23.01.2013 "Eine immerwährende
Auseinandersetzung" - Katalogbuch der Gedenkhalle Oberhausen Das Katalogbuch zur neugestalteten Gedenkhalle
Oberhausen enthält auch eine Würdigung des
langjährigen Wirkens der VVN. "Eine
immerwährende Auseinandersetzung - Erinnerungskultur und ihre
Akteure seit den 1980er Jahren". So ist der Beitrag von Michael Sturm
überschrieben. Die VVN-BdA NRW darf hiermit diesen Beitrag im
Katalogbuch zum 50. Jahrstag der Gedenkhalle Oberhausen
veröffentlichen. Er ist u.a. das Ergebnis
von Gesprächen mit älteren Antifaschisten und
VVN-Aktivisten aus Oberhausen. Michael Sturm, 39, arbeitet in
der "Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus und für
Demokratie" - kurz: Mobim. Sie gehört zu einem bundesweiten
Netzwerk gegen Rechts und ist untergebracht in der Villa ten Hompel,
einer ehemaligen Fabrikantenvilla in Münsters Osten. Sie wurde
ab 1940 von der Ordnungspolizei genutzt. Wo Nazi-Schergen
früher die Wachmannschaften für Deportationen
organisierten, wird heute gegen Rechts und für Demokratie
gearbeitet. Wir danken der Leitung der Gedenkhalle Oberhausen
(Anschrift: Gedenkhalle-Bunkermuseum[at]oberhausen[dot]de)
und dem Autor für die Genehmigung der Wiedergabe. Michael Sturm „Eine
immerwährende Auseinandersetzung“ Erinnerungskultur in Oberhausen
und ihre Akteure seit den 1980er Jahren „Wir
leben nicht nur in Oberhausen, wir leben auch in der Geschichte, in ihr
ist das Vergangene nicht tot, auch wenn wir es noch so oft gleichsam
von uns abtrennen und uns als fremd geworden vorstellen.“
Diese Worte stellte Joseph Rossaint, Bundesvorsitzender der Vereinigung
der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) [Der
Landesverband der VVN in NRW wurde im Oktober 1946 in
Düsseldorf gegründet. Der Bundesverband entstand im
Jahr 1947. Die Erweiterung zur Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes – Bund der Antifaschisten erfolgte im Jahr 1971.
Im Folgenden wird aus pragmatischen Gründen nur die
Abkürzung VVN verwendet; einen chronologischen Abriss der
Geschichte der VVN in Nordrhein-Westfalen bietet: Horst
Vermöhlen/Manfred Demmer/Günter Judick, 50 Jahre VVN
NRW. Zur Geschichte der VVN in Nordrhein-Westfalen (Mansukript,
erschienen anlässlich des 50. Gründungstages der
VVN-BdA in NRW, 1996); abrufbar unter:
http://www.nrw.vvn-bda.de/bilder/geschichte_vvn_nrw_50_jahre.pdf]
seiner Ansprache voran, die er am Vormittag des 9. November 1988 in der
Gedenkhalle vor einem dicht gedrängten Publikum hielt. Den
unmittelbaren Anlass bildete der 50. Jahrestag der Pogromnacht vom 9.
November 1938, dem sich auch an anderen Orten in der Bundesrepublik
zahlreiche Gedenkveranstaltungen widmeten. Mit der Eröffnung
der Dauerausstellung „Widerstand und Verfolgung
1933-1945“ in der Gedenkhalle erhielt das Datum in Oberhausen
jedoch eine besondere Bedeutung. In seiner Rede kritisierte der
86jährige ehemalige katholische Priester, der 1936 von der
Gestapo verhaftet und im „Berliner
Katholikenprozess“ wegen „Vorbereitung zum
Hochverrat“ zu elf Jahren Zuchthaus verurteilt worden war,
vor allem den aus seiner Sicht fragwürdigen Umgang mit der
NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik. So beklagte Rossaint eine
personelle, strukturelle und ökonomische Restauration im
Kontext des Kalten Krieges nach 1945, die „Beutemacher und
Sklavenhalter von einst, die an der Arisierung und
Ausplünderung im Osten Vermögen angesammelt
hatten“ wieder in einflussreiche Positionen gebracht habe. Es
gelte daher „unter die oberflächliche
Decke“ zu schauen und in „der ganzen Breite und
Tiefe“ der Ereignisse zu erinnern, um nicht
„historische Perioden […] buchstäblich
begraben“. Mit Blick auf die neugestaltete Dauerausstellung
in der Gedenkhalle plädierte Rossaint dafür,
„aufrüttelnde Instrumente, Stätten der
Erinnerung und der Mahnung“ [Rede von Kaplan Dr. J.C.
Rossaint, abgedruckt in: Stadt Oberhausen (Hg.), Der 9. November 1988
in Oberhausen – Eine Dokumentation, Oberhausen 1988, S.
9-14.] einzurichten, die über die NS-Zeit hinausweisende
gesellschaftskritische Funktionen erfüllen sollten. Ähnlich
argumentierte Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond in
seiner Ansprache. Er warnte davor, den Nationalsozialismus als
„Betriebsunfall in der deutschen Geschichte“
darzustellen und hob die Bedeutung lokal- und alltagsgeschichtlicher
Ansätze hervor. Die Ausstellung in der Gedenkhalle sei ein
Angebot an Oberhausener Schulen, „den Geschichtsunterricht
zum antifaschistischen Widerstand mit lokalhistorischen Inhalten zu
füllen. […] Denn Geschichte ist ja nicht nur die
Geschichte von großen Staatsaktionen, sondern auch ein Teil
der eigenen Identität“. [Eröffnungsrede des
Oberbürgermeisters van den Mond, in: Ebenda, S. 5-8.] In
den Medien erzielte die Gedenk- und Eröffnungsveranstaltung
eine äußerst positive Resonanz. Auch die neu
gestaltete Gedenkhalle erfuhr breite Anerkennung – nicht
zuletzt durch den großen Raum, den die Darstellung
widerständigen Handelns unterschiedlicher Gruppen und
Einzelpersonen gegen das NS-Regime in Oberhausen einnahm. Die
Ausstellung sei demnach ein „Symbol für den
unabdingbaren Mut zum aktiven Widerstand gegen jedweden
Faschismus“. Positiv hervorgehoben wurde ebenso, dass in der
Gedenkhalle nicht nur Opfer, „sondern auch Oberhausener
Täter und Mittäter beim Namen“ genannt
wurden. [Vgl. WAZ vom 9.11.1988.] Die Ausstellungsmacher betonten hier
vor allem die Verantwortung der Schwerindustrie an Rhein und Ruhr
für den Aufstieg der NS-Bewegung. Der auf eine Stellwand
aufgedruckte Slogan „Faschismus kommt nicht über
Nacht …er wird vom Kapital gemacht“ brachte diese
kapitalismuskritischen Deutung des Nationalsozialismus plakativ zum
Ausdruck. Der Charakter der Veranstaltung in der
Gedenkhalle am 9. November 1988 wie auch die inhaltliche Gestaltung der
Dauerausstellung „Widerstand und Verfolgung“ waren
keineswegs untypisch für die Formen und den Gestus, die das
Gedenken an die Verbrechen und die Opfer des Nationalsozialismus an
zahlreichen Orten während der 1980er Jahre kennzeichneten. So
waren auch in Oberhausen die erinnerungskulturellen
Auseinandersetzungen mit der NS-Zeit stark von alltags- und
sozialgeschichtlichen Ansätzen geprägt, die sich seit
Mitte der 1970er Jahre im Kontext der Neuen Sozialen Bewegungen oftmals
in Abgrenzung zur universitären Geschichtswissenschaft
entwickelt hatten. Das vom schwedischen Historiker Sven Lindqvist
formulierte Postulat „Grabe, wo du stehst“
avancierte zum Selbstverständnis lokaler und regionaler
Geschichtsinitiativen, die sich daran machten, in
gesellschaftskritischer Perspektive der
„großen“, gleichsam
„herrschenden“ Geschichte alternative
Erzählungen „von unten“ entgegenzusetzen. Im
Hinblick auf den Nationalsozialismus rückte vor allem
widerständiges und unangepasstes Verhalten gegenüber
dem Regime in den Fokus des Interesses. Besondere Aufmerksamkeit
richtete sich dabei zunächst auf den in der Bundesrepublik im
Zuge der Blockkonfrontation über Jahrzehnte hinweg
beschwiegenen Widerstand aus der kommunistischen bzw. sozialistischen
Arbeiterbewegung. Die Ausstellungen in den NS-Gedenkstätten,
die seit dem Beginn der 1980er entstanden, firmierten daher nicht
selten unter dem Motto „Widerstand und Verfolgung“
– so beispielsweise in der Alten Synagoge in Essen (1980), in
der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf (1987) oder in
der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache in Dortmund (1992).
