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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

15.01.2014

Freispruch für den Arier

Das Bemühen der Dortmunder Staatsanwaltschaft, deutsche Mörder aus der Zeit des NS-Regimes und des Krieges anzuklagen, ist jede Unterstützung wert. Auch wenn dies im Fall des SS-Manns Siert Bruins zunächst nicht zum Erfolg führte, wird unbedingt Revision gegen den skandalösen Freispruch des Landgerichts Hagen eingelegt werden, teilte die Behörde mit. Zudem ist zu hoffen, dass die Mordanklage gegen Werner C., einen Beteiligten am Massaker von Oradour-sur-Glane, vorm Landgericht Köln erfolgreich ist.

Weil nicht zu ermitteln war, ob der Widerstandskämpfer Aldert Klaas Dijkema seine Hände in den Taschen hatte, als ein zweiköpfiges Mordkommando ihm in den Rücken schoß, wurde gegen Siert Bruins nur auf "Totschlag" erkannt, und dieser seit verjährt, im Gegensatz zum Mord. Das Opfer erschien nicht ausreichend als arglos, die  "Heimtücke" der Täter sei daher nicht bewiesen. Die verlogene, aber übliche Begründung "Auf der Flucht erschossen" lag wohl auch vor, als im September 1944 in den Niederlanden der Mord geschah.

Gleich mehrere die Nazis begünstigende Regelungen wurden in Hagen angewendet: Da ist zunächst die jahrzehntelange Gültigkeit der Verjährung bei Mord und die noch heute gültige Verjährung bei Totschlag, die dazu führten zu behaupten: "Der Fall ist nach so langer Zeit nicht mehr zu klären."

Zudem hätte nachgewiesen werden müssen, dass das Mordmerkmal "Heimtücke" vorlag, ein Begriff aus der Strafgesetzgebung der Nazis, der nach 1945 beibehalten wurde.

Auch die Möglichkeit der Auslieferung des Niederländers Siert Bruins in das Land seiner Geburt und seines Verbrechens wurde nicht erwogen. Denn Bruins besitze die deutsche Staatsangehörigkeit, und Deutsche dürften nicht ins Ausland ausgeliefert werden. Damit wird ein Privileg bekräftigt, dass von Adolf Hitler persönlich den ausländischen SS-Leuten verliehen wurde. (Ausländische SS-Leute erhalten, so sie verletzt wurden, noch heute eine Versehrtenrente aus Deutschland.) Formulierungen aus der Sprache eines Freislers und Ehrungen durch Hitler, werden vor deutschen Gerichten noch immer zur Begründung von nazifreundlichen Urteilen herangezogen.

Schließlich hat man den im Fall Demjanjuk wieder eingeführten Tatnachweis, wonach erwiesen sein muß, dass der Täter dem Mordkommando angehörte, nicht aber, ob er auch nachweislich selbst handelte, wieder abgeschafft. Der Ukrainer Demjanjuk, Mörder im KZ Sobibor, durfte derartig verurteilt werden, - der Arier Siert Bruins nicht?

Die Aufhebung des Hagener Urteils ist dringend geboten. Ebenso ist das Hauptverfahren in Köln zum Fall Oradour unbedingt erforderlich.

Siehe auch:

Eine Frage der Gerechtigkeit – Strafverfolgung von NS-Verbrechern

Prozess gegen NS-Kriegsverbrecher: "Hoffen auf Gerechtigkeit"

Das Problem mit Mord und Totschlag: Paragraf 211 ist vollkommen überholt