15.05.2013 20 mal Buchpräsentation zu Verbrechen
der Wirtschaft an Rhein und Ruhr Auf
20 Veranstaltungen wurde bisher das Buch "Von Arisierung bis
Zwangsarbeit - Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933-1945"
präsentiert, das vor einem Jahr erschien. Gisela Blomberg (1x)
und
Ulrich Sander (19x) referierten dazu
in: Berlin, Bochum, Dortmund, Düsseldorf
2x, Duisburg
2x, Essen, Gevelsberg, Hamm, Köln, Minden, Mülheim,
Münster, Oberhausen, Radevormwald, Recklinghausen, Sprockhövel
2x und Wuppertal. Als
Beispiel für die dabei gehaltenen Vorträge
möge das
anhängende Referat von Ulrich Sander dienen, das im Januar in
der
Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin gehalten wurde. Berliner
Gesellschaft für Faschismusforschung - 15. Januar 2013 in der
Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin – Im
Rahmen der
Veranstaltungsserie aus Anlass des 80. Jahrestages der Errichtung einer
faschistischen Diktatur in Deutschland: Referat von Ulrich Sander,
Dortmund „Die
Rolle der deutschen Großwirtschaft bei der
‚Machtergreifung’ und bundesdeutsche Tabus im
Umgang mit
den Unternehmern als Täter“ 1. Zum 80. Jahrestag des 30.
Januar Am
Abend des 30. Januar 1933 meldete das sozialdemokratische Zentralorgan
„Vorwärts“: „Amtlich wird
mitgeteilt: Der
Reichspräsident hat Herrn Adolf Hitler zum Reichskanzler
ernannt
und auf dessen Vorschlag die Reichsregierung neu
gebildet.“ Vizekanzler
wurde Reichskanzler a.D. Franz von Papen, ein ultrarechter Politiker
der katholischen Zentrumspartei und Großgrundbesitzer.
Außer Dr. Wilhelm Frick und Hermann Göring von der
NSDAP
gehörten der Regierung noch sieben Konservative an. Deren
Parteien
stimmten samt und sonders am 23. März 1933 zusammen mit dem
Zentrum und Liberalen sowie der NSDAP für das
„Ermächtigungsgesetz“ des Adolf Hitler;
die SPD
stimmte dagegen, und die KPD-Abgeordneten hätten es auch
getan,
wenn sie nicht an der Ausübung ihres Reichstagsmandats
gehindert
worden wären. Denn seit sieben Wochen tobten sich da bereits
die
faschistischen Staatsterroristen der SA, der Nazi-Sturmabteilungen im
Regierungsauftrag aus. Konservative und die
Mächtigen der
Wirtschaft haben seit Herbst 1931 auf eine rechtsextreme Regierung
hingearbeitet, zunächst unter Einbindung, dann ab Herbst 1932
unter Führung der NSDAP und Hitlers. Doch lange vor dem
Treffen
der gemeinsamen rechten Harzburger Front im Herbst 1931, - schon seit
1895 besaßen - die Ultrarechten mit dem Programm des
Alldeutschen
Verbandes ein gemeinsames völkisches Programm des Krieges und
der
deutschen Vorherrschaft in Europa. Mitbegründet dieses
Verbandes
und einer der Schöpfer seines Programms war Alfred Hugenberg,
Führer der Deutsch-Nationalen Volkspartei, Krupp-Direktor und
Medienzar der zwanziger Jahre. Hugenberg gehörte dann auch dem
ersten Kabinett Hitlers als Wirtschaftsminister an. Bereits
im
August 1932 hatte der konservative Reichskanzler Franz von Papen Hitler
das Amt des Vizekanzlers angeboten. Hitler lehnte ab, er wollte selbst
Kanzler werden. Das hielt jedoch Papen nicht davon ab, sich weiterhin
für die Stärkung des umworbenen
Bündnispartners NSDAP
einzusetzen. So erklärte er zwei Tage vor den Reichstagswahlen
vom
6. November 1932 in einer Rundfunkansprache an das deutsche Volk: »Wie
hatten wir seinerzeit den Kampfruf Hitlers gegen den Marxismus und
für die nationale Erneuerung begrüßt. Wie
hatten wir
gehofft, dass er die der bolschewistischen Lehre verfallene
Arbeiterschaft der nationalen Sammlung zuführen sollte. Indes
sein
Einbruch in die Reihen der Roten Front ist nur gering geblieben und das
ist sicherlich nicht die Schuld dieser (Papens) Regierung, die ihm und
seinen Propagandamethoden zum letzten Wahlkampf und auch heute so freie
Hand wie nur möglich gelassen hat.« Aber
auch bei
dieser Wahl kam nicht der erhoffte Erfolg, im Gegenteil. Die NSDAP
verlor zwei Millionen Stimmen. Dagegen hatte jeder sechste
Wähler
die Kommunistische Partei gewählt. Nun war
für die
führenden Finanzkreise, Militärs, Agrarier und
Konservativen
hohe Eile geboten, denn sie waren ob der Verluste der Nazis und der
Gewinne der Kommunisten höchst alarmiert. Es kam zur
Industrieelleneingabe – unterstützt von
maßgeblichen
Angehörigen der ökonomischen Eliten - an den
Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, einem
reaktionären
Monarchisten und Weltkriegsgeneral, in der die Übergabe der
Regierungsmacht an die faschistische Partei gefordert wurde.