[Vgl. zur Geschichte der Gedenkstätten in NRW: Wege des
Gedenkens. Erinnerungsorte an den Nationalsozialismus in
Nordrhein-Westfalen ; Lotta Sonderausgabe der antifaschistischen
Zeitung aus NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen Nr. 42 (2011); Alfons
Kenkmann, Erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus – Zur
Tradition der Gedenkstättenarbeit, in: Stefan Goch/Karsten
Rudolph (Hg.), Wandel hat eine Heimat: Nordrhein-Westfalen in
Geschichte und Gegenwart, Oberhausen 2008, S. 308-316.] Hier wie auch
anderswo war es in erster Linie das beharrliche Engagement von
Geschichtsinitiativen und Opferverbänden wie der VVN gewesen,
das den Anstoß zur Einrichtung der Erinnerungsorte gegeben
hatte. Diese Feststellung gilt auch für die Neugestaltung der
Dauerausstellung in Oberhausen, obgleich die Gedenkhalle bereits im
Jahr 1962 auf maßgebliche Initiative der damaligen
Oberbürgerbürgermeisterin Luise Albertz
eröffnet worden war. [Vgl. zur Gründungsgeschichte
der Gedenkhalle den Beitrag von Alfons Kenkmann in diesem Band; ebenso:
Clemens Heinrichs, Die Gedenkhalle am Schloss Oberhausen, in:
Schichtwechsel. Journal für die Geschichte Oberhausens 1/2006,
S. 38f.] Ein Unterschied bestand jedoch in der
Beobachtung, dass in Oberhausen Kontroversen um die inhaltliche
Ausrichtung der Gedenkstätte offenkundig weniger hitzig
geführt wurden. An anderen Orten entbrannten oftmals
jahrelange Auseinandersetzungen, in deren Verlauf sich die
Protagonisten einer kritischen Erinnerungskultur nicht selten mit dem
Vorwurf der „Nestbeschmutzung“ konfrontiert sahen.
Bisweilen gerieten Teilnehmer und Initiatoren von Gedenkveranstaltungen
sogar ins Visier von Polizei und Verfassungsschutz. [Vgl. Carsten
Seichter, Nach der Befreiung. Die Nachkriegs- und Rezeptionsgeschichte
des Kriegsgefangenenlagers Stukenbrock, Köln 2006.] In
Oberhausen hingegen schienen derartige, von den Mustern des Kalten
Krieges geprägte Konfliktfelder zumindest in den
geschichtspolitischen Auseinandersetzungen eine eher untergeordnete
Rolle zu spielen. Hier avancierte besonders seit den 1980er Jahren der
Kreisverband der VVN zu einem oftmals unbequemen, gleichwohl aber
weithin geschätzten erinnerungskulturellen Akteur, der an der
Neugestaltung der Gedenkhalle ebenso beteiligt war wie an den in den
frühen 1990er Jahren einsetzenden Diskussionen um die
Dimensionen des Zwangsarbeitereinsatzes in der Stadt während
der NS-Zeit. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die
für die Erinnerungskultur in Oberhausen bedeutsamen
Entwicklungslinien seit den 1970er Jahren zu skizzieren. Wer waren
deren Protagonisten? Welche politisch-kulturellen Umstände und
Konstellationen trugen dazu bei, dass das Ringen um den angemessenen
Umgang mit der Vergangenheit, in Oberhausen offenkundig weniger
polarisierende Formen annahm als andernorts? Damit
soll keinesfalls die Geschichte der Oberhausener Erinnerungskultur als
„Erfolgsstory“ beschrieben werden. Schuldabwehr,
Ignoranz und „kommunikatives Beschweigen“ der
NS-Vergangenheit waren auch hier zu beobachten. Die wechselnde
Bedeutung, die der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus im
städtischen Gedächtnis zukam, spiegelte sich in der
unterschiedlichen Wertschätzung, die die Gedenkhalle
über die Jahrzehnte hinweg erfuhr. Vielmehr soll es darum
gehen, die Periodisierungen und Topoi, mit denen seit einiger Zeit in
übergreifender Perspektive die „zweite Geschichte
des Nationalsozialismus“ vermessen wird, am lokalen Beispiel
zu konkretisieren. Phasen
des Umgangs mit der NS-Vergangenheit Die
öffentliche Auseinandersetzung mit der NS-Zeit in der
Bundesrepublik lässt sich holzschnittartig in fünf
Etappen unterteilen. War die unmittelbare Nachkriegszeit noch von
Entnazifizierungsbemühungen der Alliierten und ersten
Denkmalsetzungen für die Opfer des Nationalsozialismus durch
ehemalige Verfolgte des Regimes geprägt, folgte besonders
während der 1950er Jahre im Kontext des Kalten Krieges eine
Phase intensiver „Vergangenheitspolitik“,
die auf eine „Bewältigung der
NS-Bewältigung“ abzielte und sich stichwortartig mit
den Begriffen, „Amnestie“,
„Integration“ und „normative
Abgrenzung“ (vom NS-Regime) zusammenfassen lässt.
[Vgl. Norbert Frei: Vergangenheitspolitik, Die Anfänge der
Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit, München 1996.] Die
öffentliche Erinnerung an die Verbrechen des
Nationalsozialismus rückte in den Hintergrund und wurde von
selbstviktimisierenden Erzählungen überlagert, die um
die Toten des Luftkriegs, die Flüchtlinge und Vertriebenen aus
den ehemaligen deutschen Ostgebieten oder um das Schicksal der
deutschen Kriegsgefangenen kreisten. Der in dieser
Phase vielfach herbeigesehnte Schlussstrich unter die Vergangenheit
blieb indessen aus. Der Eichmann-Prozess in Jerusalem (1961) und der
Frankfurter Auschwitz-Prozess (1963-1965) machten eine
größere Öffentlichkeit auf die Dimensionen
nationalsozialistischen Verbrechen aufmerksam. Die dramatische Zunahme
extrem rechter und antisemitischer Aktivitäten 1959/60,
besonders in Nordrhein-Westfalen, förderte die
„Rückkehr der NS-Vergangenheit“ in die
geschichts- und vergangenheitspolitischen Diskurse. Zudem wurden
Stimmen laut, die historisch-politische Bildung zur Geschichte des
Nationalsozialismus zu verstärken. In diesem
größeren Zusammenhang ist auch die
Eröffnung der Gedenkhalle in Oberhausen am 1. September 1962
zu sehen, die jedoch für gut zwei Jahrzehnte die einzige
Gedenkstätte im bevölkerungsreichsten Bundesland
bleiben sollte. Die politisch-kulturellen
Umbrüche der späten 1960er Jahre hatten
zunächst nur geringe Auswirkungen auf die
erinnerungskulturelle Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus. Das
Interesse und die Empathie für dessen Opfer blieben
eigentümlich abstrakt. Der Historiker Ulrich Herbert hat daher
vorgeschlagen, für die späten 1960er bzw. die
frühen 1970er Jahre von einer Phase der „zweiten
Verdrängung“ zu sprechen. Nicht zuletzt die
68er-Bewegung habe sich in ihrem zukunftsorientierten Gestus kaum
für die konkrete Beschäftigung mit der NS-Zeit
interessiert. Die intensiven Diskussionen über
Faschismustheorien seien vorwiegend durch ökonomischen
Reduktionismus gekennzeichnet gewesen. [Vgl. Ulrich Herbert, Der
Historikerstreit. Politische, wissenschaftliche, biographische Aspekte,
in: Martin Sabrow u.a. (Hg.): Zeitgeschichte als Streitgeschichte.
Große Kontroversen nach 1945, München 2003, S.
