02.07.2013 Merkwürdiges
aus Oberhausen Diskriminierung
von Zeitzeugen "Ehrenamtlich in
Oberhausen" ist ein Beitrag im Weltbühnennachfolger
"Ossietzky" Nr. 14 vom 29. Juni 2013 überschrieben, in dem
von Diskriminierungen von Antifaschisten ausgerechnet in einer
bisherigen Hochburg des Antifaschismus berichtet wird. Versuche der
Zensur und der Ausgrenzung auch von VVN-BdA-Mitgliedern aus dem Kreis
von gewürdigten Ehrenamtlichen nach bayerischem Vorbild (nur
dort steht die VVN-BdA noch im Verfassungsschutzbericht) lösen
bei Demokraten in Oberhausen und anderswo tiefes Befremden aus. Ehrenamtlich in Oberhausen In
Wuppertal trifft sich neuerdings regelmäßig eine
„Kindergruppe“. Sie nennt sich „Kinder
des Widerstandes“. Es geht den TeilnehmerInnen um ein
Bekenntnis zum Widerstand der Eltern und Großeltern, auch
wenn diese damit den Kindern oft etwas antaten, mit dem sie schwer
klarkamen. Die heute ergrauten Kinder – Jahrgang 1930 bis
1960 – haben unter den Kalten-Kriegs-Diskriminierungen
gelitten. Manchen ihrer Eltern wurde von Richtern aus der NS-Vorzeit
vorgeworfen, nichts aus den „Vorstrafen“ in den
Jahren 1933 bis 1945 gelernt zu haben. Nicht wenige wurden als
Kommunisten unter Adenauer wieder eingesperrt. Ihre Eltern erhielten
bisweilen keine Entschädigungen für gesundheitliche
Einbußen – weil sie ja freiwillig Widerstand
leisteten. Die Berichte, die da zusammengetragen
werden, wühlen auf. Die „Kinder des
Widerstandes“ konnten sich nie an eine
Gestapounterlagenbehörde wenden. In
regelmäßigen Abständen hat zwar Jan Korte
für die Linkspartei im Bundestag Anträge gestellt,
die politischen Opfer des Kalten Krieges zu entschädigen und
damit zu rehabilitieren oder den Widerstandskampf der kommunistischen
Linken endlich anzuerkennen. Die Antworten von Bundestagsmitgliedern
aus der Union, der FDP, auch der SPD lesen sich jedoch gruselig
– wie von Springer-Journalisten der 1950er Jahre
verfaßt. „Mein Vater war kein
Verbrecher“, schrieb daher Klara, die Tochter von Karl
Schabrod, schon vor einiger Zeit unter www.nrw.vvn-bda.de. Zusammen mit
Inge, Traute und Alice, Töchter von Willi Kutz
(Düsseldorf), Artur Burmester (Hamburg) und Ettie und Peter
Gingold (Frankfurt am Main) hat sie wiederholt zu Seminarwochenenden in
Solingen aufgerufen und sie sagt: „Wir wollen nicht nur
zurückblicken, sondern als Zeitzeuginnen und Zeitzeugen
– zum Beispiel in Schulen – wirken.“ Rund
70 andere „Kinder“ haben sich ihnen angeschlossen. Nach
Abschluß eines der Seminare kritisierten die TeilnehmerInnen
öffentlich die Veränderungen in
Gedenkstätten, beispielsweise in der Oberhausener Gedenkhalle,
wo der Arbeiterwiderstand in der Ausstellung erheblich reduziert wurde
und die verbrecherischen NS-Eliten der Ruhrgebietswirtschaft gar nicht
mehr thematisiert werden (s. Ossietzky 13/11). Sie sind sich einig: Die
Kinder des Widerstandes, alle Antifaschisten, sollten sich aus der
Gedenkarbeit nicht verdrängen lassen. Nach den Zeitzeugen der
Häftlingsgeneration kommen nun die neuen Zeitzeugen. Die
alte Zeitzeugengeneration hatte einst in Oberhausen dafür
gesorgt – über alle Parteigrenzen hinweg
–, daß die erste Gedenkstätte in der
Bundesrepublik zum örtlichen Widerstand geschaffen wurde. In
den sechziger bis achtziger Jahren trugen die Zeitzeugen Exponate und
Dokumente zusammen und bauten die Gedenkstätte mit auf. Sie
waren ehrenamtliche Erinnerungsarbeiter, auch wenn es das Wort noch