Verabschiedet wurde die endgültige Fassung der Petition in den
Räumen des Direktionsgebäudes der Commerzbank in
Berlin-Mitte
am 8. November 1932. Im Dezember 1932 ist dann in
einem
vertraulichen Bericht aus dem »Verein zur Wahrung der
gemeinsamen
wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen«
(Langnamverein) konstatiert worden, »dass fast die gesamte
Industrie die Berufung Hitlers, gleichgültig unter welchen
Umständen, wünscht«. So
nahm das
Verhängnis seinen Lauf. Eine Gedenktafel der Stadt
Köln
befindet sich seit 1996 vor dem Hause Stadtwaldgürtel 35, wo
sich
Hitler, Himmler, Hess, von Papen und der Bankier von Schröder
am
4. Januar 1933 getroffen haben. Sie trägt die Inschrift:
»
… In einem Gespräch wurden (hier) die Weichen
für
Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 gestellt und die
Voraussetzungen für die menschenverachtende Diktatur der
Nationalsozialisten geschaffen. Kurt von Schröder
unterstützte bereits vor 1933 die Ziele des
Nationalsozialismus
und organisierte nach 1933 finanzielle Leistungen der deutschen
Wirtschaft an die SS.«“ Auch die
Medien schalteten
um, zum Beispiel die einflussreiche
„Börsenzeitung“.
Schließlich schrieb selbst die »liberale«
und auch im
Ausland gelesene »Kölnische Zeitung«,
Vorläufer
des »Kölner Stadt-Anzeigers«, bereits in
ihrer
Neujahrsausgabe vom 1. Januar 1933: »Auf Hitler kommt es an.
Die
deutsche Nation braucht den Willen und Schwung einer jungen
Bewegung.« Es begannen zwölf Jahre
der grausamsten
Diktatur und Gewaltherrschaft in der Menschheitsgeschichte. Der
Weltkrieg mit 55 Millionen Toten, die Ermordung von sechs Millionen
Juden und einer halben Million Sinti und Romas sowie
unzähliger
Slawen – allein 3,5 Millionen sowjetischer Kriegsgefangener
– folgten. Der
„Vorwärts“ bezeichnete in
seinem Bericht über das
„Hitler-Papen-Kainett“ vom 30.
Januar 1933 dieses als ein „Kabinett des
Großkapitals“ und der „Kapitalistischen
Reaktion“. Die enge Verwandtschaft von Kapitalismus und
Faschismus wurde seit 1933 und besonders nach 1945 eine
allgemeingültige Erkenntnis. Heute gilt jemand als
„Verfassungsfeind“ und wird vom deutschen
Geheimdienst
„Amt für Verfassungsschutz“ diffamiert,
wer vom
Faschismus als einer möglichen Form des Kapitalismus bzw. der
bürgerlichen Gesellschaft spricht. Erinnert wird heute auch
nicht
mehr daran, dass alle Parteien außer der SPD und KPD Adolf
Hitler
unterstützt haben, der mit seiner NSDAP zwar erschreckend
viele
Stimmen bekam, aber nie eine eigene Mehrheit errang. Nach 1945 errangen
Politiker wie Adenauer (Zentrum, nun CDU), Heuß (Liberale,
nun
FDP) und Schäffer (Bayernpartei, nun CSU), die neben anderen
die
Wahl Hitlers 1932/33 unterstützt hatten –
Heuß und
Schäffer sogar als Reichtagsabgeordnete, höchste
Regierungsposten. Und das deutsche Großkapital ging insgesamt
reicher und mächtiger aus dem Krieg und der Nachkriegszeit
hervor
als es hineinging. 2.
Zu unserer Kampagne Am
Montag 7. Januar 2013 haben wir erneut und wie schon öfter an
der
Ecke Hainallee/ Eintrachtstraße in Dortmund Innenstadt-Ost
eine
Mahnwache an der ehem. Villa Springorum abgehalten. Es ging um die
Fortsetzung unserer Spurensuche „Verbrechen der
Wirtschaft“. Die
Villa Springorum in Dortmund an der Hainallee – ehemals
Rathenauallee, dann Hitlerallee - hier tagte am 7. Januar 1933 die
industrielle Ruhrlade, um weitere Schritte hin zur
Machtübertragung an Hitler zu beraten. Drei Tage vorher hatten
Naziführer und Wirtschaftsbosse in Köln (Villa
Schröder
am Stadtwaldgürtel) eine grundsätzliche Einigung
erzielt. Nun
mußte noch u.a. das Geld für die NSDAP in
Pleitenähe
beschafft werden. Deshalb kam es zu den Nachfolgetreffen am 5. und
7.1.33 in Mülheim (Hitler, Kirdorf u.a.) und Dortmund (Papen,
Vögler, Reusch, Springorum u.a.) Es ist
von uns
beabsichtigt, im Rahmen unserer Aktion Spurensuche
„Verbrechen
der Wirtschaft“, eine Gedenktafel anzubringen. Dies ist der
vorgeschlagene Text: „Hier an der Ecke
Eintrachtstraße/Hainallee stand die Villa Springorum. Es
trafen
sich darin am 7. Januar 1933 Franz v. Papen und führende
Ruhrindustrielle der ‚Ruhrlade’, um über
die
Machtübertragung an Hitler weiter zu beraten. Sie erfolgte am
30.