94-114.] Zwar ist diese Deutung in ihrer Zuspitzung umstritten,
gleichwohl besteht jedoch weitgehender Konsens darüber, dass
erst durch die Anstöße der
Geschichtswerkstättenbewegung seit dem Ende der 1970er Jahre
in einer fünften erinnerungskulturellen Phase eine plurale
Gedenkstättenlandschaft in der Bundesrepublik entstand, die
sich besonders nach der Jahrtausendwende zunehmend professionalisiert
hat. Die
Gedenkhalle bis zum Beginn der 1980er Jahre Die hier
vorgeschlagenen Periodisierungen können im Wesentlichen auch
für die Entwicklungslinien der Erinnerungskultur in Oberhausen
gelten.. Die Einweihung der Gedenkhalle am 1. September 1962 war
zweifellos Ausdruck der „Rückkehr der
NS-Vergangenheit“ seit dem Ende der 1950er Jahre. Nicht ohne
Pathos hatte Luise Albertz in ihrer Eröffnungsansprache, die
aufklärerische Intention der Einrichtung formuliert. So sei
die Gedenkhalle nicht als „Mausoleum“ konzipiert
worden. Sie solle vielmehr als eine „Stätte der
Begegnung […] vor allem für junge
Menschen“ dienen, die das grausige Geschehen der Jahre 1933
bis 1945 nicht selbst erlebt haben, sondern es oft nur aus
unzulänglichen Erzählungen kennen“ [Zitiert
nach: Kenkmann, Erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus]
Tatsächlich entfaltete die Stadtverwaltung während
der 1960er Jahre umfangreiche erinnerungskulturelle
Aktivitäten. So wurden emigrierten ehemalige jüdische
Bürger Oberhausens, die die Shoah überlebt hatten,
anlässlich der Eröffnung der Gedenkhalle in die Stadt
eingeladen. [Vgl. Stadt Oberhausen (Hg.), 40 Jahre Gedenkhalle
Schloß Oberhausen 1962-2002, Oberhausen 2002, S. 3 sowie S.
15.] Im Jahr 1967 veröffentlichte die Stadt eine erste von
Erik Emig, dem damaligen Presseamtsleiter verfasste Gesamtdarstellung
der Geschichte des Nationalsozialismus in Oberhausen. [Vgl. Erik Emig,
Jahre des Terrors. Der Nationalsozialismus in Oberhausen. Gedenkbuch
für die Opfer des Faschismus (herausgegeben im Auftrag der
Stadt Oberhausen), Oberhausen 1967.] Zudem wurden Spendenaktionen
für Israel organisiert und ein Waisenstipendium
gestiftet. Während
der 1970er Jahre schienen diese erinnerungskulturellen Impulse jedoch
zu erlahmen. Die Gedenkhalle wurde zwar auch in dieser Zeit
regelmäßig genutzt, verfügte jedoch nicht
über pädagogisches oder wissenschaftliches Personal.
Als Ansprechpartner für Führungen durch die
Ausstellung firmierten vor allem die ehemaligen Oberhausener
Widerstandskämpfer wie etwa die VVN-Mitglieder Hans
Müller oder Wilhelm Bettinger. Vereinzelt wurden in den
Räumen der Gedenkhalle auch Wechselausstellungen gezeigt,
beispielsweise über die „Männer des 20.
Juli 1944“ (1964), „Die politische Emigration
1933-1945“ (1972), „Hitlers Weg zur totalen
Macht“ (1973) oder über die
„Reichskristallnacht“ (1978). [Eine
vollständige Auflistung der Wechselausstellungen in der
Gedenkhalle findet sich in: Stadt Oberhausen (Hg.), 30 Jahre
Gedenkhalle Schloß Oberhausen, Oberhausen 1992, S. 23-30.].
Auffallend waren die teilweise jahrelangen Zeitspannen, die zwischen
den einzelnen Ausstellungen lagen, die zudem kaum lokale
Bezüge aufwiesen. Insgesamt
hinterließ die Einrichtung einen zunehmend
überarbeitungs- und sanierungsbedürftigen Eindruck.
Klaus Oberschewen, während der 1980er Jahre Kreisvorsitzender
der VVN in Oberhausen und als Mitarbeiter des Kulturamts der Stadt seit
1984 federführend mit der Neugestaltung der Dauerausstellung
betraut, erinnert sich: „Die Gedenkhalle war Ablageplatz von
Galeriecontainern, wo Bilder gelagert wurden, da lagen Pappbecher rum
von irgendwelchen Sommerfesten im Schloss Oberhausen, es sah aus wie
nach einem Umzug […] Es war schrecklich
unaufgeräumt, schmutzig, und das war
empörend.“ [Vgl. Interview mit Klaus Oberschewen vom
12.6.2012, Transkript, S. 21.] In dieser Perspektive scheint sich auch
für Oberhausen die These von Ulrich Herbert zu
bestätigen, die 1970er Jahre seien durch eine
„zweite Verdrängung“ gekennzeichnet
gewesen. Anfänge
der Geschichte „von unten“ in Oberhausen Gleichwohl
existierten in der Stadt Orte, die ein Forum für die
Auseinandersetzung mit der lokalen NS-Vergangenheit boten. Zu nennen
ist hier zunächst das im Jahr 1968 gegründete
soziokulturelle Zentrum K 14, dessen Träger sich
zusammengefunden hatten, mit dem Ziel „alle
fortschrittlichen, demokratischen Kräfte an einen Tisch zu
bringen“, um gemeinsame Aktionen zu planen und
durchzuführen. Diese sollten sich zunächst gegen den
„aufkommenden Neofaschismus“ richten. Zudem
engagierte sich der Initiativkreis gegen
„Berufsverbote“ und für
„Antifaschisten in Chile“ [Kultur aktiv in alten
Gebäuden. Eine Dokumentation über soziokulturelle
Zentren, Berlin (West) 1979, S. 130f.] nachdem dort Augusto Pinochet im
September 1973 die Regierung Salvador Allendes gestürzt und
sein autoritäres Regime errichtet hatte. Das Spektrum der
Aktivitäten reichte von Ausstellungen, über Konzerte
bis hin zu Diskussions- und Informationsveranstaltungen, die nicht
selten auf große mediale Resonanz stießen.
Regelmäßige Nutzer des Zentrums waren Lehrlinge,
Schüler, Künstler und migrantische Gruppen, vor allem
chilenische Exilanten sowie linke türkische Organisationen. In
den Räumen des K 14 trafen sich aber auch in
unregelmäßigen Abständen Hans
Müller und weitere ehemalige Häftlinge der
nationalsozialistischen Emslandlager. Die zumeist unbekannte Geschichte
der so genannten ‚Moorsoldaten’ stieß
unter den Besuchern und Aktiven des Zentrums auf breites Interesse. In
der Folgezeit fanden im K 14 mehrere Ausstellungen statt, die sich mit
der NS-Zeit befassten und von Zeitzeugenveranstaltungen etwa mit Hans
Müller oder Wilhelm Bettinger begleitet wurden. Manfred
Kugelmann, der sich während der 1970er Jahre im bzw.
für das K 14 engagierte, hebt in der Rückschau
hervor, dass im Rahmen dieser Projekte abstrakte faschismustheoretische
Diskussionen seiner Wahrnehmung nach keine nennenswerte Rolle spielten.
Vielmehr habe man aufgrund der engen Beziehungen zu den Zeitzeugen
„relativ schnell […] Geschichte von unten
praktiziert.“ [Vgl. Interview mit Manfred Kugelmann vom
4.6.2012, Transkript, S. 9.] Das Interesse richtete sich dabei nicht
nur auf den Nationalsozialismus, sondern bezog sich auch auf andere
Themen wie etwa die Geschichte der Arbeiterbewegung und der
Arbeiterkultur im Ruhrgebiet. Weitere
Anstöße zur Auseinandersetzung mit der
NS-Vergangenheit „vor Ort“ gingen von der
Volkshochschule aus, die in Oberhausen bereits seit den 1950er Jahren,
immer wieder verschiedene Aspekte der Geschichte des
Nationalsozialismus in Seminaren und Veranstaltungsreihen aufgegriffen
hatte. Alltagsgeschichtliche Fragestellungen sowie Oral
History-Projekte fanden ab Mitte der 1970er Jahren Eingang in das
Kursprogramm der VHS, die somit den Initiativen engagierter
„Barfußhistoriker“ einen institutionellen
Rahmen bot. Zunächst unter der Leitung von Michael Zimmermann,
der bereits seine Staatsexamensarbeit über
„Opposition und Widerstand gegen den Nationalsozialismus in
Oberhausen“ [Vgl. Michael Zimmermann, Opposition und
Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Oberhausen (unter
besonderer Berücksichtigung der Arbeiterklasse),
Staatsexamensarbeit, Bochum 1977] geschrieben hatte, wurden nunmehr
regelmäßig Seminare mit dem thematischen Schwerpunkt
„Antifaschistischer Widerstand in Oberhausen
1933-1945“ angeboten. Deren Zielsetzungen waren ambitioniert
und verfolgten einen deutlich formulierten erinnerungskulturellen
Anspruch. In der Ankündigung des von Jürgen Pohl
geleiteten 14tägig in der Gedenkhalle stattfindenden Seminars
für das Kursjahr 1981/1982 hieß es: „Auch
dieses Jahr wird die Volkshochschule mit dafür sorgen, dass
Geschichte und Werte des antifaschistischen Widerstandes in Oberhausen
nicht in Vergessenheit geraten. […] Der Kurs wird seiner
Thematik und seiner Anlage nach einen wichtigen Beitrag zur Erarbeitung
der Sozialgeschichte unserer Stadt leisten.“ [Vgl.
