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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

14.05.2014

Warnung vor einem neuen Aufstieg des Faschismus in Europa

Gemeinsame Veranstaltung von Linken in Velbert am 8. Mai

Der Aufschwung des Naziterrorismus hat mit der Entwicklung in der Ukraine einen Höhepunkt erreicht, besitzt aber seit langem eine internationale Dimension. In Europa sind gegenwärtig über 100 neofaschistische Terrorgruppen, Kampfbünde und Parteien aktiv – allein in Rußland (was gern übersehen wird) treiben etwa 30 Organisationen, die diesem Spektrum zuzurechnen sind, ihr Unwesen. In der Ukraine gerieten diese Gruppen nun in die Regierung, in Ungarn sind sie eng verbündet mit der rechten Regierung. In der Ukraine entscheiden sie mit über Krieg oder Frieden in Europa. In einem Vortrag auf einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung von DieLinke und DKP in Velbert am 8. Mai hat Ulrich Sander (Bundessprecher der VVN-BdA) dazu folgende Ausführungen gemacht: 

Warnung vor einem neuen Aufstieg des Faschismus in Europa

Vor 40 Jahren begann auch das offizielle Bundesdeutschland, damit, den 8. Mai als Tag der Befreiung zu bezeichnen. Danach ist man weitgehend wieder davon abgekommen. Der Mauerfall markierte dann eher den „Tag der Befreiung“. Allerdings wurde aus dem 8. Mai 1945 auch nicht durchgängig wieder der Tag des „Zusammenbruchs“ und was sonst an Bezeichnungen in meiner Kindheit und Jugend üblich waren. „Kriegsende“ oder ähnliches sind nun die Bezeichnungen des Mainstreams.

Jedoch: Bundespräsident Weizsäckers Rede zum 8. Mai 1985 bleibt ein wichtiges Dokument des bundesdeutschen Geschichtsdiskurses. Und wo es Befreiung gibt, gibt es auch Befreier. Doch die mußten einen schweren Kampf führen. Nach der „Wehrmachtsausstellung“ war klar, dass jeder Tag, an dem die Ostfront hielt, den Betrieb der Krematorien in Auschwitz verlängerte. Leider heilt das Vermächtnis des 8. Mai nicht bis in unsere Tage.

Seit 1998 ist Deutschland wieder ein Krieg führendes Land, und ein kriegsbereiter Bundespräsident denunziert jene, „die Deutschlands historische Schuld benutzen, um dahinter Weltabgewandtheit oder Bequemlichkeit“ zu „verstecken.“ Er will daß wir „Verantwortung“ übernehmen, auch durch Kriegsführung.

Der Versuch, mit Hilfe der Totalitarismustheorie Unvergleichliches gleichzusetzen, wie es Anfang der 1990er Jahre bspw. in den Gedenkstätten Sachsenhausen, Ravensbrück und Buchenwald versucht wurde, war damals noch auf scharfen Protest im Europa-Parlament gestoßen. Mit der EU-Osterweiterung  kommen von dort nunmehr die heftigsten Vorstöße für ein „neues europäisches Geschichtsverständnis“, gipfelnd im Beschluß, den 23. August 1939, Tag des sog. Hitler-Stalin-Paktes, zum europäischen Gedenktag an die „Opfer von Nationalsozialismus und Stalinismus“ zu machen.

In Kiew, wo die NATO-Osterweiterung vorerst scheiterte, wenngleich ein Assoziierungsabkommen einer illegalen Regierung der Ukraine mit ¬einer militarisierten EU zustande kam, - dort zeigte sich Außenminister Steinmeier Seit' an Seit' mit dem Anführer der Partei Swoboda, die sich auf den ukrainischen Nazi-Kollaborateur und Massenmörder Stepan Bandera beruft. Kurz darauf erkennt die Bundesregierung eine Putschregierung an, in der neben Swoboda auch der militant-faschistische „Rechte Sektor“ eine Rolle spielt. Im folgenden Konflikt zwischen der „neuen“ Ukraine und Rußland ist das Feindbild klar: der Russe ist's.

Europa droht in Richtung Krieg zu driften

Die Eskalation der Krise in der Ukraine geht in Richtung Krieg. Alles scheint möglich in der Ukraine und alles ist jetzt zu befürchten. So wenig die neue Führung in Kiew friedlich an die Macht kam, so wenig ist sie bis heute bereit zu Gesprächen mit den immer noch eigenen Bürgern im Osten über Lösungen für das ganze Land. Was im November auf dem Maidan als buntes zivilgesellschaftliches Aufbegehren für ein besseres Leben begann, ist längst unter die Stiefel der gewalttätigen schwarzen Seite des Maidan geraten. Die hatte vielfach selbst genau das ins Werk gesetzt, was jetzt beklagt wird: Massenkundgebungen und Aufruhr, bewaffnete »Selbstverteidigungskräfte«, Barrikaden auf den Straßen, gestürmte Behörden, das Verjagen von Verantwortlichen und die Einsetzung der eigenen Gefolgsleute in deren Ämter.

Der Einsatz von Luftwaffe und Bodentruppen gegen eigene Städte liegt in dieser Logik: Stets wurde die größte anzunehmende Verschärfung gewählt. Schon das Vokabular des Übergangspräsidenten in Kiew reichte zuletzt bis „Anti-Terror-Aktion“ und „dritter Weltkrieg“. Wenn man es aber mit Terroristen zu tun hätte, bedürfte es des Einsatzes von Spezialkräften. Gegen wen also geht es? Gegen prorussische Milizen, eine unbotmäßige russischsprachige Bevölkerung, Der sogenannte  Kiewer Präsident mußte am Montag einräumen, daß man inzwischen gegen die Mehrheit der Bevölkerung im Osten der Ukraine kämpft. (Südd. Ztg. 6.5.14) Was wollen er und sein Ministerpräsident und Banker? Nicht die Föderalisierung, denn das sei Verlust von Macht. Oder soll ein russisches und dann wer weiß noch wessen Eingreifen sonst erzwungen werden? Dazu schreibt das Neue  Deutschland: „Alles scheint möglich - nur kein Sieg.“ Aber ansonsten: das Schlimmste.

