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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

16.10.2013

Regionalkonferenz „Aktiv gegen Rechts“ fordert Auflösung der Partei „Die Rechte“

Stolberg/Region Aachen. Rund 100 Menschen haben am Samstag in Stolberg an der fünften Auflage der Regionalkonferenz „Aktiv gegen Rechts“ teilgenommen. In einer Schlusserklärung forderten die Teilnehmer der Konferenz unter anderem ein erneutes Verbot der aggressiv-fremdenfeindlichen Neonazi-Aufmärsche Anfang April in Stolberg, sollten Neonazis nach einem ersten Verbot im Jahre 2013 abermals Demonstrationen planen.

Neben Vertretern von Gewerkschaften, Parteien, Anti-Rechts-Bündnissen und antifaschistischen Initiativen wohnten zeitweise auch der Städteregionsrat HelmutEtschenberg (CDU), der Aachener Oberbürgermeister Marcel Philipp (CDU), die Aachener Bürgermeisterin Hilde Scheidt (Grüne), der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunke (Die Linke) sowie der stellvertretendeBürgermeister aus Alsdorf, Heinrich Plum (SPD), und Stolbergs Bürgermeister Ferdi Gatzweiler (SPD) der Konferenz bei. Gatzweiler hatte die Schirmherrschaftüber die Konferenz übernommen.Er dankte den Teilnehmern und Organisatoren dafür, nach Stolberg gekommen zu sein. Die Stadt brauche jede Unterstützung im Kampf gegen Radikalismus, sagte der Sozialdemokrat. Städteregionsrat Etschenberg sagte, die Konferenz sei eine „Demonstration der Demokraten“.

In Vertretung für den kurzfristig verhinderten Leiter der Forschungsstelle Rechtsextremismus/Neonazismus an der FH Düsseldorf, Prof. Dr. Fabian Virchow, hielt Dominik Clemens, Koordinator des an der Volkshochschule Aachen angesiedelten „Lokalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“ (LAP), das Eingangsreferat. Clemens informierte schwerpunktmäßig über die bundesweiten und regionalen Strukturen der Parteien NPD und „Die Rechte“ (DR). Letztere nannte Clemens eine „Camouflage-Partei“, deren Sinn in NRW überwiegend darin liege, die Arbeit verschiedener verbotener Neonazi-Gruppen fortzuführen. Clemens warnte davor, solche Parteien nur anhand ihrer Programmatik zu bewerten, vielmehr gehe es darum, auch das Handeln und Auftreten der Kader und Mitglieder genau zu beobachten und zu analysieren.

Zwar bekenne sich die Splitterpartei DR in ihrem Programm zum Grundgesetz, ihr Bundestagswahlkampf sei jedoch durch Demokratiefeindlichkeit und neonazistischer Aggression geprägt gewesen. Die Militanz der ehemaligen Mitglieder früherer Neonazi-Gruppen und „Kameradschaften“ sei weiterhin eine Gefahr. Bei der Bundestagswahl sei das DR-Ergebnis indes unbedeutend gewesen und habe im Promille-Bereich gelegen. Das erinnere wiederum eher an den Alkoholgehalt im Blut mancher Neonazis nach einem „Kameradschaftsabend“, lockerte Clemens den Vortrag auf. In der späteren Publikumsdiskussion forderte der Politologe Richard Gebhardt ein Verbot jenes „Auffangbeckens verbotener Organisationen“ und eine Korrektur des „Fehlers des Bundeswahlleiters“, der die DR als Partei anerkannt habe.

Auf einem „Markt der Möglichkeiten“ informierten zahlreiche Initiativen aus der Region mit Infotischen und Stelltafeln über ihre Arbeit. Vertreten waren etwa die Stolberger Gruppe Z, die DGB-Jugend, die Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/Freundeskreis e.V., die Opferberatung Rheinland oder die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschist/innen.

Schülerinnen und Schüler der gastgebenden Ganztagshauptschule Kogelshäuserstraße brachten sich mit einem Auftritt der Trommelgruppe und einen Film über die Verfolgung jüdischer Bürger in Stolberg ein. In den Nachmittagsstunden fanden Workshops zu verschiedenen Themen statt. Vorausschauend zum Kommunalwahlkampf 2014 widmete sich einer davon der Diskussion, wie Migranten und Antifaschisten gemeinsam den Einzug rechter Parteien in die Räte verhindern oder jene Parteien und deren fremdenfeindliche Propaganda zumindest entlarven können. Prominenter Gast dieses Arbeitskreises war der Vorsitzende des Landesintegrationsrates NRW, Tayfun Keltek.