Privatarchiv Klaus Oberschewen: Volkshochschule der Stadt Oberhausen,
Ankündigung „Antifaschistischer Widerstand in
Oberhausen 1933 bis 1945, ohne Datum] Im Seminarprogramm kam der
Diskussion mit Zeitzeugen zentrale Bedeutung zu. Die einzelnen
Sitzungen sollten sich unterschiedlichen Widerstands- und
Verfolgtengruppen widmen. In den Blick rückten neben der
sozialistischen bzw. kommunistischen Arbeiterbewegung die Opposition
innerhalb der Kirchen, die Verfolgung der Zeugen Jehovas sowie das
Schicksal der Kriegsgefangenen in Oberhausen. [Vgl. Privatarchiv Klaus
Oberschewen: VHS-Kurs „Antifaschistischer Widerstand in
Oberhausen“; Themenvorschläge, Materialsammlung,
undatiert.] Aus dem Seminar, an dem auch einige
frühere Protagonisten des Widerstands gegen das NS-Regime
teilgenommen hatten, ging eine Arbeitsgruppe hervor, die sich auch in
der Folgezeit bemühte, verschüttete Spuren der
Geschichte des Nationalsozialismus in Oberhausen freizulegen.
Anlässlich des 50. Jahrestags der nationalsozialistischen
Machtübernahme im Januar 1983 erschien als
vorläufiges Ergebnis dieses Projekts unter dem Titel
„Wir ‚Hoch- und Landesverräter’.
Antifaschistischer Widerstand in Oberhausen“ ein
umfangreiches „Lesebuch“ mit Zeitzeugenberichten,
biografischen Porträts und Dokumenten widerständiger
Akteure aus der NS-Zeit. [Vgl. Wir „Hoch- und
Landesverräter“. Antifaschistischer Widerstand in
Oberhausen, Oberhausen 1983] Die Intention des Bandes bestand nicht
zuletzt darin, die Erinnerung an den „antifaschistischen
Kampf der sogenannten ‚Kleinen Leute’“
[Ebenda, S. 11] als eine identitätsstiftende Ressource im
städtischen Gedächtnis zu verankern. „Antifaschistischer
Widerstand“ als Säule des städtischen
Gedächtnisses? Dieser Anspruch
stieß auch in der kommunalen Politik, insbesondere im
sozialdemokratisch geführten Rathaus und bei
Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond auf positive
Resonanz. Zwar hatte bereits Luise Albertz allein aufgrund ihrer
Familiengeschichte der Oberhausener Erinnerungskultur eine
antinazistische Prägung gegeben. [Der Vater von Luise Albertz,
Hermann Albertz, war als früherer Landtagsabgeordneter und
Stadtverordneter der SPD in der NS-Zeit mehrfach inhaftiert worden,
schließlich 1945 unter bis heute ungeklärten
Umständen ums Leben gekommen.] Unter dem Eindruck der
verschiedenen alltags- und sozialgeschichtlichen Initiativen verschob
sich der Referenzrahmen des städtischen Gedächtnisses
jedoch zunehmend auf die Würdigung des
„antifaschistischen Widerstands“ insgesamt. Im
Kontext dieser Entwicklung kam dem 50. Jahrestag der
Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 30. Januar
1983 zentrale Bedeutung zu. Erstmals fand das Datum in der
Öffentlichkeit größere Beachtung. An
zahlreichen Orten in der Bundesrepublik beschäftigten sich
Veranstaltungen und Ausstellungen mit dem Jahrestag. Auch
in Oberhausen bildete der 30. Januar den Anlass für eine Reihe
erinnerungskultureller Aktivitäten. So wurde am 28. Januar
1983 die Ausstellung „Vor 50 Jahren. Wie es war und nicht
sein musste. Oberhausen 1929-1945“ eröffnet, die bis
Ende 1983 in der Gedenkhalle zu sehen war und mit ihrer lokalen
Schwerpunksetzung auf alltagsgeschichtliche Ansätze
rekurrierte. In seiner Eröffnungsansprache betonte der
Politikwissenschaftler Wolfgang Horn, die Verantwortung der
„traditionellen deutschen Machteliten“, die zwar
den „Nationalsozialismus nicht
‚gemacht’“ hätten, ohne die er
aber „nicht zur Macht gekommen“ wäre.
[Vgl. Stadt Oberhausen (Hg.), Vor 50 Jahren. Wie es war und nicht sein
musste. Vortrag von Prof. Dr. W. Horn anlässlich der
Ausstellungseröffnung am 28. Januar 1983, Oberhausen 1983, S.
3f.] Flankiert wurde der Jahrestag durch eine Reihe
von Publikationen, die sich dem Thema „Widerstand und
Verfolgung“ in Oberhausen widmeten, ähnlich aber wie
das bereits erwähnte Lesebuch „Wir Hoch- und
Landesverräter“ Sinn- und
identitätsstiftend in der Gegenwart wirken sollten.
Bezugnehmend auf aktuelle Erscheinungsformen des Rechtsextremismus
hieß es beispielsweise im Vorwort einer vom SPD-Unterbezirk
Oberhausen herausgegebenen Broschüre über
„Widerstand von Sozialdemokraten und Gewerkschaftern in
Oberhausen“: „Aus der Geschichte zu lernen,
heißt aber auch, Mut und Hoffnung zu schöpfen. Wir
gedenken mit Trauer, aber auch mit Stolz, der tapferen Frauen und
Männer des Widerstands gegen den Nationalsozialismus in
unserer Stadt. […] In einer Zeit, in der der rechtsextreme
Terror zunimmt, ist es besonders wichtig, dass wir solidarisch
zusammenstehen und für die Verteidigung unserer Grundrechte
eintreten.“ [Vgl. SPD-Unterbezirk Oberhausen (Hg.), Gegen den
Nationalsozialismus. Widerstand von Sozialdemokraten und
Gewerkschaftern in Oberhausen 1933-1945, Oberhausen 1982, S. 6.] Eine
ähnliche Intention verfolgte eine von Joseph Rossaint und
Michael Zimmermann verfasste Gesamtschau über den
„Widerstand gegen den Nazismus in Oberhausen“, die
es nicht zuletzt der „jüngeren Generation“
ermöglichen solle, „ein neues Geschichtsbewusstsein
zu gewinnen und sich ihrem politischen Handeln in diese Volkstradition
einzureihen. Schließlich stellt das Wirken der
Widerstandskämpfer eine Verpflichtung für jeden
Demokraten dar.“ [Vgl. Joseph C. Roissant/Michael Zimmermann,
Widerstand gegen den Nazismus in Oberhausen, Frankfurt am Main
1983, Klappentext.] Die Beobachtung, dass die
Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in Oberhausen am Beginn der
1980er Jahre im Vergleich zu anderen Orten und Regionen vergleichsweise
wenig kontrovers verlief, resultierte demnach vor allem auch daraus,
dass die an den Debatten beteiligten Akteure mit ihrer Fokussierung auf
„Widerstand und Verfolgung“ über ein
gemeinsames Deutungsraster des Nationalsozialismus verfügten,
das allerdings nicht völlig konfliktfrei war. So war es etwa
zwischen Rossaint und Zimmermann im Zuge der erwähnten
gemeinsamen Publikation zu Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der
Bewertung des religiösen und kommunistischen Widerstands
gekommen. Dennoch kam besonders den ehemaligen
Widerstandskämpfern eine in hohem Maße integrierende
Funktion zu Diese stießen zum einen selbst
erinnerungskulturelle Projekte an, zum anderen fungierten sie als
Bindeglieder zwischen den unterschiedlichen Gruppen, Parteien und
Institutionen, da sie über die Grenzen der politischen und
gesellschaftlichen Spektren der Stadt hinweg offenkundig hohes
moralisches Ansehen genossen. [Vgl. Interview mit Klaus Oberschewen, S.