Wenn erst die Gewerkschaftshäuser brennen…! So ist der Aufruf aus der Friedensbewegung zu Mahnwachen am 8. Mai 2014 überschrieben. Der Friedensratschlag ruft alle antifaschistischen und Friedensgruppen im Land auf gegen die antirussische Hetzkampagne aufzustehen und der Rolle der Sowjetunion bei der Befreiung Europas von Krieg und Faschismus zu gedenken.

Ja, die rechtsradikalen Banden in der Ukraine machen vor nichts halt: Am Freitag wurde in Odessa ein Gewerkschaftshaus abgefackelt, in das sich Menschen vor marodierenden Milizen des „Rechten Sektors“ flüchteten. Mehr als 40 Menschen kamen in den Flammen ums Leben. Die ukrainische Polizei machte nicht einmal den Versuch, die Rechtsradikalen aufzuhalten und den Massenmord zu verhindern. Der deutschen Bundesregierung sind die Toten keiner Erwähnung wert. Es waren ja nur „prorussische Separatisten“, die ums Leben kamen. „Es ist für uns unerträglich mit ansehen zu müssen, wie in diesen Tagen antirussische Stimmung in unserem Land gemacht wird,“ so der Friedensratschlag. Der 8. Mai sei untrennbar verbunden mit einer Würdigung der Rolle, welche die Sowjetunion als Teil der Anti-Hitler-Koalition bei der Niederringung der deutschen Aggression spielte. Kein anderes Land der Welt hatte mehr Kriegstote und Zerstörungen zu erleiden. Vorausgegangen war diesem Krieg die Propagierung eines Feindbildes, das „den Russen“ dämonisiert hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Zeiten des Kalten Krieges die Sowjetunion wieder zum Feind - vor allem in der Bundesrepublik Deutschland der Adenauer-Ära - erklärt; dieses Feindbild war bis 1989 eine Art Staatsdoktrin. Der Friedensratschlag: „Mit Erschrecken müssen wir heute feststellen, dass dieses alte Feindbild neu aufgelegt wird, auch mit Vergleichen zwischen Putin und Hitler. Der Respekt gegenüber den Opfern des zweiten Weltkrieges und dem danach geltenden Grundsatz ‚Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg’ erfordert die Zurückweisung einer Propaganda, die an alte ‚Vorbilder’ anknüpft.“

Den Gipfel der Infamie stellt eine Petitionskampagne der Springer-Blätter BZ und BILD mit dem Ziel, die beiden Panzer am sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten zu entfernen, dar. Offen wird mit dieser Petition der Bundestag zum Völkerrechtsbruch aufgerufen. Denn die Bundesrepublik ist vertraglich zum Erhalt und zur Pflege der sowjetischen Kriegsgräberstätten verpflichtet. Dieses Ehrenmal ist die Grabstätte von über 2000 der 80.000 Sowjetsoldatinnen und Sowjetsoldaten, die bei der Schlacht um Berlin 1945 ihr Leben ließen. Die beiden Panzer waren die ersten, die Berlin erreichten, sie waren die Boten des nahen Sieges über den Hitler-Faschismus. Tatsächlich ist dieses Ehrenmal - mit seinen Panzern - ein Stachel im Fleisch der kriegslüsternen Springer-Journaille, der alten und neuen Kalten Krieger und Neonazis. Denn dieses Ehrenmal soll die Nachgeborenen an die Schrecken des von Deutschland entfachten Weltkrieges gemahnen. Wer diese Symbole vernichten will, möchte nicht nur das Andenken an die für die Befreiung gestorbenen sowjetischen Soldaten dem Vergessen anheimgeben; auch die Erinnerung an die Verbrechen, die von Deutschland ausgingen, sollen getilgt werden. Treten wir gemeinsam der antisowjetischen Hetze entgegen!

Die Position der Friedensbewegung

Die Friedensbewegung hat den Anschluß der Krim an Rußland ebenso als völkerrechtswidrig bezeichnet, wie die Loslösung des Kosovo von Serbin, und hat das Gesetz der Duma, die Russen in aller Welt mit allen Mitteln zu unterstützen, wo immer sie und ihre Interessen bedroht sind, ebenfalls abgelehnt. Aber es heißt  weiter: „Trotz mancher Kritik an der russischen Politik im Ukraine-Konflikt dürfen wir nicht vergessen, dass die Urheber des Konflikts woanders zu suchen sind. Es waren die EU und die NATO, die mit ihrer Osterweiterung und Einkreisungspolitik Rußlands Sicherheitsinteressen angegriffen haben. Und es war der Sturz der Regierung in Kiew, in dessen Gefolge eine von  Rechtsradikalen und neofaschistischen Kräften beeinflußte, extrem antirussische ‚Übergangsregierung’ die Macht ergriff. Der 8. Mai 1945 ermahnt uns, nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus zuzulassen. Es ist wieder an der Zeit, an das Prinzip der ‚gemeinsamen Sicherheit’ im gemeinsamen ‚Haus Europa’ zu erinnern. Neben dem historischen Gedenken dem Prinzip ‚Gemeinsame Sicherheit statt Konfrontation’ verpflichtet, fordern wir vo der Bundesregierung eine Politik zur Deeskalation in der Ukraine und zum Abbau der Spannungen mit Rußland, z.B. durch den Stopp aller wirtschaftlichen ‚Strafmaßnahmen’. Von den Medien in unserem Land verlangen wir eine sachgerechte Berichterstattung und rhetorische Abrüstung.“ Wir verlangen: „Keine Toleranz gegenüber und keine Zusammenarbeit mit faschistischen Kräften in der Ukraine!“

Die Einberufung einer europäischen Sicherheitskonferenz unter Einbeziehung der Konfliktparteien – auch der Vertreter der Bevölkerung der Ostukraine - könnte eine Vertrauen bildende Maßnahme sein. Gemeinsame Sicherheit statt Konfrontation!“

