13.03.2013 (aktualisiert 17.03.13) Bundeswehr und DGB: Antwort des Gewerkschaftsbundes und Entgegnung darauf – Gegen die Militarisierung der Gewerkschaften Der
Bundessprecher der VVN-BdA Ulrich Sander erklärte nach dem
gemeinsamen Auftritt des DGB und der Bundeswehrführung: Ich habe
mir das Video mit Sommer und de Maiziére nun angesehen und
angehört. Ich fand die ganze Sache gruselig - auch in ihrer
Beiläufigkeit. Aber nach dem Positionspapier der IG Metall zur
Rüstungsproduktion ("Kriege wird es weiter geben"), nach dem
Schweigen des DGB zur Kampfdrohnenfrage und zum Einsatz der Bundeswehr
im Inneren, zur Reservistenfrage, zur Beförderung des
Massenmörders Georg Klein zum General - da war wohl leider nichts
anderes zu erwarten!? Sommer sagte, der DGB habe 1981 zuletzt eine Erklärung
zur Bundeswehr abgegeben, nun sei es wieder mal Zeit. Schon jetzt
könne er sagen: Es gäbe keine Differenzen mehr. Und dies,
obwohl die Bundeswehr seit 1999 illegale Kriege führt. Und die
Erklärungen zum Antikriegstag - die sind dann alle Makulatur? Eine VVN-BdA-Erklärung lautet: Appell an die Gewerkschaften: Keine Unterstützung von Rüstung und Krieg! Die
VVN/BdA teilt die Kritik von Friedensgruppen an der zunehmenden
Vereinnahmung friedenspolitischer Begriffe durch Vertreter
kriegerischer „Konfliktlösungen“. Die bei einem
Treffen mit dem DGB-Bundesvorstand am 5. Februar 2013
abgegebene Erklärung von Minister de Maiziére, die
Bundeswehr sei Teil der Friedensbewegung, ist blanker Zynismus. Wir
sehen das Streben des DGB nach einer engeren Zusammenarbeit mit der
Bundeswehr als einen großen Rückschritt an, der in krassem
Widerspruch zu dem starken Engagement der Gewerkschaften für
Frieden, Abrüstung und Demokratie steht. Das Bemühen der
Gewerkschaften um Erhaltung und Ausbau von Arbeitsplätzen darf
nicht zur Rechtfertigung der Rüstungsindustrie und der
Kriegspolitik führen. Gerade das aktuelle Streben der Regierung
nach Kampfdrohnen und noch mehr Rüstungsexport hätten den DGB
nachdenklich machen müssen. In Kauf zu nehmen, dass auch in
Zukunft Waffen an menschenrechtsverletzende Regime wie u.a.
Saudi-Arabien exportiert werden, stellt das Thema Arbeitsplätze
über jegliche moralische Verantwortung! Vielmehr muss die
Forderung nachAbrüstung und Konversion der Rüstungsproduktion wieder belebt werden. Bundesausschuss der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten - Magdeburg, den 10. Februar 2013 Der DGB-Bundesvorstand antwortete durch den Abteilungsleiter Konrad Klingenburg: Lieber Kollege Sander, für dein Schreiben an Michael Sommer danke ich dir. Ich will dir in seinem Namen antworten. Zunächst
einmal ist es sicherlich so, dass der Besuch des
Bundesverteidigungsministers im DGB-Bundesvorstand überraschend
sein mag - er ist aber auch nur auf den ersten Blick ungewöhnlich.
Denn erstens hat es bereits früher Gespräche des
DGB-Bundesvorstandes mit den Vorgängern von Herrn de Maiziere
gegeben. Auch wenn es seit dem letzten Gespräch eines
Verteidigungsministers mit dem Bundesvorstand eine lange Pause gegeben
hat. Und zweitens ist die Bundeswehr einer der größten
Arbeitgeber der Bundesrepublik- dort sind zahlreiche
Zivilbeschäftigte sowie Soldatinnen und Soldaten in einer
DGB-Gewerkschaft organisiert. Und der DGB hat die Interessen aller
seiner Mitglieder, aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zu
vertreten und diese nicht in gute oder schlechte zu unterteilen. Das
Gespräch hat nur eine Woche nach dem 80. Jahrestag der
Machtergreifung der Nationalsozialisten stattgefunden und wir haben den
Minister mit allem Nachdruck daran erinnert, dass die tiefe Verankerung
der Streitkräfte in der Gesellschaft auch eine Lebensversicherung
der Demokratie ist. Mit dem „Staat im Staat" haben wir sehr
schlechte Erfahrungen gemacht. Der Staatsbürger in Uniform, die
„innere Führung", beide haben keine lange Tradition in
unserer Geschichte. Und da der DGB schon seit Jahrzehnten eine klare
Position hat, die die Bundeswehr als Teil unserer Gesellschaft und
Demokratie anerkennt, müssen wir diese Errungenschaften gemeinsam
erhalten und gegen die Feinde der Demokratie immer wieder verteidigen.
