22.05.2013 Klare Kante Das
Verbotsverfahren gegen die NPD wird kommen. Antifaschistinnen sind
daher gut beraten, zu dem Thema klare Positionen zu beziehen. Warum es
trotz aller berechtigten Bedenken richtig ist, ein Verbot der
Nazipartei zu fordern, erklärt Felix Krebs, Autor des
antifaschistischen Magazins "der rechte rand". Die
fast 50-jährige NPD hat ein Verbot mehr als verdient.
Gegründet wurde sie von ehemaligen NS-Angehörigen als
legale
Nachfolgepartei der NSDAP beziehungsweise der 1952 verbotenen
»Sozialistischen Reichspartei« (SRP). Ihre Politik
ist
antisemitisch, rassistisch, revanchistisch und revisionistisch - ihre
Anhängerinnen und ihr Umfeld scheuen oftmals keine
Gewaltanwendung. Ein Verbot, die Zerschlagung und die Einziehung des
Parteivermögens würden die neofaschistische Szene
für
mehrere Jahre deutlich schwächen. Die NPD ist momentan die
einzige
Partei der extremen Rechten, die bundesweit einen
einigermaßen
funktionierenden Parteiapparat hat. Sie sitzt in zwei
Landesparlamenten, hat mehrere Hundert Kommunalpolitikerinnen, Hunderte
über Jahre geschulte Aktivistinnen und mehrere Tausend
Mitglieder,
besitzt einen Propaganda-Apparat mit eigenem Verlag und stellt
regelmäßig den legalen Rahmen für
Aufmärsche,
Kundgebungen und Konzerte. Solche Strukturen lassen sich nicht ad hoc
in eine Nachfolgeorganisation überführen oder aus dem
Untergrund heraus aufrechterhalten. Allerdings gibt es einige Aspekte
eines Verbots, die kritisch zu beachten sind. Wie
sollte ein Verbot gefordert werden? Jahrzehntelang
forderten große Teile der antifaschistischen Bewegung ein
Verbot
aller faschistischen Organisationen nach Artikel 139 des Grundgesetzes,
der die Gültigkeit der alliierten Kontrollratsgesetze von 1945
regelt. In diesen Gesetzen wurde explizit festgehalten, dass
»Propaganda oder Agitation, die darauf hinausgeht,
militärischen und nationalsozialistischen Geist oder derartige
Einrichtungen zu erhalten, wieder ins Leben zu rufen oder zu
fördern« verboten ist. In der herrschenden
Rechtsauslegung
wird meist behauptet, dass mit der Wiedervereinigung und den
»2 +
4-Verträgen« der Artikel 139 obsolet geworden sei.
An dieser
Abwertung hatten der reaktionäre Staatsrechtler Theodor Maunz,
ehemaliges NSDAP-Mitglied und bis zu seinem Tode
regelmäßiger Autor der
»Nationalzeitung« und
sein Schüler Roman Herzog maßgeblichen Anteil. Im
Gegensatz zu anderen Artikeln des Grundgesetzes, die mit
verfassungsändernder Mehrheit gestrichen wurden, blieb jedoch
der
so genannte »Befreiungsartikel« auch nach der
Erlangung der
vollständigen Souveränität Deutschlands 1991
erhalten,
seine Gültigkeit wurde noch 1999 von der Bundesregierung
bestätigt. Antifaschistinnen sollten sich für ein
Verbot
faschistischer Organisationen nach Artikel 139 stark machen, denn er
ist eindeutig antifaschistisch und bietet im Gegensatz zum
Parteienverbot nach Artikel 21, in dem die
»Verfassungswidrigkeit« von Parteien definiert ist,
kein
Einfallstor für extremismustheoretische Gleichsetzungen von
Rechts
und Links. Lenkt
ein Verbot vom Rassismus der Mitte ab? Dies
ist sicherlich der gewichtigste Einwand gegen eine isolierte Forderung
nach einem Verbot der NPD. Die antifaschistische Bewegung kann aber
umgekehrt die Diskussion auch nutzen, um aufzuzeigen, dass sich
Fragmente der Ideologie neofaschistischer Organisationen auch in
konservativen Parteien, Medien und Einstellungen von Teilen der
Bevölkerung wiederfinden. Die Verbotsdebatte könnte
so
genutzt werden, um antirassistische Argumente stark zu machen.
Ähnlich wie die medialen Diskurse um den
»Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) nicht
nur die
rein neonazistischen und terroristischen Aspekte behandeln, sondern zu
einer Debatte um Geheimdienste, Polizei und institutionellen Rassismus
geführt haben. Scheitert
Verbot in Straßburg oder an V-Leuten? Es
kann sein, dass der »Europäische Gerichtshof
für
Menschenrechte« (EGMR) in Straßburg ein NPD-Verbot
durch
das Bundesverfassungsgericht kassiert. Allerdings wird wahrscheinlich
auch der EGMR die besondere geschichtliche Verantwortung Deutschlands
im Umgang mit Naziparteien berücksichtigen müssen und
eventuell anders urteilen als in bisherigen Fällen von
Parteiverboten. Darüber hinaus bliebe es trotzdem ein starkes
politisches Signal, wenn das Bundesverfassungsgericht ein NPD-Verbot
verhängt. Das abermalige Scheitern eines NPD-Verbotes an einer
geheimdienstlichen Durchdringung der Partei mit V-Leuten ist ebenfalls
nicht ausgeschlossen. Diese Befürchtung sollte allerdings
nicht
davon abhalten, ein Verbot zu fordern, sondern vielmehr als Vorlage zur
grundsätzlichen Kritik an den Inlandsgeheimdiensten dienen.
Wahrscheinlich ist die Befürchtung eines weiteren
V-Leute-Skandals
schon jetzt die Ursache für die ablehnende Haltung vieler
Politikerinnen der Union zum NPD-Verbot. Was kommt danach? Die
oft angeführte Behauptung, ein Verbot dränge Teile
der
neofaschistischen Szene in den militanten Untergrund und wäre
dann
schwieriger zu kontrollieren und zu bekämpfen, entbehrt jeder
empirischen Grundlage. Alle vorherigen Organisationsverbote haben
gezeigt, dass dieses Abtauchen nicht stattgefunden hat. Der NSU zeigt
vielmehr, dass Neonazis oftmals dann in den terroristischen Untergrund
gehen, wenn sich ihre Bewegung stark und gesellschaftlich verankert
fühlt. Auch mögliche legale Nachfolgeorganisationen
einer
verbotenen NPD könnten es schwer haben. Denn immer, wenn sie
als
Auffangbecken für ehemalige NPD-Aktivistlnnen dienen, werden
sie
sich automatisch dem Vorwurf der Fortführung einer verbotenen
Organisation aussetzen. Gerade Medien wie »der rechte
rand«
wird eine zentrale Aufgabe in der Recherche und Aufdeckung zukommen. Felix
KrebsDer Artikel ist zuerst erschienen in "der rechte rand"
142/2013. Mit freundlicher Genehmigung von "der
rechte rand". |