Januar 1933, und viele Ruhrindustrielle unterstützten sie. Sie
profitierten von Krieg, Zwangsarbeit und Antisemitismus.“ Wir
wiederholten nun eine Forderung und einen Antrag, der vor fünf
Jahren bereits gestellt wurde, als unsere Aktion startete. Stadtrat
Jörg Stüdemann antwortete uns vor einigen Wochen: „Seit
der Sitzung des zuständigen Ausschusses für
Bürgerdienste, öffentliche Ordnung, Anregungen und
Beschwerden am 3. Februar 2009 hat sich inhaltlich an der Stellung der
Stadt Dortmund zu dieser Frage nichts geändert. Zentral
bleiben
für uns – wie für nahezu die gesamte
Fachwissenschaft
– hier weiterhin die von Henry Ashby Turner 1985 in seinem
zentralen Werk „German Big Business and the Rise of
Hitler“
dargestellten und in gründlicher Quellenarbeit erarbeiteten
Ergebnisse. Eine intensive Diskussion auf
fachwissenschaftlicher Ebene wird es zur Frage Wirtschaft und
Nationalsozialismus vor 1933 auf regionaler Ebene sicher im Rahmen der
Neugestaltung der Dauerausstellung der Mahn- und Gedenkstätte
Steinwache geben.“ Will die Stadt Dortmund
nun nach dem
Turner-Freispruch für das Kapital die Dortmunder
Gedenkstätte
Steinwache umgestalten? Dort heißt es immerhin bis jetzt
noch:
„Die Schwerindustrie setzt auf Hitler.“ Turner
hingegen
schreibt: „Entspricht die weit verbreitete Ansicht, dass der
Faschismus ein Produkt des modernen Kapitalismus ist, den Tatsachen,
dann ist dieses System kaum zu verteidigen.“ Dies System soll
aber unbedingt verteidigt werden. Wollen die Stadtoberen
Dortmunds wider bessere Erkenntnis die Kapitalismuskritik
unterbinden? Wie dies schon in den Gedenkstätten von
Oberhausen
und Essen geschah? Nicht zu vergessen: Buchenwald. Zwölf
Jahre später – nach dem Krieg mit vielen Millionen
Toten und
einem verwüsteten Europa – hat das große
Kapital eine
bessere Bilanz ziehen können als viele Siegermächte.
Deutschland hatte den Krieg verloren, aber am Krieg gewonnen. Die
heutige ökonomische Stärke Deutschlands und
Vormachtstellung
in der EU ist auch ein Resultat des Krieges, der alle
europäischen
Nachbarn nachhaltig schwächte – und das ist bis in
die
heutige Krise sichtbar. Otto Köhler schrieb:
"Tatsächlich gehörte Westdeutschland, das mit seiner
schnellen Währungsreform die kleinen Sparer enteignete und den
Besitz von Sachwerten und Produktionsmitteln unangetastet
ließ,
wirtschaftlich zu den Gewinnern des Zweiten Weltkrieges. Die Sachwerte
und Produktionsmittel waren zuvor aus ganz Europa
zusammengeplündert worden - (und zudem waren 15 Millionen
Sklavenarbeiter hierhergeholt worden, die unentgeltlich schuften
mussten.) Der deutsche Wohlstand nach 1945 und Ludwig Erhards
vermeintliches Wirtschaftswunder beruhen auf dem durch den deutschen
Angriffskrieg verlorenen Wohlstand der Völker Europas." (Otto
Köhler in Ossietzky 1/13.) Andere
Wissenschaftler haben
schon lange festgestellt: Wir stehen als Nutznießer
alle in
der Schuld der Opfer der deutschen NS-Wirtschaft, der
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Der Ökonom und
Historiker
Prof. Dietrich Eichholz schrieb: »Die westdeutsche Industrie
ist
gestärkt aus dem Krieg hervorgegangen; sie hat nicht den
Krieg,
wohl aber am Krieg gewonnen. Ihr Anlagevermögen war bei
Kriegsende
erheblich höher als bei Kriegsbeginn, selbst unter Anrechnung
der
Zerstörungen und Demontagen. Heute zählen die
deutschen
Großkonzerne zu den mächtigsten der Welt. Ihre
Gewinne haben
eine außerordentliche Höhe erreicht. Ihre heutige
Machtstellung ist zum Teil aus den Kriegsprofiten erwachsen: Dazu hat
auch die Zwangsarbeit beigetragen. [»Neues
Deutschland«, 22.10.1998] Auch der
Freiburger Prof. Ulrich
Herbert, Verfasser mehrerer Veröffentlichungen zum Thema
Sklavenarbeit in der NS-Zeit, hat auf die Frage: Wie begründet
ist
der Verdacht, unser Reichtum beruhe auch auf der Ausplünderung
von
Zwangsarbeitern? dies geantwortet: »Im Sommer 1944 war jede
dritte bis vierte Arbeitskraft in der Industrie ein Zwangsarbeiter.
Schon Ende 1941 gab es auf dem freien Arbeitsmarkt keine Deutschen
mehr, nur noch Ausländer. Diese
Größenordnungen sind
der Öffentlichkeit nicht klar. Es gibt Analysen, die zeigen,
dass
ein erheblicher Teil unseres Wirtschaftswunders auf der Entwicklung in
diesen Kriegsjahren beruht, auf der Ausbeutung Europas und der
Zwangsarbeiter (…).« Diese wurden nicht
entschädigt.
Mit unserer Kampagne wollten und wollen wir Wissenslücken
füllen. Die Verweigerung der
Entschädigung für
die Zwangsarbeiter wurde für Westdeutschland Anfang der 50er
Jahre
im Rahmen eines weitgehenden Schuldenerlasses auf der Londoner
Schuldenkonferenz beschlossen – westdeutscher erfolgreicher
Verhandlungsführer war der Chef der Deutschen Bank, der
einschlägig bekannte Hermann Josef Abs. Ein solcher
Schuldenerlass
wurde den Griechen bis heute verweigert. Erlassen wurden den Deutschen
auch die Schulden gegenüber Griechenland, das von 1941 bis
1945
ausgeplündert wurde. Würden nur diese deutschen
Schulden aus
dem Hitlerkrieg den Griechen bezahlt, wäre deren Krise
überstanden. Die Hauptthese der
Geschichtsschreibung a la
Turner ist die, dass „die Wirtschaft“ erst nach dem
30.
Januar 1933 sich notgedrungen mit dem NS und Hitler arrangierte und
dass vorher keine wirklich bedeutenden Beziehungen, die dann zur
„Machtergreifung“ führten, zwischen ihnen
bestanden.