21.] Die Entdeckung der Verfolgungs- und
Widerstandsgeschichte als Sinn- und Identitätsstiftender
Bezugsrahmen führte seit Beginn der 1980er Jahre zu regen
erinnerungskulturellen Aktivitäten, bei denen Stadt,
Volkshochschule, K 14, VVN oder andere Initiativen bisweilen eng
kooperierten. In der Gedenkhalle fanden nun in rascher Abfolge
Wechselausstellungen zu unterschiedlichen historisch-politischen Themen
statt, die sich oftmals aus gesellschaftskritischer Perspektive nicht
nur dem historischen Nationalsozialismus, sondern aktuellen Problemen,
wie Rassismus, Apartheid, Kinderarmut oder den Lebensbedingungen von
„Gastarbeitern“ in der Bundesrepublik widmeten. Die
Stadt Oberhausen rief zudem das „Projekt
Sozialgeschichte“ ins Leben. In diesem Zusammenhang erschien
seit März 1984 unter der Leitung von Klaus Oberschewen eine
Reihe von Broschüren, die unterschiedliche Aspekte der
Stadtgeschichte aufgriffen und dabei vor allem alltagsgeschichtliche
Ansätze und die Methode der Oral History nutzten. [Vgl. etwa
Klaus Oberschewen (Red.), Mit dem Bewusstsein: „Unser
Betrieb!“ Oberhausener Widerstandskämpfer erinnern
sich an den Wiederaufbau, Oberhausen o.J. (1985); Johann Grohnke,
Geschichten aus dem Dunkelschlag, Oberhausen 1987; Rainer
Stöcker (Red.), Die Errichtung der Diktatur in Oberhausen
1933; Juden in Oberhausen, 1933-1945, Oberhausen 1988] Die
erklärte Intention bestand darin, die „Geschichte
der sogenannten kleinen Leute, ihre Lebens- und
Arbeitsbedingungen“ darzustellen, die dazu beitragen
könne, „eine Identifikation der Menschen mit ihren
eigenen historischen Wurzeln“ [Vgl. Stadtreport 7/1984, S.
18.] zu stärken. Das Projekt Sozialgeschichte verdeutlichte
jedoch auch, dass die Oberhausener Geschichtskultur keineswegs
konfliktarm war, lösten einige Broschüren doch
teilweise heftige Kontroversen aus. [So beklagten etwa die CDU im
Kulturausschuss des Rates, die aus ihrer Sicht in Teilen
„unwissenschaftliche“ Broschüre
über die Zeit des Wiederaufbaus in Oberhausen (vgl.
Fußnote 27), in der Zeitzeugenaussagen weitgehend
unkommentiert geblieben seien; vgl. NRZ vom 16.4.1986.] Die Neugestaltung der
Gedenkhalle bis 1988 In diesem Zeitraum wurden aber
auch Stimmen vernehmbarer, die eine inhaltliche Neugestaltung der
Gedenkhalle forderten. Vor allem die Gruppe der ehemaligen
Widerstandskämpfer hatte in den Jahren zuvor wiederholt auf
den heruntergekommenen Zustand der Einrichtung hingewiesen. Doch erst
der „Geschichtsboom“ seit 1983 schuf in der
Kommunalpolitik den Raum, die Errichtung einer neuen Dauerausstellung
ins Auge zu fassen, mit deren Konzeption schließlich Klaus
Oberschewen und Walter Kurowski beauftragt wurden. Maßgeblich
beteiligt war auch der Historiker Rainer Stöcker, der auf
einer Projektstelle zwei Jahre an den Recherchen und Vorbereitungen
für die Ausstellung mitwirkte. [Vgl. Interview mit Klaus
Oberschewen, S. 21f.] Ausgestattet mit einem minimalen Budget [Nach
Angaben von Klaus Oberschewen betrug der Etat für die
Dauerausstellung ca. 10.000 DM; vgl. Transkript, S. 24.] erhielten sie
Unterstützung durch einen eher lose organisierten
Arbeitskreis, an dem etwa die VVN sowie eine Reihe ehemaliger
Oberhausener Widerstandskämpfer teilnahmen. In dieser Runde
wurden Dokumente und Objekte vor allem aus dem Besitz von Zeitzeugen
ergänzend zu den Archivrecherchen gesammelt und
zusammengetragen. Die Herangehensweise entsprach somit dem
Selbstverständnis der Geschichtswerkstättenbewegung,
wobei das inhaltliche Grundgerüst der Ausstellung von Klaus
Oberschewen entwickelt wurde, während für die
grafische und künstlerische Ausgestaltung Walter Kurowski
zuständig war. Deren thematische Gliederung umfasst
fünf Blöcke: „1. Ursachen und Entstehung
des Faschismus. 2. Machtübernahme in Oberhausen. 3.
Antifaschistischer Widerstand und Opposition. 4. Judenverfolgung. 5.
Krieg und Kriegsauswirkungen.“ [Stadt Oberhausen/Kulturamt,
Konzeption der Dauerausstellung „Verfolgung und Widerstand in
Oberhausen während der NS-Diktatur“ (1933-1945),
o.J.] Die Schwerpunkte der Ausstellung lagen jedoch
auf dem in den vorangegangenen Jahren in der städtischen
Erinnerungskultur wirkungsmächtig gewordenen Narrativ von
„Verfolgung und Widerstand“, das zudem durch ein
von Walter Kurowski gestaltetes großformatiges Wandbild im
Eingangsbereich der Gedenkhalle verstärkt wurde, das die
Protagonisten, Handlanger und Nutznießer des NS-Regimes
ebenso abbildete wie eine Gruppe ehemaliger Oberhausener
Widerstandskämpfer. Umstritten blieb die Gewichtung,
die unterschiedliche Widerstandsakteure in der Darstellung erfahren
sollten: „Da schlug mir oft entgegen: Hast du nicht auch noch
mal ein paar andere Parteien, sondern nur die Kommunisten hier? Ich hab
dann geduldig immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Stadt
geprägt war von Kommunisten und gerade der Widerstand. Da kann
man zu stehen, wie man will, ob man die Kommunisten heute liebt oder
nicht, das war damals selten der Fall, aber man konnte die Fakten
einfach nicht leugnen und man das einfach ignoriert, dass der
Widerstand im Wesentlichen durch Kommunisten getragen wurde, hier in
Oberhausen.“ [Vgl. Interview mit Klaus Oberschewen, S. 26.] Noch
kontroverser wurden im Vorfeld ihrer Eröffnung jene Teile der
Schau diskutiert, die sich mit den Entstehungs- und Erfolgsbedingungen
des Nationalsozialismus befassten und hier besonders die Verantwortung
der Schwerindustrie herausstellten, deren Vertreter den Aufstieg der
NSDAP gefördert hätten. In diesem Kontext wurde
explizit auch Paul Reusch, der zwischen 1909 und 1942 amtierende
Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungshütte (GHH), genannt.
Zwar blieb dessen Verhältnis zum Nationalsozialismus stets
ambivalent, seine Gegnerschaft zur Weimarer Demokratie stand jedoch
außer Frage. Demgegenüber verwiesen die
Fürsprecher des 1956 verstorbenen Unternehmers auf die
Kontakte, die er zum Widerstandskreis um Carl Goerdeler unterhalten
hatte. Letztendlich setzten sich aber die Ausstellungsmacher mit ihrer
kapitalismuskritischen Interpretation des Nationalsozialismus im
Allgemeinen sowie mit ihrer Bewertung der Rolle von Paul Reusch im
Besonderen durch. Im Rat der Stadt bzw. im für das Projekt
zuständigen Kulturausschuss erhielten sie für ihre
Konzeption die Unterstützung von SPD und Bunter Liste.
Entscheidende Bedeutung kam jedoch den Zeitzeugen zu, wie Klaus
Oberschewen in der Rückschau konstatiert: „So lange
die da waren, waren wir relativ geschützt. Wir waren in festen
Banden sozusagen miteinander verbunden. […] Ich glaube ohne
diese Gruppe von Widerstandskämpfern hätten wir das
so nicht hingekriegt.“ [Vgl. Interview mit Klaus Oberschewen,
S. 31. Auch die positive Resonanz, die die
Neueröffnung der Dauerausstellung am 9. November 1988
hervorgerufen hatte, mag dazu beigetragen haben, dass kontroverse
Debatten um den Erinnerungsort in der Folgezeit weitgehend ausblieben.
