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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

15.05.2013

Drohende Militarisierung des Lippischen Landes

Traditionspflege – sie bedeutet Krieg - Referat vor neugegründetem Friedensbündnis 

Die Fortsetzung der deutschen Militärtradition besteht vor allem darin, daß Deutschland wieder Krieg führt und dafür die gesamte Gesellschaft militarisiert wird. Das stellte Ulrich Sander, VVN-BdA-Bundessprecher, in einem Referat vor dem neuen Friedensbündnis Lippe fest, das sich gegründet hat, um der sich ausbreitenden militaristischen Durchdringung des öffentlichen Lebens in Ostwestfalen - Gelöbnisrummel am 8. Mai und 1. September! - entgegen zu wirken. Das Referat von Ulrich Sander, VVN-BdA, am 14. Mai 2013 im Bürgerhaus Lage hatte als Thema: „Kameradschaftsverbände, Traditionsverständnis und Traditionspflege der Bundeswehr“.

In diesen Tagen ist es 80 Jahre her, da Hitler und seiner Partei die Macht übertragen wurde. Sofort nach dieser Machtübertragung an die „Naziverschwörer“, so stellte das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal im November 1945 fest, begann die geheime und dann offene Aufrüstung unter Bruch des Versailler Vertrages. Schon vier Tage nach dem 30. Januar traf sich Hitler mit den Befehlshabern des Heeres und der Marine. Sie einigten sich darauf, die „Wiedergewinnung der militärischen Macht“ und deren Gebrauch anzugehen mit dem Ziel der „Eroberung von Lebensraum im Osten“ und dessen rücksichtslose „Germanisierung“ als Hauptaufgabe. Mit „Germanisierung“ war die Ausrottung von Juden und Slawen umschrieben. Mit den Rüstungsbossen der Industrie einigte sich Hitler am 20. Februar 1933 darauf, daß sie ihn unterstützen und er ihnen gewaltige Rüstungsaufträge verschafft.

Übrigens: Die Militärs konnten Hitler einen Aufrüstungsplan zur Führung der Aggressionskriege vorlegen, den sie seit 1925 heimlich erarbeitet hatten. Und es gab erste Erfolge in der Hochrüstung. Ende der 20er Jahre war die SPD in den Reichstagswahlkampf mit der Losung "Kinderspeisung statt Panzerkreuzerbau" gegangen. Nach der Wahl wurde der Panzerkreuzer A gebaut und die Kinderspeisung fiel weg. Mit dem Panzerkreuzer wurde dann der Krieg der Nazis geführt. Am Ende der Weimarer Zeit wurde eine ähnliche Politik des Sozialabbaus betrieben wie heute mit Hartz IV und Agenda 2010. Damit wurde erheblich dazu beigetragen, die Republik zu zerstören, - und Faschismus und Krieg wurden möglich.

Es ist gut, daß mit dem Fernsehfilm „Unsere Mütter, unsere Väter“ einem millionenfachen Publikum, vor allem auch jungen Menschen, deutlich gemacht wurde, wohin diese Kriegspolitik führte und zu welchen Verbrechen der deutsche Faschismus und Militarismus fähig ist. Rund 60 Millionen Tote und Europa zerstört – das war das Resultat dessen, was am 3. Februar 1933 im Gebäude der Reichswehrführung ausgeheckt wurde.

Von der OKW-Erklärung am 9. Mai 1945…

Das Ende ist bekannt. Zwei Formulierungen aus jener berüchtigten OKW-Erklärung vom 9. Mai 1945 sollen hier benannt werden: Die Wehrmacht habe „für immer Unvergessliches geleistet“. Was sie leistete, „ist einmalig in der Geschichte und in der Welt.“  Hoffentlich ist es wirklich unvergeßlich und bleibt einmalig. Denn weiter heißt es: „Die einmalige Leistung von Front und Heimat wird in einem späteren gerechten Urteil der Geschichte ihre endgültige Würdigung finden. (...)Jeder Soldat kann deshalb die Waffe aufrecht und stolz aus der Hand legen.“ Diese letzte Meldung des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) – so schrieb Jakob Knab (antimilitaristischer Publizist von pax christi) - gehört zu jenen wirkmächtigen Versuchen, den Mythos von der „sauberen Wehrmacht“ zu schaffen. Es gibt einen Weg, der vom Kult um die toten Kriegshelden der Wehrmacht zur landläufigen Traditionspflege der Bundeswehr führt.

1945 schworen sich die Menschen: Es darf nie wieder soweit kommen! Krieg darf nie mehr sein. Aber inzwischen wird mit deutschen Waffen wieder weltweit Krieg geführt. Deutsche Soldaten stehen im Kriegseinsatz auf drei Erdteilen.

… zum Kloster Himmerod

Jedem Soldaten, der „die Waffe aufrecht und stolz aus der Hand“ legte, bot sich zehn Jahre später die Gelegenheit, sie wieder anzufassen. Obwohl Politiker wie F.J.Strauß vorher gesagt hatten, daß jedem die Hand abfallen möge, der wieder eine Waffe anfassen wolle. Am 9. Oktober 1950 kamen die Expertengespräche ehemaliger Offiziere der Wehrmacht über die „Aufstellung eines deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas“ im Eifelkloster Himmerod zum Abschluss. Die dort erarbeiteten Überlegungen wurden als Denkschrift zur Vorlage für den Bundeskanzler Konrad Adenauer zusammengefaßt.