Das wird durch Luntowski und Tooze widerlegt. Tooze lässt
zudem
deutlich werden, dass auch die neuaufgenommenen Beziehungen von
Industrie und Kapital zum deutschen Faschismus aus der Zeit Januar 33
bis Juni 34 geeignet waren, das Regime entscheidend zu
stärken, ja
seine Existenz zu sichern. Industrie und Kapital hätten es
auch
nach dem 30. Januar 33 noch in der Hand gehabt, den Faschismus
auszuschalten, wenn sie nur gewollt hätten. Sie wollten nicht,
denn ihr politisches und ökonomisches Programm glich viel zu
sehr
dem der Nazis. Ich verweise auf Seite 129 bei Tooze
über
das wenig bekannte »Spenden-Rendezvous« Hitlers mit
der
Schwerindustrie drei Wochen nach der Machtübergabe in
Görings
Reichtagspräsidentenpalais: »Einmal ganz abgesehen
von den
Folgen, zählt dieses Treffen vom 20. Februar [1933] zu den
berüchtigtsten Beispielen für die Bereitschaft des
deutschen
Großunternehmertums, Hitler bei der Aufstellung seines
diktatorischen Regimes beizustehen.« ... »Krupp und
Konsorten (wurden) von Hitler nie gezwungen, sich seinem
gewalttätigen Antisemitismus oder sich seinen
Eroberungsplänen anzuschließen.« Entscheidend
war das, was Hitler den Industriellen versprochen und
schließlich
auch durchgesetzt hatte: »Das Ende der parlamentarischen
Demokratie und die Vernichtung der deutschen Linken« (S.
129).
Die »gesunden Profite« lockten. Tooze eindeutig:
»Und
für genau dieses Versprechen leistete ein hoher Prozentsatz
der
deutschen Großindustrie gerne eine gehörige
Anzahlung«
(ebd.). Allein bei diesem Treffen waren es drei Millionen Reichsmark
für den Fonds zur Wahl im März, die – das
war korrekt
versprochen – nun wirklich die letzte sein sollte. Der
britische
Historiker: »Krupp und Konsorten waren willige Partner bei
der
Vernichtung des politischen Pluralismus in Deutschland«
(ebd.). Tooze:
»Faktisch aber waren es die Spenden vom Februar und
März
1933 gewesen, die einen wirklich entscheidenden Beitrag leisteten. Denn
sie waren für die Partei just in dem Moment eine
kräftige
Finanzspritze, als die ungemein knapp bei Kasse war und, wie
Göring so richtig vorausgesagt hatte, vor der letzten Wahl
ihrer
Geschichte stand.« Am Ende seines Buches
stellte Tooze die
Frage, warum die Lobby der deutschen
»Privatwirtschaft«
dann den »drastischen Eingriff der Staatsmacht nach
1933«
überhaupt tolerierte, immerhin habe doch das
Großunternehmertum zuvor das
»Reformstreben« der
Weimarer Republik noch massiv behindert (S. 757). Tooze: Zwar
widersprach die »autokratische nationalsozialistische
Wende« deutlich der »internationalen
Agenda« –
den Exportinteressen –, die die deutsche Privatwirtschaft
pflegte, doch der »autoritäre Stil«, den
Hitlers
Koalition in der Innenpolitik pflegte, »gefiel ihr
dafür
ausnehmend gut, nicht weniger gut als die gesunden Profite, die seit
Mitte der dreißiger Jahre auf sie zurollten« (ebd.). Wer
an das Dogma glaubt, dass die Unterstützung der
Großindustrie für Hitler ein
»Mythos« sei, dem
macht Tooze deutlich, dass sie sich 1933 »dem politischen
Wandel
nicht entgegen [stellte], wie während der ersten Revolution in
Deutschland 1918/19, sondern sich Hitlers ›Nationaler
Revolution‹ in vielen entscheidenden Punkten als
willfähriger Partner« anbot (S. 166). Selbst an
privatwirtschaftlichen Schauplätzen, wo man eigentlich
»etwas Widerstand« erwartet hätte,
stießen die
Vertreter der Nazipolitik, schreibt der Autor in seiner
»Ökonomie der Zerstörung«, auf
»bereitwillige Kollaborateure«. Ob
Autarkieprogramm, die
Aufrüstung oder sogar die große Zahl neuer
Überwachungsbehörden – »alles
fand den Beifall
und die tatkräftige Unterstützung von erfahrenen
Firmenchefs,
deren Fachwissen dem Regime mit freundlicher Genehmigung der gesamten
deutschen Industrie zur Verfügung gestellt wurde«
(ebd.). Zurück zum Datum 7.1. Und
zur Dortmunder Rathenauallee heute Hainallee und zur Vorgeschichte: Um
sich im engsten Kreise vertraulich über wichtige Fragen
abzustimmen, schlossen sich im Januar 1928 zwölf Industrielle
zusammen, die sich selbst als die „maßgebenden
Herren der
westlichen Industrie“ bezeichneten. Ihre Vereinigung nannten
sie
die „Ruhrlade“. Mit ihr und ihrem
„engeren
Kreis“, dem Krupp, Klöckner, Reusch, Springorum,
Thyssen,
Vögler und Poensgen angehörten, hat sich der
langjährige
Dortmunder Stadtarchivar Gustav Luntowski in seinem Buch
„Hitler
und die Herren an der Ruhr – Wirtschaftsmacht und Staatsmacht
im
Dritten Reich“ befasst. Er konnte aus bisher ungenutzten
Quellen,
darunter den Privatarchiven der Herren der Ruhrlade, schöpfen
und
kam nicht umhin festzustellen, dass „eine Mitverantwortung
der
Industriellen für das nationalsozialistische
Unrechtssystem“
nicht zu verneinen sei. Stärkere Urteile wären
aufgrund des
zusammengetragenen Materials möglich gewesen, erschienen dem
Historiker aber wohl nicht opportun. Zitiert sei
aus dem Buch
Hallgarten/Radkau "Deutsche Industrie und Politik", Reinbek/Hamburg
1981: "Am 7. Januar - drei Tage nach dem Treffen mit Hitler bei von
Schröder in Köln - machte Papen auf der Fahrt nach
Berlin, wo
er Hindenburg zu bearbeiten plante, in Dortmund halt und besprach seine
