21.03.2014 Wiederkehr des Faschismus Gleichzeitig mit dem Anbruch des neoliberalen
Zeitalters, 1973, fand der faschistische Putsch in Chile statt. Die
Chicago-Boys konnten ihr Experiment beginnen. Wie sieht es heute in
Europa damit aus? Dazu schrieb Georg Fülberth diese Kolumne. Der
Faschismus an der Macht ist eine von mehreren Varianten, in der diese
politische Richtung sich zur Geltung bringt. Häufiger tritt
sie gegenwärtig nicht als Staatsmacht, sondern als eine
Bewegung hervor, die die offizielle Politik in einer
formal-demokratischen parlamentarischen Republik vor sich hertreibt.
Dies gilt zurzeit für die Partei „Jobbik“
in Ungarn. In Italien verband sich Berlusconi mit den
Mussolini-Nachfolgern. Faschistische Schlägertrupps
üben in der Ukraine Terror aus und haben Teil an der
Staatsgewalt. In Frankreich bereitet sich der Front National auf einen
Erfolg in der Europa-Wahl vor. In den Niederlanden, Belgien,
Österreich und Nordeuropa gewinnen rechtspopulistische
Parteien an Boden, die zwar nicht mehrheitlich faschistisch sein
mögen, aber nach dieser Richtung hin offen sind. Die
politische Philosophin Hannah Arendt charakterisierte den Faschismus
als ein Bündnis von Mob und Eliten. Letztere kann man etwas
exakter fassen: Großkapital, in einigen Ländern auch
Großgrundbesitz, Maulwürfe im Staatsapparat. Das,
was Arendt als Mob bezeichnet, sind die Teile der Mittel- und
Unterschichten, deren Ressentiments sich gegen Fremde richten.
Ausländerfeindlichkeit ist der Treibsatz ihres Handelns.
„Mob“ und „Elite“ agieren
häufig getrennt, erst in historischen Entscheidungssituationen
schließen sie sich zusammen, so in Deutschland 1933. Vorher
handeln sie eher parallel. Sarrazin gibt Stichworte, die NPD
applaudiert ihm. Die BILD-Zeitung bezeichnet sich in der
Großen Koalition als APO. Ihre Macher werden das vielleicht
als einen Versuch darstellen wollen, die äußerste
Rechte dadurch unwirksam zu machen, dass sie ihre Motive aufgreifen und
damit ihre selbstständige Organisierung verhindern. In
Wirklichkeit wird dadurch ein Potential genährt und
verbreitert, das im Bedarfsfall von den Eliten mobilisiert werden kann
und zugleich diese radikalisiert. Hierüber brauchen wir nicht
zu spekulieren, es liegt zeitgeschichtliches Material vor: der
faktischen Abschaffung des Asylrechts in der Bundesrepublik 1993 gingen
faschistische Brandstiftungen und die ausländerfeindliche
Hetze der Springer-Presse voraus. Der Faschismus ist
nicht Vergangenheit, sondern bleibt ein Beweger der
bürgerlichen Politik. Mit freundlicher Genehmigung von Unsere Zeit vom
Freitag, 7. März 2014 Gastkolumne von Georg
Fülberth |