Die Teilnehmer in Himmerod waren Generäle wie jener Hans Röttiger, der nach Kriegsende zugab, er sei zu der Erkenntnis gekommen, „daß die Bandenbekämpfung, die wir führten, im Endziel den Zweck hatte, den militärischen Bandenkampf des Heeres dazu auszunutzen, um die rücksichtslose Liquidierung des Judentums und anderer unerwünschter Elemente zu ermöglichen.“ [Siehe „Szenen einer Nähe“ von U. Sander, Bonn 1998, S. 30-32].  

Röttigers Chef bei der Bundeswehr und in der Wehrmacht war Adolf Heusinger. Auch er führte in Himmerod wieder das große Wort. Er hat dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal 1945 eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, mit der die Teilnahme der Wehrmacht am Holocaust bestätigt wurde. Aus ihr zitierte der amerikanische Ankläger Telford Taylor: "Es war schon immer meine (Heusingers) persönliche Ansicht, daß die Behandlung der Zivilbevölkerung im Operationsgebiet und die Methoden der Bandenbekämpfung im Operationsgebiet der obersten politischen und militärischen Führung eine willkommene Gelegenheit bot, ihre Ziele durchzuführen, nämlich die systematische Reduzierung des Slawen- und Judentums." [ebda.]. Trotz dieses Eingeständnisses wurde Heusinger nie vor Gericht gestellt. Er tat so, als habe er nicht zur Führung gezählt.

Heusinger und Hitler

Heusinger war besonderer Vertrauter Hitlers und als Leiter der Operationsabteilung des Heeres an der Planung und Durchführung der Überfälle auf verschiedene Länder, darunter am Aggressionsplan "Barbarossa" gegen die Sowjetunion, führend beteiligt. Ralph Giordano berichtet in "Die zweite Schuld": "Am 17. März (1941) erklärte Hitler im Beisein von Generalmajor Adolf Heusinger und Generalstabschef Franz Halder nach Notizen des letzteren: `Die von Stalin eingesetzte Intelligenz muß vernichtet werden. Die Führermaschinerie des russischen Reiches muß zerschlagen werden. Im großrusssischen Reich ist Anwendung brutalster Gewalt notwendig. ...`"

Giordano: "Das war offener Aufruf zum Massenmord." Und er schrieb weiter: "Die Generalstäbe Franz Halder und Adolf Heusinger gingen davon aus, daß große Kesselschlachten mit riesigen Gefangenenzahlen den Ostkrieg bis August 1941 entscheiden würden. Dieser Glaube war allenthalben verbreitet und ließ völkerrechtliche und kriegsvölkerrechtliche Überlegungen nur im Zusammenhang ihrer Mißachtung sichtbar werden."

Heusinger, dem also schwerste Kriegsverbrechen vorzuwerfen waren, wurde dennoch nach 1945 Berater der US-Armee, die sich auf die Konfrontation mit der UdSSR vorbereitete und "Rußlandexperten" wie ihn suchte. Er wurde nach Gründung der Bundeswehr 1955 deren erster Generalinspekteur. Eine Kaserne der Bundeswehr ist nach Adolf Heusinger benannt - in Hammelburg.

Vier Himmeroder Bedingungen

Die "Himmeroder Denkschrift" Heusingers und anderer aus dem Jahre 1950 war die eigentliche Geburtsurkunde der Bundeswehr. Die Autoren machten deutlich, daß sie an der von den USA gewünschten Schaffung der Bundeswehr nur teilnehmen würden, wenn diese Forderungen erfüllt würden (sie wurden allesamt erfüllt):

  1. "Freilassung der als `Kriegsverbrecher` verurteilten Deutschen" und
  2. "Einstellung jeder Diffamierung des deutschen Soldaten (einschließlich der im Rahmen der Wehrmacht seinerzeit eingesetzten Waffen-SS) und
  3. Maßnahmen zur Umstellung der öffentlichen Meinung im In- und Ausland." Ferner wurde gefordert:
  4. "Ehrenerklärung für den deutschen Soldaten von Seiten der Bundesregierung und der Volksvertretung. Gerechte Regelung der Versorgung der früheren und zukünftigen Soldaten und ihrer Hinterbliebenen."

Teilnehmer an der Himmeroder Tagung, die da ihre Amnestie und die ihrer "Kameraden" betrieben, waren außer Heusinger und Röttiger die späteren Bundeswehrgenerale Speidel, Graf von Baudissin und Graf Kielmansegg.