Vielmehr fand die Gedenkhalle in der städtischen
Geschichtskultur von nun an stärkere Beachtung. Mit Ingrid
Burke gab es erstmals eine wissenschaftlich-pädagogische
Mitarbeiterin, die zum einen für die Betreuung der Einrichtung
zuständig war, zum anderen mit dem Aufbau einer
„Antifaschistischen Informations- und
Beratungsstelle“ betraut wurde, deren Aufgabe darin bestehen
sollte „die deutsche Geschichte und die Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland an lokalen Erscheinungen zu erarbeiten und
zu vermitteln, dass sie für die Bürger/innen
erfahrbar wird und der Erziehung zum Frieden dient.“ Im
Hinblick auf aktuelle Erscheinungsformen des Rechtsextremismus, wie
etwa die Wahlerfolge von Deutscher Volksunion (DVU) und der Partei
„Die Republikaner“, aber auch einer
öffentlich wahrnehmbaren neonazistischen Skinheadszene, leiste
„emanzipatorische Vermittlung von Geschichte“ daher
keine „nostalgische Geschichtsbetrachtung, sondern eine
immerwährende konkrete Auseinandersetzung mit der
geschichtlichen Wahrheit und ihren Widersprüchen.“
[Vgl. Klaus Oberschewen (Red.), Der 9. November 1988 in Oberhausen
– Eine Dokumentation, Oberhausen 1988, S. 58.] Als zentraler
Ausgangs- und Bezugspunkt dieses gegenwartsorientierten
pädagogischen Selbstverständnisses sollte die
Gedenkhalle fungieren. Deren Dauerausstellung blieb in den folgenden
zwei Jahrzehnten in ihrer Grundkonzeption im Wesentlichen
unverändert. Dichotome
Deutungsmuster und blinde Flecken? Nach
der Jahrtausendwende setzten jedoch intensive Diskussionen um die
künftigen Inhalte und Formen der Geschichtsvermittlung in
NS-Gedenkstätten ein. Die Gründe hierfür
waren vielschichtig. Die Aura der Gedenkstätten resultierte
über Jahrzehnte hinweg besonders aus der Präsenz der
Zeitzeugen, die am „authentischen Ort“
über ihre Erfahrungen berichten konnten. Mit dem sich
abzeichnende Ende eben jener Zeitzeugenschaft vollzog sich, somit auch
ein erinnerungspolitischer „Gezeitenwechsel“ [Vgl.
Norbert Frei, 1945 und wir. Das Dritte Reich im Bewusstsein der
Deutschen, München 2005, S. 21.]. Volkhard Knigge, Leiter der
Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora
plädierte etwa dafür, das Postulat
„Erinnerung an die Vergangenheit“, das im Grunde an
persönliche Erfahrungen geknüpft sei, durch eine
weniger emotional konnotierte „Auseinandersetzung mit der
Vergangenheit“ zu ersetzen. [Vgl. Volkhard Knigge, Statt
eines Nachworts: Abschied der Erinnerung. Anmerkungen zum notwendigen
Wandel der Gedenkkultur in Deutschland, in: Volkhard Knigge/Norbert
Frei (Hg.), Verbrechen erinnern. Die Auseinandersetzung mit Holocaust
und Völkermord, Bonn 2005, S. 443-460, hier S. 449.] Hinterfragt
wurde auch die dichotome Gegenüberstellung von
„Verfolgung“ und „Widerstand“,
die zahlreiche der während der 1980er Jahre entstandenen
Ausstellungen kennzeichneten. Neuere Forschungen zum
Nationalsozialismus legten eine weitaus größere
Spannbreite von mehrdeutigen Handlungs- und Verhaltensmustern
unterschiedlichster Akteursgruppen nahe, die sich nicht auf einfache
Bipolaritäten reduzieren lassen. Widerwilligkeit im Einzelnen
musste grundsätzliche Zustimmung zur Politik des Regimes nicht
unbedingt ausschließen. [Vgl. Alf Lüdtke, Die Praxis
von Herrschaft: Zur Analyse von Hinnehmen und Mitmachen im deutschen
Faschismus, in: Brigitte Berlekamp/Werner Röhr (Hg.), Terror,
Herrschaft und Alltag im Nationalsozialismus. Probleme einer
Sozialgeschichte des deutschen Faschismus, Münster 1995, S.
226-245.] So entstand in jüngster Zeit ein vielschichtigeres
Bild der NS-Herrschaft, die zwar auf brutalem Terror gründete,
ihre Stabilität aber dem oftmals bereitwilligen
„Hinnehmen und Mitmachen der Vielen“ (Alf
Lüdtke) verdankte, zu denen auch Arbeiter zählten.
[Vgl. Michael Wildt, Die Epochenzäsur 1989/90 und die
NS-Historiographie, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in
Contemporary History, Online-Ausgabe, 5 (2008) H. 3.] Kritik
rief ebenso die Beobachtung hervor, dass die Shoah in vielen
Erinnerungsorten keine adäquate Darstellung fand, da sich die
präzedenzlosen Dimensionen der Vernichtungspolitik unter dem
Fokus „Widerstand und Verfolgung“ kaum fassen
ließen. Darüber hinaus wurden Stimmen laut, die eine
deutliche Professionalisierung der Gedenkstättenarbeit
forderten, die an zahlreichen Orten immer noch stark vom
bewegungsorientierten Gestus der frühen 1980er Jahre
geprägt war. Auch in Oberhausen wurde in
diesem Kontext die Frage aufgeworfen, ob die Dauerausstellung in der
Gedenkhalle in ihren Darstellungsformen und Erzählmustern noch
zeitgemäß sei. Die Kritik bezog sich auf fehlende
oder unpräzise Einordnungen von Fotos und Dokumenten,
„partiell schwer verständlich“ formulierte
Inhalte sowie ein allzu binär strukturiertes Narrativ, das
zwar die Verfolgung und den Widerstand der politischen Opposition
ausführlich würdige, die Verfolgung der Juden
allerdings nur vergleichsweise knapp schildere. [Zu den Kritikpunkten
an der Dauerausstellung, vgl.: Lina Zink, Die Dauerausstellung
„Widerstand und Verfolgung 1933-1945 in Oberhausen in der
Gedenkhalle Schloss Oberhausen, in: Forum Industriedenkmalpflege und
Geschichtskultur 2/2006, S. 70f. Die weitere Entwicklung der Diskussion
sowie der Weg zur Eröffnung der neugestalteten Gedenkhalle im
Dezember 2010 kann an dieser Stelle nicht nachgezeichnet werden; vgl.
hierzu: Clemens Heinrichs, Neue Dauerausstellung in der Gedenkhalle
Oberhausen, in: GedenkstättenRundbrief 161 (6/2011), S. 3-13.]