Bandera-Republik Ukraine

Die Einsetzung einer Regierung in Kiew, der auch Nazis und andere rechte Gewalttäter angehören ist bisher die Höchstform der Begünstigung von Kräften des Rechtsaußen, die wir in vielen Ländern Europas seit langem, vor allem seit Beginn der Finanzkrise in Westeuropa und des Zusammenbruchs des realen Sozialismus in Osteuropa beobachten.   Zur Entwicklung in der Ukraine im einzelnen noch dies:

Das ursprüngliche Anliegen der Menschen, die auf dem Maidan dafür demonstrierten, die Macht der Oligarchen1 zurückzudrängen, spielt keine Rolle mehr. Statt dessen konnten - mit aktiver deutscher Unterstützung - faschistische Kräfte erstarken. Immer mehr wurde der Protest in Kiew von faschistischen Kräften dominiert. Die ultranationalistische Partei Swoboda (Freiheit), schon mit gut 10% der Stimmen im ukrainischen Parlament vertreten, war von Anfang an ein wichtiger Akteur. Die UDAR, geführt von Klitschko (gesponsert durch die Konrad Adenauer Stiftung) und die Vaterlandspartei (Julija Timoschenko) sind ein offizielles Bündnis mit Swoboda eingegangen. Swoboda pflegt in Deutschland gute Kontakte zur NPD. So empfing die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag im Mai letzten Jahres eine Swoboda-Delegation. Swoboda selbst stellt nun mehrere Regierungsmitglieder, darunter den Vizechef der Regierung und den Generalstaatsanwalt. Der Chef des "Rechten Sektor", Dmitrij Jarosch, wurde zum Vizechef des nationalen Sicherheitsrates ernannt. Der nationale Sicherheitsrat wird geleitet von Andrej Parubi, auch ein Swoboda-Mann. Der Swoboda Parteichef, Oleh Tjahnibok, schimpfte einst über die "russisch-jüdische Mafia", die die Ukraine kontrolliere: "Schnappt euch die Gewehre, bekämpft die Russensäue, die Deutschen, die Judenschweine und andere Unarten. Seid stark für unsere ukrainische Heimat."

Nach Aussage des estnischen Außenministers Urmas Paet kommen die Hintermänner der Scharfschützen, die auf dem Majdan Dutzende von Menschen gezielt getötet haben (und zwar gleichermaßen Anhänger der Opposition und der amtierenden Regierung) aus ihren eigenen Reihen.

Ab Mitte März kam es in Kiew zu Massenverhaftungen. Durch die Zusammensetzung einer neuen Regierung unter Einbeziehung der faschistischen Swoboda-Partei wird sich die staatliche Repression noch weiter verschärfen. Seit Dienstag wird an einem Verbot der KP der Ukraine gearbeitet. Die Beseitigung von Russisch als eine mögliche Amtssprache ist nicht vom Tisch.

Der Kampf gegen den Naziterrorismus hat mit der Entwicklung in der Ukraine einen Höhepunkt erreicht, besitzt aber seit langem eine internationale Dimension.

Erschreckende Umfrageergebisse auch bei uns

Auch bei uns sind ultrarechte Positionen noch immer oder schon wieder tief verankert – unabhängig von der Anhängerschaft der Neonazis. Wie fruchtbar der Geist noch ist aus dem das kriecht, zeigt sich in den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Studie mit dem Titel: „Die Mitte im Umbruch - Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012“ herausgegeben für die Friedrich Ebert Stiftung von Ralf Melzer (Oliver Decker, Johannes Kiess und Elmar Brähler; Universität Leipzig und Universität Siegen)

Ich möchte hier nur einige wenige der Aussagen wiedergeben, die eine Zustimmung von wenigstens 17 %  aller Deutschen fanden – was man wohl nicht mehr als „Rand der Gesellschaft“ bezeichnen kann.

  • „Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen“ (17,7 %)
  • „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ (37,2%)
  • „Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches  Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland“ (29,7%)
  • „Das oberste Ziel deutscher Politik sollte es sein, Deutschland die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zusteht“ (27,4 %)
  • Immerhin noch 8 % aller Deutschen finden die Aussage richtig: „Die Verbrechen des Nationalsozialismus sind in der Geschichtsschreibung weit übertrieben worden“

In der bereits zitierten Studie stellen die Autoren zum Schluß fest:

„Die dringlichste Aufgabe aller Mandats- und Entscheidungsträgerinnen und -träger, aber auch der Bürgerinnen und Bürger in ihrem jeweiligen sozialen Umfeld ist, rechtsextremem Gedankengut und rechtsextremen Straftaten gegenüber eine klare Linie und Haltung einzunehmen. Darüber hinaus muß die zivilgesellschaftliche Arbeit weiter gestärkt werden und endlich mehr Anerkennung finden......

Auch die Kriminalisierung von Initiativen, die in Bündnissen Neonazi-Aufmärsche zu verhindern versuchen, setzt falsche Zeichen.“

Heutige Generationen tragen keine Schuld an den Ereignissen der Vergangenheit. Aber sie werden schuldig, wenn sie heute nicht entschieden gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, menschenverachtendes Verhalten  - kurz: gegen die vielfältigen Erscheinungsformen faschistischer Ideologie, eintreten. Und dabei gilt es, bei allen vorhandenen ideologischen Unterschieden, einig zu sein im Kampf gegen rechts.

Internationale Netzwerke spielen für den neonazistischen Terror in Europa eine große Rolle. Die Blood & Honour-Netzwerke sind in Deutschland verboten, werben aber sogar für die Mörder von NSU und organisieren Schießübungen in Osteuropa. Welche Überlegungen und Entwicklungen innerhalb der rechten Szene liegen der NSU und ihren Taten zugrunde?

Wir wissen aus der Vergangenheit, dass Gewalt bis hin zu Mord und Totschlag der faschistischen Bewegung innewohnend ist. Von daher konnte die Entstehung einer solchen NSU-Terrorzelle, die mit gezielten Mordanschlägen gegen „Feinde“ agiert, nicht wirklich überraschen. Auch die Leidenschaft für Schusswaffen und andere Terrormittel wurde bei Haussuchungen gegen Anhänger der extremen Rechten immer wieder sichtbar.