Aktion Kasernennamen

Mein Referat basiert auf Recherchen und Aktionen von antifaschistischen Aktivisten und Historikern. Schon 1990 begann ich mit einer Untersuchung über Kasernennamen. Waren doch in der DDR vom letzten Verteidigungsminister Rainer Eppelmann in vorauseilendem Gehorsam sämtliche Traditionsbezeichnungen der Einrichtungen der Nationalen Volksarmee abgeschafft worden – und zwar vor dem 3. Oktober 1990 – so interessierte es mich, wie dies Problem in der nun großen BRD gelöst werden würde. Ich schrieb vor allem den 37 Kasernen, die NS-Militärgrößen als Namenpatrons hatten, ob nicht auch hier ein Neuanfang geplant sei. In ungefähr der Hälfte der Fälle kam es zu Änderungen, diese Änderungen waren nicht das Ergebnis von Einsichten, sondern von außermilitärischen Protesten – oder von der Aufgabe bestimmter Liegenschaften durch die Bundeswehr.

Am Hohen Brendten

Eine weitere Recherche unternahm ich mit jungen Historikern aus Nordrhein-Westfalen, die zu den Massakern der Wehrmacht in Griechenland geforscht hatten. Unsere gemeinsam erzielten Forschungsergebnisse warfen die antifaschistischen Historiker und rund zehn weitere Freunde zu Pfingsten 2002 in den „Postkeller“ von Mittenwald in die militaristische Menge, die sich dort bei Bier und Schweinebraten auf ihr alljährliches Traditionstreffen der Gebirgsjäger an der Gedenkstätte für die gefallenen Kameraden auf dem Hohen Brendten vorbereitete. Die jungen Freundinnen und Freunde stiegen auf die Stühle und riefen: „Jetzt legen wir eine Gedenkminute für Eure Opfer ein.“ Es kam zu Tumulten, die Antifaschisten wurden gewaltsam verdrängt und von der Polizei in einer Jugendherberge eingesperrt, bis das Brendten-Treffen vorbei war.

In den Jahren danach gingen wir sorgfältiger zu Werk. Die VVN-BdA und die antifaschistische Historikergruppe – sie heißt „Angreifbare Traditionspflege“ nach der falschen Behauptung von Edmund Stoiber über die „unangreifbare Traditionspflege“ der Männer unterm Edelweiß – holten Zeitzeugen aus den Opfergemeinden nach Mittenwald, ferner Historiker und Publizisten und veranstalteten Hearings, Protestaktionen und Mahnwachen während der Brendten-Feiern. Die Ergebnisse unserer Recherchen fanden ihren Niederschlag in zwei Büchern, die ich hiermit empfehle [Ulrich Sander: »Macht im Hintergrund - Militär und Politik in Deutschland von Seeckt bis Struck«, PapyRossa Verlag 2004, 204 Seiten, 14 €, ferner „Mörder unterm Edelweiß“, herausgegeben im Auftrage des AK Angreifbare Traditionspflege von Ralph Klein, Regina Mentner und Stephan Stracke, Dokumentation des Hearings zu den Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger 2003, PapyRossa Verlag 2004, 12,90 €.].

De Maiziére senior

Kürzlich wurde im TV erneut der Film „Der Untergang“ gezeigt. Es stellte sich mir erneut die Frage, warum nicht auch Ulrich de Maiziére in diesem Film vorkommt, ist er doch lange Zeit einer der ganz wenigen Überlebenden des Führerbunkers gewesen. Bis zu seinem Tode 2006 war er Ehrenpräsident der höchst einflußreichen Clausewitz-Gesellschaft, ohne die in der Bundeswehr nichts läuft. Ulrich de Maizière war als Oberstleutnant Erster Generalstabsoffizier der Operationsabteilung des Generalstabes des Heeres, der noch in den letzten Kriegstagen unter Hitlers Treusten weilte. Er sorgte für die Arbeitsfähigkeit des „Führerbunkers“ und berichtete z.B. am 23. März 1945 dem „Führer“, daß er auch dann noch sein Regime fortsetzen könne, wenn die oberirdischen Gebäudeteile schon zerstört seien. Aus dem „Führerbunker“ wurde de Maizière dann zum Hitlernachfolger Dönitz nach Schleswig-Holstein geschickt, um dort die Operationsabteilung des Generalstabes in Gang zu halten, und er ging auch noch nach Kurland, um zu versuchen, mit Genehmigung der Engländer nach dort entsandte Soldaten gegen die sowjetischen Truppen in Stellung zu bringen. Nach 1945 gehörte er zu den ersten Wehrmachtsoffizieren, die am Aufbau der Bundeswehr mitwirkten, wo er dann Generalinspekteur wurde. In der „Wehrwissenschaftlichen Rundschau“ Nr. 3/64 rühmte de Maizière sich einst des „ständigen deutsche Drängens“, das „die in Verwirklichung stehende ‚Vorwärtsverteidigung’“ der NATO und die Einflußnahme der Bundeswehr „auf Planung und Auslösung des A-Waffeneinsatzes“ erreicht habe.

Was ist Traditionspflege?

Traditionspflege basiert in allen Armeen nicht nur auf Geschichtsvermittlung. Sie basiert vielmehr auf der Auswahl von Werten aus der Geschichte, auf die sich jeweils neu verständigt wird – je nach Bedarf.