Das bedeutet übrigens auch, dass Soldatinnen und Soldaten sich
gewerkschaftlich organisieren, ihre staatsbürgerlichen Rechte
offensiv wahrnehmen und hierzu von ihrem Arbeitgeber ermuntert werden.
Bei diesen Themen ist der Minister mit uns einer Meinung. Das gilt auch
und besonders für die Bekämpfung rechtsradikaler Umtriebe in
der Bundeswehr. Natürlich geht es bei aktuellen Themen zum
Teil auch sehr kontrovers zu, z.B. bei den Auslandseinsätzen oder
auch der Bundeswehr-Reform. Der DGB war immer Kritiker des
Afghanistan-Einsatzes, umgekehrt aber immer ein Verfechter der
Wehrpflicht - beides wird von vielen Kolleginnen und Kollegen im DGB
geteilt - nicht zuletzt während der Beratungen auf dem letzten
DGB-Bundeskongress. Und dazu haben wir eine klare und eindeutige
Beschlusslage, die nicht durch ein Gespräch verändert wird. Als
Interessenvertretung der arbeitenden Menschen müssen wir bei der
Reform der Streitkräfte vor allem an Standortschließungen
und deren massive Auswirkungen gerade in strukturschwachen Regionen
denken. Hier geht es um die Schicksale vieler Menschen, auch vieler
unserer Mitglieder, um ihre Zukunftsperspektiven und Lebensplanung.
Sollen wir uns anmaßen sie weniger ernst zu nehmen, nur weil sie
als Beschäftigte bei der Bundeswehr arbeiten? In den
vergangenen Monaten sind aber auch viele Themen in den Vordergrund
gerückt, die wir in einer sehr konstruktiven Atmosphäre
bereden konnten, weil wir Menschen helfen wollen, die unsere Hilfe
nötig haben. Es geht hier z.B. um die Integration von
ausscheidenden Soldatinnen und Soldaten in den Arbeitsmarkt. Das ist
gewerkschaftliches Kerngeschäft, denn es geht um Qualifizierung
und die Integration von Beschäftigten, die schon ein gewisses
Lebensalter erreicht haben und die dringend gebraucht werden in einer
Zeit, in der das ganze Land über Fachleutemangel diskutiert. Und
noch ein anderer Punkt: die Entscheidung über
Auslandseinsätze hat der Bundestag gefällt. Sollen wir nun
die Menschen bestrafen, die die Umsetzung dieser Beschlüsse zu
leisten haben? Oder sollen wir ihnen dabei helfen, mit den Folgen der
Auslandseinsätze besser zu Recht zu kommen? Wenn wir von
Belastungen im Job reden - dann auch und gerade in diesem Zusammenhang.
Denn der Anteil der bei Auslandseinsätzen geschädigten
Soldatinnen und Soldaten, Polizistinnen und Polizisten sowie im Ausland
eingesetzten Zivilbeschäftigten (von Firmen, an die die Bundeswehr
Aufgaben outgesourct hat) liegt zwischen 5 und 10 Prozent aller
Eingesetzten. Wir reden hier also auch hier über Tausende Menschen
und ihre Familien. Darunter sind wegen der sich verändernden
Struktur der Einsätze immer mehr Zivilbeschäftigte. Unter
dem Strich bleibt, dass es gerade auch aus gewerkschaftlicher Sicht
wichtig ist, das Gespräch mit dem Bundesverteidigungsminister zu
suchen. Reden heißt nicht automatisch nach dem Mund reden. Und
wie sollten wir gerade jemanden für unsere Themen gewinnen, der
nicht immer unserer Meinung ist, wenn wir nicht mit ihm sprechen? Wir
geben dabei keinen Millimeter Grundpositionen und unserer
Überzeugungen auf. Und es bleibt dabei, dass gerade der DGB seine
Lektionen aus zwei Weltkriegen und dem Faschismus gelernt hat. Die
wichtigste Lektion heißt Einheit und nie wieder Spaltung der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Konrad Klingenburg Abteilungsleiter Grundsatzangelegenheiten und Gesellschaftspolitik Antwort von Ulrich Sander: An den DGB-Bundesvorstand 17.3.13 Lieber Kollege Konrad Klingenburg, herzlichen
Dank für Deinen Brief, mit dem Du Stellung nimmst zu meinem
Protest gegen die propagandistische Gemeinschaftsaktion DGB/Bundeswehr,
wie sie sich im Treffen von Anfang Februar 2013 ausdrückte. Ich
bitte Dich, folgende Überlegungen auch dem Kollegen Michael
Sommer zu unterbreiten. Ja, es hat schon früher
Gespräche des DGB-Bundesvorstandes mit dem
Bundesverteidigungsminister gegeben. Das letzte fand zu Zeiten
statt, da ein SPD-Mann das Amt bekleidete und die Bundeswehr nicht in
Kriegseinsätzen war. Es galt das Grundgesetz und seine strikte
Einhaltung: Keine Einsätze außerhalb des Rahmens, den das
Grundgesetz zulässt. Also Einsätze nur zur Verteidigung und
Verbot aller Angriffskriege. Auch damals war die Bundeswehr einer
der größten Arbeitgeber der Bundesrepublik. Es war
richtig, dass die Gewerkschaften sich für die sozialen und
politischen Rechte und Belange der Soldaten und Angestellten der BW
einsetzten. Heute trifft dies nicht mehr im gleichen Maße zu.