nicht gab. Inzwischen sind sie sind gestorben, und ihre Arbeiten sind
aus der Gedenkhalle entfernt, so wie Walter Kurowskis
Wandgemälde mit Darstellungen der Täter und Opfer. Jetzt
beschloß der Oberhausener Rat die Einführung der
Ehrenamtskarte, so wie bereits 173 Städte und Kreise in
Nordrhein-Westfalen. Doch anders als dort, hat sich der Oberhausener
Rat etwas ausgedacht, das an die Umwidmung der Gedenkhalle, ja sogar an
den Kalten Krieg erinnert. Mit der sogenannten Ehrenamtskarte will die
Stadt Menschen belohnen und mit Vergünstigungen versehen, die
sich in überdurchschnittlichem Maße ehrenamtlich
für das Gemeinwohl engagieren. Versehen aber wurde der
Beschluß mit einem Passus, wonach Mitglieder von
Organisationen, die im Verfassungsschutzbericht erwähnt
beziehungsweise vom Verfassungsschutz beobachtet werden, keine
Ehrenamtskarte erhalten sollen (lt. Westdeutsche Allgemeine). „Das
schließt die Mitglieder der Linken Liste, der DKP, der
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, der Anti-Atomkraft-Bewegung
oder der Antifa aus“, kritisiert die stellvertretende linke
Stadtratsfraktionsvorsitzende Petra Marx scharf. Und legte noch drauf:
„Aber der Faschist, der sich im Sportverein engagiert, wird
belohnt.“ Die Stadtverwaltung widersprach
auf Anfrage: Man halte sich an das Vorbild anderer Städte,
„zum Beispiel in Bayern“, so der Stadtsprecher Uwe
Spee. „Wenn wir den Eindruck haben, daß es sich um
Links- oder Rechtsextremisten oder Mitglieder einer terroristischen
Vereinigung handelt, wird von Fall zu Fall
geprüft.“. Das Stadtparlament sprach sich denn auch
einhellig – gegen die Linkspartei-Stimmen –
für die Einführung der antiextremistischen
Ehrenamtskarte aus. Die umstrittene Passage blieb Teil des Beschlusses. Die
Stadt Oberhausen, einst Vorreiterin der antifaschistischen
demokratischen Kultur, ist in vielerlei Hinsicht stur und unnachgiebig,
wenn es gegen Links geht. Nicht nur, daß sie auf die Kritik
der „Kinder des Widerstandes“ an den
Änderungen in der Gedenkhalle wütend reagierte und
sogar in einem Brief an die Zeitschrift Glocke vom Ettersberg und an
den Generalsekretär der Internationalen Föderation
des Widerstandes, Dr. Ulrich Schneider, von möglichen
rechtlichen Schritten sprach, die man einleiten könnte. Sie
hielt auch daran fest, daß Kurowskis Wandgemälde
verborgen bleibt. Wer auch nur ein Foto davon haben möchte,
bekommt im Auftrag des Oberbürgermeisters Briefe wie diesen:
„...bitte ich Sie zuvor um die Auskunft, in welchen Kontext
der Bilderzyklus gestellt werden soll, was die Kernaussagen dazu sein
werden und welche Autoren sich mit dem Zyklus auseinandersetzen
wollen.“ Diese unverblümte
Aufforderung, sich einer Zensur zu unterwerfen, war an die
Fotografengruppe „R-mediabase“ gerichtet.
Sie will in einer virtuellen Gedenk- und Aufklärungsgalerie
Verbrechen der Wirtschaft in der Zeit zwischen 1933 und 1945
dokumentieren. Beabsichtigt ist auch, „vorhandene
Stätten der Erinnerung abzulichten und zu dokumentieren, um
der Tendenz entgegenzuwirken, das Andenken an den Widerstand, besonders
des Arbeiterwiderstandes zu reduzieren, und das Erinnern an die
Täter aus den ökonomischen Eliten aus den
Gedenkstätten und Erinnerungsorten zu entfernen“
(www.r-mediabase.eu). Warum widersetzt sich einem solchen Projekt die
Stadt Oberhausen? Ulrich Sander Ossietzky Nr. 14 vom 29. Juni 2013 |