"Der Frieden ist der Ernstfall, in dem wir
alle uns zu bewähren haben"
Eine "Kritische Anfrage
an die Rede von Bundespräsident Joachim Gauck auf der
Münchner Sicherheitskonferenz" beantwortet Clemens Ronnefeldt
mit dem Text eines anderen Bundespräsidenten
Die Rede von Bundespräsident Joachim
Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014
schlägt weiterhin hohe Wellen. Einer seiner Vorgänger
als Bundespräsident hielt eine vielbeachtete Rede, die in
weiten Teilen konträr zur Rede des aktuellen
Bundespräsidenten steht - und nichts von ihrer
Aktualität eingebüßt hat:
"Meine
Damen und Herren, ich trete das Amt in einer Zeit an, in der die Welt
in höchsten Widersprüchlichkeiten lebt. Der Mensch
ist im Begriff, den Mond zu betreten, und hat doch immer noch diese
Erde aus Krieg und Hunger und Unrecht nicht herausgeführt. Der
Mensch will mündiger sein als je zuvor und weiß doch
auf eine Fülle von Fragen keine Antwort. Unsicherheit und
Resignation mischen sich mit der Hoffnung auf bessere Ordnungen. Wird
solche Hoffnung endlich erfüllt werden? Das ist eine Frage an
uns alle, zumal an uns hier, die wir kraft der uns erteilten Mandate
Verantwortung für unsere Mitbürger tragen.
Ich
sehe als erstes die Verpflichtung, dem Frieden zu dienen. Nicht der
Krieg ist der Ernstfall, in dem der Mann sich zu bewähren
habe, wie meine Generation in der kaiserlichen Zeit auf den
Schulbänken lernte, sondern der Frieden ist der Ernstfall, in
dem wir alle uns zu bewähren haben. Hinter dem Frieden gibt es
keine Existenz mehr. (…)
Ich appelliere an
die Verantwortung in den Blöcken und an die Mächte,
ihre Zuversicht auf Sicherheit nicht im Wettlauf der
Rüstungen, sondern in der Begegnung zu gemeinsamer
Abrüstung und Rüstungsbegrenzung zu suchen. [Beifall]
Abrüstung erfordert Vertrauen. Vertrauen kann nicht befohlen
werden; und doch ist auch richtig, daß Vertrauen nur der
erwirbt, der Vertrauen zu schenken bereit ist. Es gehört zu
den vornehmsten Aufgaben unserer Politik, Vertrauen
aufzuschließen. Dieser Aufgabe sind alle Machtmittel
unterzuordnen - die zivilen und die militärischen.
(…)
Wir werden erkennen müssen,
daß die Freiheit des einzelnen nicht nur vor der Gewalt des
Staates, sondern ebensosehr vor ökonomischer und
gesellschaftlicher Macht geschützt werden muß. Der
Einfluß der Verbände und ihrer Lobbyisten steht oft
genug im Gegensatz zu unserer Ordnung, in der Privilegien von Rechts
wegen abgeschafft sind, aber in der sozialen Wirklichkeit noch weiter
bestehen. (…)
Es gibt schwierige
Vaterländer. Eines davon ist Deutschland. Aber es ist unser
Vaterland. Hier leben und arbeiten wir. Darum wollen wir unseren
Beitrag für die eine Menschheit mit diesem und durch dieses
unser Land leisten. In solchem Sinne grüße ich auch
von dieser Stelle alle deutschen Bürger." [Lebhafter Beifall]
Zu
seinem Amtsantritt als Bundespräsident am 1. Juli 1969 hielt
Gustav Heinemann diese Rede.
Clemens
Ronnefeldt Referent für Friedensfragen beim deutschen
Zweig des internationalen Versöhnungsbundes http://www.versoehnungsbund.de/
Verantwortung
für die Entfaltung friedenspolitischer Kooperation
übernehmen
– Ein Friedensdekalog als Antwort an den
Bundespräsidenten
Bundespräsident
Joachim Gauck hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz
dafür
plädiert, Deutschland solle mehr internationale Verantwortung
übernehmen. Das Militärische stand im Vordergrund,
Friedenspolitisches war kaum zu vernehmen. Außenminister und
Verteidigungsministerin sekundierten entschlossen für die
Entsendung deutscher Truppen nach Afrika. Humanitäre
militärische Intervention? Unglaubwürdig nach allen
Militärinterventionen der Vergangenheit, die nur Chaos,
unzählige Tote und fortdauernde Kämpfe hinterlassen
haben.
