04.05.2014 Der 8. Mai ist und bleibt Tag der Befreiung „Wenn die letzten
überlebenden Häftlinge gestorben sind, bleibt
vermutlich nur das ‚Kriegsende’; keine Befreiung
– keine Befreier,“ schriebt Cornelia Kerth,
Bundesvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund
der Antifaschisten (VVN-BdA), in einer Gastkolumne für die
Wochenzeitung „Unsere Zeit“. Und sie fährt
fort: „Lassen wir es nicht so weit kommen! Nutzen wir den 8.
Mai zur öffentlichen Erinnerung an die Befreiung, an die
Kämpfe und die Kämpfer/innen, denen wir sie
verdanken.“ Der Wortlaut des Beitrages: Genau
40 Jahre hat es gedauert, bis ein Bundespräsident an einem 8.
Mai von Befreiung gesprochen und damit einen Perspektivenwechsel
eingeleitet hat. Bis dahin hatte die Sicht der Nazis, der
Deutsch-Nationalen, der „Frontkämpfer“,
der Profiteure und Mitläufer das offizielle Vokabular
geprägt: Zusammenbruch, Kapitulation, Besatzer. Mit
Weizsäckers Rede wurde die Perspektive der Verfolgten des
Nazi-Regimes „gesellschaftsfähig“, der 8.
Mai wurde im bundesdeutschen Geschichtsdiskurs zum Tag der Befreiung.
Und wo es Befreiung gibt, gibt es auch Befreier. Nach der
„Wehrmachtsausstellung“ war dann auch klar, dass
jeder Tag, an dem die Ostfront hielt, den Betrieb der Krematorien in
Auschwitz verlängerte. Inzwischen hatte
allerdings der Planungsstab der Bundeswehr in
den „Verteidigungspolitischen
Richtlinien“ die „Aufrechterhaltung des freien
Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und
Rohstoffen in aller Welt“ zum Auftrag der Bundeswehr
erklärt. Seit 1998 ist Deutschland wieder ein Krieg
führendes Land und ein kriegsbereiter Bundespräsident
denunziert „jene (), die Deutschlands historische Schuld
benutzen, um dahinter Weltabgewandtheit oder Bequemlichkeit ()
verstecken.“ Der Versuch, mithilfe der
Totalitarismustheorie Unvergleichliches gleichzusetzen, wie es Anfang
der 1990er Jahre bspw. in den Gedenkstätten Sachsenhausen,
Ravensbrück und Buchenwald versucht wurde, war damals noch auf
scharfen Protest im Europa-Parlament gestoßen. Mit der
EU-Osterweiterung kommen von dort die heftigsten
Vorstöße für ein „neues
europäisches Geschichtsverständnis“,
gipfelnd im Beschluß, den 23. August zum
europäischen Gedenktag an die „Opfer von Faschismus
und Stalinismus“ zu machen. ln Kiew, wo die
EU-Osterweiterung ¬an Oligarchen und Parlament scheiterte,
zeigt sich Außenminister Steinmeier Seit' an Seit' mit dem
Anführer der Partei Swoboda, die sich auf den ukrainischen
Nazi-Kollaborateur und Massenmörder Stepan Bandera beruft.
Kurz darauf erkennt die Bundesregierung eine Regierung an, in der neben
Swoboda auch der militant-faschistische „Rechte
Sektor“ eine Rolle spielt. Im folgenden Konflikt zwischen der
„neuen“ Ukraine und Rußland ist das
Feindbild klar: der Russe ist 's. Und schon ergreift
das „größte Drecksblatt der westlichen
Welt“ (H. Gremlitza) zusammen mit der Berliner Schwester aus
dem Hause Springer die Initiative für eine Petition:
„Die russischen Panzer am Berliner Tiergarten sollen entfernt
werden.“ Noch dümpelt die Kampagne dahin, aber das
kann sich ändern. Der 8. Mai 1945 ist bereits zum
„Tag der Befreiung der Konzentrationslager und des
Kriegsendes“ geschrumpft. Wenn die letzten
überlebenden Häftlinge gestorben sind, bleibt
vermutlich nur das „Kriegsende“. Keine Befreiung
– keine Befreier. Lassen wir es nicht so
weit kommen! Nutzen wir den 8. Mai zur öffentlichen Erinnerung
an die Befreiung, an die Kämpfe und die
Kämpfer/innen, denen wir sie verdanken. Und erinnern wir an
das Vermächtnis der befreiten Häftlinge von
Buchenwald. |