Tatsächlich blieben in den Veröffentlichungen zu
„Widerstand und Verfolgung in Oberhausen“, die seit
Ende der 1970er Jahre erschienen waren sowie in der
städtischen Erinnerungskultur insgesamt die Entrechtung,
Ausplünderung, Vertreibung und Ermordung der
jüdischen Bürger ebenso wie die Schicksale anderer
Opfergruppen eher randständige Aspekte. [Vgl. jedoch: Gabriele
Mrugalla, Studie zur Geschichte der Juden in Oberhausen,
Staatsexamensarbeit, Duisburg/Essen 1984; Projekt
Sozialgeschichte/Gedenkhalle (Hg.), Juden in Oberhausen, 1933-1945,
Oberhausen 1988.] Ein Grund für den in der Rückschau
auch andernorts wahrnehmbaren blinden Fleck, dürfte nicht
zuletzt darin bestanden haben, dass die gesellschaftskritische
Geschichtsschreibung „von unten“ im politischen
Widerstand gegen den Nationalsozialismus problemlos positive
Bezugspunkte finden konnte, während die
Präzedenzlosigkeit der Shoah jegliche Sinn- und
Identitätsstiftung ausschloss. Dennoch bot
die seit dem Anfang der 1980er Jahre entstandene erinnerungskulturelle
Landschaft einen Rahmen, in dem sich andere Perspektiven auf die
NS-Geschichte entwickeln konnten. Diese trugen dazu bei, die
als zu dichotom kritisierten Deutungsmuster aufzubrechen und bislang
wenig beachtete Opfergruppen ebenso in den Blick zu nehmen, wie das
breite Spektrum gesellschaftlicher Verhaltensweisen, die von
begeisterter Zustimmung für das Regime, über Formen
von „widerwilliger Loyalität“, bis hin zu
entschiedener Widerständigkeit reichen konnten. Der
9. November 1988 markierte in dieser Hinsicht eine erkennbare
Veränderung. So wurde am 7. November in der Innenstadt ein
Platz nach dem jüdischen Kaufmann Eduard Berg benannt, der
dort ein Textilgeschäft betrieben hatte, bevor er im Jahr 1942
nach Riga deportiert und ermordet worden war. [Vgl. Westdeutsche
Allgemeine Zeitung vom 8.11.1988.] Auch das von einem breiten
gesellschaftlichen Bündnis getragene Programm der in den
ersten beiden Novemberwochen 1988 stattfindenden
„Oberhausener Friedenswochen“ enthielt zahlreiche
Veranstaltungen, die sich mit jüdischer Geschichte in der
Region, der Pogromnacht vom 9. November 1938 sowie mit Aspekten der
nationalsozialistischen Vernichtungspolitik befassten. In der
Gedenkhalle waren seit 1988 zahlreiche Wechselausstellungen zu sehen,
die sich mit der Geschichte der „Juden in Ost- und
Mitteleuropa“ (1989), „Roma in Deutschland
– gestern und heute“ (1990),
„ZwangsarbeiterInnen im 3. Reich“ (1991),
„Deserteuren“ (1989) oder „Frauen in
Konzentrationslagern“ (1990) befassten. [Vgl. Stadt
Oberhausen, 30 Jahre Gedenkhalle, S. 27-30.] Letztere wurde wie auch
weitere Veranstaltungen und Ausstellungen [Zu nennen ist hier
exemplarisch: Die Ausstellung „50 Jahre danach –
Plakate der Friedensbewegung“ im Rathaus Osterfeld (1989)] in
enger Kooperation zwischen der Stadt und der VVN organisiert. Ende eines Tabuthemas
– Zwangsarbeit in Oberhausen Die VVN war es
auch, die seit Beginn der 1990er Jahre ein in der Stadtgeschichte
über Jahrzehnte hinweg verdrängtes Thema aufgriff,
indem sie beharrlich und auf vielfältige Weise an die
Dimensionen des Zwangsarbeitereinsatzes und besonders das Schicksal der
mindestens 17.000 während des Zweiten Weltkriegs in die Stadt
verschleppten Zwangsarbeiter erinnerte. [Vgl. den Beitrag von XXX in
diesem Band.] Bereits Mitte der 1980er Jahre existierte innerhalb des
VVN-Kreisverbandes ein Arbeitskreis unter der Federführung von
Willy Haller, der sich mit der Geschichte der Zwangsarbeit in
Oberhausen beschäftigte und im Jahr 1987 eine ca. 70 Seiten
umfassende Materialsammlung mit Dokumenten und Erinnerungsberichten
zusammenstellte, die allerdings nicht veröffentlicht wurde.
[Vgl. Geschichtskommission der VVN/BdA Kreisvereinigung Oberhausen
(Hg.), Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Oberhausen 1940 bis 1945,
Oberhausen 1987 [unveröffentlicht]; in Auszügen
abgedruckt in: VVN/BdA Kreisvereinigung Oberhausen (Hg.), Ein
Tabuthema. Zwangs-Arbeit in Oberhausen 1939-1945, Oberhausen 1998.]
Nachdem sich im Jahr 1991 eine Ausstellung in der Gedenkhalle der
Zwangsarbeit im Nationalsozialismus gewidmet und in diesem Kontext auch
eine Podiumsdiskussion zu „ZwangsarbeiterInnen und
Kriegsgefangene in Oberhausen, insbesondere bei der GHH“
stattgefunden hatte, verstärkte die VVN ihr Engagement zu
diesem Themenfeld. Einen wichtigen Ansatzpunkt
bildete dabei der Kontakt zu ehemaligen Zwangsarbeitern in Saporoschje,
der ukrainischen Partnerstadt von Oberhausen. Um sich von
deren Lebensumständen ein Bild machen zu
können unternahmen Aktive der VVN Anfang der 1990er Jahre eine
erste offizielle Studienfahrt in die Stadt. Manfred Kugelmann, damals
Mitglied des Kreissprecherrats der VVN erinnert sich: „Wir
haben dann überhaupt erstmal gesehen, wie beschissen die leben
[…] und haben sie gefragt, ob sie einer Einladung nach
Oberhausen Folge leisten würden, weil wir mit ihnen gerne auch
so eine Art Spurensuche machen wollten, und was sie sonst so
möchten.“ [Interview mit Manfred Kugelmann, S. 24.]
Ein zweiwöchiger Besuch (dem weitere folgen sollten) von vier
ehemaligen Zwangsarbeitern in Oberhausen fand schließlich im
Mai 1994 statt. Die Reise war von der VVN mit großem Aufwand
organisiert worden. Um den Gästen ihren Aufenthalt so angenehm
wie möglich gestalten und das umfangreiche Programm
finanzieren zu können, hatte die VVN bei Parteien, kirchlichen
Gremien und Einrichtungen, Gewerkschaften und Unternehmen um
Unterstützung geworben. Die Resonanz auf diese Anfragen fiel
überwiegend positiv aus. Vergleichsweise
zurückhaltend gaben sich indessen die
Unterstützungszusagen der ortsansässigen Unternehmen.
So bot zwar die MAN Gutehoffnungshütte AG im Rahmen des
Besuchsprogramms eine Betriebsbesichtigung mit anschließender
Einladung „zum Mittagessen in unsere Kantine“ an.
Mit Verweis auf „unsere derzeitig angespannte wirtschaftliche
Situation“ [Privatarchiv Manfred Kugelmann, MAN
Gutehoffnungshütte AG an Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes vom 3.12.1993.] sah sich die Firma jedoch nicht in der Lage
einen finanziellen Beitrag zu leisten. Das
Besuchsprogramm umfasste neben einem Empfang durch den
Oberbürgermeister sowie Gesprächen mit Gewerkschafts-
und Kirchenvertretern, Landtagsabgeordneten und Mitgliedern des
Stadtrats auch Stadtrundfahrten zu früheren
Zwangsarbeiterlagern. An einer Kranzniederlegung am Liricher
Westfriedhof zu Ehren der dort beigesetzten, in Oberhausen ums Leben
gekommenen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen nahmen Vertreter aller
Ratsfraktionen und der Jüdischen Gemeinde teil. Bei dieser
Gelegenheit wurde dort auch eine „Legendentafel“
enthüllt, die von der Friedens-AG der Theodor-Heuss-Realschule
gestaltet worden war und über die Geschichte der
Kriegsgräber in der Stadt informierte. Zudem fanden
Zeitzeugengespräche mit Schülern in der
Theodor-Heuss-Realschule, im Bertha-von-Suttner-Gymnasium sowie im
Rahmen eines Tagesseminars der Volkshochschule zu
„Zwangsarbeit/Fremdarbeit“ statt. [Privatarchiv
Manfred Kugelmann, Programm für den Aufenthalt ehemaliger
Zwangsarbeiter/innen aus Saporoshje (Ukraine) in der Zeit vom 01. bis
14. Mai 1994 in Oberhausen.] Der Besuch der
ehemaligen Zwangsarbeiter wurde in den Medien wohlwollend begleitet.
Zahlreiche Beiträge verwiesen allerdings bereits im Vorfeld
des Besuchs darauf, dass Oberhausen den Gästen aus
Saporoschje „nicht nur in schlechter
Erinnerung“ geblieben sei, da viele Oberhausener in der
NS-Zeit „selbst Kopf und Kragen riskiert“
hätten, „um den Zwangsarbeitern irgendwie zu
helfen.“ [Vgl. NRZ vom 9.6.1993.] Wiederholt wurden die
ehemaligen Zwangsarbeiter mit den Worten zitiert, sie würden
„diese Stadt jetzt mit ganz anderen Augen sehen.“
[Vgl. WAZ vom 3.5.1994] Die Form der Berichterstattung knüpfte
einerseits an die Erzählmuster des
„antifaschistischen Oberhausen“ an, vermied aber
gleichzeitig durch die starke Bezugnahme auf den Topos der
Versöhnung, eine kritische Auseinandersetzung mit dem System
der Zwangsarbeit und dessen Profiteuren. Andererseits
dürfte dieses Deutungsmuster dazu beigetragen haben, die
breite Akzeptanz, auf die das erinnerungskulturelle Engagement der VVN
stieß zu fördern. Deren zentrales Anliegen bestand
weniger in einer Skandalisierung. Vielmehr ging es zum einen darum, im
Rahmen der gegebenen Möglichkeiten die ehemaligen
Zwangsarbeiter konkret zu unterstützen, zum anderen in
Oberhausen einen oder mehrere Erinnerungsorte zu diesem
verdrängten Kapitel der Stadtgeschichte zu schaffen. Dies
gelang mit der Einweihung der „Mahn- und
Gedenkstätte für die Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter des NS-Regimes in Oberhausen“ in der
Harkortstraße am 4. Juli 1995. Dort hatte sich zwischen 1942
und 1945 ein Lager befunden, in dem russische Zwangsarbeiter inhaftiert
gewesen waren. Mauerreste der Kommandantur waren ebenso noch vorhanden
wie ein etwas abseits stehender Ein-Mann-Bunker, der
Angehörigen der Wachmannschaften als Unterstand gedient hatte.
