24.10.2012 Ideale und Traumata Die Zweite Generation:
Kinder von Widerstandskämpfern und Emigranten Endlich reden wir miteinander, war zu
hören. Unter den über hundert Teilnehmern eines
Kolloquiums vergangenes Wochenende in Berlin waren zahlreiche
Nachfahren von Widerstandskämpfern in Deutschland und im Exil.
Die Angehörigen der sogenannten Zweiten Generation, ein
Begriff, der Differenzen nicht andeutungsweise abbildet, brachten ihre
Familiengeschichten mit - die Geschichte ihrer Mütter und
Väter, von in der Zeit des Hitlerfaschismus Verfolgten,
Vertriebenen, Verhafteten, Gefolterten, Hingerichteten, Emigranten,
Spanienkämpfern, Kämpfern in alliierten Armeen oder
im Untergrund. Von Suzanna Kupfermann Die
nunmehr selbst in die Jahre gekommenen »Kinder«
erinnerten sich erneuter Ausgrenzung ihrer kommunistischen und/oder in
der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) organisierten
Eltern im Nachkriegswestdeutschland. In der DDR waren
Widerstandskämpfer und Verfolgte des Naziregimes geachtet und
übernahmen, sofern sie nicht an sich selber, an
stalinistischen oder anderen Rankünen scheiterten,
häufig führende Positionen, was wenig Zeit und Kraft
für die Kinder ließ. Der Erwartungsdruck, den
heroischen Eltern zu entsprechen, überforderte jene vielfach.
Verschwiegene biografische Brüche und traumatische Erfahrungen
der Eltern, Verluste und Zweifel in den politische Auseinandersetzungen
des Kalten Krieges konnten bei den Kindern zuweilen
Identitätskrisen auslösen. Die komplizierten
Lebenswege der Eltern entsprachen oft nicht der parteioffiziellen
Geschichtsschreibung. Aus Schutz-, Scham- und Schmerzgründen
unterlassene offene Eltern-Kind-Gespräche schürten
Generationskonflikte. Darüber nunmehr offen
zu reden, war das Anliegen des von der Berliner VVN/BdA mit
Unterstützung der Hellen Panke ausgerichteten
zweitägigen Kolloqiums. Hans Coppi sprach von seinem Verlust
als Sohn hingerichteter Hitlergegner. Andrée Fischer-Marum
erzählte über seinen Großvater, der als
jüdischer SPD-Reichstagsabgeordneter 1934 ermordet wurde, und
von seinen kommunistischen Eltern, die über Frankreich nach
Mexiko emigriert, mit zwei Kindern in die Heimat zurückgekehrt
und in der DDR als »Sympathisanten« von Noel H.
Field in die »Säuberungen« der
frühen 50er Jahre geraten waren. Alice Czyborra, geborene
Gingold, reflektierte, wie in der Bundesrepublik zu gleicher Zeit
jüdische Kommunisten verwaltungstechnisch
gemaßregelt, denunziert und verfolgt wurden. Auch
Wissenschaftler kamen zu Wort. Dieter Nelles, Armin Nolzen und Heinz
Sühnker berichteten über ihre Befragung von
über 200 »Kindern des Widerstands« in
Wuppertal. Das Projekt dokumentiert die Folgen elterlicher Haft auf die
Lebenswege der Nachfahren nach. Manche »Kinder«
verweigerten sich nach 1945 jeder Form politischer Arbeit, andere, wie
Christa Bröcher und Klara Tuchscherer, geborene Schabrodt,
lebten die Ideale der Eltern weiter. Irene Fick und Merilyn Moos aus
London informierten über Netzwerke der »second
generation«, die Kinder von nicht nach Deutschland
zurückgekehrten, zumeist jüdischen Emigranten zur
gegenseitigen Hilfe und Kommunikation gegründet haben. Aus
Wien berichtete Helene Maimann über die
jüdisch¬sozialistische
»Kinderjause«, ein Forschungsprojekt über
sozial und politisch engagierte Emigrantenkinder. Irene Runge sprach
über die Mitte der 80er Jahre in Ostberlin entstandene
jüdische Selbstfindungsgruppe säkularer Nachfahren
politischer jüdischer Emigranten und
