Logo VVN/BdA NRW

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

15.06.2014

70. Jahrestag des Distomo-Massakers

Bundesregierung muss endlich handeln

Die Überlebenden von Distomo verdienen nicht nur Anerkennung, sondern auch Entschädigung. Aus Anlass des 70. Jahrestages des Massakers von Distomo, wurde diese Forderung immer wieder erhoben. Dort wurden am 10. Juni 1944 von einer SS-Polizeieinheit 218 Zivilistinnen und Zivilisten ermordet. Wenn es um das Recht der Überlebenden auf Entschädigung geht, hat Deutschland von Anfang an und bis heute komplett versagt. Wehrmacht und Waffen-SS haben während der Besetzung Griechenlands Dutzende von Massakern begangen. Überlebende und Angehörige der Opfer haben dafür niemals eine Entschädigung erhalten. Die Täter hingegen sind nie bestraft worden und konnten bis an ihr Lebensende friedlich ihre Renten verzehren. Der Arbeitskreis Distomo erklärte:

Die Gedenkstätte in Distomo (Foto: Bernd Bremen)Der AK-Distomo aus Hamburg nahm auch dieses Jahr an den Gedenkfeiern zur Erinnerung an das Massaker vom 10. Juni 1944 teil. An diesem Tag überfiel eine Einheit der SS das griechische Dorf Distomo und ermordete

218 Bewohnerinnen und Bewohner. Die Täter wurden nie bestraft. Die Opfer und ihre Angehörigen erhielten von dem deutschen Staat keine Entschädigung.

Am 7. Juni 2014 demonstrierten Mitglieder des griechischen Nationalrats für die Entschädigungsforderungen gegenüber Deutschland und die Vereinigung der Widerstandskämpfer gegen die deutsche Besatzung gemeinsam mit dem AK-Distomo in Athen. 150 Personen nahmen an der Kundgebung auf dem Syntagma Platz teil und beteiligten sich an dem anschließenden Protestzug zu der deutschen Botschaft in Athen. Sie forderten die deutsche Regierung auf endlich ihre Verpflichtungen gegenüber den griechischen Bürgern zu erfüllen.

Deutschland wurde im Jahre 2000 von dem obersten Gerichtshof Griechenlands zu einer Entschädigungszahlung von 28 Mio. Euro verurteilt. Die deutsche Regierung weigert sich bis heute das Urteil anzuerkennen und die Entschädigung zu zahlen. Zuletzt erklärte der deutsche Bundespräsident Gauck im Rahmen seines Griechenlandbesuchs im März 2014 die Frage für erledigt: „Der Rechtsweg ist abgeschlossen." Diese Aussage ist falsch! Am 10. Juni 2014 wird das Oberlandesgericht in Florenz – zeitgleich mit den Gedenkfeiern in Distomo – über die Vollstreckung des Distomo-Urteils gegen deutsches Staatseigentum in Italien verhandeln.

Der Kampf um eine gerechte Entschädigung ist nicht beendet!

Deutschland muss seine Verpflichtungen gegenüber Griechenland und seinen Bürgerinnen und Bürgern erfüllen!

AK-Distomo, Distomo, den 9.6.2014

Weitere Informationen: http://ak-distomo.nadir.org/

Ein weiterer Bericht kam von einem Aachener Teilnehmer der Reise nach Distomo:

Das Dorf Distomo (Foto: Bernd Bremen)Wenige Tage vor dem 70. Jahrestag des Massakers der 2. Kompanie des SS-Polizei-Panzergrenadier-Regiments vom 10. Juni 1944 im griechischen Ort Distomo haben wir die Gedenkstätte während einer privaten Griechenland-Rundreise besucht.

Distomo liegt im kargen Bergland oberhalb des Golfes von Korinth, unweit des bei Touristen ungleich bekannteren Ausgrabungsortes Delphi. Während dorthin offensichtlich tagtäglich busweise Touristen aus vielen Ländern gekarrt werden, waren wir auf dem Mausoleums-Hügel in Distomo gänzlich allein.

218 Zivilisten des Ortes, vom 2-monatigen Baby bis zur 85-jährigen Greisin, wurden hier von der SS im Blutrausch niedergemetzelt. Eine Tat, wie sie vergleichbar an vielen Orten in Griechenland und in anderen , von den Deutschen besetzten Ländern, begangen wurde.

Bis heute verweigert die Bundesregierung, sich als Rechtsnachfolgerin der Täter ihrer Verantwortung zu stellen. Daran ändern auch keine warmen Worte des präsidialen Grüßonkels etwas. Wirklich Verantwortung zu übernehmen hieße nämlich:

  • Die Opfer und ihre Familien wenigstens materiell sofort und unbürokratisch zu entschädigen,
  • Täter, sofern sie noch leben, einer Bestrafung zuzuführen und keine weiteren Rentenzahlungen an die SS-Verbrecher zu leisten,
  • die deutsche Öffentlichkeit und vor allem die nachfolgenden Generationen (z. B. über Schulbücher) über das ganze Ausmaß der SS- und Wehrmachtsverbrechen zu informieren und das Gedenken daran auch hier zu Lande wach zu halten,
  • um letztlich aus der Geschichte zu lernen, d. h. ein konsequentes Verbot aller NS-Nachfolgeorganisationen/-strukturen durchzusetzen und jegliche rassistischen und menschenfeindlichen Bestrebungen, Publikationen... zu bekämpfen.

Der Eingang zur Gedenkstätte in Distomo (Foto: Bernd Bremen)Für die VVN-BdA Kreisvereinigung Aachen haben wir am Denkmal in Distomo ein Blumengebinde mit der Forderung "Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg" (in Deutsch) und zum Gedenken "Den Opfern des deutsch Militarismus" (in griechischer Übersetzung Mithilfe der griechischen Gemeinde Aachen) hinterlassen.

Schon beim Kauf der Blumen im Nachbarort Aráchova wurden wir damit konfrontiert, wie präsent die Geschichte auch für die nachfolgenden Generationen der Opfer noch ist: Die junge Betreiberin des Blumengeschäfts erzählte, nachdem sie von unserem Vorhaben erfuhr, dass ihr noch lebender 90-jähriger Opa seinerzeit von den Deutschen verhaftet und gefoltert wurde. Seitdem verfüge er nur noch über einen funktionierenden Lungenflügel.

Den heutigen Deutschen stünde es gut zu Gesicht, ihr oftmals Gutsherrnartiges Auftreten in den Ländern der Opfer ihrer Vorväter abzulegen - und das nicht nur wegen der für die Menschen brutalen Auswirkungen der Merkel´schen Europapolitik. Aber das ist wiederum ein anderes Thema.

Bernd Bremen
Aachen