31.03.2013 Nie wieder 1933 – und nie wieder Krieg "Keine
wirkliche Veränderung im Lande ergab sich ohne Kampf – und
zwar nicht nur im Parlament. Neben den bestehenden Bewegungen muss auch
die Friedensbewegung wieder einen Aufschwung erleben. Wir hier arbeiten
daran." Das stellte Ulrich Sander, VVN-BdA, in seiner
Ostermarschrede am 1.4.13 auf der Ostermarschabschlusskundgebung am Wichernhaus in Dortmund fest. Ich
möchte hier im Namen der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes, Bund der Antifaschisten, ein Grußwort halten und
danke für die Gelegenheit. Unsere Organisation wurde 1946 in
Nordrheinwestfalen von 50.000 Überlebenden der Verfolgungen durch
die Nazis als überparteiliche Organisation gegründet. Sie ist
eine der ältesten Friedensorganisationen unseres Landes, und wir
waren von Anfang an bei den Ostermärschen dabei. Sie hat ca.
200.000 Unterschriften für ein NPD-Verbot gesammelt und strebt
dies Verbot weiter an. Zunächst eine erschreckende
Nachricht. Nazis durften am Ostersamstag in Dortmund ungestört
Volksverhetzung betreiben. Nachdem sich die Medien, vor allem die
„Ruhrnachrichten“, und zeitweilig viele Lokalpolitiker seit
zwei Jahren in „Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, so
der Titel einer Studie aus dem Hause von Prof. Wilhelm Heitmeyer,
übten und arme Menschen aus Osteuropa, Prostituierte und vor
allem Roma und Sinti angriffen, hielten es nun Nazigruppen für
angebracht, vor einem Haus in Dorstfeld, in dem angeblich Roma wohnen,
aufzumarschieren und gegen die Errichtung von
„Ekelhäusern“ (ein Begriff der Dortmunder Medien) und
„Überfremdung“ zu hetzen. Dies war eine Aktion der
Volksverhetzung mit Unterstützung der Polizei. Denn diese hatte
den Aufmarsch zugelassen, obwohl es seit dem Verbot von Neonazigruppen
in Dortmund im August vorigen Jahres immer wieder Versprechungen der
Polizei und des Innenministers gab, man werde die Nazis nicht zur Ruhe
kommen lassen und ihnen auf den Füßen stehen. Heute
sind es 80 Jahre her, da der große Judenboykott der an die Macht
gelangten NSDAP begann. Vor 80 Jahren haben die Nazis noch bis zu ihrer
"Machtergreifung" gewartet, bevor sie vor dem Haus des "Feindes fremden
Blutes " aufmarschierten. Heute dürfen sie es schon im
laufenden demokratischen Betrieb. Die Medien unserer Stadt
haben nicht vor diesem erschreckenden Vorgang gewarnt. Sind die vielen
Ankündigungen und antinazistischen Programme, die in Dortmund
dankenswerter Weise aufgelegt und ausgesprochen wurden, alle nur
Makulatur? Ich hoffe nicht. Allerdings eins ist geschehen: Die
Medienlandschaft hat sich nach rechts entwickelt. Seit dem 1. Februar
gibt es nur noch eine Lokalzeitung, es gibt die von der CDU
gegründete Monopolzeitung "Ruhrnachrichten", die alle Blätter
mit Nachrichten aus Dortmund versorgt. Die Anti-Roma-Haltung in der
Öffentlichkeit durchzusetzen, das war der große Versuch der
„Ruhrnachrichten“ und der trägt nun Früchte. Dank
an das Bündnis Dortmund Nazifrei, die Grünen und den
Dorstfelder Runden Tisch, die am Samstag handelten, - sonst wären
nur ein paar Versprengte wie ich dort gewesen, um den Nazis
entgegenzutreten. (Nebenbei, die Nazis nutzten unsere
Beschäftigung mit dem Friedensthema und mit dem Ostermarsch, und
deshalb haben wir ja die Losung ausgegeben, dass das Vorgehen gegen
