03.11.2012 Besser verordneter als gar kein Antifaschismus „Raus
aus der Defensive – rein in die Offensive!“ war das Fazit
einer Debatte über den Antifaschismus in beiden deutschen Staaten
und in der heutigen Bundesrepublik. Karlen Vesper berichtete am 3.
November 2012 in Neues Deutschland über eine Debatte in der Rosa
Luxemburg Stiftung in Berlin. „Mythos Antifaschismus -
Verordnetes Erbe“ lautete das Thema. „Wer nicht bereit ist,
über den Antikommunismus in der Bundesrepublik zu reden,
sollte über den Antifaschimus in der DDR schweigen“,
forderte Prof. Wolfgang Wippermann. Hier der Bericht über die
Debatte: Natürlich ist der Antifaschismus nach 1945 in Ostdeutschland verordnet worden. Und
das war auch gut so. Nicht anders anfangs im Westen Deutschlands. Auch
dort bestanden die Alliierten auf geistige Entrümpelung,
Entnazifizierung und (Re-)Education, bis der Kalte Krieg ausbrach und
Antikommunismus (wieder) Staatsdoktrin wurde. In der DDR blieb dies der
Antifaschismus bis zu deren Untergang. »Wer nicht
bereit ist, über den Antikommunismus in der Bundesrepublik zu
reden, sollte über den Antifaschismus in der DDR schweigen«,
forderte Wolfgang Wippermann in Abwandlung eines Diktums von Max
Horkheimer: »Wer vom Kapitalismus nicht reden will, der sollte
vom Faschismus schweigen.« Der Historiker war von der Rosa
Luxemburg Stiftung zur Debatte »Mythos Antifaschismus - Die DDR
und ihr ›verordnetes Erbe‹« geladen worden,
Abschluss einer Veranstaltungsreihe zur umstrittenen Ausstellung
»Bruderland ist abgebrannt«. »Mythos ist
eine unbeglaubigte Überlieferung. Der Antifaschismus in der DDR
war aber Wirklichkeit. Und zugleich Ideologie«, stellte
Wippermann klar, der zum Thema bereits 1980 publiziert hat und in der
westdeutschen Zunft nicht selten als »Enfant terrible«
galt. Was ihn jedoch nie beirrte. Der Sozialdemokrat hält nicht
mit Kritik an der DDR zurück. So seien auch dort nach 1945
fortlebende Mentalitäten unterschätzt und
Entschuldungsrituale akzeptiert respektive gefördert worden.
Hieß es hüben: »Ich war's nicht, Hitler war's«,
so drüben: »Ich war's nicht, das Finanzkapital
war's.« Ökonomischen Wurzeln und Triebkräfte des
Faschismus bestreitet Wippermann freilich nicht. Er korrigierte gar
Carl-Friedrich Höck, der in seiner Einführung die sogenannte
Dimitroff-Formel, die Definition des Exekutivkomitees der Komintern von
1935 über den Faschismus an der Macht, nicht exakt zitierte.
Wofür man übrigens nicht des Russischen mächtig sein
muss, wie der Redakteur des »Vorwärts« zu seiner
Verteidigung vorbrachte. Auch Gregor Gysi sah sich verpflichtet,
Höck zu berichtigen: Trotz Überhöhung des
kommunistischen Widerstandes seien weder der sozialdemokratische,
bürgerliche, christliche noch militärische gänzlich
ausgeblendet worden. Ebenso nicht die Judenverfolgung, wovon nicht nur
ein Buch (»Anne Frank«) und ein Film (»Jakob der
Lügner«) zeugten. Indes gehörten in der DDR wie in der
Bundesrepublik Homosexuelle, Sinti und Roma sowie sowjetische
Kriegsgefangene zu den »vergessenen« Opfergruppen.
»An der DDR kann man vieles verurteilen, aber nicht, dass sie
antifaschistisch war«, sagte der Chef der Linksfraktion im
Bundestag am Mittwochabend im Industriesalon in
Berlin-Schöneweide, wo Neonazis stark präsent sind und es
Anfang des Jahres eine Attacke auf Gysis Wahlkreisbüro gab. Doch
sicher nicht darob allein wünscht er sich, Antifaschismus
würde heute verordnet werden. Wippermann wiederum griff den
Hinweis von Hans Coppi, dem Vorsitzenden der Berliner VVN-BdA, auf, der
Antifaschismus sei in der DDR seines emanzipatorischen und kritischen
Gehalt verlustig gegangen, um sodann zu appellieren: »Raus aus
der Defensive, in die Offensive! Den alten Antifaschismus achten und
die Faschos schlagen.« Mit freundlicher Genehmigung des Neuen
Deutschland: http://www.neues-deutschland.de/artikel/803011.raus-aus-der-defensive-in-die-offensive.html |