Holocaustüberlebender, aus der 1989 der Jüdische
Kulturverein Berlin hervorging. Wolfgang Herzberg wiederum untersuchte
Grundmuster des mentalen Erbes und wies auf systemimmanente politische,
kulturelle und psychologischen Barrieren, die Eltern- wie auch
Kindergeneration beschädigten, was die Gesellschaft nicht zur
Kenntnis nahm. Micha Brumlik und Irene Dieckmann stellten ihre
Forschungen über im Westexil Geborene vor, über
biografische Besonderheiten sowie Anpassungen und Aneckung im
veränderten gesellschaftlichen Klima in der DDR. Der
Tagung waren Kolloquien über das Sowjetexil und das verordnete
Schweigen über Stalins Terror aus eigener oder elterlicher
Erinnerung vorausgegangen. Oswald Schneidratus, der jener Zweiten
Generation angehört, plädierte für ein
Zusammenbringen der unterschiedlichen Erinnerungsstränge und
sprach sich, wie auch andere Teilnehmer, gegen eine
Opferhierarchisierung aus. Mit freundlicher
Genehmigung des Neuen Deutschland vom Samstag, 20. Oktober 2012, Seite
23 Bericht zur Tagung von Christa: Im
Frühjahr des Jahres 2011 wandten sich vier Töchter
antifaschistischer Widerstandskämpferinnen und -kämpfer mit
einem Appell an die Öffentlichkeit: „Hinterbliebene von NS
Opfern fordern ihr Recht“: Alice Czyborra (Gingold), Klara
Tuchscherer (Schabrod), Inge Trambowsky (Kutz), Traute Sander
(Burmester) Als Folge der breiten Diskussion dieses Appells
entstand in NRW die Gruppe: „Kinder des Widerstandes –
Antifaschismus als Aufgabe“. Unterstützt werden sie bis
jetzt von der VVN/BdA NRW. An dieser Konferenz nehmen vier Mitglieder unserer NRW Gruppe teil. Wir haben die Zeit des Faschismus als Kleinkinder erlebt oder sind „Nachgeborene“. Aber alle sind wir Kinder und Enkelkinder von politisch verfolgten Männern und Frauen. Wir möchten hier vorstellen, warum und mit welcher Absicht wir unsere Gruppe gründeten. Und
exemplarisch, auf Grund eigener Erfahrungen, möchten wir
begründen, warum es uns wichtig ist, in dieser Gruppe
mitzuwirken. Was wollen wir: Mit der Gruppe
„Kinder des Widerstandes – Antifaschismus als
Aufgabe“ wollen wir dem antifaschistischen Kampf ein
persönliches Gesicht geben, zeigen was Widerstand, Verfolgung,
Inhaftierung, Folter und Terror für den einzelnen Menschen und
dessen Familien bedeutete. Wir wehren uns entschieden gegen alle Meinungen wie „Man muss mal einen Schlussstrich ziehen!“ Doch dies nicht nur aus möglicherweise als sentimental abgestempelten Gründen: Viele
unserer Eltern und Großeltern leisteten schon während der
Weimarer Republik Widerstand gegen den aufkommenden Faschismus, klar
benennend, wer ein Interesse an der Machtübertragung an die Nazis
hatte und welche Ziele diese verfolgten. Ihre Erkenntnisse sind angesichts des Erstarkens des Rechtsradikalismus in unserem Land brennend aktuell. Ihre
Erfahrungen im Kampf gegen den Faschismus wollen wir weitergeben
– auch ihre Einschätzung, warum es nicht gelang, dass
„Dritte Reich“ zu verhindern. Peter Gingold, der
Vater von Alice Czyborra, warnt in seinem 2009 erschienenen Buch
„Paris Boulevard St. Martin No.11: „Vergesst nicht unsere
bitterste Erfahrung! 1933 wäre verhindert worden, wenn alle
Hitlergegner die Einheitsfront geschaffen hätten. Dass sie nicht
zustande kam, dafür gab es …. nur eine einzige
Entschuldigung: Sie hatten keine Erfahrung, was Faschismus bedeutet,
wenn er einmal an der Macht ist. Aber heute haben wir alle
diese Erfahrung, heute muss jeder wissen, was Faschismus bedeutet.