Warum soll sich der DGB zum Beispiel dafür einsetzen, dass
Mörder und Gesetzesbrecher wie Georg Klein
ordnungsgemäß befördert werden? Welche Rechte einer
Besatzung für Drohneneinsätze sind zu schützen, die aus
der Ferne Tod und Vernichtung über unschuldige Menschen
ausbreiten? Die einzigen Hilfestellungen, die die Gewerkschaften heute
den Soldaten geben sollten, sind die, die nötig werden, wenn der
Soldat endlich aussteigen will aus seinem mörderischen
Geschäft. Man sollte ihm helfen, gesetzeswidrige Befehle
abzulehnen - und nicht helfen, diese Befehle umzusetzen. Auf
einer Friedenstagung in Heidelberg berichtete eine Psychologengruppe
für den Frieden, dass die Bundeswehr wegen posttraumatischer
Belastungsstörungen vieler Soldaten in Kreisen der
Psychotherapeuten wirbt, dabei jedoch verlangt, es dürften sich
nur Personen melden, die eine positive Haltung zur Bundeswehr haben.
Das empörte die Gruppe. Sie fragte: Was würde man davon
halten, wenn die Ärzteschaft zur Behandlung von Alkoholikern nur
alkoholkranke Ärzte heranließe? Auch die gewerkschaftliche
Betreuung soll die Bundeswehrangehörigen zur Kriegsführung
befähigen und Krieg nicht infrage stellen. Kann das richtig sein? Was
haben unsere “Staatsbürger in Uniform” in anderen
Ländern zu suchen? Entsprechend den Appellen des DGB zu den
Antikriegstagen 1. September, die man immer wieder bekräftigen
sollte, sind die Soldatinnen und Soldaten schnellstens aus den
Auslandseinsätzen zurückzuholen. Was soll
die Phrase von der “tiefen Verankerung der Streitkräfte
in der Gesellschaft” als “Lebensversicherung der
Demokratie”? Die beste Lebensversicherung der Demokratie ist
– auch mit dem Blick auf Lehren aus 1933 – die
Abrüstung, die Einhaltung der UNO-Charta, die Beschränkung
des Wehrbeitrages auf die Grundlagen des Grundgesetzes. Das sind die
Lehren von 1933 wie von 1945. Ich bin schon fast so lange
Gewerkschaftsmitglied wie es eine Bundeswehr gibt, ich habe das Auf und
Ab der gewerkschaftlichen Wehrdebatten miterlebt. Wenn von Tradition
die Rede ist, dann gilt es an den Widerstand der Gewerkschaften gegen
die Wiederbewaffnung anzuknüpfen, an den Kampf gegen die
“Nachrüstung” - und eine solche steht ja schon wieder
bevor mittels neuen Raketensystemen und Kampfdrohnen. “Nie wieder
Krieg, nie wieder Faschismus” war die Losung auch der
Gewerkschaftsbewegung - und die Wiederherstellung der alten Besitz- und
Machtverhältnisse wurde von den Gewerkschaften konstatiert, aber
auch bekämpft. An diese Traditionen gilt es anzuknüpfen. Ausdrücklich
möchte ich betonen, dass ich Deine Bemerkungen über die
Notwendigkeit der “Bekämpfung rechtsradikaler Umtriebe in
der Bundeswehr” richtig finde. Zum Thema habe ich zwei
Bücher geschrieben und darin die Rolle des DGB in dieser Hinsicht
hervorgehoben. Heute kann diese Aufgabe gar nicht genug betont werden,
denn mit der Transformation der Bundeswehr in eine Armee im Einsatz
erhielten die Reservisten einen besonderen Stellenwert, - auch solche,
die unter starkem Einfluss von Rechts stehen. Sie versuchen die
Zivilmilitärische Zusammenarbeit zu instrumentalisieren. Diese
ZMZ-Kommandos spielen eine besondere Rolle bei der
Streikbekämpfung und beim Einsatz der Bundeswehr gegen den
“inneren Feind”. Dazu schweigst Du in Deinem Brief. Wurden
dem Bundesverteidigungsminister wirklich keine Vorhaltungen gemacht
wegen - der geplanten Einsätze im Innern?
