03.02.2014 Kundgebung in Bochum: "Flüchtlinge
willkommen, Nazis haut ab!" Unter
Bezugnahme auf die Gründer der VVN-BdA, die oft auf
Solidarität mit Flüchtlingen angewiesen waren, wurde
in Bochum das Schicksal der Flüchtlinge von heute
thematisiert. VVN-BdA-Vorstandsmitglied Wolfgang Dominik
erinnerte daran: "Die Mütter und Väter der
VVN-BdA waren sehr häufig ehemalige KZ-Häftlinge oder
sonst wie Verfolgte des Naziregimes. Unter ihnen befanden sich
zahlreiche Flüchtlinge, die es geschafft hatten, das
faschistische Deutschland oft unter Lebensgefahr und in der Regel unter
Zurücklassung von Hab und Gut zu verlassen.
Flüchtlinge sind nie Menschen, die ohne Not, oft unter
größten Strapazen und lebenslänglichen
Traumatisierungen, ihre Heimat verlassen." Wir veröffentlichen
die Rede von Wolfgang Dominik (VVN/BdA) auf der Kundgebung
"Flüchtlinge willkommen, Nazis haut ab!" vom 1.2.2014 in
Bochum, Wohlfahrtstraße, im Wortlaut: Liebe
Freundinnen und Freunde, mein Name ist Wolfgang
Dominik. Ich bin Mitglied der ältesten und bis heute
größten antifaschistischen Organisation
Deutschlands, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes –
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten. (VVN-BdA).Die
Mütter und Väter der VVN-BdA waren sehr
häufig ehemalige KZ-Häftlinge oder sonst wie
Verfolgte des Naziregimes. Unter ihnen befanden sich zahlreiche
Flüchtlinge, die es geschafft hatten, das faschistische
Deutschland oft unter Lebensgefahr und in der Regel unter
Zurücklassung von Hab und Gut zu verlassen.
Flüchtlinge sind nie Menschen, die ohne Not, oft unter
größten Strapazen und lebenslänglichen
Traumatisierungen, ihre Heimat verlassen. Darauf gehen die anderen
RednerInnen noch genauer ein! Es ist eigentlich eine
politische und historische Perversität, die sich heute hier
abspielt. Flüchtlinge werden angegriffen von einer
Neonazi-Bande, die sich Kameradschaft Volkssturm Deutschland nennt. Da
ich am Montag in der Bochumer Synagoge etwas zur aktuellen
faschistischen Gefahr in Bochum sagen sollte, bin ich noch einmal mit
den allein 6 Millionen ermordeten jüdischen
MitbürergerInnen in Europa konfrontiert worden. Auf die
Verursacher und Väter dieses Völkermords bezieht sich
der Volkssturm. Ich weiß nicht, ob diesem
Volkssturm klar ist, dass der Volkssturm im Faschismus das letzte
kümmerliche und elende Aufgebot von alten Männern und
Jugendlichen bzw. Kindern war, die von einer verbrecherischen deutschen
Führung gegen Ende des faschistischen Terrorkrieges und gegen
Ende der industrieller Vernichtung von Millionen Menschen auch noch ihr
Leben lassen sollten zur Verteidigung der faschistischen Herrschaft.
