05.06.2013 Gefängnis Wolfenbüttel soll eine Gedenkstätte für die Opfer des Kalten Krieges werden Initiative der VVN-BdA und ehemaliger politischen Häftlinge in der BRD Bei
der geplanten Neugestaltung der Gefängnisgedenkstätte
Wolfenbüttel soll eine würdige Form des Gedenkens an die
Opfer des Kalten Krieges gefunden werden. Dies fordern die
Sprecher/innen der VVN-BdA Niedersachsen, Mechthild Hartung und
Reinhold Weismann-Kieser, sowie der Vertreter der Initiativgruppe
für die Rehabilitierung der Opfer des Kalten Krieges (IROKK),
Peter Dürrbeck; Göttingen. Sie richteten in diesem Sinne ein
Schreiben an die Stiftung niedersächsischer
Gedenkstätten, die Kultusministerin des Landes Niedersachsen,
Frau Frauke Heiligenstadt und die Justizministerin des Landes
Niedersachsen, Frau Antje Niewisch-Lennartz. Die Opfer des
Naziregimes wie der Nachkriegsjustiz weisen darauf hin: Zahlreiche der
Gefangenen waren während der Nazizeit in Konzentrationslagern und
Zuchthäusern inhaftiert und sind durch Staatsanwälte und
Richter mit NS-Vergangenheit – wie jene der 4. Strafkammer des
Landgerichts Lüneburg – erneut angeklagt und verurteilt
worden. Die Richter und Staatsanwälte dieser politischen
Sonderkammern waren zumeist treue Gefolgsleute des faschistischen
Regimes. Viele waren durch ihre Anklagen und Urteile schwer
belastet. Die Urteile der 4. Strafkammer in Lüneburg waren
durchweg Gesinnungsurteile. Unterstützt wird die
Initiative auch von ehemaligen politischen Gefangenen aus der
Strafvollzugsanstalt Wolfenbüttel und anderen Gefangenen aus der
Zeit des Kalten Krieges, vom Bundesausschuß der Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten und der Gruppe
„Kinder des Widerstandes“. Unter den Mitgliedern der Gruppe
„Kinder des Widerstandes“ sind viele, deren Eltern sowohl
von den Nazis, als auch im Kalten Krieg verfolgt worden waren. In
der Anlage befindet sich der Inhalt der Briefe an die Stiftung
niedersächsische Gedenkstätten, die Kultusministerin und die
Justizministerin. Zu weiteren Auskünften stehen Frau Hartung
und Herr Weismann-Kieser von VVN-BdA Niedersachsen, Rolandstr.16, 30165
Hannover, und Peter Dürrbeck, Bebelstr.55, 37081 Göttingen
bzw IROKK; Hoffnung 18, 45127 Essen zur Verfügung. An die Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten z. Hd. PD Dr. Habbo Knoch Im Güldenen Winkel 8 Gleiche
Schreiben wurden gerichtet an die Kultusministerin des Landes
Niedersachsen, Frau Frauke Heiligenstadt und die Justizministerin
des Landes Niedersachsen, Frau Antje Niewisch- Lennartz. Sehr geehrter Herr Dr. Habbo Knoch, wie
aus der Antwort des bisherigen Ministers für Kultur auf eine
kleine Anfrage der (ehemaligen) fraktionslosen Abgeordneten, Frau
Wegner, hervorgeht, ist ein Konzept für die künftige Planung
der Gedenkstätte JVA Wolfenbüttel vorgesehen. Wir
können nicht ersehen, dass in diesem Konzept eine
Würdigung der Tatsache Rechnung getragen wird, dass in den 50er
und 60er Jahren des vorherigen Jahrhunderts zahlreiche politische
Gefangene in der Haftanstalt inhaftiert waren. Die meisten dieser
Gefangenen [sowohl Jugendliche als auch nach Erwachsenenstrafrecht
Verurteilte] sind durch die 4. große Strafkammer beim
Landgericht Lüneburg verurteilt worden. Richter und
Staatsanwälte dieser Kammer waren unter anderem Dr. Karl - Heinz
Ottersbach und Dr. Konrad Lenski. Beide sind Richter und
Staatsanwälte aus dem NS- Regime, die Terrorurteile im Sinne des
Regimes fällten. Zu den in Lüneburg Verurteilten
gehörten ehemalige Verfolgte aus der NS- Zeit, die mehrere Jahre
in Haftanstalten und Konzentrationslagern inhaftiert waren. Zu
den Besonderheiten der urteilenden Richter gehörte, dass sie den
Angeklagten vorwarfen, sie hätten: „…aus ihrer NS-
Haft nichts gelernt und seien ihrer Gesinnung treu
geblieben“. Solche Worte mussten sich Männer und
