21.04.2013 Das Spenden-Rendezvous vom 20. Februar 1933 "Noch im gesamten Jahr 1933 hätten die
Konservativen die Möglichkeit und die Macht gehabt, den
Hitlerspuk wieder zu beenden, wenn sie denn gewollt hätten."
Zu diesem Schluß kommt Bundessprecher der VVN-BdA Ulrich
Sander in einem Beitrag für die Zeitschrift "Ossietzky". Er
nimmt darin besonders das Treffen der Großen der Wirtschaft
mit den Nazibossen vom 20. Februar 1933 aufs Korn - ein Datum, das in
der Geschichtsschreibung wenig Beachtung fand. Noch immer beruft man
sich zur Reinwaschung der großen Finanzkreise jener Zeit auf
den amerikanischen Historiker H. A. Turner jr., der in den 80er Jahren
schrieb, es dürfe nicht behauptet werden, daß der
Faschismus ein Produkt des modernen Kapitalismus sei, denn dann
könne man diesen nicht mehr verteidigen. Zur
Entlastung des Großkapitals wird heute gern
angeführt: Erst nach dem 30. Januar 1933 seien die
Industriellen auf die Gegebenheiten eingeschwenkt, vorher
hätten sie die Zusammenarbeit mit der NSDAP verweigert.
Tatsächlich aber standen für die Nazipartei wie
für einzelne Nazis schon Jahre vor 1933 unzählige
Finanztöpfe bereit. Allerdings wurden diese im
Frühjahr 1933 besonders gut aufgefüllt. Der
internationale Nürnberger Prozeß 1945/1946
beurteilte die Rolle der angeklagten Großindustriellen:
»Die Diktatur, hinter der sich diese Menschen zu verschanzen
suchten, war ihre eigene Schöpfung.« Derzeit wird
mittels offizieller Geschichtspolitik von dieser Feststellung
abgelenkt, nicht zuletzt durch Änderungen in
Gedenkausstellungen. So geschehen in der Gedenkhalle Oberhausen, in der
Essener Gedenkstätte Synagoge und so geplant von einigen
Kommunalpolitikern in Dortmund, wo man sich auf den amerikanischen
Historiker H. A. Turner jr. beruft, der in den 80er Jahren schrieb, es
dürfe nicht behauptet werden, daß der Faschismus ein
Produkt des modernen Kapitalismus sei, denn dann könne man
diesen nicht mehr verteidigen. Konzerne und Banken
versprachen sich von Hitler und seiner Nazipartei die Verwirklichung
ihrer Pläne für eine Neuordnung Europas und lukrative
Rüstungsgeschäfte. Allerdings hielten die
Industriellen sich verschiedene Varianten offen. Krupp von Bohlen und
Halbach zum Beispiel war Monarchist und zweifelte zunächst an
Hitlers Kompetenz, und er war verunsichert wegen der
antikapitalistischen Demagogie der NSDAP. Als aber die Richtung klar
war, ergriff Krupp mit der »Adolf-Hitler-Spende der deutschen
Wirtschaft« sofort die Initiative für die
Hitler-Finanzierung. Gustav Krupp von Bohlen und
Halbach bestätigte 1944 in einer Rede, die heimliche
»Wehrhaftmachung« bereits unmittelbar nach dem
Ersten Weltkrieg betrieben zu haben, die ab 1933 richtig in Fahrt kam:
»Es ist das große Verdienst der gesamten deutschen
Wehrwirtschaft, daß sie in diesen schlimmen Jahren nicht
untätig gewesen ist, mochte auch aus einleuchtenden
Gründen ihre Tätigkeit dem Lichte der
Öffentlichkeit entzogen sein. In jahrelanger stiller Arbeit
wurden die wissenschaftlichen und sachlichen Voraussetzungen
geschaffen, um zu gegebener Stunde ohne Zeit- und Erfahrungsverlust
wieder zur Arbeit für die deutsche Wehrmacht bereitzustehen
... Nur durch diese verschwiegene Tätigkeit deutschen
Unternehmertums ... konnte nach 1933 unmittelbar der Anschluß
an die neuen Aufgaben der Wiederwehrhaftmachung erreicht, konnten dann
auch die ganz neuen vielfältigen Probleme gemeistert
werden.« Am 20. Februar 1933 kam es in
Berlin zu einem geheimen Treffen Hitlers und Görings mit der
Spitze des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI).