In der Entstehungsphase des NSU Ende der 90er Jahre reichte es den Neonazis nicht mehr, „national befreite Zonen“ zu schaffen oder einzelne Nichtdeutsche zu terrorisieren, sondern nun sollten durch direkte Aktionen auch „Feindobjekte“ angegriffen werden, wie der 2003 geplante Bombenanschlag der „Kameradschaft Süd“ auf die Münchener Synagoge zeigt. Die neue Qualität der NSU ist jedoch darin zu erkennen, dass sie mehrere Jahre unter den Augen der Staatsorgane ihre Verbrechen begehen konnte.

Netzwerke der Rechten in Europa

Welche Rolle spielen internationale Netzwerke und Verbindungen bei den Terrorstrategien? Neofaschistischen Terror gibt es außer in Deutschland in vielen Ländern Europas. Der 2011 wirkende Massenmörder Breivig aus Norwegen ist nur das schrecklichste Beispiel der vergangenen Zeit. Kurz vor Weihnachten 2011 ermordete in Florenz ein Anhänger der faschistischen „Casa Pound“ zwei afrikanische Straßenhändler und verletzte weitere Passanten. Clement Meric, ein französischer Antifaschist wurde voriges Jahr ermordet. Mehrere Zeugen im NSU-Prozess starben auf unerklärte Weise. Der Neonazi Florian Steck wurde in zwei Prozessen in Freiburg freigesprochen wegen „Notwehr“, obwohl er des Mordes verdächtig war – Mord per „Verkehrsunfall“.

Schwere Körperverletzungen durch Rechte sind in ganz Europa an der Tagesordnung.

Dabei spielt hier nicht nur die Geistesverwandtschaft eine Rolle, sondern die gewaltbereiten und terroristischen Neonazi-Gruppen in Europa und darüber hinaus haben enge Verbindungen. Im Mittelpunkt stehen sicherlich die Netzwerke von „Blood & Honour“ und den „Hammerskins“. Offiziell ist B&H in Deutschland verboten, aber Antifaschisten berichteten über ein B&H-Konzert in Deutschland, auf dem um Unterstützung für die NSU geworben wurde. Und es sind nicht nur Worte, vielmehr bietet dieses Netzwerk – insbesondere in Ländern Osteuropas – praktische militärische Ausbildungen an. So reisten im Februar 2009 Magdeburger Neonazis zu Schießübungen nach Bulgarien. Andere treffen sich auf der Ranch von Claus Nordbruch in Südafrika.

Welche Organisationen arbeiten da zusammen? Neben dem Netzwerk der „B&H – Struktur entwickeln sich aus gemeinsamen Aktionen zum jährlichen 13. Februar in Dresden Verbindungen zur tschechischen „Narodni Odpor“, zur ungarischen Partei „Jobbik“ (die „Besseren“, noch besser als die ultrarechte Regierungspartei „Fidesz“, die von Jobbik unterstützt wird) und ihrer „Magyar Garda“ oder zur bulgarischen Attaka – Bewegung. Alle drei Gruppen fahren eine Doppelstrategie, einerseits beteiligen sie sich legalistisch an Wahlen, andererseits inszenieren sie Pogrome insbesondere gegen die Roma-Bevölkerung. Solche Gewaltaktionen werden von deutschen Neonazis mit Bewunderung registriert und als „Vorbild“ für eigenes Handeln gesehen.

Karl Heinz Roth untersucht in Ossietzky Nr. 1/14 den Neofaschismus in Europa und spricht von einem „Ruck nach rechts“, ausgeführt von den gewaltbereiten Neofaschisten, über die wir schon sprachen, aber auch von den Nationalkonservativen und Rechtspopulisten, die sich in vielen Ländern entwickelten und sich auch in Deutschland breitmachen. D.h. die Sarrazin-Strömung und die Alternative für Deutschland gehören dazu. Es gibt hier Scharniere hin zu den Gewalttätigen – so gehört „Pro Deutschland“ sowohl zur einen wie anderen Richtung. Es gibt, so bei AfD, aber auch eine entschiedene Abgrenzung nach ultrarechter Militanz. Andererseits erfreut sich AfD der Unterstützung der ultrarechten „Jungen Freiheit“.

Wechselspiel von Neofaschismus und Neokonservatismus

Roth meint:

Die Wechselwirkungen zwischen Neofaschismus und Neokonservatismus bilden eine vielschichtige und schwer durchschaubare Gemengelage. Dabei kommen so viele externe Variable ins Spiel, daß sich verbindliche Prognosen als unmöglich erweisen. Aus der Erfahrung des historischen Faschismus der 1920er bis 1930er Jahre können wir jedoch schlußfolgern, daß das Ausmaß des Zusammenwirkens zwischen dem neofaschistischen und neokonservativen Lager wesentlich durch die Stärke oder Schwäche der politischen Repräsentation der Unterklassen bestimmt wird. Das bedeutete: Die Nationalkonservativen z.B. in Deutschland benötigten die Hitler-Nazis zur Durchsetzung ihrer Politik, aber auch zur Niederhaltung der Arbeiterbewegung. Heute, in der Zeit der Schwäche der Linken, können Allianzen der Nachfolger der Deutschnationalen und der Nationalsozialisten für lange Zeit unterbleiben – aber die Option bleibt erhalten.  

In Europa sind gegenwärtig über 100 neofaschistische Terrorgruppen, Kampfbünde und Parteien aktiv – allein in Rußland treiben etwa 30 Organisationen, die diesem Spektrum zuzurechnen sind, ihr Unwesen. Wenn wir das Auf und Ab studieren, das die Netzwerke des Neofaschismus in den vergangenen Jahrzehnten geprägt und bestimmt hat, dann kristallisieren sich aus der vergleichenden Analyse vier Höhepunkte heraus, die nach Perioden der Rückschläge und der Stagnation immer wieder zu neuen Aufschwüngen geführt haben.