Pläne mit von ihm rasch zusammengerufenen Mitgliedern der
'Ruhrlade' - jenes geheimen Kreises ganz weniger industrieller
Potentaten, der seit 1928 faktisch die Geschicke der deutschen
Schwerindustrie leitete." ... "Die Ruhrlade wußte,
daß
Papen, den sie als ihren politischen Sachwalter ansah, auf eine
Diktatur mit Hitlers Beteiligung hinsteuerte, wie auch immer das
Kabinett im einzelnen aussehen mochte." Berichtet wird, "daß
die
Sitzung in Dortmund unter anderem von Vögler und von
Springorum
(Hoesch) besucht war." Die Hitler-Partei wurde "damals unmittelbar nach
`Köln` von einem Konsortium unter Leitung der beiden genannten
Industriellen aus finanziellen Nöten gerettet" (S. 217/218)
Die
Wertigkeit des Treffens vom 7.4.33 in der Villa Springorum war daher
erheblich. Worum geht es uns? Unsere
inhaltliche
Ausrichtung der Kampagne lässt sich so zusammenfassen, wie wir
sie
in einem Brief an Thomas Gottschalk darstellten: Lieber Thomas Gottschalk, Schade,
dass Sie nicht mehr „Wetten dass“ machen. Dies
Bedauern
werden Sie sicher sehr oft vernehmen. Ich hätte Ihnen eine
Wette
angeboten, die wirklich ungewöhnlich ist. Frau Merkel
könnte
damit ins Guinness-Buch der Rekorde gelangen, so wie Sie bereits darin
stehen. Da Sie seit 1991 für „Haribo“
werben und damit
„Kinder froh“ machen, gerieten Sie ins
Rekorde-Buch, weil
Sie die längste Beziehung zu einem Werbung treibenden
Unternehmen
unterhalten. Meine
Wette hätte
nun gelautet: Wetten dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt, wie
sie straflos Tausenden Hinterbliebenen von Mordopfern die
Entschädigung rauben und Millionen Arbeitern den Lohn
verweigern
kann. Der Beweis wurde am 3. Februar in Den Haag mit dem Urteil des
Internationalen Gerichtshofes (IGH) in der Klage Deutschland gegen
Italien angetreten. Vielen Tausend Hinterbliebenen und ehemaligen
Zwangsarbeitern aus Griechenland und Italien wurde das Recht
abgesprochen, sich ihre Entschädigung einzuklagen. Frau Merkel
sicherte damit den deutschen Unternehmern und dem deutschen Fiskus
Unsummen, die den Naziopfern nach den Urteilen höchster
italienischer und griechischer Gerichte zustehen. Es sind
rekordverdächtige Zahlen. Das ist ein Rekord an Betrug. Das
Gericht in Den Haag lehnte das Klagerecht einzelner
Bürgerinnen
und Bürger gegen einen Staat ab, der
„Immunität“
gegen solches Vorgehen genieße. Es betonte aber
auch, dass
es eine moralische Verantwortung Deutschlands sehe, den NS-Opfern auch
ohne Gerichtsspruch zu helfen. Aus
moralischen Gründen bezahlen jedoch die deutsche Wirtschaft
und
der deutsche Staat gar nichts. Das lehrt die Erfahrung. Staat und
Wirtschaft hätten – so errechneten es Experten - 50
Milliarden Euro für die Zwangsarbeiterentschädigung
zu zahlen
gehabt, haben aber nur fünf Milliarden aufgebracht, und auch
das
nur unter dem Druck drohender Gerichtsurteile aus den USA. Somit gingen
die sowjetischen Kriegsgefangenen und die italienischen
Militärinternierten leer aus, - für sie, die
schwerste
Sklavenarbeit in der deutschen Rüstungsindustrie leisten
mussten,
war nichts mehr übrig. Wir alle
sind in der Schuld dieser Menschen. Denn die heutige Wirtschaftskraft
Deutschlands beruht auch darauf, dass dieses Land zwar den Krieg
verloren, aber am Krieg gewonnen hat. Das Wirtschaftswunder wurde nur
möglich, weil die deutschen Konzerne reicher aus dem Krieg
herausgingen als sie hineingegangen waren. Hunderttausende
Menschenleben waren der „Vernichtung durch Arbeit“
anheimgefallen und die Wirtschaft boomte sowohl vor wie nach 1945. Das
gilt übrigens auch für Haribo. Hat Ihnen, Herr
Gottschalk,
eigentlich nie jemand in der langen Zeit Ihrer innigen Zusammenarbeit
mit dem Gummibärchen- und Lakritzproduzenten erzählt,
dass
Haribo einerseits im Krieg Zwangsarbeiter ausgebeutet hat, andererseits
zu den wohl 90 Prozent deutschen Unternehmen gehörte, die
keinen
Pfennig in die Zwangsarbeiter-Entschädigungsstiftung
eingezahlt
haben, so dass das nötige Geld nicht zusammen kam? Die
Firma Haribo stritt dies seinerzeit ab; sie hatte, so schrieb sie
nachfragenden Historikern, mit dem Einsatz von Zwangsarbeitern
»nichts zu tun«. Dabei wird verschwiegen, dass der
Süßwarenhersteller die ehemaligen Dr. Hillers Werke
in
Solingen übernommen hat und zwar als
»Rechtsnachfolger«, - und bei Dr. Hillers kam es
zur
profitablen Zwangsarbeit. Lieber
Thomas Gottschalk, Sie haben ja nun etwas weniger Aufregung und etwas
weniger Arbeit. Vielleicht finden Sie die Muße, über
das,
was ich hier schrieb, nachzudenken – und mitzuhelfen, das
Unrecht
aus der Welt zu schaffen. Gern nenne ich Ihnen auch ein Konto, auf das
Sie, vor allem aber die Firmen mit Schulden gegenüber
Zwangsarbeitern Geld für die leer ausgehenden Opfer einzahlen
können, die unter bitterster Armut leiden. Und gern informiere
ich
Sie auch darüber, wie deutsche Behörden nicht nur die
Entschädigung der Opfer verweigern, sondern auch die
Bestrafung
der Täter. In Italien rechtskräftig
verurteilte
Kriegsverbrecher werden nicht ausgeliefert, aber auch nicht von der
zuständigen Stuttgarter Staatsanwaltschaft angeklagt.