Nazis auch immer ein Vorgehen gegen Militaristen ist. Dank also den
Grünen, die ja leider sonst nicht mehr gegen den Militarismus
antreten, dass sie am Samstag handelten.) Die Situation erfordert
den "Aufruf gegen die Gleichgültigkeit ", wie ich ihn nennen
möchte. Elie Wiesel, der Auschwitzüberlebende und
Friedens-Nobelpreisträger, hat gesagt – und ich fand es auf
einem Gedenkstein für Naziopfer in Minden: „Das Gegenteil
von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit.“ Wir
haben hier in Dortmund – und auch das muss ja gesagt werden, um
die Widersprüchlichkeit der hiesigen Stadtgesellschaft aufzuzeigen
– am Karfreitag wieder an das Schicksal derer erinnert, die kurz
vor Kriegsende ermordet wurden. Diesmal hat sich ganz ausgezeichnet
Borussia Dortmund an dieser Manifestation beteiligt. Die rund 300
Opfer, die in der Dortmunder Bittermark beigesetzt sind, waren Teil
jener 700.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Häftlinge
und Kriegsgefangenen und Deserteure, die im Frühjahr 1945 bei
Todesmärschen, Erschießungen und Massakern sterben mussten,
weil die Nazis noch über ihr Ende hinaus bestimmen wollten, wer
nach dem Krieg in der Gesellschaft mitwirken durfte und wer nicht. Wer
vor dem Mai 1945 den Opfern, den Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen
half – und das taten zum Glück einige - wurde hart bestraft.
Doch die meisten halfen nicht. Sie hatten nichts dagegen, dass die
Zwangsarbeiter nicht in die Luftschutzkeller durften, dass sie
hungerten und froren. Ich hätte am Karfreitag in der
Bittermark gern diese Worte gehört, und weil sie nicht fielen,
spreche ich sie hier aus: „Wir lesen und hören in diesen
Tagen ständig von Kriegen und von Gewalt. Auch von Kriegen, die
mit deutschen Waffen und von deutschen Soldaten geführt werden.
Das sollte nie wieder sein. Und was tun wir heute dagegen?“ Ist
es uns wirklich egal, wie es den anderen geht? Wie es den Roma aus
Osteuropa hier ergeht? Wer nicht unter Hartz IV fällt, hat
Glück gehabt. Wem keine Bomben auf den Kopf fallen, dem sind die
deutschen und die NATO-Kriege in aller Welt egal? Wir produzieren
Waffen für den Rüstungsexport, es geht ja um unsere
Arbeitsplätze. Bei anderen geht es um ihr Leben. Wir
müssen uns immer wieder das Wort der Geschwister Scholl in
Erinnerung rufen: „Zerreißt den Mantel der
Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt! Entscheidet
Euch!“ Ja, viele entscheiden sich. Es ist gut, dass sich viele Menschen bei uns immer wieder gegen die neuen Nazis entscheiden. Jahr
für Jahr kommen diese in unsere Gegend, nach Dortmund, und viel zu
viele Nazis haben sich hier bereits eingerichtet. Sie rufen „Nie
wieder Krieg“ und fügen hinzu: „... nach unserem Sieg,
dem Sieg des ‚nationalen Sozialismus’“. Sie reden von
Frieden, Antikapitalismus, ja Sozialismus. Das taten Hitler und
Goebbels auch. Es kam zum furchtbarsten aller Kriege. Zur schlimmsten
Form des Kapitalismus: Nicht nur Ausbeutung durch Arbeit, sondern
Vernichtung durch Arbeit. Es kam zur Versklavung und zum Holocaust. Ich
möchte an einem anderen Ausspruch von Elie Wiesel erinnern:
“Man muss Partei ergreifen. Neutralität hilft dem
Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den
Peiniger, niemals dem Gepeinigten.“ Schweigen wir nicht.