Die Regierungen seit dem Jahr 1990 haben nicht nur ihr Versprechen, deutsche Außenpolitik sei Friedenspolitik und der errungene Standard an sozialer Gerechtigkeit werde beibehalten, gebrochen. Die Regierungskoalitionen von SPD und Grünen sowie SPD, FDP und CDU/CSU haben auch im Zuge der 1997/98er Auseinandersetzungen um „rechtsextremistische Vorkommnisse“ [Gemeint ist der Videoskandal von Hammelburg/Schneeberg, der Roeder-Skandal von der Führungsakademie und die Detmolder Überfälle von Soldaten auf Ausländer u.a.]  versprochen, “das Verhältnis von Bundeswehr und Wehrmacht zweifelsfrei und verbindlich zu regeln“ [Aus einem Antrag der Grünen zum Abschluß der Beratungen des Untersuchungsausschusses im Jahre 1998]. Klipp und klar sollte es in einem Beschluß des Bundestages heißen: „Die Wehrmacht als eine der tragenden Säulen des NS-Regimes kann keine Tradition der Bundeswehr begründen.“

Weiter sollte verurteilt werden „die Tendenz, die Umsetzung des Leitbildes vom ,Staatsbürger in Uniform' zugunsten einer Ausbildung von entschlossenen universellen Kämpfern zu opfern.“

An die Stelle des „Kämpfers“ gelte es, das „Leitbild des Staatsbürgers in Uniform durch eine Intensivierung der politischen Bildung, eine Verbesserung der Rechtsausbildung und eine gelebte Innere Führung in die Realität umzusetzen.“

Weiter sollte gelten: „In der Namensgebung von Kasernen und Schiffen (sehe der Bundestag) einen wichtigen Beitrag für eine glaubwürdige demokratische Traditionspflege.“ Gefordert wurde, „die gegenwärtigen Kasernen- und Schiffsnamen auf ihre zeitgemäße demokratische Leitbildfunktion hin zu überprüfen.“ Dieser von den Grünen eingebrachte Beschluß wurde weder gefaßt noch verwirklicht.

Die der Bundeswehr seit 1982 per Traditionserlass von einem SPD-Minister verordnete Distanz zum NS-Regime und seiner „teils schuldhaft verstrickten, teils schuldlos mißbrauchten“ Wehrmacht – wenn es sie je wirklich gab –, sie wurde bis heute nicht wirklich geschaffen. Die in den sechziger Jahren von oben verordneten Kasernennamen, die Kriegsverbrecher zu Vorbildern machten, wurden zumeist beibehalten.

Während das Darmstädter Signal, eine kritische Soldaten- und Offiziersgruppe, bestehend vorwiegend aus Reservisten, faktisch Hausverbot bei der Bundeswehr hat, genießen die Traditionsverbände der Wehrmacht fast alle Freiheiten. Derzeit erlangen die Reservistenverbände, zumeist ultrarechts beeinflußt, starken Einfluß.

Als die VVN-BdA zweimal zu Pfingsten in Mittenwald Gäste aus den Orten in Griechenland und anderen Ländern eingeladen hatte, die im Krieg von der Gebirgstruppe der Wehrmacht grausam heimgesucht worden waren, da bot sie der Bundeswehr an, diese Gäste in die Kasernen der heutigen Gebirgstruppe zu entsenden. Die Divisionsleitung in Sigmaringen lehnte 2003 ab; das Ministerium unter Leitung von Peter Struck  (SPD) entsandte statt dessen 2004 demonstrativ das vorher schon halbwegs in Frage gestellte Musikkorps der Bundeswehrgebirgstruppe aus Garmisch-Partenkirchen und ließ einen Kranz des Bundesverteidigungsministers am Denkmal der Gebirgsjäger, unter ihnen viele Kriegsverbrecher, niederlegen.

Kein Einsatz ohne Nazitradition

Nach wie vor widerspricht die Traditionspflege den feierlichen Reden im Ausland und zum Gelöbnis am 20. Juli.

Denn schon bald wurde in der Bundeswehr die Frage erörtert, "ob eine Einsatzarmee - ohne auf die zeitgemäße Umsetzung der militärischen Erfahrungen der Wehrmacht im Sinne kritisch auswählenden Traditionsverständnisses zurückzugreifen - ihre Kampfaufträge erfüllen kann." [So ein ehemaliger Leiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, der Brigadegeneral a.D. Dr. Günter Roth in "Der Deutsche Fallschirmjäger" 4/99].

Bereits am 3. 10. 1990 hatte die Bundeswehr das NVA-Verteidigungsministerium der DDR übernommen, und ein stellvertretender Oberkommandierender Bundeswehr-General, Werner von Scheven, versicherte den Soldaten aus Ost und West, die Bundeswehr wolle „nicht hinter den Leistungen der Wehrmacht zurückstehen“ [„loyal“, Organ des Deutschen Reservistenverbandes, 12/1990].