Für alle zukünftigen Generationen gibt es keine
Entschuldigung mehr, wenn sie den Faschismus nicht verhindern.“
so Peter Gingold. (Peter Gingold, „Paris-Boulevard St. Martin
No.11“, Hrsg. Ulrich Schneider, PapyRossa Verlag) Viele der
Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgung setzten sich
sofort nach 1945 trotz der erlittenen physischen und oft auch
psychischen Schäden wieder für ein friedliebendes und
demokratisches Deutschland ein – auch unsere Eltern und
Großeltern. Als Beispiel berichtet Christa Bröcher
über ihren Großvater, Anton Melchers, und ihre Mutter,
Christel Lückhardt: Mein Großvater, Anton Melchers,
war nach mehrjährigen Inhaftierungen im KZ Börgermoor
und Sachsenhausen im Jahr1946 Mitbegründer der VVN in NRW und
setzte sich für die Belange der überlebenden Opfer des NS
Regimes ein. Er starb 1947 an den Folgen der erlittenen Haft. Meine
Mutter, Christel Lückhardt, wurde als junge Frau in
Düsseldorf verurteilt. Sie hatte daran mitgewirkt, die
Verbindungen zwischen Widerstandsgruppen am Niederrhein und im
Ruhrgebiet aufrecht zuhalten und neue zu suchen. Obwohl sie durch
den Gefängnisaufenthalt gesundheitlich schwer geschädigt war,
war sie nach 1945 z. B. tätig in der Schulpflegschaft der
Volksschule, die ich als Kind besuchte, sie war Mitglied im
Schulausschuss der Stadt Düsseldorf und sie setzte sich für
bessere Wohnbedingungen von Familien, die noch in Bunkern hausten, ein. Klara Tuchscher sagt über ihren Vater: Für
meinen Vater, Karl Schabrod, war es nach fast 12 Jahren Zuchthaus und
Konzentrationslager, selbstverständlich, getreu dem Schwur von
Buchenwald, sofort am Aufbau eines demokratischen Deutschland
mitzuwirken. Er war als KPD Abgeordneter Mitglied des Landtages
von NRW und beteiligt an der Ausarbeitung der Verfassung von NRW. Es
ließen sich noch hunderte Beispiele nennen, wie überlebende
Frauen und Männer, aktive Gegner des Nationalsozialismus, sich in
den Wiederaufbau an hervorragender Stelle einbrachten. Dieser Einsatz wird von der offiziellen BRD Politik heute fast völlig unterschlagen. Im Gegenteil, die Verfolgten des Naziregimes fanden sich bald wieder neuen Diffamierungen und Repressionen ausgesetzt. So
zum Beispiel, wenn sie sich als ihre Konsequenz aus der Geschichte in
den Jahren nach 1945 gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands einsetzten
und die „Ohne Mich-Bewegung“ unterstützten. Die
„Ohne Mich-Bewegung“ führte auf Anregung Martin
Niemöllers 1951 zur Volksbefragung. Gefragt wurde: "Sind Sie gegen die Remilitarisierung und für den Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland noch im Jahre 1951?". Der
VVN und ihren Mitgliedern wurde wegen ihrer Unterstützung und
Beteiligung an der Volksbefragung vorgeworfen, gegen die
verfassungsmäßige Ordnung zu verstoßen. Während
sich viele Altnazis in einflussreichen Stellen tummelten, wurde sogar
am 19. September 1950 von der Bundesregierung ein Erlass
veröffentlicht, wonach Mitglieder der VVN nicht staatliche
Angestellte sein könnten – also schon 1950 die ersten
Berufsverbote! Am 24. April 1951 wurde die Volksbefragung verboten. Zuvor
hatte das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, in den
verschiedenen Städten und Großbetrieben Plakate anbringen
lassen, auf denen folgender Text stand: "Wer an der
kommunistischen Volksbefragung teilnimmt, gefährdet den Frieden
und stellt sich in den Dienst des Bolschewismus." Trotzdem wurde
die Volksbefragung von April 1951 bis April 1952 durchgeführt und
es wurden – nach unterschiedlichen Angaben - 6 bis 9 Millionen
Stimmen gegen die Wiederbewaffnung gesammelt. Immer wieder kam es bei den zahlreichen Demonstrationen zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Wie
müssen sich unsere Eltern gefühlt haben, wenn ihnen bei
Demonstrationen vom Straßenrand zugerufen wurde:
„Wenn Euch das nicht passt, dann geht doch nach
drüben!“ und man sie quasi ausweisen wollte. Oder wenn
gerufen wurde: „Euch haben Sie vergessen zu vergasen!“.