Ergreifen wir Partei für die Flüchtlinge, für die
Kriegsopfer in aller Welt. In diesem Jahr sind es 80 Jahre her,
da Hitler und seiner Partei die Macht übertragen wurde. Sofort
nach dieser Machtübertragung an die Naziverschwörer, so
stellte das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal im November 1945
fest, begann die geheime Aufrüstung. Schon vier Tage nach dem 30.
Januar traf sich Hitler mit den Befehlshabern des Heeres und der
Marine. Man einigte sich darauf, die „Wiedergewinnung der
militärischen Macht“ und deren Gebrauch anzugehen mit dem
Ziel der „Eroberung von Lebensraum im Osten“ und dessen
rücksichtslose „Germanisierung“ als Hauptaufgabe. Mit
„Germanisierung“ war die Ausrottung von Juden und Slawen
umschrieben. Mit den Rüstungsbossen der Industrie einigte sich
Hitler am 20. Februar 1933 darauf, dass sie ihn unterstützen und
er ihnen gewaltige Rüstungsaufträge verschafft. Und so kam es
zum grauenvollsten Krieg der Weltgeschichte. Es ist gut, dass mit
dem Fernsehfilm „Unsere Mütter, unsere Väter“
einem millionenfachen Publikum, vor allem auch jungen Menschen,
deutlich gemacht wurde, wohin diese Kriegspolitik führte und zu
welchen Verbrechen der deutsche Faschismus und Militarismus fähig
ist. Rund 60 Millionen Tote und Europa zerstört – das war
das Resultat dessen, was am 3. Februar 1933 im Gebäude der
Reichswehrführung ausgeheckt wurde. 1945 schworen sich die
Menschen: Es darf nie wieder soweit kommen! Krieg darf nie mehr sein.
Aber inzwischen wird mit deutschen Waffen wieder weltweit Krieg
geführt. Deutsche Soldaten stehen im Kriegseinsatz auf drei
Erdteilen. Unser Land ist über die NATO verbunden mit
unzähligen Kriegshandlungen. Wir sagen: Die NATO soll
aufhören, den Krieg in Syrien anzuheizen. Die koreanischen Staaten
und die USA sollen aufhören, an der Kriegseskalationsschraube zu
drehen. Von unserer Regierung verlangen wir den sofortigen Rückzug
aus Afghanistan und aus der Türkei. Der Ostermarsch begann
vor 53 Jahren als Marsch gegen die Bombe. Heute gibt es noch immer die
atomare Aufrüstung, stehen wir vor der Modernisierung der auch in
Deutschland lagernden Atombomben und vor der Neuausrüstung der
Bundeswehr mit Kampfdrohnen und neuen Raketen, mit denen
vieltausendfach den Menschen Tod und Vernichtung gebracht werden kann.