Keltek erinnerte daran, dass Aufklärung wichtig sei. Rechte Parteien oder Gruppen beziehungsweise „rechtsradikale Gewalt“ seien jedoch nicht das einzige Problem und bildeten nur die „Spitze des Eisbergs“. Man müsse ebenso den fremdenfeindlichen „Boden“ in der Gesellschaft bekämpfen. Überdies müssten die Menschen, auch durch die Medien besser aufgeklärt werden. Das in der Sarrazin-Debatte vermittelte Bild des durchweg bildungsfernen Muslims mit Schulproblemen sei fragwürdig. Beispielsweise kämen aus manchen arabischen Staaten überwiegend Akademiker nach Deutschland, und deren Kinder würden ihre Schullaufbahn überdurchschnittlich oft mit einem Abitur krönen. Klischeevorstellungen oder Vorurteile brächten, sagte der türkischstämmige Kölner, die Debatte nicht weiter oder vergifteten sie.

Wie in den vorangegangenen Jahren richtete auch die fünfte Auflage der Regionalkonferenz „Aktiv gegen Rechts“ in einer Schlusserklärung verschiedene Appelle an die regionale Politik. Die fremdenfeindliche Aufmärsche in Stolberg müssten auch 2014 verboten werden sollen, sollten Neonazis erneut Demonstrationen anmelden. Überdies sei nach dem Verbot der „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) die Auflösung der Partei „Die Rechte“ (DR) angebracht. Der „Hass“ jener Klientel sei „kriminell und hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun,“ heißt es zur Begründung in dem Schlusspapier.

Die sechste Regionalkonferenz „Aktiv gegen Rechts“ findet 2014 in Würselen statt. (mik)

Erklärung der 5. Regionalkonferenz "Aktiv gegen Rechts"

Region Aachen/Stolberg. Rund 100 Vertreter/innen von Initiativen gegen Rechts aus der Region Aachen kamen gestern in Stolberg zur fünften Regionalkonferenz "Aktiv gegen Rechts" zusammen. Wir dokumentieren an dieser Stelle die Abschlusserklärung, die von den Teilnehmenden der Konferenz beschlossen wurde.

5. Regionalkonferenz „Aktiv gegen Rechts“ am 12. Oktober 2013 in Stolberg

Die Konferenz

Zum fünften Mal trafen sich Vertreterinnen und Vertreter von lokalen Bündnissen gegen die Rechtsentwicklung der Gesellschaft und deren Zuspitzung in Form neonazistischer und rassistischer Organisationen. Vor Ort arbeiten wir mit demokratischen Parteien und Nicht-Regierungsorganisationen zusammen.

Erneut wurde die Arbeit der Konferenz unterstützt durch die Teilnahme von RatsvertreterInnen aus den Parteien. Zur Teilnahme hatten zahlreiche Bürgermeister der Region sowie das gesamte demokratische Spektrum der Parteien in Stolberg aufgerufen.

Nach der Begrüßung durch den Schirmherrn der Konferenz, Bürgermeister Ferdi Gatzweiler, hörten die fast 100 TeilnehmerInnen einen Vortrag von Dominik Clemens (Volkshochschule Aachen) über neue Strategien der Neonazis. Danach wurde diskutiert und anschließend gestalteten SchülerInnen der Kogelshäuserschule ihren Beitrag. Es wurde ein von den SchülerInnen erstelltes Video über konkrete Geschichtsarbeit gezeigt und erläutert. Die Trommelgruppe der Schule lockerte vor der Mittagspause das ernste Anliegen der Konferenz auf.

Am Nachmittag tagten fünf Arbeitsgruppen zu den Themen MigrantInnen gegen Rechts und Vereine ohne Rassismus. Außerdem gab es Gruppen, die mit Jugendlichen über Möglichkeiten des aktiven Eingreifens diskutierten, eine Gruppe, die Widerstandsformen diskutierte und eine weitere, die Perspektiven der Geschichtsaufarbeitung bei schwindender Beteiligung der Zeitzeugen entwickelte.

Erklärung

Stolberg wird nun schon viele Jahre von neonazistischen Aufmärschen jeweils im April heimgesucht. Außerdem sitzt eine Zelle der NPD im Stadtrat. Während der Wahlkämpfe tritt die NPD offen mit provozierenden Infoständen in Erscheinung. Die Vorgängerkonferenz „Aktiv gegen Rechts“ in Aachen hatte im vergangenen Jahr gefordert: „Der jährliche Neonazi-Spuk in Stolberg muss beendet werden!“

Tatsächlich konnte durch das von den Konferenzen seit langem geforderte und endlich durchgesetzte Verbot einiger neonazistischer Kameradschaften im Jahr 2013 der geplante Aufmarsch verhindert werden. Die Auftritte der Neonazis im letzten Jahr lassen aber vermuten, dass sie die formalen Fehler nicht wiederholen und zumindest planen, Stolberg April 2014 wieder heimzusuchen.