RDI-Vorsitzender war Krupp von Bohlen und Halbach. »Wir
stehen jetzt vor der letzten Wahl. Sie mag ausgehen wie sie will ...
Wenn die Wahl nicht entscheidet, muß die Entscheidung eben
auf einem anderen Wege fallen ..., oder es wird ein Kampf mit anderen
Waffen geführt werden, der vielleicht
größere Opfer fordert ...«, so legte
Hitler seine Putschpläne für den Fall einer
Wahlniederlage offen dar, und die 20 geladenen Industriellen spendeten
für dessen Wahlkampf drei Millionen Reichsmark. Gustav Krupp
von Bohlen und Halbach notierte abends über die Begegnung:
»Ruhe in der inneren Politik: keine weiteren Wahlen ...
Ermöglichung der Kapitalbildung ... Dementsprechend Entlastung
von Steuern und öffentlichen Lasten.« Die
Naziideologie enthielt so gut wie keine konzeptionellen Gedanken, die
nicht schon vorher im konservativen und deutschnationalen Gedankengut
der bürgerlichen Rechtsparteien enthalten gewesen
wären. Rassismus, Antisemitismus, Antikommunismus und
aggressiven Militarismus gab es bereits. Mit Rosenbergs
»Neuordnung des Ostraumes« und Hitlers
»Lebensraum im Osten« sollte ein uralter Traum der
Herrschenden in Deutschland verwirklicht werden. Unter dem Motto
„Germanisierung“ gehörte dazu die
Vernichtung von Millionen »Untermenschen« durch die
»Herrenrasse«. Der britische
Historiker Adam Tooze widmete sich in seinem Buch
„Ökonomie der Zerstörung. Geschichte der
Wirtschaft im Nationalsozialismus“ der engen Kooperation der
deutschen Industrie mit Hitler. Tooze führt darin
über das „Spenden-Rendezvous“ Hitlers mit
der Schwerindustrie aus: »Einmal ganz abgesehen von den
Folgen, zählt dieses Treffen vom 20. Februar zu den
berüchtigsten Beispielen für die Bereitschaft des
deutschen Großunternehmertums, Hitler bei der Aufstellung
seines diktatorischen Regimes beizustehen ... Krupp und Konsorten
[wurden] von Hitler nie gezwungen, sich seinem gewalttätigen
Antisemitismus oder sich seinen Eroberungsplänen
anzuschließen.« Entscheidend war das, was Hitler
den Industriellen versprochen und schließlich auch
durchgesetzt hatte: »Das Ende der parlamentarischen
Demokratie und die Vernichtung der deutschen Linken.« Tooze
weiter: »Krupp und Konsorten waren willige Partner bei der
Vernichtung des politischen Pluralismus in Deutschland ... Faktisch
aber waren es die Spenden vom Februar und März 1933 gewesen,
die einen wirklich entscheidenden Beitrag leisteten.“ Am
Ende seines Buches stellt der Historiker die Frage, warum die Lobby der
deutschen »Privatwirtschaft« den
»drastischen Eingriff der Staatsmacht nach 1933«
überhaupt tolerierte, immerhin habe doch das
Großunternehmertum zuvor das
»Reformstreben« der Weimarer Republik noch massiv
behindert. Laut Tooze widersprach die »autokratische
nationalsozialistische Wende« zwar deutlich der
»internationalen Agenda« – den
Exportinteressen –, die die deutsche Privatwirtschaft
bevorzugte, doch der »autoritäre Stil«,
den Hitlers Koalition in der Innenpolitik pflegte, »gefiel
ihr dafür ausnehmend gut, nicht weniger gut als die gesunden
Profite, die seit Mitte der dreißiger Jahre auf sie
zurollten«. Wer an das Dogma glaubt,
daß die Unterstützung der Großindustrie
für Hitler ein »Mythos« sei, dem macht
Tooze deutlich, daß sie sich 1933 »dem politischen
Wandel nicht entgegen[stellte]«, wie noch »1918/19,
sondern sich Hitlers ›Nationaler Revolution‹ in
vielen entscheidenden Punkten als willfähriger
Partner« anbot. Noch im gesamten Jahr 1933 hätten
die Konservativen die Möglichkeit und die Macht gehabt, den
Hitlerspuk wieder zu beenden, wenn sie denn gewollt hätten. Ulrich
Sander aus Ossietzky Nr. 9-2013 vom 20. April
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