Die tonangebenden Veteranen der deutschen Gebirgstruppe und der Fallschirmjäger aus der Wehrmacht und aus der Bundeswehr (um zwei besonders einflußreiche Eliteverbände zu nennen) verfolgen eine Traditionslinie, die besagt, die Jäger der Wehrmacht wären die Elite deutschen Soldatentums gewesen; sie hätten im Zweiten Weltkrieg nicht nur tapfer, sondern auch ritterlich unter strenger Beachtung der  internationalen Gesetze und Gebräuche des Krieges gekämpft. Ähnlich verlogen argumentieren sämtliche integrierte Traditionsverbände, bestehend aus Veteranen, Reservisten und Aktive. Allenfalls seien die Wehrmachtsangehörigen „verstrickt“ gewesen und „mißbraucht“ worden. Die beiden Wehrmachtsausstellungen über die Teilnahme der Wehrmacht am Vernichtungskrieg haben jedoch endgültig aufgeräumt mit derartigen Behauptungen.

Aber spätestens mit dem 20. Juli 1944 sei jene Offiziersbewegung auf den Plan getreten, die sowohl die Bundesrepublik als auch ihre Wehr geprägt habe; dies ist nun das neuste Argument zur Entschuldigung der Wehrmacht. Hier ist eine neue Nuance erkennbar. Während ehedem die 20.-Juli-Leute als „Eidesbrecher“, ja Verräter verfemt waren, - niemand aus dem militärischen Widerstand konnte in der Bundeswehr Karriere machen – so wird nun der 20. Juli 1944 quasi zum Gründungsdatum der Bundeswehr umgelogen und auch Hans Scholl von der Weißen Rose wurde Namenspatron einer Sanitätsakademie der Bundeswehr in München. Doch wäre damit ein wirkliches Umdenken verbunden, dann hätte die Truppe sich auch Deserteure und jene als Vorbilder aussuchen müssen, die von Anfang an gegen den Krieg kämpften. Davon kann nicht die Rede sein.

Der 20. Juli wird heute von Ministern und Generälen gar als Auftrag angesehen, Regime in aller Welt zu stürzen und Länder mit Krieg zu überziehen, die nicht ins deutsche Raster passen.

Die Wehrmachtssoldaten, nicht die 20.-Juli-Leute, sondern jene, die bis zur letzten Stunde 1945 kämpften, wurden für die Bundeswehr der Systemkonfrontation gebraucht. Und so blieb ihre Tradition weitgehend unangefochten. Das ging so bis hin zur Strafvereitelung für Kriegsverbrecher. So wurden sämtliche eintausend Bundeswehrsoldaten, die wegen Wehrmachtsverbrechen unter Verdacht geraten waren, außer Strafverfolgung gesetzt. [aus „Versöhnung ohne Wahrheit? Deutsche Kriegsverbrechen in Griechenland“, Mannheim/Möhnesee 2001]

Straffreiheit für Wehrmachtssoldaten

Willi Dreeßen, Leiter der Landesjustizverwaltung für die Ermittlungen gegen NS-Verbrecher in Ludwigsburg, schrieb im Jahre 2001: „Als Ergebnis bleibt, daß Zehntausende ...  Zivilisten in Hunderten von Ortschaften erschossen, verbrannt, erschlagen oder grausam zu Tode gefoltert wurden. Zur Verantwortung gezogen wurde dafür niemand. Vor allem die Ermittlungsbehörden, d.h. die Staatsanwaltschaften, aber auch die Gerichte einschließlich des Bundesgerichtshofes haben durch ihre Entscheidungen zu diesem Ergebnis nicht unmaßgeblich beigetragen.“ [ebda.] Hier möchte ich anmerken, daß die VVN-BdA und die Gruppe Angreifbare Traditionspflege die Strafbefreiungsaktionen von Justiz und Bundeswehr nicht länger widerstandslos hingenommen haben. Wir haben in Archiven, auch – verdeckt - in denen der Traditionsverbände, geforscht und dabei überlebende Kriegsverbrecher mit Namen und Hausnummern ausgemacht und den Staatsanwaltschaften angezeigt. Jedoch mit keinem großen Erfolg.

In diesen Tagen erklärten wir zu den Ermittlungsergebnissen der Ludwigsburger Zentralstelle als Landesausschuss der VVN-BdA NRW: Die geplanten 50 Gerichtsverfahren gegen KZ-Aufseher des Vernichtungslagers Auschwitz sind notwendig und gerechtfertigt. Sie kommen allerdings äußerst spät. Die Aktivitäten der Ludwigsburger Zentralstelle sind unterstützenswert. Aber sie sind nicht vollständig. Vor Gericht müssen endlich auch die Kriegsverbrecher aus der Wehrmacht.  Vor zehn Jahren hat unsere Vereinigung gemeinsam mit der Gruppe "Angreifbare Traditionspflege" Strafanzeige erstattet gegen 196 Täter aus der Wehrmacht, denen wir begründet vorwarfen, an Massakern in Griechenland und Italien beteiligt gewesen zu sein. Leider kam es nicht zu Verfahren; die zuständige Staatsanwaltschaft Stuttgart hat sie schlicht hintertrieben. Aber auch aus Ludwigsburg erhielten wir seit drei Jahren keinen Bescheid mehr. Einige Verurteilungen erfolgten in Italien, ohne daß Deutschland die Verbrecher auslieferte.