Zunächst möchte ich eine Phase benennen, die bei Roth nicht vorkommt: Jene in der BRD für die Zeit ab 1949 bis zur Gründung der NPD 1964. Damals bedurfte es generell keiner Nazi- oder Neonazipartei, diese „Partei“ war der Staat selbst; und ihre gesetzliche Grundlage war das 131-er Gesetz zur Weiterverwendung von Nazis im öffentlichen Dienst. Die Weiterverwendung war den Linken verweigert, sie bekamen bereits seit Anfang der 50er Jahre Berufsverbot, Parteienverbot (KPD-Verbot) und Radikalenerlaß zu spüren.

Nun zu den vier Höhepunkten bei Roth:

1 - Im Verlauf der Weltwirtschaftskrise von 1973 bis 1976 und der bis 1982 anhaltenden Stagnationsphase gelangten in Europa die letzten faschistischen Regime, nämlich die spanische Franco-Diktatur, das portugiesische Salazar-Regime und die griechische Militärjunta, an ihr Ende.

2 - Gleichzeitig setzte aber auch ein neuer Aufbruch ein, der eine Neuformierung des von den politischen Schalthebeln entfernten oder sonstwie marginalisierten Faschismus in die Wege leitete. Dieser Prozeß konnte sich manchmal über Jahrzehnte hinziehen, wie etwa die Umwandlung des Movimento Sociale Italiano (MSI) in die unter der Regie Gianfranco Finis »modernisierte« Alleanza Nazionale ausweist.

3 - Die dritte Phase des neofaschistischen Aufbruchs fiel mit dem Untergang der Sowjetunion und Zerfall der Staatengemeinschaft des osteuropäischen Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zusammen. Der damit verbundene soziale, wirtschaftliche und politische Umbruch verlief so schockartig, daß er zur schlagartigen Entwurzelung, Verarmung und Demoralisierung breiter Bevölkerungsschichten führte. In den meisten osteuropäischen Ländern etablierten sich daraufhin neofaschistische Organisationen, die sich nicht scheuten, in aller Offenheit auf die aus den 1930er und frühen 1940er Jahren stammenden Traditionsbestände zurückzugreifen.

Parallel dazu kam es seit dem Ende der 1980er Jahre in Jugoslawien zu einer umfassenden Ethnisierung der sozialen und wirtschaftlichen Konflikte. Sie schlugen zu Beginn der 1990er Jahre in einen blutigen Bürgerkrieg um, der dann 1999 durch den Aggressionskrieg der NATO gegen die jugoslawische Rest-Föderation beendet wurde. Unter aktiver Beteiligung der USA und der Europäischen Union entstanden ethnisch gesäuberte Kleinstaaten oder Kleinststaaten mit starken innerethnischen Spannungen, die sich seither mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegeneinander abgrenzen und sich mit gegenseitigen territorialen Forderungen überbieten.

Auf diese Weise wurde uns am Beispiel des Balkans in aller Deutlichkeit vor Augen geführt, was geschehen würde, wenn die sozialen und politischen Gestaltungskräfte des Neofaschismus die Oberhand gewinnen und sich in Herrschaftseliten unter der Aufsicht hegemonialer Großmächte umwandeln.

4 - Die vierte und jüngste Expansionsphase des Neofaschismus hat sich im Gefolge der aktuellen Euro-Krise entwickelt. Als die Regierungen der europäischen Peripherieländer unter dem Diktat der »Troika« aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank um die Jahreswende 2009/2010 krisenverschärfende Austeritätsprogramme durchsetzten, lösten sie eine soziale Katastrophe aus, die in vielem an die osteuropäischen »Schocktherapien« der 1990er Jahre erinnerte. Auch von dieser Entwicklung konnten neofaschistische Organisationsansätze profitieren. Der Neofaschismus hat inzwischen in mehreren süd- und südosteuropäischen Ländern tiefe Wurzeln geschlagen.

Ultrarechte sind wieder ein Machtfaktor

Im Ergebnis dieser vier Aufschwungphasen ist der Neofaschismus wieder zu einem Machtfaktor aufgerückt, der in zunehmendem Maße auf die sozialen, kulturellen und politischen Verhältnisse Europas einwirkt. Dabei haben sich zwei miteinander konkurrierende Führungsgruppen herausgebildet, die sich in unterschiedlichem Ausmaß und in unterschiedlicher Offenheit auf das nazi-faschistische Erbe der 1930er und 1940er Jahre beziehen.

Roth berichtet weiter: In sozio-struktureller Hinsicht sind drei unterschiedliche Planungs- und Handlungsnetzwerke entstanden. Auf der inneren Ebene sind mehrere Untergrundorganisationen aktiv: Sie haben sich auf die Instrumente des politischen Terrors spezialisiert und greifen ihre »Feinde« – die Kollektive oder Einzelpersonen des Ausländer- und Flüchtlingsmilieus, die sozialen, religiösen und nationalen Minderheiten sowie das linke Organisationsspektrum – mit extremer physischer Gewalt an. Unter ihnen haben sich in der letzten Zeit insbesondere die Kommandos der Magyar Gárda (Ungarische Garde), der europaweit operierende Combat 18, der deutsche Nationalsozialistische Untergrund (NSU) und die Miliz der Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) hervorgetan.

Um diesen harten Kern gruppiert sich eine zweite Ebene neofaschistischer »politischer Soldaten«, die ebenfalls ihre gesamte individuelle Existenz den Visionen des völkischen und hypernationalistischen Umsturzes verschrieben haben und teilweise eng mit den Terrorgruppen zusammenarbeiten. Sie bilden neofaschistische Kampfbünde, die auf der lokalen Ebene Personalstärken zwischen fünf und dreißig Mitgliedern aufweisen. Sie verfügen über flexible Kommandostrukturen und sind häufig überregional vernetzt. Typische Exponenten und Varianten dieser Kampfbünde gibt es heute vor allem in Ungarn (die Aktionsgruppen der Ungarischen Garde und ihres politischen Arms, der Jobbik), in Deutschland (Freie Kameradschaften), in Griechenland (Schlägertrupps der Chrysi Avgi) und in Rußland, wo mehrere Gruppierungen der neofaschistischen Szene um ihren hegemonialen Einfluß konkurrieren.