So vom NATO-Kommando Kalkar aus. Wir fordern: Schluß damit. Hat
es sich unser Kampf dennoch auch gelohnt? Ja, oft errangen wir die
Meinungsmehrheit. Die Kanzlerin Angela Merkel führte vor drei
Jahren aus, sie sei zutiefst davon überzeugt, dass es richtig ist,
„dass wir eine repräsentative Demokratie und keine
plebiszitäre Demokratie haben“, denn: „all die
großen Entscheidungen“ hatten “keine demoskopische
Mehrheit (…), als sie gefällt wurden“: so die
Marktwirtschaft und der Euro, „die Wiederbewaffnung, der
NATO-Doppelbeschluß (…) und auch die zunehmende
Übernahme von Verantwortung durch die Bundeswehr in der Welt
– fast alle diese Entscheidungen sind gegen die Mehrheit der
Deutschen erfolgt.“[1] Merkels Äußerung macht
ihr zynisches Verhältnis zur Meinung der Bevölkerung
deutlich. Demokratie? Keine Spur. Solchen Politikerinnen und Politikern
geht es nur darum, die Macht zu erringen und mit List und
Täuschung ihre Politik durchzusetzen. Jetzt erleben wir dieselbe
Praxis. Die CDU will die Entscheidung über die Beschaffung von
Kampfdrohnen bis nach der Bundestagswahl verschieben, denn derzeit ist
eine übergroße Mehrheit in unserer Bevölkerung gegen
diese Massenmordinstrumente. Und nach der Wahl soll dann „gegen
die Mehrheit der Deutschen“ (Merkel) gehandelt werden. Die
Politik dieser Regierung bringt anderen Völkern mit der Bundeswehr
und mit der NATO Tod und Vernichtung, zumindest aber mittels der EU
Armut und noch mehr Ausbeutung. Und daher ist unsere Opposition
unerlässlich. Keine wirkliche Veränderung im Lande ergab sich
ohne Kampf – und zwar nicht nur im Parlament. Neben den
bestehenden Bewegungen muss auch die Friedensbewegung wieder einen
Aufschwung erleben. Wir hier arbeiten daran. Allerdings ist die
Friedensbewegung infolge der Wirtschaftskrise ebenfalls in
Schwierigkeiten. Die Tatsache der anhaltenden Arbeitslosigkeit und
sozialen Not sogar jener, die in Arbeit stehen, macht es den
Rüstungsbefürwortern leichter, Soldatinnen und Soldaten
fürs Kriegshandwerk anzuwerben und die Rüstungsindustrie in
Gang zu halten. Besonders die Jugend ist den Anwerbeversuchen
ausgesetzt. Dem stellen wir uns entgegen. Wir brauchen Abrüstung
und Konversion, statt immer mehr Rüstungsexport und Entsendung von
Truppen in alle Welt. Wer rüstet, kann auch daran zugrunde gehen. Wir
brauchen eine Gewerkschaftsbewegung als Teil der Friedensbewegung und
keinen Kriegspakt des DGB mit der Bundeswehr. Wenn die Gewerkschaften
nicht aufpassen, dann werden sie schon bald an ihren sozialen
Kämpfen durch Streikbruch und bewaffnete Bundeswehreinsätze
im Innern gehindert, die von rechten Reservisten besorgt werden. Wir
sagen: Diesem Kriegssystem darf sich kein Kollege und keine Kollegin
beugen. Und hinsichtlich der Schulen und Hochschulen sagen wir: Kein
Werber fürs Töten und Sterben. Zu den wirkungsvollen
Bewegungen im Lande gehört Gott sei Dank die antifaschistische.
Überall treten die Menschen den Nazis und Rassisten entgegen. Die
Untätigkeit der Behörden im Umgang mit den gewalttätigen
Faschisten, wenn nicht Mithilfe der Behörden bei den
Naziaktivitäten wie die NSU-Verbrechen, empört uns alle sehr
– und es entwickelt sich der Protest, oft unter dem Motto
„Bunt statt braun“. Wie ich schon sagte: Wir sind jedoch
nicht nur Nazigegner, sondern auch Kriegsgegner. Wir fordern: Bunt
statt braun und olivgrün! Tragen wir dieses Motto auch am 1. Mai
und am 1. September wieder auf die Straße, und wehren wir uns
gegen die Nazis und die Kriegstreiber. Nie wieder Krieg und nie wieder
Faschismus! An dieser Losung von 1945 halten wir fest. [1]
Angela Merkel: Rede zur Vorstellung des „Allensbacher Jahrbuchs
der Demoskopie ‚DieBerliner Republik’“, 2010.
Sie hat noch andere kriegstreiberische Reden gehalten z.B. ihre Rede
auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2004 “Um die Politik
anderer Nationen zu beeinflussen, um den Interessen und Werten der
eigenen Nation zu dienen, müssen alle Mittel in Betracht gezogen
werden, von freundlichen Worten bis zu Marschflugkörpern.“ |