Vergangenheitsbewältigung und „Überreaktionen“

Bemerkenswert ist, daß sich aktive Bundeswehr-angehörige und Reservisten sowie ihre Verbände für die Veteranen mit mörderischer Vergangenheit einsetzten. Sie forderten mit Blick auf die heutige deutsche Kriegsführung die Straffreiheit für die Verbrecher z. B. aus der Wehrmachts-Gebirgstruppe, denn: "Auch unsere Soldaten können heute noch in Situationen geraten, in denen sie aus Angst, Kurzschluß oder Wut (…) überreagieren." Die Bundeswehrsoldaten würden in diesem Fall sicher entlastet werden, schrieb Generalmajor a.D. Jürgen Reichardt weiter, aber sie sollten nicht fürchten müssen, nach Jahrzehnten noch vor Gericht gestellt zu werden [aus: Gebirgstruppe 6/2008].

Reichardt, Präsident des Bayerischen Soldatenbundes, behielt leider Recht. Oberst Georg Klein, Mörder von über 100 Zivilisten am Kunduz in Afghanistan im September 2009, blieb straffrei, und er wurde sogar zum Brigadegeneral befördert. In diesem Licht betrachtet, sind die 50 Verfahren gegen Auschwitz-Aufseher zu bewerten - als richtig, aber inkonsequent, weil spät und nicht umfassend. Vernichtungskrieger dürfen nicht straffrei bleiben. Die Zentrale Stelle in Ludwigsburg und die anderen zuständigen Staatsanwaltschaften sowie Justizministerien rufen wir zum weiteren Handeln auf. Wir erneuern unsere Auforderung, gegen die 196 genannten Personen zu ermitteln und gegen sie vor Gericht zu verhandeln.

Gerichtsverfahren gegen die VVN

Wir streiten für das Prinzip: Entschädigung der Opfer und Bestrafung der Täter. Daß letztere auch noch einige Pfeile gegen uns im Köcher haben, sei ebenfalls angemerkt. So behaupteten die angezeigten Gebirgstruppler, ich hätte ihnen gefälschte staatsanwaltschaftliche Briefe zugesandt, und die Justiz glaubt diesen Unsinn. Sie ermittelte gegen die VVN-BdA und mich als ihren Landessprecher, und unsere Computer-Inhalte wurden beschlagnahmt und bisher nicht zurückgegeben.

Es folgten 2009 zwei Gerichtsverfahren gegen mich. Der Kameradenkreis Gebirgstruppe e.V. (Sitz München) wollte gegen mich als Bundes- und Landessprecher der VVN-BdA vor dem Nürnberger Landgericht ein Urteil erreichen, mit dem mir und uns Äußerungen über die Tradition und Praxis der Gebirgstruppe untersagt werden sollten – bei Androhung von Haft und 250.000 Euro Geldstrafe. Schließlich durfte ich weiter sagen, die Wahrheit nämlich:

  1. „Es wird darauf hingewiesen, daß der Kameradenkreis nicht nur die Kriegsverbrechen der NS-Gebirgstruppe verharmlost und die Täter schützt, er ist nun auch dazu übergegangen, die Nichtverfolgung der Untaten als erforderlich für die heutige Kriegsführung der Bundeswehr und der NATO-Alliierten zu bewerten.“
  2. „Zudem klärten wir über das Wirken des Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V. auf, der aus dem Kreis der NS-Wehrmachtsangehörigen heraus gegründet wurde und zahlreiche Kriegsverbrecher in seinen Reihen hatte.“ [nach Gerichtsverhandlung vom 20. 5. 09]

Grundsätzlich ist zu sagen: Auch die letzten Tabus schwinden.

Es sei notwendig, die „herrschenden Denkmuster“ zu verlassen, hieß es schon in den „Informationen für die Truppe“ vom September/Oktober 1999. Und das geht so: Da wird den von der Wehrmacht mit Krieg überzogenen Ländern die Schuld am Krieg gegeben. Denn dies alles wird als Kriegsursache genannt: „Vor allem das Verschweigen der verheerenden Folgen des Versailler Diktats und dessen Mitursächlichkeit für 1933 und 1939, ferner die anhaltende Tabuisierung der seinerzeit höchst aggressiven Interessen- und Machtpolitik vor allem Frankreichs, Polens und der Tschechoslowakei einschließlich der von ihnen begangenen oder unterstützten massiven Verletzungen völker- und menschenrechtlicher Normen gegenüber Deutschland, zumal des Selbstbestimmungsrechts“. Revanche für die Niederlage von 1918 stellt für die Bundeswehrmedien also eine zulässige Begründung für 1933 und für den Überfall auf Polen 1939 dar. Auch die Besetzung Frankreichs und der Tschechoslowakei sind nur die Antworten auf die „Menschenrechtsverletzungen“ gegenüber Deutschen!

Geschichtsrevisionen

Eine derartige pro-faschistische Geschichtsrevision wie die in der Bundeswehr ist selten zu finden außerhalb der Neonazipublikationen.

