,
dass die fatale Lageeinschätzung der Polizei sich maßgeblich
auf Zusicherungen der Anführer der Dortmunder Naziszene selbst
gestützt haben. Und es sollte Sie nachdenklich stimmen,
dass die Dortmunder Polizei verschweigt, dass Nazis mit Tränengas,
Faustschlägen und Flaschenwürfen gegen die Antifaschistinnen
und Antifaschisten vorgegangen sind. Stattdessen haben Sie den
Polizeibericht zu 100 Prozent verteidigt. Ihre Zusicherung, die
Bekämpfung des Rechtsextremismus bilde einen Schwerpunkt der
Landesregierung, wird damit von Ihnen selbst konterkariert. Sie sollten
sich die Kriminalisierung und Diffamierung bürgerschaftlichen
Protests gegen Nazis nicht zu eigen machen, sondern diesen Protest
unterstützen. Ich erwarte deshalb von Ihnen eine ganz klare
Revision ihres Standpunktes und eine Entschuldigung bei den
diffamierten Antifaschistinnen und Antifaschisten. Wenn Sie dazu nicht
in der Lage sind, wäre Ihr Rücktritt die einzig
erträgliche Alternative. Mit freundlichen Grüßen, Ulla Jelpke; MdB
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