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0874_liste_zwangsarbeit_fonds.htm Liste
der Firmen, die mit Sicherheit Zwangsarbeiter ausgebeutet haben. http://www.verbrechen-der-wirtschaft.de/texte/0050_liste_zwangsarbeiter.htm Liste
der Firmen, die einen Beitrag zur Zwangsarbeiterentschädigung
eingezahlt haben. Firmen, die in der oberen, nicht
aber der unteren Liste genannt werden, haben sich um die Zahlung
herumgedrückt. 3.
Zu unserem Buch „Von Arisierung bis Zwangsarbeit –
Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933-1945“ Wir
planten unser Buch und unsere Spurensuche zunächst mit dem
Ziel,
eine Ausstellung entsprechend „Verbrechen der
Wehrmacht“ zu
schaffen. Daran halten wir fest. Zunächst aber haben wir mit
unserem Buch eine Zwischenbilanz der Spurensuche gezogen. Es entstand
erstmals seit 1990 wieder eine Gesamtschau über die Geschichte
des
Unternehmertums in jener Zeit. Einzelne Bücher gab es immer
wieder
– zu einzelnen Firmen. Zum Beispiel: Gottfried
Plumpe, ein Bayer-AG-Angestellter, hat 1990 ein Buch über die
Geschichte der I.G.Farben herausgegeben („I.G.Farbenindustrie
AG“ 1904-1945, Berlin 1990), das unter den Mitgliedern der
„Gesellschaft für Unternehmensgeschichte“
kursiert und
von ihnen gern zitiert wird. Diese Gesellschaft hat keinesfalls eine
Gesamtschau über das Unternehmertum und das NS-Regime
hervorgebracht; dazu wurde sie ja auch nicht 1976 gegründet,
und
zwar mit dem allerhöchsten Segen von Hermann Josef Abs,
über
den in diesem Buch berichtet wird. Es galt, ein
„Gegenpol“
zur marxistischen Geschichtswissenschaft zu schaffen. Gottfried Plumpe
gibt, so erfahren wir bei Otto Köhler in einem Beitrag vom
26.11.2007 in der Jungen Welt, ein Musterbeispiel dafür ab,
dass
nicht einmal vor plumpen Fälschungen zurückgeschreckt
wird,
wenn es darum geht, das Unternehmertum und seine NS-Geschichte
weißzuwaschen. Es gebe „keine gegenlautende
Aussagen oder
Dokumente“ zur Aussage von Carl Krauch aus der
I.G.Farben-Spitze
im Nürnberger Prozess. Dieser hatte geleugnet, jemals die
Zurverfügungstellung von Zwangsarbeitern für das Werk
der
I.G. in Auschwitz beantragt zu haben. Krauch hat gelogen und Plumpe
auch. Das Dokument für Krauchs Antrag auf Zwangsarbeiter wurde
im
Plumpe-Buch um die vier Worte „Auf meinen Antrag
und“
gekürzt. Der gerichtsbekannte Brief, den Krauch am 4.
März
1941 an seinen für Auschwitz zuständigen
Vorstandskollegen,
den Giftgasexperten Otto Ambros, richtete, lautete: „Auf
meinen
Antrag und auf Weisung des Herrn Reichsmarschalls“ habe der
Reichsführer SS unter dem 26. Februar angeordnet, dass der
Aufbau
des Werkes in Auschwitz „durch die Gefangenen aus dem
Konzentrationslager in jedem nur möglichem Umfange zu
unterstützen sei.“ Dieses Zitat fanden auch die
Rechercheure
der VVN-BdA aus Recklinghausen wieder, und sie haben es unter
www.nrw.vvn-bda.de veröffentlicht. 4. Zur
Zwangsarbeiterentschädigung Sie
hat nicht einmal ansatzweise das ergeben, was erforderlich war. Vor
allem sei daran erinnert, dass die Zwangsarbeiter, die als
Kriegsgefangene aus der Sowjetunion und aus Italien nach Deutschland
kamen, nicht einen Pfennig oder Cent Entschädigung gesehen
haben.
Die größte Gruppe der Nichtentschädigten
stellen die
sowjetischen Kriegsgefangenen dar. Fünf Millionen sowjetischer
Soldaten waren in deutscher Kriegsgefangenschaft, von denen nur 1,7
Millionen überlebten, aber dies zumeist bei qualvoller
Zwangsarbeit. Den Überlebenden zu ihrem
Recht zu
verhelfen, an ihr Leiden zu erinnern und vor ihren Peinigern zu warnen,
soll uns Verpflichtung sein. Wir möchten
mit unserem Buch
einen Beitrag zur Freiheit der historischen Wissenschaft leisten, indem
wir konkrete Belege vorweisen. Denn den Zusammenhang von
Kapitalherrschaft und NS-Regime aufzuzeigen, führt bisweilen
zu
Diffamierungen z. B. durch Einträge in die
Verfassungsschutzberichte. Davon weiß ich ein Lied zu singen.