Die Idee an dieser Stelle eine Gedenkstätte zu errichten, war
bei einer historischen Spurensuche zusammen mit den ehemaligen
Zwangsarbeitern im Mai 1994 entstanden. [Interview mit Manfred
Kugelmann, S. 31.] Die Gestaltung der Anlage war schließlich
ein Kooperationsprojekt an dem sich neben der VVN, die Gedenkhalle bzw.
die Stadt sowie die Friedens-AG der nahe gelegenen
Theodor-Heuss-Realschule beteiligten. Die Schüler halfen, das
Gelände frei zu legen, pflanzten Blumen und verfassten einen
erläuternden Text für eine Informationstafel. [Vgl.
NRZ vom 4.7.1995.] Den vorläufigen
Höhepunkt der Beschäftigung der VVN mit der
Geschichte der Zwangsarbeit in Oberhausen bildete jedoch die von einer
Arbeitsgruppe der Kreisvereinigung konzipierte Ausstellung
„Zwangsarbeit in der Nazidiktatur 1939-1945 am Beispiel
Oberhausen“, die von Ende August bis Anfang November 1998 in
der Gedenkhalle gezeigt wurde. Eine hochkarätig besetzte, von
der VHS, der Gedenkhalle und der VVN organisierte Fachtagung in der
Gedenkhalle über „Zwangsarbeit und Lager im
Ruhrgebiet während des II. Weltkrieges“ verhalf dem
Projekt zudem zu überregionaler Beachtung. Wohl auch unter
diesem Eindruck waren Versuche, beispielsweise die Ausbeutung der
Zwangsarbeiter zu relativieren, öffentlich kaum wahrnehmbar:
„Also ich erinnere mich an keine einzige Geschichte, die das
[die Deutungsmuster der Ausstellung; MS] total abgelehnt
hätten. […] Wenn, dann war es eher:
‚Wussten wir ja gar nicht.’ Vor allen Dingen die
Masse der Lager“. [Interview mit Manfred Kugelmann, S. 30.]
Allerdings verweigerten sich die mit der Bitte um Informationen aus den
Firmenarchiven von der VVN angeschriebenen Firmen und Konzerne, die
bzw. deren Vorläufer vom System der Zwangsarbeit profitiert
hatten größtenteils einer Kooperation. In der
Begleitbroschüre zur Ausstellung wurden die ausweichenden
Reaktionen dokumentiert. [VVN/BdA Kreisvereinigung Oberhausen, Ein
Tabuthema, S. 48-54.] Manfred Kugelmann resümiert
rückblickend: „ Also die GHH hat uns mitgeteilt
[…]: Sie wussten nichts. Sie hätten nichts.
Über Ingo Hinze [Vgl. Ingo Hinze, Fremdarbeiter bei der
Gutehoffnungshütte Oberhausen 1939-1945, Magisterarbeit,
Ruhr-Universität Bochum, Bochum 1992.] wusste ich ja, dass der
Sachverhalt völlig anders war. Das hieß einfach: VVN
wird nicht ernst genommen. Da hat es auch überhaupt kein
Gespräch außer diesem Brief
gegeben.“[Interview mit Manfred Kugelmann, S. 28.] Diese
Verweigerungshaltung prägte letztendlich auch die
Auseinandersetzungen um angemessene Entschädigungszahlungen
für ehemalige Zwangsarbeiter. Während die vormaligen
Profiteure der Zwangsarbeit auf die Zuständigkeit der
Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des NS-Staats verwiesen,
verschanzten sich die verschiedenen Bundesregierungen jahrzehntelang
hinter der Auffassung, Wiedergutmachungsleistungen seien als
Reparationen zu betrachten, die aber erst in Folge eines
gültigen Friedensvertrags mit der Garantie entsprechender
Rechtssicherheiten in Betracht gezogen werden könnten. [Vgl.
zusammenfassend zur Debatte um die Entschädigung von
Zwangsarbeitern: Mattias Arning, Späte Abrechnung.
Über Zwangsarbeiter, Schlussstriche und Berliner
Verständigungen, Frankfurt am Main 2001.] Nachdem
dieses Argumentationsmuster durch drohende Sammelklagen gegen deutsche
Konzerne in den USA ins Wanken geraten war, kam jedoch Bewegung in die
verhärteten Positionen. Auch die Oberhausener VVN, die
aufgrund ihres jahrelangen Engagements in diesem Bereich immer
häufiger von ehemaligen Zwangsarbeitern um
Unterstützung in ihren Bemühungen um
Entschädigungsleistungen gebeten wurde versuchte nun mit einer
Musterklage gegen die Ruhrkohle AG die Ansprüche des zwischen
1943 und 1945 im Bergbau eingesetzten Alexander Fedortschenko auf den
ihm damals vorenthaltenen Lohn zu erstreiten. Die Klage wurde
abgewiesen. Mit dem Verfahren zielte die VVN jedoch in erster Linie
darauf ab, öffentliche Aufmerksamkeit für das bis
dahin ungelöste Problem der
Zwangsarbeiterentschädigung herzustellen und somit den Druck
auf die zahlungsunwilligen Firmen weiter zu erhöhen:
„Wir haben […] einen Musterprozess
geführt. Haben natürlich verloren […]. Wir
wussten ja von vornherein, dass das nicht zu gewinnen war, sondern uns
ging es einfach darum, das ganze öffentlich zu machen. Und ich
denke, das ist uns schon gelungen.“ [Interview mit Manfred
Kugelmann, S. 22.] Eine
„Erfolgsstory“? – Erinnerungskultur in
Oberhausen Tatsächlich hatte sich die VVN in
Oberhausen mit ihrem erinnerungskulturellen Engagement zu einem
„Tabuthema“ (so der Titel der
Begleitbroschüre zur Ausstellung) nicht nur im lokalen Rahmen
große Beachtung gefunden, sondern auch in
überregionaler Perspektive Debatten mit angestoßen.
Können demnach die Wege der Oberhausener Erinnerungskultur in
den vergangenen drei Jahrzehnten nicht doch zu einer
„Erfolgsstory“ deklariert werden? Die Antwort auf
diese eingangs erwähnte Frage fällt auch am Ende
skeptisch aus. Denn woran wäre in diesem Kontext Erfolg zu
messen? Vielmehr ist darauf zu verweisen, dass die
Beschäftigung mit „Geschichte“ und
„Erinnerung“ eine „immerwährende
Auseinandersetzung“ darstellt. Festzuhalten bleibt jedoch,
dass das gesellschaftliche, kulturelle und politische Klima in dem um
den angemessenen Umgang mit der Vergangenheit gerungen wurde
augenscheinlich stärker von gegenseitiger
Wertschätzung geprägt war als andernorts. Die
möglichen Gründe hierfür habe ich zu
skizzieren versucht. Neben der integrierenden Bedeutung, die den
ehemaligen Widerstandskämpfern während der 1970er und
1980er Jahre zukam, war es zweifellos der identitätsstiftende
Topos vom „antifaschistischen Oberhausen“, der
einen zentralen Pfeiler des städtischen Gedächtnisses
darstellte (und immer noch darstellt). Freilich: Auch dieser
Interpretationsrahmen hatte seine blinden Flecken und bot Raum
für entlastende Sichtweisen, verdeckte der Blick auf den in
Oberhausen unbestritten breit verankerten Widerstand doch den Blick auf
das Ausmaß, in dem der Nationalsozialismus die Gesellschaft
durchdrungen hatte. Andererseits schuf gerade diese
durch die Perspektive „von unten“ geprägte
lokale Geschichtskultur ein Feld, in dem sich Wahrnehmungen und
Deutungsmuster der an den Diskursen beteiligten Akteure
verändern und erweitern konnten. Diese Beobachtung galt auch
für die VVN. Während die Organisation andernorts
oftmals Vorbehalten, Ressentiments und Diffamierungen ausgesetzt war,
gelang es dem Kreisverband in Oberhausen, sich als anerkannter
erinnerungskultureller Akteur in der Stadt zu etablieren. |