Die Verbrechen des deutschen Faschismus habe es von 1933 bis 1941 eigentlich nicht gegeben, folgt man der „Information für die Truppe“. Die Wehrmachtssoldaten hätten sich gegen die Folgen von Versailles und gegen den „’Täter’ der bis dahin größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte“ gestellt – den Bolschewismus und Stalin also. Denn „nicht Auschwitz, sondern vor allem diese Tatsachen waren 1939/1941 der Erfahrungshintergrund der Wehrmachtsgeneration.“ [IfdT, Information für die Truppe, 9/10/99]

Der Überfall auf die Sowjetunion hat also demnach zumindest zu Beginn seine Berechtigung gehabt, - Auschwitz als Resultat und Schlußfolgerung aus dem „Erfahrungshintergrund der Wehrmachtsgeneration“. Und dann kommt in der Bundeswehrpublikation [Siehe Bundeswehrpublikation IfdT 9/10-99A] noch die ganze Litanei von den Soldaten der Wehrmacht, die nicht nur viel geleistet, sondern auch gelitten haben. (All dies in einer Besprechung eines Buches des offiziellen Militärgeschichtlichen Forschungsamtes. „Die Wehrmacht. Mythos und Realität“ heißt es. Sein Mitherausgeber Rolf-Dieter Müller wird zitiert: Man müsse wegkommen von der „Betroffenheitspflege und Opferperspektive“.)

Und so werden die Wehrmachtsgeneräle von den höchsten Bundeswehrgenerälen als Vorbilder auf den Podest gestellt. Der höchste NATO-General im Kosovo und spätere Chef der Clausewitzgesellschaft General Dr. Klaus Reinhardt sagte zu Pfingsten 2000: "Die ... Bundeswehr ist von Männern aufgebaut und geistig ausgerichtet worden, die als Kommandeure, als Kompaniechefs und Kompaniefeldwebel die schreckliche Erfahrung des Krieges und der Diktatur am eigenen Leib erlebt und durchlitten haben. Sie haben die Uniform wieder angezogen, um uns, der nachfolgenden Generation, das Koordinatensystem ihrer Werteordnung" weiterzugeben. Sie seien es gewesen, "die uns die zeitlosen militärischen Werte wie Pflicht, Treue, Tapferkeit und Kameradschaft vorgelebt haben." [IfdT 9/10-99].

Reinhardt: „Diese Männer waren unsere Vorbilder, und sie repräsentieren eine ganze Generation von Wehrmachtssoldaten. Sie verdienen unseren Respekt genauso wie die vielen anderen Soldaten, die aus ihrer damals begrenzten Kenntnis der Vorgänge heraus im guten Glauben ehrenhaft gehandelt und gekämpft haben.“ Reinhardt rief zur „Pflege dieser Tradition und ihrer Weitergabe an die nächste Generation“ auf.

Begrenzte Kenntnis! Das konnten sie nicht wissen, daß es nicht erlaubt ist, die Zivilbevölkerung besetzter Gebiete zu ermorden? Das war also ehrenhaft, entwaffnete Kriegsgefangene tausendfach zu erschießen? Diese Tradition soll auch noch weitergegeben werden! Und das gelingt leider.

Schon gibt es Zeichen dafür, daß die reaktionärste Militärtradition auch den künftigen Geist der Truppe bestimmt. „Neue, noch nicht veröffentlichte Daten bestätigen einen zwar nicht überraschenden, aber dennoch ernsten Verdacht: daß Offiziersstudenten - die künftige Führungselite der Bundeswehr - deutlich weiter rechts stehen als ihre zivilen Kommilitonen. Und sie sind in jüngsten Jahren noch ein Stück weiter nach rechts gerückt. ...  Nach ihrer Zustimmung zu einer Liste von 14 politischen Zielen befragt, zeigten die Militärstudenten besonders konservative Überzeugungen beim Fragekomplex ‚Abwehr von Fremden’; beim Ziel ‚Abwehr von kultureller Überfremdung’ ist im Verlauf der drei Untersuchungen eine klare Bewegung nach rechts zu erkennen.“ „Die Zeit“, die diese Forschungsergebnisse präsentierte, schreibt dazu kommentierend: „Die Einstellungen dieser künftigen Truppenführer tendieren zum rechten Rand.“ [Die Zeit Nr.48 vom 20.11.2003, ähnlich in IfdT, Oktober 2003]

Tradition wird variiert – nicht geändert

Wie geht es weiter mit der Bundeswehr und mit der Rechtsentwicklung? – beides muß zusammengesehen werden.

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet aus der Umgebung de Maiziéres, er halte die Traditionsarbeit für entscheidend für die Bundeswehr [Süddeutsche Zeitung, Bericht von einer Reise mit dem Minister nach USA, 2. Mai 2013]. Das Motto der Bundeswehr „Wir.Dienen.Deutschland“ gehöre ebenso dazu wie die Arbeit mit den Veteranen – ohne daß gesagt wird, wer damit gemeint ist. „Er wünscht sich, daß diese Armee Traditionen hat, auf die sie sich berufen kann“, und das sind diese: Der Geist der preußischen Reformer Scharnhorst, Gneisenau und Clausewitz. Zudem die Männer des militärischen Widerstands vom 20. Juli, die zu ehren schon einer befördert hat: Generalinspekteur Ulrich de Maiziére, der Vater des heutigen Ministers. Die Offiziersschule des Heeres in Dresden soll künftig nach Stauffenberg benannt werden, während die Hindenburgkasernen umbenannt werden sollen. De Maiziére jr. sagte in West Point, Militärakademie der USA: „Da wird man ein bißchen traurig über die deutsche Geschichte und ist voller Respekt darüber, wie die anderen Nationen ihre Geschichte bewahren können.“ Na, ein bißchen traurig über die Naziwehrmacht ist er schon, der Minister.