Zwar verfügen auch einige Kampfbünde wie etwa die Ungarische Garde und die Chrysi Avgi über politisch-parlamentarisch aktive Abteilungen, aber dessen ungeachtet läßt sich im Panorama des Neofaschismus eine weitere Ebene abgrenzen, die sich in erster Linie der politischen Agitation und Propaganda verschrieben hat. Ihre Kader und Anhänger sind es schon seit längerem gewohnt, gegen die repräsentative Demokratie mit deren eigenen Mitteln, nämlich einer in aller Form lizenzierten politischen Parteiorganisation, vorzugehen. Das hat zur Folge, daß sie ihre völkisch-nationalistischen Heilslehren immer aufs Neue in Partei- und Wahlprogramme einschreiben und sich massiv in lokale, regionale, nationale und europaweit stattfindende Wahlkämpfe einschalten. Dabei haben sich in den letzten Jahren zwei miteinander konkurrierende Hauptströmungen herausgebildet.

Europäische Nationale Front

- Die erste Gruppierung beruft sich in aller Offenheit auf das nazi-faschistische Erbe der 1930/40er Jahre und orientiert sich unterschiedlich weitgehend an der damaligen Hegemonialmacht und den Hypotheken des nazistisch beherrschten Europas. Sie hat sich schon vor einiger Zeit in einer Europäischen Nationalen Front zusammengetan und auch auf kultureller Ebene – insbesondere durch die Organisation von Rechts-Rock-Festivals – grenzüberschreitende Verbindungen geschaffen. Vor allem die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), die griechische Chrysi Avgi, die rumänische Noua Dreapt (Neue Rechte), der Renouveau français (Französische Erneuerung), die italienische Forza Nuova (Neue Kraft), die spanische Falange und die Narodowe Odrodzenie Polski (Nationale Wiedergeburt Polens) haben Bedeutung als Teil dieser „Front“ erlangt.

Zahlreiche neofaschistische Parteien und Splittergruppen berufen sich in aller Offenheit auf das Vermächtnis nazi-faschistischer Kampforganisationen und Heroen aus den 1930er und 1940er Jahren. Dabei überrascht besonders der unverblümte Rückgriff auf Milizen und militärische Einheiten, die vor allem vom SS-Hauptamt und von der Waffen-SS aus den mit den Deutschen kollaborierenden Kampfbünden rekrutiert worden waren, so etwa auf die albanische und die baltischen Einheiten der Waffen-SS. Aber auch die aus einer neofaschistischen Studentenorganisation hervorgegangene Jobbik bemüht in Symbolik, Programmatik und Rhetorik die ungarischen Pfeilkreuzler als historische Identitätsstifter und stört sich nicht daran, daß diese in der Schlußphase des deutsch beherrschten Europas eine bedeutende Rolle bei der Deportation und Vernichtung der ungarischen Juden gespielt haben. Allerdings muß auch daran erinnert werden, daß Deutschland den „unverblümten Rückgriff“ durch Beibehaltung der Einbürgerungspolitik Hitlers erleichtert. Wer als Ausländer zur Waffen-SS gehörte, wurde von Hitler ausdrücklich zum deutschen Staatsbürger gemacht, der im Falle von Kriegsverletzungen bis heute Renten aus Deutschland bezieht.

Europäische Assoziation der nationalen Bewegungen

- Im Gegensatz zur Formation offenen Naziverehrung profiliert sich seit 2009 ein zweiter europaweit operierender Zusammenschluß, die Europäische Assoziation der nationalen Bewegungen. Um bessere Wahlergebnisse zu erzielen als ihre ältere europäische Konkurrentin, hat sie die historischen Traditionslinien teilweise zurückgefahren und ihre politischen Inhalte den aktuellen sozioökonomischen und politischen Realitäten angepaßt. Der im Jahr 2009 in Budapest gegründeten Europäischen Allianz nationaler Bewegungen gehören die ungarische Jobbik (Bewegung für ein besseres Ungarn), der Front National (Frankreich), die British National Party, die Nationaldemokratische Partei Bulgariens und die italienische Fiamma Tricolore an. Darüber hinaus sind als assoziierte Einzelmitglieder führende Exponenten des separatistischen belgischen Vlams Belang, des französischen Front National und des polnischen Prawo i Sprawiedlinvosc (Recht und Gerechtigkeit) eingetragen, während die Assoziation der ukrainischen Swoboda (Freiheit) inzwischen widerrufen wurde.

Wo sich die deutschen rechten, rechtspopulistischen und fremdenfeindlichen, jedoch nicht neonazistischen Kräfte positionieren werden, wird sich zeigen. Der Europawahlkampf wird spannend. Noch spannender wird die Entwicklung nach dem 25. Mai.

Was ist heute zu tun?