Kapitalismus muss nicht zum Faschismus führen. Es
ist aber
bei uns so geschehen, und die Sozialisierungsartikel im Grundgesetz, in
der hessischen und der nordrhein-westfälischen
Landesverfassung
zeugen noch heute davon, dass daraus nach 1945 die Lehren gezogen
wurden. Allerdings waren diese Lehren bald vergessen. Indem wir daran
erinnern, erkämpfen wir Grundfreiheiten und schützen
die
Verfassung. Vor allem darf diese Lehre nicht
vergessen werden,
die am 11. Februar 2012 zur Überschrift „Ein
Geschenk
für Hitler“ im Neuen Deutschland führte,
und darunter
stand: Die Weltwirtschafts- und die Weltbankenkrise von 1929 bis 1933
„steht am Beginn von Adolf Hitlers kometenhaftem
Aufstieg.“
Die Krise war ein Geschenk an die Nazis und sie ist heute ein Geschenk
für alle Antidemokraten. Abbau von
Demokratie wird heute
wieder möglich, und die Zahl der Millionäre
vergrößert sich trotz Krise – oder wegen
der Krise
– immens. Das Neue Deutschland über die Krise ab
1929:
„Kalte Wut auf das ‚System’ verdichtete
sich zu einer
hochexplosiven Mischung. Die Perspektivlosigkeit breiter Massen, ein
völlig überforderter Staat und ein zusammenbrechendes
soziales Sicherungssystem treiben den Nazidemagogen Millionen von
Wählern zu.“ [Neues Deutschland. 11. Februar 2012.] Diese
Millionen Wähler, dieser gewaltige Masseneinfluss des
deutschen
Faschismus, das war der entscheidende Faktor für das Votum der
führenden Wirtschaftskreise für die Nazis. Diese
Kreise
hatten sich nie mit der Weimarer Republik und der bürgerlichen
Demokratie abgefunden. Sie drängten auf Revanche für
den
verlorenen Krieg. Sie strebten die Beseitigung der Demokratie mittels
einer Militärdiktatur, mittels eines
Präsidialregimes,
mittels einer monarchistischen Renaissance an. Aber diese Modelle
hatten einen Nachteil, sie wurden nicht von den Massen getragen. Nur
die Nazis konnten Massen in Bewegung setzen und Massen lähmen
– je nachdem, was gewollt war. Der deutsche Faschismus war
nicht
nur Terror, sondern auch Verführung. Auch deshalb kam es zum
30.
Januar. Hinter Hitler stand zwar nie eine Mehrheit, aber doch fast die
Hälfte der Wählerschaft. 5. Wir versuchen mit unserer
Aktion Spurensuche in aktuelle Bewegungen einzugreifen: Der
VVN-BdA NRW schrieb im Oktober 2011 an die Occupy-Bewegung: Die
VVN-BdA begrüßt und unterstützt die
Anti-Banken-Proteste. Heute bewahrheitet sich erneut, dass die
Forderungen der weltweiten antifaschistischen Bewegungen von 1945
hinsichtlich der notwendigen Entmachtung der ökonomischen
Eliten
der NS-Zeit berechtigt waren – und sind. Diese Forderungen
gilt
es heute zu verwirklichen, da z.B. die Deutsche Bank wieder eine
verhängnisvolle Rolle in Politik und Wirtschaft spielt. Die
VVN-BdA bekräftigt die Erklärung der Internationalen
Föderation des Widerstandes FIR von Anfang Oktober 2011, die
vom
»Protest der Völker gegen die Abwälzung der
Lasten der
internationalen kapitalistischen Krise auf ihre Schultern«
sprach. Maßnahmen wie die »Einschränkung
von sozialen
Rechten und der Rechte der Arbeiter und ihrer
Organisationen«,
sowie »Entwicklungen in verschiedenen europäischen
Ländern, die die Grundlagen von Demokratie und Freiheit der
Menschen gefährden«, haben in den 30er Jahren den
Faschismus
begünstigt, schrieb die FIR. Die VVN-BdA
NRW erinnert in ihrem Brief an Occupy daran, dass sie bereits am 30.
Januar 2010 diesen Antrag gestellt hat: »An
den Rat der Stadt Bonn (betr. Hermann-Josef Abs): Es wird beantragt: Am
Gebäude der Deutschen Bank in Bonn wird eine Mahntafel
angebracht
mit einem Text, der darauf hinweist, dass an der Spitze dieser Bank der
Bonner Bürger Hermann Josef Abs tätig war, der eine
führende Rolle in der Wirtschaft der NS-Zeit spielte.
Über
Abs und die Deutsche Bank berichtete im März 1947 der
Omgus-Report
(Report einer US-amerikanischen Regierungsorganisation): »Es
wird
empfohlen«, »dass die Deutsche Bank liquidiert
wird.«
Die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank sollten »angeklagt
und
als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden, die leitenden
Mitarbeiter der Deutschen Bank von der Übernahme wichtiger
oder
verantwortlicher Positionen im wirtschaftlichen und politischen Leben
Deutschlands ausgeschlossen werden«. Die Tafel soll auf die
verhängnisvolle Rolle von Wirtschaftskreisen in der NS-Zeit
hinweisen. Sie soll der Mahnung dienen, solche Verbrechen nie wieder
zuzulassen.« Soweit unsere
Erklärung gegenüber Occupy. * Neben
Leverkusen birgt auch Marl eine Stätte der IG
Farben-Verbrechen.