- der bevorstehenden Beschaffung von Kampfdrohnen?
- dem
geplanten Raketenschirm, der Deutschland zum Auslöser von neuen
furchtbaren Kriegen machen kann (übrigens auch solchen gegen unser
Land)?
Du schreibst: “Natürlich geht es bei
aktuellen Themen zum Teil auch sehr kontrovers zu, z.B. bei den
Auslandseinsätzen oder auch der Bundeswehr-Reform.” Davon
hat man aber in der gemeinsamen Pressekonferenz nichts bemerkt. “Der
DGB war ... immer ein Verfechter der Wehrpflicht”? Der DGB
hat die Einführung der Wehrpflicht bekämpft. Die Aussetzung
der Wehrpflicht ändert nichts am Charakter der Bundeswehr, wie er
sich seit dem Krieg gegen Serbien 1999 herausbildete. Hier muss unsere
Kritik als Friedensbewegung – und dazu gehört der DGB, nicht
aber die Bundeswehr! – ansetzen. “Als
Interessenvertretung der arbeitenden Menschen müssen wir bei der
Reform der Streitkräfte vor allem an Standortschließungen
und deren massive Auswirkungen gerade in strukturschwachen
Regionen denken.” Was soll das denn? Um der
Arbeitsplätze willen muss doch nicht jedes mörderische
Geschäft unterstützt werden. Warum sprichst Du nicht von der
Notwendigkeit der Rüstungskonversion, sowohl der Konversion der
Rüstungsbetriebe wie auch der von mit Streitkräften
übersäten Gebiete. Es gibt doch Alternativen, für die zu
kämpfen sich lohnt. Ja, “hier geht es um die
Schicksale vieler Menschen, auch vieler unserer Mitglieder, um ihre
Zukunftsperspektiven und Lebensplanung.” Das gilt doch auch
für die Menschen in den Einsatzländern. Die mit deutschen
Waffen und von deutschem Boden aus ums Leben gebrachten Menschen, sind
die nicht auch schützenswert, auch wenn sie nicht dem DGB
angehören, nicht angehören können? Die
Entscheidung über Auslandseinsätze hat der Bundestag
gefällt, schreibst Du. Dabei wird übersehen, dass immer mehr
Entscheidungen klammheimlich durch das Ministerium und die NATO
eingeleitet werden; es werden also auch die formalen Regeln nicht
eingehalten. Sollten wir nicht den Soldaten dahingehend helfen, dass
wir sie auffordern mitzukämpfen gegen die Auslandseinsätze,
für die Einhaltung des Grundgesetzes? “Wenn wir von
Belastungen im Job reden - dann auch und gerade in diesem
Zusammenhang”, schreibst Du. Der Job heißt töten. Man
kann den Belastungen entkommen, wenn man sich dem Krieg verweigert! “Und
es bleibt dabei, dass gerade der DGB seine Lektionen aus zwei
Weltkriegen und dem Faschismus gelernt hat. Die wichtigste Lektion
heißt Einheit und nie wieder Spaltung der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer.” Sehr richtig. Und deshalb: Nie wieder Krieg,
nie wieder Faschismus, dafür die Verteidigung der Demokratie auch
gegen den Milita rismus. Unser Land muss entmilitarisiert werden
– und nicht der DGB militarisiert. Mit antifaschistischen und Friedensgrüßen Ulrich Sander PS.
Wir hatten auf dem letzten Treffen der Friedensbewegung mit der
Bundestagsfraktion der Partei Die Linken vor einem Jahr einen
Mordskrach, weil die Fraktion einen interfraktionellen Antrag zur
besseren Versorgung der Soldaten im Einsatz mit Handys bezüglich
der Telefonkosten (Zuschuss) unterstützt hat. Die Versammlung
spaltete sich. Ich schlug vor, künftig so zu verfahren: Man
unterstützt den Antrag und gibt eine Erklärung ab: Lieber
Mütter, Väter, Bräute, Ehefrauen der Soldaten - es wird
nun billiger zu telefonieren mit den Soldaten. Nun ruft ihn an und sagt
ihm a) er soll das Gebot Du sollst nicht töten beachten und b)
nach Hause kommen und mit dem Militär Schluss machen. Die Fraktion
versprach, künftig so zu verfahren. Der Versammlung stimmte zu.
Vielleicht kann es der DGB ähnlich machen? |