  1. Das Verbot der NPD zu beantragen und gleichzeitig die langjährige NPD-Partnerorganisation "Swoboda" und den mit ihr verbandelten militant-faschistischen "Rechten Sektors" an der amtierenden Regierung in Kiew zu halten – das kann niemals hingenommen werden. Wir brauchen das NPD-Verbot, um endlich antifaschistische Standards im Land und in der EU zu bekommen. Das Verbot der faschistischen Organisationen in ganz Europa muß zum Thema im EU-Maßstab werden..
  2. Es ist an der Zeit, unsere PACE-Fahnen wieder hervor zu holen und aus Fenstern und von Balkonen zu hängen! Zeigen wir unseren Wunsch nach Frieden. Jede Geste ist ein wichtiger Beitrag. Jetzt alles zu tun, was für den Frieden zu tun ist, das ist allererste antifaschistische Pflicht.  Ja: Aus dem „Bunt statt Braun“ muß das „Bunt statt Braun und Olivgrün“ werden.
  3. Neben der Etablierung einer profachistischen Regierung in Kiew ist die Wiedereinrichtung einer ultrarechten ungarischen Regierung der Partei Fidesz ein besonders beunruhigender Faktor. Mit knapp 45 Prozent der abgegebenen und 30 Prozent der möglichen Stimmen eine ZweiDrittelMehrheit im Parlament zu erringen, das ist ein Betrug sondergleichen. Jetzt wurde ein berüchtigter Anführer der Skinhead-Szene und Jobbik-Führer zum Vizepräsidenten des neuen Parlaments in Budapest gewählt. In Frankreich schickt sich der Front National an, solche Verhältnisse ebenfalls in unserem Nachbarland zu schaffen. Die United Kingdom Independent Party (UKIP) könnte bald als ähnliche Kraft stärkste Partei in Großbritannien werden.  Jetzt gilt es, endlich in der EU die Standards wiederzubeleben, die beim Aufstieg der FPÖ galten. Die EU-Gremien müssen sich der faschistischen Beteiligung verweigern und aufklären.
  4. Die ehemals friedensbewegten Kräfte in den Grünen und der SPD müssen sich wieder zu Wort melden. Die Gewerkschaften müssen auch bei uns einen Block gegen die Fortsetzung der Agenda-Politik und der Militarisierung bilden. Es war das Versagen der institutionellen Linken und ihre unsoziale „Reformpolitik“, die den Rechten einen Spielraum gaben. Wirkliche Linke werden nicht als Protestpotential wahrgenommen, das führt zum Erstarken der Rechten als anerkanntes Protestpotential oder zur Wahlenthaltung. Innerhalb und außerhalb der Parlamente müssen antifaschistische, soziale und antimilitaristische Allianzen geschaffen werden.
  5. Zugleich gilt es rechte Allianzen zu verhindern. Wenn die AfD erstarkt und die „ProDeutschland“-Bewegung für die NPD akzeptabel wird – und umgekehrt, dann wird es richtig gefährlich. Die Entlarvung aller rassistischen, rechtskonservativen, rechtpopulistischen und offen neonazistische Kräfte ist eine ständige Aufgabe.

Quellen für obiges Referat sind Ossietzky, Neues Deutschland, Erklärungen von Ulla Jelpke, Cornelia Kerth und Ulrich Schneider, sowie eigene Recherchen von Ulrich Sander.

In der Diskussion in Velbert – nach diesem Referat – sind zahlreiche weitere Probleme deutlich und ebenfalls interessante Fragen besonders zur Krim- und Ukraine-Entwicklung aufgeworfen worden. Ansätze zu Antworten dazu finden sich in diesem folgenden Text:

Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 11.5.14

Zur ZDF-Sendung "Maybrit Illner" unter dem Titel: "Putin-Versteher oder Amerika-Freund - muss Deutschland sich entscheiden?" am 8.5. um 22.15 Uhr/ Das Thema Ukraine, das auch auf der letzten ZDF-Sendung "Maybrit Illner" mit interessanten Teilnehmern besprochen wurde, gibt erneut Anlaß zu einer Stellungnahme, wie gewohnt zur Anregung, Verwendung und Weiterverbreitung.

Sanktionen sind ein Schritt zur Eskalation

Der ZDF-Fernsehsendung "Maybrit Illner" vom 8.5. "Putin-Versteher oder Amerika-Freund - muss Deutschland sich entscheiden?" sind folgende wichtige und zutreffende Äußerungen von Egon Bahr und Gregor Gysi zu entnehmen:

Es ist fast kindisch auszuprobieren, wer die Sanktionen besser aushält, der Westen oder der Osten. Es darf keinen Krieg geben und es wird keinen Krieg geben. Also sind Sanktionen als kriegerische Mittel völlig auszuschließen. So Egon Bahr. Und mit ihm Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder und alle vernünftigen SPD-Vertreter wie Gernot Erler, Rolf Mützenich und andere. Dagegen zeigt sich Walter Steinmeier mit leeren Händen und leerem Kopf bei seiner sinnlosen "Außenpolitik", die eigentlich keine ist.

Redaktionen darunter auch SZ-Journalisten, die wiederholt von "Annexion der Krim" sprechen oder schreiben reproduzieren damit eine propagandistische Masche. Man zeigt sich so absolut ignorant, was Annexion heißt, nämlich ein Landraub, eine gewaltsame Landnahme. Die hat es bei der Krim nicht gegeben: Die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation war weder Landraub noch gewaltsame Übernahme, sondern die Konsequenz eines Referendums (16.3.14), aufgrund dessen ein Antrag an Moskau gerichtet wurde, den der Kreml eine Woche später akzeptierte. Der Anschluss oder Einschluss der Krim, wie Egon Bahr ihn richtig bezeichnet war nicht völkerrechtswidrig, denn er war keine räuberische Landnahme. Der Anschluss an Russland fand in voller Übereinstimmung mit der Krim-Bevölkerung statt, keineswegs gewaltsam oder feindlich. Keine Redaktion darf sich der faschistischen Propaganda-Sprache bedienen, denn sie verirrt sich so in Desinformation und falscher Darstellung.

Auf den Maidan-Demonstrationen waren Demokraten, aber auch faschistische Kräfte. Nicht die ganze Kiew-Regierung, aber ein Teil von ihr ist faschistisch, und Faschisten haben in der ukrainischen Regierung nichts zu suchen.

Nach Gorbatschows Vorstellung sollte das europäische Haus ohne Warschauer Pakt und ohne NATO aufgebaut werden. Der Warschauer Pakt hat sich aufgelöst, aber die NATO nicht. Sie ist geblieben trotz jeder Vernunft und jeder vernünftigen Überlegung, die es sogar in höchsten Sphären Washingtons gab. Dann wurde versprochen, es gebe keine Ost-Erweiterung der NATO. Zwölf osteuropäische Staaten sind aber inzwischen aufgenommen. Die NATO reicht damit bis an die Grenze Russlands. George W. Bush wollte 2008 auch Georgien und die Ukraine in die NATO holen. Obama will die Ukraine nicht in der NATO haben, aber die russische Regierung ist nicht sicher, was der nächste US-Präsident versuchen wird. Ein anwesender Amerikaner bei Maybrit Illner, Andrew B. Denison, wirft den Deutschen vor, sie seien mindestens seit 70 Jahren feige. Diese haltlose Unterstellung war eine Beleidigung für die deutschen Teilnehmer und auch eine Beleidigung für das deutsche Publikum. Hier fehlte die dezidierte selbstsichere Antwort, ja, zu feige waren und sind immer noch deutsche Regierungen, um die US-Amerikaner mit ihrer NATO und NSA-Diplomaten aus Deutschland hinauszuwerfen.