Wir
vergessen nicht, dass die Mittel die Ziele bestimmen. Wer Frieden will,
muss friedliche Mittel einsetzen. Wir schlagen im Folgenden deshalb
Schritte auf einem Weg zu einer friedlicheren Welt vor. Das sind keine
Maximalforderungen der Friedensbewegung, sondern Schritte, die der
regierenden großen Koalition zuzumuten sind, in einer
globalen
Situation, die zur Lösung ihrer großen Probleme
Kooperation
statt Konfrontation entwickeln muss.
Der Dekalog aus
der deutschen Friedensbewegung
Keine
Beteiligung an militärischen Einsätzen in Afrika, da
diese
vorwiegend der Sicherung westlicher Interessen dienen. Die so genannten
humanitären Interventionen sind eine Täuschung und
verdecken
die Zusammenarbeit mit korrupten und gewalttätigen Regimen.
Eine
kooperative Politik zugunsten der riesigen armen
Bevölkerungsteile
ist erforderlich. Entwicklungspolitische Unterstützung der
Produktions- und Lebensbedingungen der Bauern und Hirten in nicht nur
afrikanischen Staaten, indem schädliche Exportorientierung und
mit
der einheimischen Produktion konkurrierende Importe verhindert werden,
so dass eine eigenständige Entwicklung dieser
Gesellschaften ermöglicht wird.
Verstärktes
Eintreten für eine friedliche Lösung des Westens mit
dem Iran
als einem wesentlichen Element einer friedenspolitischen
Neuorientierung in Mittelost. In diesem Zusammenhang gilt es, die von
den Vereinten Nationen beschlossene und immer wieder verschobene
Konferenz über eine atomwaffenfreie Zone in Mittel- und Nahost
mit
Nachdruck zu fördern.
Kein Einstieg in die
Drohnenaufrüstung der Bundeswehr, denn dies ist ein Einstieg
in
unerklärte Kriege gegen alle internationalen Regeln und gegen
die
Charta der Vereinten Nationen.
Eine aktive
Unterstützung
des Aussöhnungsprozesses zwischen der Türkei und den
Kurden.
Das Gleiche zwischen der Türkei und den Armeniern. (Das
Deutsche
Reich war 1915 durchaus bei dem Genozid an den Armeniern involviert)
Initiativen
ergreifen, um die OSZE zu einer aktiven
Verständigungsorganisation auszubauen.
Den
Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel durchsetzen, und damit ein
Signal setzen für die bisher unerfüllte Forderung des
US-amerikanischen Präsidenten, eine Welt ohne Atomwaffen zu
schaffen.
Keine weitere Lieferung von schweren
Waffen, wie
beispielsweise U-Booten, Kampfpanzern usw. in andere Länder,
und
auch keine Lieferung von Kleinwaffen in Krisenstaaten und an repressive
menschenverachtende Regime. Diese Waffenexporte fördern nur
Unterdrückung und Rüstungswettläufe.
Angesichts des sehr
geringen Anteils der Rüstungsexporte am BIP dürfen
ökonomische Argumente dem nicht entgegenstehen.
Wir
halten
es für dringlich, ein international zugängliches
Mediationszentrum aufzubauen, das diskrete Dialoge zwischen
Kontrahenten ermöglicht. Deutschland sollte hierfür
die
Initiative ergreifen. Dies wäre für
frühzeitige
Prävention und Deeskalation von Konflikten von
großem
friedenspolitischem Nutzen. In diesem Zusammenhang gilt es,
Frühwarnung über sich entwickelnde Konflikte
auszubauen und
anderen Staaten und internationalen Institutionen zur
Verfügung zu
stellen.
Der Zivile Friedensdienst - nicht die
militärisch-zivile Zusammenarbeit – ist wesentlich
auszubauen und seinen Einsatz fördern. Er führt
bislang ein
Schattendasein und dient der Regierung lediglich als Feigenblatt.
Förderung
des Dialogs mit islamischen Kräften, damit in Deutschland das
Islam-Feindbild abgebaut werden kann.
Das
verhängnisvolle Wort „The Germans to the
front“ stand
am Beginn eines Jahrhunderts der Weltkriege. Der Glaube an das
friedensstiftende Militär ist längst zu Grabe
getragen. Ein
Paradigmenwechsel zu ziviler Konfliktbearbeitung ist geboten. Wir
bitten Sie, Herr Bundespräsident, „Kooperation statt
Konfrontation“ zu Ihrer Losung zu machen und dafür
einzutreten.
Die SprecherInnen der Kooperation
für den Frieden: Reiner Braun (IALANA) Philipp
Ingenleuf (Netzwerk Friedenskooperative) Jens-Peter Steffen
(IPPNW) Renate Wanie (Werkstatt für Gewaltfreie
Aktion, Baden) Lucas Wirl (NaturwissenschaftlerInnen
Initiative)
In Zusammenarbeit mit: Andreas
Buro (Komitee für Grundrechte und Demokratie)