Solche „Sprüche“ kamen von Passanten noch bei den
Ostermärschen der 60Jahre. Doch noch einmal zurück: Wir
möchten auch daran erinnern, dass es vor 60 Jahren, am 11. Mai
1952, in Essen den ersten Toten bei einer politischen Demonstration in
der BRD gab. Philipp Müller starb durch zwei Kugeln, als die
Polizei in Essen auf Teilnehmer einer Demonstration gegen die
bundesdeutsche Wiederbewaffnung schoss. Dies war das erste Mal in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass ein Demonstrant durch
die Polizei getötet wurde. Durch Polizeikugeln schwer
verletzt wurden außerdem der Sozialdemokrat Bernhard Schwarze aus
Kassel und der Gewerkschafter Albert Bretthauer aus Münster. Unsere
Sozialisation fand also in dieser Zeit des „Kalten Krieges“
statt. In unserer Kindheit und Jugend kam zu der indirekten
Betroffenheit wegen Widerstand und Verfolgung unserer Eltern und
Großeltern die direkte Betroffenheit – diesmal wegen ihrer
weiteren politischen Tätigkeit nach 1945. Mittelbar
betroffen waren wir aus verschiedenen Gründen: Natürlich
wirkte sich der gesundheitlich schlechte Allgemeinzustand, die
häufigen Krankenhausaufenthalte, auf das Familienleben aus und
weckte in uns Ängste. Und wir hörten manche
Gespräche über Erlebnisse während der Nazizeit mit, von
denen unsere Eltern an nahmen, dass wir sie noch nicht verstanden. Allerdings
bemerkten wir bei ihnen keine Zweifel daran, dass es richtig war, sich
trotz Familie und Kindern für den antifaschistischen Kampf
entschieden zu haben. Direkt betroffen waren wir wegen der
Tätigkeit unserer Eltern besonders in der Atmosphäre
des „Kalten Krieges“. Unsere Eltern waren in der
Öffentlichkeit exponiert, als Zeitzeugen in Diskussionen, als
Mitglieder der VVN, als „Unterschriftensammler“, als
Kandidaten für die KPD, als Mitglieder in Parlamenten und
Ausschüssen, Ihre Haltung, als Person eine Meinung und ein
Anliegen zu repräsentieren, beinhaltete auch für uns
Kinder, uns „gut zu benehmen“ und „ordentlich
auszusehen“, von der Schule gute Noten mitzubringen. Wir mussten uns natürlich auch früh mit dem auseinandersetzen, was unsere Eltern politisch taten. Als
deren Kinder wurde uns unterstellt, dass wir genauso dachten. Wir
wurden sozusagen in „Meinungshaft“ genommen. Es gab
sachliche Diskussionen aber auch bösartige Anfeindungen
– verbal und körperlich. Die Solidarität
unserer Familien untereinander, das gemeinsame Erleben in Kinder- und
Jugendgruppen gaben uns Rückhalt und ließen in uns nicht das
Gefühl entstehen, wir seien gesellschaftlich isolierte
„Einzelkämpfer“. Der frühe Zwang zur
Auseinandersetzung mit verschiedenen politischen Meinungen,
Aktivitäten und philosophischen Weltsichten führte
sicher dazu, dass auch wir uns als Jugendliche und Erwachsene politisch
engagierten, zum Beispiel in der VVN/BdA, in der Gewerkschaft,
der Friedensbewegung, bei den Ostermärschen... Besonders
empört waren unsere Eltern und Großeltern darüber, dass
und wie schnell Altnazis auf allen Ebenen z. B. als Richter,
Staatsanwälte, Minister, sogar als Staatsoberhaupt, wieder in Amt
und Würden kamen. Die „Entnazifizierung“ wurde nur halbherzig durchgeführt, sagte mein Vater immer. Er war im August
1946 in Düsseldorf in den Entnazifizierungsausschuss für
Polizei und Feuerwehr berufen worden. Schon im Januar 1947 wurde ihm
mitgeteilt, dass die Überprüfungen weitgehend abgeschlossen
seien. Das Gremium wurde auf drei Personen reduziert Ganz anders erlebten wir das in den Jahren vor und nach dem KPD Verbot von 1956. Bereits
im Dezember 1954 wurde dem Vater von Margret Rest, Wilhelm Rattai, von
der Stadt Essen die Ausstellung eines Reisepasses verweigert, und zwar
mit folgender Begründung: „Ihr Antrag auf Ausstellung
eines Reisepasses wird gemäß § 7 Absatz 1a des
Passgesetzes vom 4. 3. 52 (Bundesgesetzblatt I S.290) abgewiesen. Nach
den angeführten gesetzlichen Bestimmungen ist ein Paß zu
versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der
Antragsteller als Inhaber eines Reisepasses die innere oder
