21.12.2012 Erinnerung an deutschen Terror - Historikerkommission fordert Gedenkstätte für italienische Militärinternierte Ein
neuer Bericht deutscher und italienischer Historiker zu
NS-Kriegsverbrechen legt alte Wunden offen. Zu
Entschädigungsansprüchen und Strafverfolgung
äußerten sich die Autoren aber nicht. Nach
monatelanger Verzögerung wurde am Mittwoch in Rom der Bericht der
deutsch-italienischen Historikerkommission zum Verhältnis von
Deutschen und Italienern zwischen 1943 und 1945 vorgestellt. Viele
Neuigkeiten enthält das 180 Seiten starke Papier nicht. Doch so
komprimiert wurde die »Strategie des Terrors« deutscher SS-
und Wehrmachtssoldaten bei ihren Verbrechen an italienischen
Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung noch in keinem
Regierungsrapport dargelegt. Von Katja Herzberg Nach
Erkenntnissen der zehn beauftragten Geschichtswissenschaftler –
je fünf aus beiden Ländern – wurden nach dem
Kriegsaustritts Italiens am 8. September 1943 bis zur Befreiung am 25.
April 1945 mehr als 600 000 italienische Soldaten, 24 000
Oppositionelle und 7000 Juden deportiert sowie bis zu 15 000 Zivilisten
bei Massakern ermordet. Etwa 25 000
»Militärinternierte«, die vom NS-Regime nicht den
völkerrechtlichen Status von Kriegsgefangenen erhielten, starben
in den Arbeitslagern auf deutschem Gebiet und dem Balkan. Ihr
»trauriges Kollektivschicksal«, heißt es in dem
Bericht, sei bis heute weitgehend vergessen worden. Daher empfehlen die
Historiker die Errichtung einer Gedenkstätte für
Militärinternierte in Deutschland in der damaligen Machtzentrale
Berlin. Dafür geeignet erscheint ihnen das Gelände des
Zwangsarbeiterlagers in Niederschöneweide. Auch in Italien sollen
Erinnerungsstätten geschaffen werden. Nach
Agenturberichten will Bundesaußenminister Guido Westerwelle
diesem Vorschlag folgen und damit seinen Beitrag zu einer
»gemeinsamen Erinnerungskultur« leisten. »Im
deutschen Namen wurden in Italien und an Italienern durch nichts zu
rechtfertigende Verbrechen begangen«, sagte er bei der
Vorstellung des Berichts. Sein italienischer Kollege Giulio Terzi
bekräftigte seine Enttäuschung darüber, dass die
Stuttgarter Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen des NS-Massakers in
Sant'Anna di Stazzema mit mindestens 560 Toten Anfang Oktober
eingestellt hatte. Italien respektiere die Entscheidung, werde sich
jedoch weiterhin bemühen, Entschädigungszahlungen
durchzusetzen, die seit dem Urteil des Militärgerichts La Spezia
im Juni 2005 bestehen. Die sind jedoch auch nach dem Richterspruch des
Internationalen Gerichtshofs in den Haag im Februar dieses Jahres nicht
in Sicht. Es forderte Deutschland und Italien aber zu Verhandlungen
auf. Der Anwalt und Vorsitzende des Vereins für die Opfer
des Massakers in dem Bergdorf Cervarolo, Italo Rovali, kritisierte
gegenüber »nd«, dass in Italien rechtskräftige
Verurteilungen nicht vollstreckt werden. »Die Verbrechen wurden
begangen und müssen bestraft werden. Die Urteile dafür gibt
es.« Bemühungen um Gedenkorte seien nicht genug. Auf sein
Drängen hin hat die Staatsanwaltschaft München I
kürzlich ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen
Wehrmachtssoldaten der Division Hermann Göring, W. Stark,
eingeleitet. Mit freundlicher Genehmigung von Neues Deutschland vom 20.12.12 Der Bericht der Kommission als PDF: http://www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/633874/publicationFile/175259/121219-DeuItalHistorikerkommission-Bericht.pdf Eine verpasste Chance Die
Deutsch-Italienische Historikerkommission empfiehlt keine
Entschädigung für die ehemaligen italienischen
Militärinternierten Es wäre die Chance gewesen, den
Regierungen von berufener Seite aus klarzumachen, dass eine
Entschädigung für die ehemaligen Militärinternierten
(IMI) längst überfällig ist – die IMI sind, das
zur Erinnerung, vermittels eines völkerrechtlichen
Taschenspielertricks von den Entschädigungszahlungen der Stiftung
Erinnerung, Verantwortung und Zukunft ausgeschlossen worden. Die
Historikerkommission hat dreieinhalb Jahre lang getagt und sich mit der
deutsch-italienischen Kriegsvergangenheit und „insbesondere dem
Schicksal der nach Deutschland deportierten Italienischen
Militärinternierten“ beschäftigt. Nun ist der Bericht
der Kommission veröffentlicht worden: Auf dem Wunschzettel
der Historiker stehen Gedenkstätten, Ausstellungen,
Auskunftsstellen, eine deutsch-italienische Zeitgeschichtsstiftung,
Forschungsstipendien und ein Übersetzungsfonds – an eine
Entschädigung für die noch lebenden IMI hat wieder einmal
niemand gedacht. Es ist richtig und wichtig, der Opfer des
Nazi-Terrors zu gedenken, zu denen auch die IMI gehören –
mindestens genauso wichtig ist es aber, den Überlebenden Respekt
und Anerkennung entgegenzubringen und zumindest ansatzweise
Gerechtigkeit zu schaffen. Es ist traurig und für die deutsche
Seite erneut peinlich, dass die Historikerkommission sich noch nicht
einmal zu einem Appell an die deutsche Regierung durchringen konnte,
den überlebenden IMI die Entschädigung zukommen zu lassen, um
die sie bisher betrogen worden sind. Dr. Jost Rebentisch Bundesverband Information & Beratung für NS-Verfolgte e.V. http://www.nsberatung.de |