Wenn sich heute Neofaschisten nach diesem maroden Haufen von staatlich
angeordneten Selbstmordkommandos nennt, lässt das auf eine
ausgeprägte Geschichtsblindheit schließen. Die
neofaschistischen Kameradschaften beziehen sich auf die faschistischen
Kameradschaften, die es ab 1933 in Deutschland gab. Kameradschaft war
die kleinste Einheit der Hitler-Jugend mit ca. 15 Mitgliedern. Viel
stärker sind die Kameradschaften heute auch nicht. Vielleicht
sollten sich die Kameradschaften gleich Hitler-Jugend nennen? Oft genug
verstehen sich die Mitglieder der Kameradschaften als politische
Soldaten, als Kriegsgemeinschaft, d.h. als Träger von direkt
auf den Faschismus bezogenen Ideologien, Methoden und Zielen. So
ließe sich dann auch die „Kameradschaft Volkssturm
Deutschland“ erklären. Wir
können feststellen, dass in ganz Europa faschistoides und
faschistisches Denken und Handeln explosionsartig um sich greift. Von
Finnland bis Griechenland treibt die kapitalistische Krise immer mehr
Menschen faschistischen Demagogen in die Arme, die angeblich leichte
Lösungen für ihre Probleme parat halten. Die
flüchtenden Opfer der imperialistischen Wirtschaftspolitik und
der neuen kolonialen Kriege werden durch eine massive
Aufrüstung der Außengrenzen Europas (ich nenne nur
Frontex und Eurosur) zurück in den Hunger-, Kriegs- oder
Foltertod getrieben. Wenn sie aber Europa erreichen oder sogar als
europäische BürgerInnen nach Deutschland kommen,
werden sie von höchsten Repräsentanten des Staates
mit rassistischen Diffamierungen bedacht, und es wird versucht, sie so
schnell wie möglich in noch größeres Elend
oder den Tod zurückzutreiben. Ein bekannter
christlicher Politiker konnte ohne jede Kritik unter jubelnden Beifall
schon 2011 erklären, dass er sich „bis zur letzten
Patrone“ gegen ZuwanderInnen in unser Sozialsystem wehren
wird, falls sie nicht entsprechend der kapitalistischen Profitlogik
verwertbar sind. Diese kriegerische Redeweise könnte
tatsächlich eine Parallelität zum Volkssturm
aufweisen. Die hatten zwar damals kaum noch Patronen, sollten sich aber
auch bis zur letzten Patrone oder mit bloßen Händen
wehren. Der staatlich verordnete Rassismus in Medien
und durch PolitkerInnen hat massiv zugenommen. Klar, auch Kardinal
Meissner muss da noch schnell seinen Senf dazu tun, um in guter
Sarrazin-Tradition Menschen gegeneinander zu polarisieren statt , wie
der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime Aiman Mazyek sagt,
Brücken zu bauen. Sarrazin ist immerhin ein prominentes
SPD-Mitglied. Es wird mit Macht rassistisch aufgerüstet.
Materiell an den Grenzen, ideologisch tagtäglich in diesem
Land. Als studierter evangelischer Theologe kann
ich mir die sarkastische Bemerkung nicht ersparen: Wenn Jesus von
Nazareth heute nach Europa oder nach Deutschland fliehen wollte,
würde er wahrscheinlich von Frontex, auch eine Erfindung
christlicher PolitikerInnen, gezwungen, im Mittelmeer zu ertrinken wie
20.000 andere in den letzten Jahren. Würde er es irgendwie
nach Deutschland schaffen und würde einen Asylantrag stellen
können, wäre er sofort abgelehnt: Bärtiger
Palästinenser, religiöser Fundamentalist, keine
Qualifikationen, die im Sinne kapitalistischer Verwertbarkeit der
Arbeitskraft nachgefragt werden, beruft sich möglicherweise
auf einen gewissen Christus, der in Europa oft sogar im Namen von
Parteien auftaucht Diese christlichen Parteien in Deutschland sitzen
mit einer anderen Partei in der Regierung Deutschlands. Alle
MinisterInnen beider Parteien haben auf den christlichen Gott ihren
Amtseid abgelegt Dieser Eid beinhaltet: „Die Würde
des Menschen ist unantastbar!“ und „Die
Menschenrechte sind unveräußerlich!“. Da
steht nicht im Grundgesetz, dass diese Grundrechte nur für
ganz spezielle Deutsche gelten. Die Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes und die Überlebenden haben 1945
geschworen, die Ursachen, die zum Faschismus führten, zu
beseitigen. Heute müsste es hier vor dem
Flüchtlingsheim auch heißen, die Ursachen, die
Menschen zur Flucht treiben, müssen beseitigt werden. Solange
diese Ursachen nicht nur nicht beseitigt, sondern durch geplante
(familienfreundliche) neue Kriege (Gauck nennt diese imperialistischen
Kriege mehr Verantwortung für die Welt übernehmen)
zementiert werden, müssen wir Flüchtlingen sagen: Wir
heißen euch willkommen, auch – aber nicht nur -
weil wir einsehen, dass wir die Mitschuld an eurem Elend tragen. Für
AntifaschistInnen gilt: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein
Verbrechen! Die Bildung eines Volkssturms war auch schon 1944 ein
zusätzliches faschistisches Verbrechen und heute erst recht. http://www.lokalkompass.de/bochum/politik/rede-von-wolfgang-dominik-vvnbda-auf-der-kundgebung-fluechtlinge-willkommen-nazis-haut-ab-vom-122014-d396127.html |