Rolle der Neonazis

Nazis drängen in die Bundeswehr. Darüber wird kaum gesprochen [Westfälische Rundschau vom Dienstag 13. Juni 1995. „Neonazis: Unauffällig bei Polizei und Bundeswehr einsickern Erfurt. (dpa) …Einsickern in andere Organisationen und gezielte Anschläge sind nach Einschätzung von Verfassungsschützern jetzt Ziele der Neonazis. … Das Erfurter Amt zitiert ein Strategiepapier aus dem von Rechtsextremen betriebenen Computernetzwerk ‚THULE’. Darin empfehlen Radikale eine ‚grundsätzliche Verhaltensänderung’. Neue Aktivisten dürften nicht mehr durch politische Äußerungen, Haarschnitt oder Kleidung erkennbar sein, um legal arbeiten zu können. Sie sollten ‚jede Zuordnung zum nationalen Spektrum’ unmöglich machen. ‚Junge Kameraden, die vor der Berufswahl stehen, unbelastet, intelligent und sportlich sind, sollten eine Ausbildung bei Bundeswehr und Polizei in Erwägung ziehen, mit dem Ziel, sich in besonders qualifizierten Spezialeinheiten das nötige Wissen und Können anzueignen’, schreiben die Extremisten.“]. Es gehört zum großen Irrtum der Gegenwart, daß Rechtsextremisten gegen den Krieg wären. Die gegenwärtigen Kriege - auch der deutschen Bundeswehr - mögen von rechts kritisiert werden ob der US-amerikanischen Dominanz. Doch daß der Krieg enttabuiert wurde und daß damit künftig deutsche und europäische Kriege im eigenen Interesse möglich werden, das begeistert die Rechten – von den Konservativen bis zu den Neonazis.

Eine geänderte Situation gegenüber der Weimarer Zeit vor 1933 besteht in der Tatsache, daß Deutschland im Krieg ist. Den hätte man sich vor ´33 nicht erlaubt, dazu brauchten das Bürgertum, das Kapital und die Konservativen die Nazis, um kriegsfähig zu werden. Heute werden dafür die Grünen, die SPD und der DGB gebraucht. Und benutzt. Die SPD ist seit 1998/99 auch  Kriegspartei, und der DGB soll es nun auch werden, wie wir seit dem Treffen von Michael Sommer mit Thomas de Maiziére wissen.

Wir haben heute nicht nur eine Kriegsführung – die von den Nazis grundsätzlich unterstützt wird – sondern auch einen Militarismus:

  • Bundeswehr darf mit Kriegswaffen im Innern kämpfen
  • und in Schulen werben,
  • die Hochschulen werden dem Militär dienstbar gemacht,
  • es gibt Tendenz zum Staat im Staat, zu eigenen reaktionären Ritualen,
  • die Hervorhebung gegenüber anderen Berufen,
  • Aufbau des Heimatschutzes, das heißt Einsatz im Innern. Schaffung von BW-Kommandos in allen Landkreisen und Kreisfreien Städten und von einem Lufteinsatzkommando in Kalkar zum Vorgehen aus der Luft im Innern des Landes.
  • rechte Reservistenverbände,
  • nach wie vor Nazi-Wehrmachtstradition usw.
  • und seit kurzem auch: eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Kempten/Allgäu für die gesamte Bundeswehr, aber ohne wirkliche Befugnis (Ermittlungen nur durch die Feldpolizei, d.h. die Bundeswehr ermittelt gegen sich selbst). Es entwickelt sich eine neue Militärjustiz.

Dieser Militarismus wird von den Nazis unterstützt. Kommt ihnen entgegen. Der Militarismus könnte den Nazis bald wieder eine Massenbasis verschaffen.

Die neuen deutschen Kriege konnten nur geführt werden, weil die SPD mitmachte. Sollten diese Faktoren infolge des Widerstandes gegen die Krise und der massenhaften Ablehnung des Krieges  wegfallen, wird auch die rechte Sozialdemagogie und  Kriegsbereitschaft wieder für das Kapital interessant. Allerdings müßten dafür die Nazis mehr Masseneinfluß haben – und den werden wir zu verhindern haben. Dazu gehört, die Massenverankerung des Militarismus zu bekämpfen. Und dazu gehört auch, den ganzen Traditionsrummel des Militärs sich nicht weiter ausbreiten zu lassen.

Flyer zur Veranstaltung. PDF

Siehe auch:

Jakob Knab (Berlin, 6. Mai 2013): Bundeswehr und NS-Traditionen - Kasernennamen, Rudelbegräbnis etc.
http://www.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Veranstaltungen/JK20130506Buwetrad.pdf

Jakob Knab: Verklärung und Aufklärung - Von den Heldenmythen der Wehrmacht zur Traditionspflege der Bundeswehr
http://www.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Presseberichte/JKVerklaerung-und-Aufklaerung20121208.pdf