Auf dem Gelände des heutigen Chemieparks Marl befanden sich
die
Chemischen Werke Hüls, die zu 74 Prozent der I.G.Farben
gehörten. Die Firma bestand von 1938 bis 1998 und wurde dann
von
der Evonik Degussa, übernommen. Degussa
wiederum war
ebenfalls lange Zeit eng mit der I.G.Farben verbunden. Degussa wurde ab
1999 über Zwischenstationen bei VEBA, Ruhrkohle AG u.a. zum
Teil
der neuen Fa. Evonik Degussa mit Sitz in Essen und
Produktionsstätten u.a. in Marl. Auch dort streben
Antifa-Gruppen
an, dass an die mörderische Geschichte von Degussa mit
Mahntafeln
erinnert wird. Überlebende des
Holocaust haben 1998 in
den USA gegen die Fa. Degussa eine Sammelklagen erhoben, um sie zur
Zahlung von Entschädigung zu bewegen. In einer Antwort hat die
Degussa zur Entschuldigung auf ihre seinerzeitige
„Einbindung des Unternehmens in das totalitäre
nationalsozialistische Wirtschaftssystem" hingewiesen. Nicht freiwillig
habe man an Raub, Sklavenarbeit und Mordbeihilfe Unsummen verdient,
sondern unter Zwang. Mit „Einbindung"
wollen Manager wie
die von Degussa eine Fessel ins Spiel bringen, mit der ihren
Vorgängern angeblich von den Nazis die Hände gebunden
waren.
Opferorganisationen stellten dazu fest [Siehe „Gerechtigkeit
für die Überlebenden der NS-Zwangsarbeit“,
hg. VVN-BdA,
März 2000, 2. überarbeitete Auflage]: In
den
Sammelklagen gegen Degussa und die IG Farben i. A. (in Abwicklung, so
hieß der I.G.-Rest nach 1945) sowie gegen die I.G.-
Farben-Nachfolger-Firmen Bayer, Hoechst und BASF kulminiert
gewissermaßen die Anklage gegen die Verbrecher aus der
deutschen
Wirtschaft von 1933 bis 1945: Hier geht es um Massenmord und schwerste
Kriegsverbrechen. Auch Degussa hat von „normaler"
Sklavenarbeit
profitiert. Degussa hat sich, so heißt es
in einer Klage,
„arisierten" Besitz angeeignet [Siehe die TV-Filme von Conrad
Schuhler „Das letzte Tribunal“.
Süddeutsche
Zeitung/Deutsche Welle, 1998 und „Blutige Beute“
–
Das SS-Raubgold und die verschwundenen Akten, Südwestfunk.
1998].
Sie hat gemeinsam mit der I.G. Farben die Firma Degesch, jene
Gesellschaft für „Schädlingsbe-
kämpfung"
unterhalten, die das Gas Zyklon B für den millionenfachen Mord
lieferte und mittels dieser Mordbeihilfe viele Millionen verdiente. Sie
hat als „Deutsche Gold- und Silberscheideanstalt" das Gold
geschieden, auch „Bruchgold" aus den Mündern der -
laut
Behördenpost - „Abgänge der
Konzentrationslager", um
es, zu Goldbarren verarbeitet, an die Banken weiterzuliefern. Degussa
hat auch - so 1943 in ihren chemischen Werken in Gleiwitz -
Häftlinge ausgebeutet, die, nachdem sie
arbeitsunfähig waren,
nach Auschwitz ins Gas geschickt wurden. Sie hat eigene Firmen-KZs
unterhalten, und wer nicht mehr mitkam, musste sterben, wie die
TV-Sendung „Angeklagt: Die Deutsche Wirtschaft" im Dezember
1998
berichtete. Der Degussa-Konzern profitierte wie kaum ein anderer von
den Naziverbrechen. Was nun die Degussa- und
I.G.-Farben-Aktivitäten zur massenhaften Tötung
mittels
Zyklon-B-Giftgas anbelangt, so war dafür vor wie nach 1945
Prof.
Carl Wurster die einflussreiche helfende Hand. Wurster war vor 1945
einer der leitenden Männer der IG Farben und der Degesch mbH.,
die
Degussa und I.G. gemeinsam betrieben, wie wir heute wissen. Dabei war
Degussa federführend. Nach 1945 wurde Wurster nur kurz als
Angeklagter im IG-Farben-Prozess behelligt, um dann BASF-Vorsitzender
und Degussa-Aufsichtsratsmitglied zu werden, ferner Mitglied in vielen
Wirtschaftsgremien, so in Aufsichtsräten der Deutschen Bank
und
mancher Degussa-Tochter. Übrigens: Auch die
letzten
Unterlagen über Zahngold und andere Wertsachen, die Juden in
KZs
geraubt worden waren, sind aus dem Bundesarchiv verschwunden, wie dies
[laut afp vom 28.7.1998] in den sechziger und siebziger Jahren mit
vielen Unterlagen geschehen ist. * Der
Kapitalismus muss
nicht zum Faschismus führen. Aber bei uns ist es geschehen.
Und es
kann wieder geschehen – wenn wir nicht aus der Geschichte
lernen,
gerade in Zeiten wie heute, da es wieder um einen Krisenausweg geht. Zudem:
Wenn die Wirtschaft zur Aufarbeitung ihrer Geschichte aufgefordert
wird, geht es gar nicht um die Aufforderung zum Antikapitalismus,
sondern um die Klärung der Rolle von Industriellen, Bankern,
Agrariern usw. in einer ganz bestimmten, aber entscheidenden Situation.
Das darf doch wohl 80 Jahre danach erwartet werden. Und
zwar in
einer Zeit, da die Kriegsgewinnler von 1933 bis 1945 derzeit wieder am
Krieg verdienen und an dritter Stelle in Rüstungsproduktion
und
Waffenexport weltweit stehen. Zudem betreiben sie auch wieder den
Demokratieabbau – nicht mit dem Ziel der Aufrichtung eines
neuen
Nazistaates, aber doch mit der anhaltenden Dominanz der Wirtschaft
über den Staat bis hin zum Autoritarismus. In Griechenland
herrscht das Bankkapital und die Troika. Das droht auch der ganzen EU. |