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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

06.11.2012

„Der Krieg beginnt hier – und hier muss er gestoppt werden“

Ein Brief an Hannelore Kraft

Nachdem Friedensgruppen am Nationalfeiertag 3. Oktober in Kalkar/Niederrhein gegen neue zentrale Einrichtungen der NATO für deren Kriegseinsätze demonstriert haben, richtete das Komitee Ostermarsch Ruhr einen Brief an die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, die dieser kriegerischen Entwicklung zugestimmt hat. In Kalkar wurde unter der Losung demonstriert: Der Krieg beginnt hier – und hier muss er gestoppt werden. Ganz in diesem Sinne unterschrieben bisher den Ostermarsch-Brief an Hannelore Kraft (SPD) auch der Bundesausschuss Friedensratschlag, die VVN-Bund der Antifaschisten NRW und Persönlichkeiten der Friedensbewegung wie Willi Hoffmeister, Prof. Dr. Arno Klönne und Dr. Peter Strutynski.

Brief an die nordrhein-westfälische Landesregierung

„Der Krieg beginnt hier – und hier muss er gestoppt werden“

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft!

In NRW sind zentrale Einrichtungen der NATO für deren Kriegseinsätze geschaffen worden oder sie befinden sich im Ausbau. Diese Einrichtungen sind der Entscheidungsgewalt deutscher Parlamentarier entzogen. Dagegen und insbesondere gegen das „Combined Air Operations Centre“ (CAOC) in Kalkar/Uedem richtet sich der Protest der Antikriegs- und Friedensgruppen an Rhein und Ruhr.  Sie sind tief besorgt und möchten Ihnen die Gründe dafür unterbreiten.

Die Friedensgruppen befürchten, dass auch von Kalkar aus Luftoperationen der NATO - wie zuletzt in Libyen -  gesteuert werden können. Denn 2011 war die Schwestereinrichtung von Kalkar/Uedem bei Bologna in Italien Teil der Steuerzentrale für die NATO-Luftangriffe gegen Libyen. Sie befürchten, dass Kalkar einen Platz im System des geplanten Raketenabwehrschirms und der geplanten Modernisierung der in Deutschland gelagerten Atomwaffen einnehmen wird.

Die NATO maßt sich immer mehr das Recht zu Kriegseinsätzen nach eigenem Gutdünken an. Kriegseinsätze wurden ohne UNO-Mandat oder infolge sehr eigenwilliger Interpretation der Mandate durch die NATO durchgeführt.

Die Antikriegs- und Friedensgruppen, die im Ostermarsch-Komitee zusammengeschlossen sind, wenden sich gegen solche Kriegseinrichtungen in NRW wie jene in Kalkar/Uedem. Diese werden die Welt nicht sicherer machen, sondern im Gegenteil die Einbeziehung Deutschlands in Kriege in aller Welt mit sich bringen. Die staatenübergreifende Besetzung von Einrichtungen wie in Kalkar bedeutet in der Praxis auch, dass unter Umgehung des Bundestages deutsche Soldaten an Kriegseinsätzen beteiligt würden.  

Wir schreiben Ihnen in Sorge um NRW. Denn mit großer Bestürzung haben wir festgestellt, dass Ihre Regierung der Ausweitung von Bundeswehr- und NATO-Einrichtungen in Kalkar/Uedem zu einem NATO- und Bundeswehrkommandozentrum für die weltweite Luft- und Weltraumkriegsführung im Rahmen der Bundeswehrreform zustimmt. Heute führt Deutschland wieder weltweit Kriege - und nun soll auch Nordrhein-Westfalen zum Frontstaat ausgebaut werden?

Sollen nun in Kalkar Generäle freie Hand erhalten, um Krieg zu führen?  „Wir haben sie abgeschossen“, sagte General Dieter Naskrent über die Vernichtung eines angeblich von Terroristen gekaperten Flugzeugs mit Zivilisten darin. (lt. WAZ und NRZ vom 11.Nov. 2011). Nach Artikel 1 des Grundgesetzes ist dies klar verfassungswidrig. Die Zeitungen berichteten von einer Übung im Luftstreitkräfte-Hauptquartier Kalkar: „Am niederrheinischen Kalkar wird er (der Krieg) auf dem Reißbrett mit geplant und gesteuert.“ Die Übungen in der von-Seydlitz-Kaserne könnten schnell ernst werden, wenn „im Konfliktfall solche Entscheidungen deutlich über die kleinen Punkte auf den Computerbildschirmen hinaus Tragweite haben; dann lägen Menschenleben in den Händen der Soldaten.“  

Bereits am nächsten 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit 2013, soll alles in Kalkar ‚perfekt‘ sein: Die Verschmelzung der NATO- und Bundeswehrluftwaffenkontingente zum Führungszentrum für weltweite Luftoperationen inklusive das Weltraumlagezentrum. Jeder Punkt Eurasiens nördlich der Alpen könnte dann mit von dort aus gesteuerten Bomben, Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen erreichbar sein. Es ist klar, dass besonders Russland – das das größte Territorium nördlich des 47. Breitengrads besitzt – sich bedroht fühlen muss. Es wird, so wurde schon angekündigt, dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Und das bedeutet: Unser NRW wird zur Zielscheibe von Raketen, Bomben und Drohnen.

Sehr geehrte Frau Kraft! Sie haben der Erweiterung in Kalkar/Uedem zugestimmt, um der Region Arbeitsplätze zu erhalten. Auch die CDU in der Region stimmt durch ihre Sprecher der Erweiterung zu, die sie als Luftüberwachung darstellt. Es geht aber nicht um eine Fliegerabwehrstellung mit ein paar weiteren FLAK-Helfern unseligen Angedenkens. Um die schnellen Eingreiftruppen der NATO weltweit von Kalkar aus in Marsch setzen zu können, wurde die Zahl der Soldaten in Kalkar und Uedem um 400 verdoppelt. Sie sollen zusätzlich zu den vorhandenen Mannschaften auch ferngesteuerte Flugelemente kontrollieren. Drohnen sind als Tötungsgeräte ohne Gerichtsurteil grundgesetzwidrig. Von Kalkar/Uedem aus sollen die Einsätze, selbst auch atomarer Raketen, Bomberflugzeuge und Drohnen gesteuert werden.

Wir bitten Sie dringend, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, Ihre Zustimmung zum Ausbau von Kalkar/Uedem zurückzuziehen.

Wir appellieren an Sie und alle Ihre Regierungsmitglieder: Von Nordrhein-Westfalen darf kein Krieg ausgehen.

"Mit dem Anschluss der DDR gilt der Spruch eines Vizegeneralinspekteurs vom 3. Oktober 1990: „Die Leistungsfähigkeit der Soldaten der Bundeswehr und ihrer Waffen soll nach unserer Überzeugung nicht hinter den Leistungen der Wehrmacht zurückstehen.“ Zu den Leistungen der Wehrmacht zählten historisch einmalige verbrecherische Vernichtungsfeldzüge. Seit den 90er Jahren reiht sich die Bundeswehr über die NATO wieder ein in Aggressionskriege in aller Welt. Und was die vorzüglichen Waffen anbelangt, über die die Wehrmacht verfügte, so will die Bundeswehr dem nicht nachstehen: Was die unbemannten Raketen V 1 und V 2 waren, sollen nun unbemannte nukleare und konventionelle Großdrohnen werden, die – gesteuert von Kalkar aus – über der ganzen Erde Tod und Vernichtung verbreiten können."

Aus der Rede von Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA am 3.Oktober auf der Friedenskundgebung in Kalkar