Frauen sagen lassen, die beim Aufbau der Bundesrepublik in politischen
Ämtern tätig waren. Unter anderem als Beisitzer am
Verwaltungsgericht Hannover, als Abgeordnete im Niedersächsischen
Landtag oder als Landräte in ihren Heimatkreisen. Zahlreiche Einzelbiographien sind am historischen Seminar in Hannover untersucht und veröffentlicht worden. In
Wolfenbüttel hat Dr. Helmut Kramer umfangreiches dokumentarisches
Material - unter anderem über Nazi - Juristen beim Landgerichts
Lüneburg - zusammengestellt. Außerdem verfügt er
über viel literarisches Material zur Problematik der Verfolgung
politischer Gegner in der Zeit des Kalten Krieges. Bei einem
Seminar von Verfolgten des Kalten Krieges in Wolfenbüttel mit
Historikern, Archivaren und Vertretern der Gedenkstätte
Wolfenbüttel haben ehemalige inhaftierte politische Gefangene ihre
durchweg politisch motivierten Verurteilungen dargelegt. Dieses Treffen
wurde von der damals noch existierenden Landeszentrale für
politische Bildung organisiert. Weiterhin hat sich der
Niedersächsische Landtag im Ausschuss für Rechts- und
Verfassungsfragen in der 14. Legislaturperiode mit der politischen
Strafjustiz in den 50er und 60er Jahren befasst. Dieser Bericht wurde
in einer Landtagssitzung einstimmig gebilligt. Der Minister der
Justiz, Prof. Dr. Pfeiffer, hat - im Beisein des
Landtagspräsidenten Prof. Wernstedt mit Ministern und
Abgeordneten des Landtages - eine Gruppe, der im Kalten Krieg
Verurteilten, im Gästehaus der Niedersächsischen
Landesregierung am 13. Februar 2003 empfangen. Justizminister
Prof. Dr. Pfeiffer zeigte auf, dass eine Kontinuität des 1951 in
Kraft getretene Strafrechtsänderungsgesetzes mit dem politischen
Strafrecht aus der Nazizeit bestand. Er benannte die hohe Anzahl
(80%) von Richtern in Niedersachsen, die Mitglied der NSDAP waren. Zudem
kritisierte er die hohe Freiheitsstrafe für August Baumgarte
für die „Verfolgung politischer Ziele durch die Kraft der
Überzeugung“ (wie es im Urteil formuliert war). August
Baumgarte hat diese Haft in der Strafanstalt Wolfenbüttel
abgesessen. In der Nazizeit war er in mehreren Zuchthäusern und
Konzentrationslagern inhaftiert. - Wir halten es aus
obengenannten Gründen für unbedingt erforderlich, dass in
einer Gefängnisgedenkstätte wie Wolfenbüttel dieses
Kapitel bundesdeutscher Justiz aufgearbeitet wird.
- Darunter verstehen wir auch die finanzielle und personelle Ausstattung für die pädagogische und didaktische Arbeit.
- Eine Würdigung der Opfer des Kalten Krieges könnte sich in einer entsprechenden Gedenk- und Mahntafel widerspiegeln.
- Eine
entsprechende Umbenennung bzw. Erweiterung der Benennung der
Gedenkstätte sollte erfolgen. Hier könnte Wolfenbüttel
beispielgebend für die ganze Bundesrepublik sein.
Wir
dürfen uns nicht von diesem Teil der Geschichte verabschieden,
auch wenn es für manche Besucherinnen und Besucher der
Gedenkstätte schmerzlich sein könnte. Mit freundlichem Gruß gez.
Mechthild Hartung und Reinhold Weismann-Kieser (Sprecher/innen der
VVN-BdA Nds.) für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Landesvereinigung
Niedersachsen e.V. (VVN- BdA Nds. e.V.), Rolandstr.16, 30165 Hannover gez.
Peter Dürrbeck für die Initiative zur Rehabilitierung der
Opfer des Kalten Krieges, Bebelstr. 55, 37081 Göttingen Unterstützerinnen und Unterstützer des Anliegens: - für den Bundesausschuss der VVN-BdA: Ulrich Sander
- für
die Arbeitsgruppe „Kinder des Widerstandes“: Klare
Tuchscherer, geb. Schabrod, Alice Czyborra, geb. Gingold, Traute
Sander, geb. Burmester, Inge Trambowski, geb. Kutz und andere.
- ehemalige
Inhaftierte im Jugendgefängnis bzw. im Strafgefängnis
Wolfenbüttel: Willi Gerns, Bremen; Erwin Satzer, Peine; Willi
Orczykowsky, Hannover; Erich Schreier, Nürnberg; Karl- Heinz
Schlagintweit, Wolfsburg
- sowie zahlreiche Einzelpersonen
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