26.05.2013 Die unglaublich kurze Wegstrecke vom Hitlerjungen
Salomon bis Solingen Konzert
zum 20. Jahrestag des Brandanschlages in Solingen Menschen auch an lebendigem Leibe zu
verbrennen, gehört zum Terrorregister alter und neuer
Rassisten. Sally Perel, der den Holocaust als "Hitlerjunge Salomon"
überlebte, berichtete bei der Gedenkveranstaltung der VVN-BdA
in Solingen von dem Mord an dem 17 Jahre alten Hans Marburger
aus Peine, der 1938 bei der Pogromnacht erschossen und dann in
der Synagoge verbrannt wurde. In diese Mordserie reihte sich
am 29. Mai 1993 der Brandanschlag auf das Haus der Familie
Genc ein, bei dem drei Kinder und zwei Erwachsene ihr Leben
verloren. Mehr als 180 Menschen wurden seitdem aus
rassistischen Motiven in Deutschland ermordet. In den letzten zehn
Jahren waren es die zehn Opfer der Nazibande NSU, die unter den Augen
des Inlandsgeheimdienstes "Verfassungsschutz" ermordet wurden. Die
Schlussfolgerung, die Günter Bischoff bei der
Begrüßung für die VVN und
Bürgermeisterin Friederike Sinowenka in ihrem
Grußwort für die Stadt Solingen formulierten, war
ein übereinstimmendes Bekenntnis "für eine Welt ohne
Nazis und Rassisten". Sally Perel bezeichnete "Solingen" als Symptom,
das Alarm auslöse und Respekt und Toleranz einfordere. Den
fehlenden Menschenrechten zwischen 1933 und 1945 stellte er die
Forderung nach universeller Freiheit und Gleichheit der Menschen
entgegen. Um dieses Ziel zu erreichen, sei entschlossener Widerstand
nötig. Sein Appell: "Vereinigt Euch im Kampf gegen den
Faschismus!" So könne Solingen eine Festung des Friedens und
der Demokratie werden. Wie dieser Kampf aussehen
müsse, skizzierte Günter Bischoff, indem er den
fremdenfeindlichen Mainstream bei CDU-Politikern und Neonazis
charakterisierte. Ihre Parolen lauteten "Das Boot ist voll" und
"Sozialschmarotzer und Scheinasylanten ausweisen". Flankierend wurde
das Asylrecht beschnitten; die Polizei sah weg, griff nicht ein wie bei
dem Brandanschlag in Rostock-Lichtenhagen. Die V-Leute des
Inlandsgeheimdienstes "Verfassungsschutz" lieferten Geld und sicherten
die Logistik ab, so dass der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen
Bundestages zu einem eindeutigen Urteil kam: Totales Versagen. Dennoch
wird auf den "Dienst" nicht verzichtet. Bundesinnenminister Hans-Peter
Friedrich (CSU) und die Länderinnenminister von CDU und SPD
wollen ihn "reformieren", streiten sich aber jetzt schon
darüber, wie die Kompetenz der inkompetenten
Inlandsnachrichtendienste gehandhabt werden soll. Bischoff
unterstrich abschließend die Forderungen der VVN-BdA:
Auflösung des Verfassungsschutzes, Verbot der NPD,
Aufklärung aller Verbindungen zwischen Geheimdiensten und
Neonazis, Stopp der Hetze gegen Asylanten und Menschen mit
Migrationshintergrund sowie keine finanziellen Kürzungen bei
Antirassismus-Projekten. Dietmar Gaida vom "Solinger Appell" warb
dafür, sich bei den nächsten Aktionen gegen
Fremdenfeindlichkeit zu engagieren. Die Chemnitzer
Gruppe "Quijote" griff den politischen Faden auf und setzte ihn
meisterhaft musikalisch um. Ihr Ausgangspunkt: der Schwur der
Häftlinge von Buchenwald. Der musikalische Schwerpunkt: Mikis
Theodorakis. Ergreifend: die Beiträge aus dem
Mauthausen-Zyklus. Der Höhepunkt: Auszüge aus dem
"Canto General". In jeder Weise musikalisch überzeugend:
Sabine Kühnrich (Gesang, Querflöte), Ludwig Streng
(Gesang, Piano) und Wolfram Henning-Ruitz (Gesang, Gitarre, Saxophon).
Der Beifall ein Problem: Nach einzelnen Stücken
zurückhaltend, denn auf Traurigkeit mag man nicht recht mit
Klatschen reagieren. Für die musikalische Leistung: heftig und
anhaltend. Der 20. Jahrestag des Mordanschlages in
Solingen - ein analytisch, künstlerischer Blick
zurück. Eine Bestandsaufnahme für die Gegenwart. Eine
Herausforderung für die Zukunft. Uwe Koopmann Sally Perel ("Hitlerjunge Salomon") ruft zu Solidarität auf gegen Faschismus und Fremdenfeindlichkeit. | Die Gruppe Quijote aus Chemnitz mit einem nachdenklichen musikalischem Rückblick von Brecht bis Theodorakis. | Das Kulturzentrum COBRA war trotz anderer gleichzeitiger Veranstaltungen erfreulich gut besucht. | Günter (links) und Nico Bischoff (rechts) danken dem Ensemble für ihren begeisternden Auftritt. |
|