Nach dem KAL Verbot – jetzt „Die Rechte“ auflösen!

Wir wollen deshalb erneut darauf hinwirken, dass die Nazidemonstration im April verboten wird. Sie ist aus unserer Sicht die Fortführung einer verbotenen Organisation. Sie predigen Terror und Rassismus. Es ist ein erschreckendes Bild, dass in Deutschland außer beim Fußball nirgendwo soviel Energie, soviel Geld, soviel Polizei eingesetzt wird wie zum Schutz fragwürdiger, krimineller Nazibanden. Das Demonstrationsrecht wird ad absurdum geführt, wenn wie in Aachen auf einer Kundgebung der Gruppe „Die Rechte“ Politikern mit „Konsequenzen für Leib und Leben“ gedroht wird. Oder wie in Stolberg, wo die Nazihorden ungestraft Pogromstimmung gegen TürkInnen machen konnten. „Auch Türken haben Namen und Adressen - kein Vergeben-kein Vergessen“ skandierten sie hasserfüllt.

Dieser Hass ist kriminell und hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun. Die verbotene „Kameradschaft Aachener Land“ firmiert jetzt unter dem Namen „Die Rechte“ und nimmt für sich Parteiprivilegien in Anspruch.

Staat und Neonazis

Auf der Aachener Vorgängerkonferenz habe wir uns kritisch mit den staatlichen Organen der Strafverfolgung und den Geheimdiensten auseinandergesetzt. Unsere Befürchtungen haben sich als realistisch herausgestellt. Das verhängnisvolle System von bezahlten Nazi-Spitzeln wird weitergeführt, der Rassismus in den Behörden wird nicht thematisiert, das Versagen der Strafverfolgung wird als Serie unglücklicher Pannen dargestellt. Am Ende wird weiter gewurschtelt, aber angeblich effektiver. Wir haben festgestellt, dass der Druck auf die lokalen Nazis durch die Sonderkommission der Polizei in Stolberg eine Zeit lang für eine Beruhigung gesorgt hat. Jetzt aber ziehen die Nazis wieder marodierend durch die Städte und spielen für kurze Zeit und örtlich begrenzt „national befreite Zone“, wo sie herrschen, wo sie andere straffrei terrorisieren. Alle müssen beitragen, dass diese gefährlichen Träume nie Wirklichkeit werden. Wir verpflichten uns, überall einzugreifen und Protest zu organisieren, wo Neonazis und Rassisten öffentlich auftreten. Wir dulden den Naziterror nicht! Dabei erwarten wir aber von den staatlichen Stellen eine Veränderung der Einstellung, wonach Ruhe die erste Bürgerpflicht sei. Die Extremismusdoktrin – also die Gleichsetzung von Rechts und Links – lehnen wir ab. Es ist für die Demokratie kein Gewinn, wenn Nazis ungestört hetzen können.

Es ist demokratische Pflicht, rechtzeitig einzugreifen und für öffentlichen Protest zu sorgen. Niemals dürfen wir uns an den Terror dieser Banden gewöhnen!

Herausforderungen im kommenden Jahr

Im kommenden Jahr werden Kommunalwahlen und Europawahlen zu weiteren Naziprovokationen führen. Hier gibt es – auch durch unsere Regionalkonferenzen – verbesserte Möglichkeiten gemeinsamen Handelns gegen Rechts.

2014: 6. Regionalkonferenz „Aktiv gegen Rechts“ in Würselen!

Wir schlagen vor, die kommende sechste Konferenz im Herbst 2014 in Würselen durchzuführen. Hauptthema soll sein, ein genaueres Bild der Entwicklung extrem rechter und rassistischer Kräfte in Europa zu erlangen. Die Verflechtung der extremen Rechten bis in Kreise von Regierungen hat ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen. Wir wollen kein Europa, in dem Rassismus und Antisemitismus ernste Gefahren für das Leben vieler Menschen darstellen.

Es kann nicht sein, dass das reichste Land Europas so wenig tut, um Leben zu retten. Die Äußerungen einiger Politiker, insbesondere des Bundesinnenministers, zur Flüchtlingsfrage sind empörend und werden von uns als inhuman zurückgewiesen. Wir wollen keine Festung Europa! Das können wir nur erreichen, wenn wir gemeinsam mit den Menschen handeln, die in ihren Ländern für gleiche Rechte und demokratische Freiheiten, gegen Rassismus und Krieg eintreten.

Beschlossen von den Teilnehmenden der fünften Regionalkonferenz „Aktiv gegen Rechts“ am 12. Oktober 2013 in Stolberg