Mehr als die Hälfte der Deutschen haben Verständnis für die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation. Eine überwältigende deutsche Mehrheit ist auch gegen Sanktionen. Wir leben in Europa, nicht in Amerika. Wirtschaftliche Sanktionen sind ein Schritt zur Eskalation. Können wir den USA vertrauen? Bis in die 90er Jahre hinein war die Sache klar: Für die Hälfte der Westdeutschen stand fest, dass ihr bester Freund Amerika sei. Nach dem Irak-Krieg, nach dem sogenannten Krieg gegen den Terror und nach dem NSA-Skandal hat sich das Verhältnis nachhaltig getrübt. 61% der Deutschen halten Amerika nicht für einen vertrauenswürdigen Partner. Heute hat sich bei dem bürgerlichen Spektrum auch eine zunehmende Distanz zu Amerika entwickelt. Man spricht deshalb von einer schleichenden Entwestlichung. Das will aber der US-amerikanische Teilnehmer bei "Maybrit Illner" nicht wahrnehmen: "Deutschland sei tiefer als je zuvor im Westen verwurzelt. Ostdeutschland hat sich vielmehr an den Westen angenähert, als der Westen an den Osten." Er wich auffällig der Frage von Gregor Gysi aus, ob Washington jemals den Irak-Krieg mit seiner falschen Grundlage ausgewertet habe. Anstatt sich vom Völkerrechtsbruch der Bush-Regierung zu distanzieren, vertrat Denison sinngemäß den Standpunkt, es sei wichtiger, wie viele Staaten an der Seite eines Kriegs der USA seien, egal ob sie damit einen eklatanten Rechtsbruch begehen wie beim Irak-Krieg. So plump ein Vertreter des USA-Establishment, der sein Land damit sehr schadet.

Die Forderung nach Härte gegen Obama findet mehr Zustimmung bei der deutschen Bevölkerung als die nach Härte gegen Putin, die Obama und seine Gallionsfigur Hollande mit Irrationalität anstreben. Zweifellos muss sich Europa von den USA emanzipieren. Das haben die Amis einfach zu akzeptieren. Und Stefan Kornelius auch. Seine kindische US-Abhängigkeit lässt ihn als ein Junge wahrnehmen, der nie gelernt hat, alleine, ohne elterliche Hilfe zu denken und zu schreiben.

In diesem Jahr hat die Schweiz den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE). Die Schweiz ist weder Mitglied der NATO noch der EU. Aber die USA sind Mitglied der OSZE. Seit der peinlichen Militär-Operation unter Führung der Bundeswehr in der Ukraine, die vorgeblich im Namen der OSZE stattfand, hat sich diese Organisation als Vermittler völlig diskreditiert, indem sie sich im dunklen Schatten einer NATO-Infiltration bloßstellte. Bisher hat die Bundesregierung nicht die Frage des CSU-Abgeordnten Dr. Peter Gauweiler beantwortet, was deutsche Soldaten in der Ukraine zu suchen hatten. Was hatte eine Militär-Mission dort zu suchen, wenn schon eine Zivil-Mission offiziell tätig war?

Die Bundesregierung hat mit dem Einsatz militärischer Beobachter in der Ostukraine unter Führung der Bundeswehr einen weiteren schweren Fehler begangen. Das war keine OSZE-Mission. Auch die OSZE distanziert sich davon. Das hat die echte OSZE-Mission, nämlich die zivile, gefährdet. Es geht um eine Art militärische Aufklärung, die man natürlich auch als Spionage bezeichnen kann. Gerade durch diese Beobachtung oder Inspizierung habe man nun festgestellt, dass keine russischen Streitkräfte in der Ostukraine sind. Dann haben sie Aufklärung betrieben. So etwas nennt man Spionage. Nun kommt noch hinzu, dass der BND daran beteiligt war. Was denn nun? Soll das ein Beitrag zur Deeskalation sein? Ganz im Gegenteil!

Wir benötigen jetzt eine andere Herangehensweise. Das Land ist tief gespalten. Die Überlegungen in der NATO, sich dauerhaft in Europa zu stationieren, sind ein Beitrag zur Eskalation statt zur notwendigen Deeskalation. Man darf die Rolle der USA, der EU und letztlich auch der NATO dabei nicht unterschätzen.

Zu Recht sind EU und NATO dabei auseinanderzufallen. Und sie werden auseinanderfallen trotz allem Lamento von Stefan Kornelius in der SZ-Redaktion.

Frau Merkel empfängt einen Präsidentschaftskandidaten der Ukraine. Nun ist dieser Mann ein Oligarch, fordert schärfere Sanktionen gegen Russland, leistet also auch einen Beitrag zur Eskalation, anstatt zunächst einmal sein Vermögen der ukrainischen Gesellschaft wieder zurückzugeben. Dieser Empfang durch Frau Merkel geht politisch und diplomatisch völlig daneben. (Gregor Gysi am 7.5. im Bundestag, "Deeskalation ist das Gebot der Stunde", Junge Welt vom 8.5.)

Solange der deutsche Außenminister sich von der illegitimen Kiew-Regierung nicht distanziert, ist er nicht in der Lage, konstruktive Richtlinien für eine glaubwürdige Außenpolitik vorzuschlagen. Er hat die Chance in unverantwortlicher Weise verpasst, sich mit seinem russischen Kollege Sergej Lawrow zu verständigen in einer Angelegenheit, die nicht nur historisch, sondern auch gegenwärtig Russland zu aller erst trifft. …

Autor: Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait

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