äussere Sicherheit oder sonstwie erhebliche Belange der
Bundesrepublik oder eines deutschen Landes gefährdet. Die
Paßstelle ist auf Grund der Feststellungen der Polizei zu der
Auffassung gelangt, daß diese Voraussetzungen in ihrem Falle
gegeben sind. Sie sind nach den vorliegenden Erkenntnissen als eine
politisch aktiv eingestellte Persönlichkeit zu bezeichnen, die
bestrebt ist, die westdeutsche demokratische Grundordnung zu
untergraben. Es ist die Annahme gerechtfertigt, daß sie im Falle
des Zusammentreffens mit Gesinnungsgenossen im Ausland erhebliche
Belange der Bundesrepublik gefährden.“ Die nach dem
KPD Verbot vom 17. August 1956 „eingeleiteten
Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder und der Partei nahe Stehenden
hatten zum Teil erhebliche persönliche Konsequenzen, selbst wenn
keine Verurteilung erfolgte. Denn der Verdacht einer strafbaren
Handlung konnte als wichtiger Grund für eine Kündigung
dienen.[24] Ebenfalls reichte die reine politische Betätigung am
Arbeitsplatz zur Kündigung aus.[25] Dazu sind Fälle bekannt,
in denen der Verfassungsschutz bei Neueinstellung eines Kommunisten,
auf seine politische Vergangenheit hinwies, was zur erneuten Entlassung
führen konnte.[26] Die Zahl der eingeleiteten Ermittlungen und
Verurteilungen wird mit 125.000 bis 200.000 Ermittlungen und 7.000 bis
10.000 Verurteilungen angegeben - bei 6.000 bis 7.000 KPD-Mitgliedern
zum Zeitpunkt des Verbots der Partei.[27] Bis 1958 gab es auf
Länderebene 80 Verbote gegen Organisationen, die als von der KPD
gelenkt galten und somit unter das Urteil fielen.[28]“ (de.wikipedia.org/wiki/KPD-Verbot;
dort nach 24. Carl Nedelmann, Die Gewalt des politischen Staatschutzes
und ihre Instanzen. In: Der CDU-Staat 1, Suhrkamp, München 1967,
S. 199 f. ,↑ Alexander von Brünneck, Politische Justiz gegen
Kommunisten in der Bundesrepublik, Suhrkamp, FfM 1978, S. 299
ff.; Diether Posser, Politische Strafjustiz aus der Sicht des
Verteidigers, Karlsruhe 1961, S. 26 ↑ name="ab242"; Alexander von
Brünneck, Politische Justiz gegen Kommunisten in der
Bundesrepublik, Suhrkamp, FfM 1978, S. 242; Rolf Gössner, Die
vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges, Aufbau Taschenbuch Verlag,
Berlin 1998, S. 26, ↑ Alexander von Brünneck, Politische
Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik, Suhrkamp, FfM 1978, S.
113f.) Dazu berichtet Klara Tuchscherer kurz über ihren Vater, Karl Schabrod: Nach
juristischer Abklärung seiner Rechte nach dem KPD-Verbot,
kandidierte er als unabhängiger Kandidat und später für
eine Kommunistische Wählervereinigung. Zur gleichen Zeit gab er,
orientiert an der Pressefreiheit „Die freie Meinung“
heraus. Im Juli 1962, in einem von mehreren gegen ihn geführten
Prozessen, wurde ihm vorgeworfen, er habe die Justiz als Institution
angegriffen. Als Beweis wurde ein Artikel aus „Die freie
Meinung“ angeführt mit der Überschrift: „NS
Lagerleiter von Börgermoor jetzt freigesprochen“ (Nr. 22/59
S. 6) Mein Vater, der selbst den Naziterror im Börgermoor
erleben musste, schreibt in seinem Prozessschlusswort: „Bei
diesem Nazifunktionär wird ein millimetergenauer Maßstab
angelegt, der keine einzige Straftat als erwiesen gelten lässt.
Trotz aller Zeugenaussagen. Dieser Maßstab des Gerichts
führt zum Freispruch, zur Haftentschädigung und Nachzahlung
der Beamtenbezüge ab 1948“ Meinem Vater wurde dagegen bereits 1959 die Eigenschaft als Verfolgter aberkannt. Seine
Tätigkeit brachte ihm nach einem Monat U-Haft beim ersten Prozess
9 Monate auf Bewährung danach nochmals U-Haft von 3 Monaten und
beim 2. Prozess (1962) zwei Jahre Gefängnishaft ein. Schlimm, auch
für unsere Familie war, dass mein Vater 5 Jahre mit Berufsverbot
als Journalist, ihm die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt wurden
und die Verfolgtenrente gestrichen wurde. Als mein Vater am
Aschermittwoch des Jahres 1963 aus dem Düsseldorfer Gefängnis
"Auf der Ulm" entlassen wurde, drückte ihm ein Vollzugsbeamter
einen Pappkarton in die Hand -- 7000 Briefe, Karten und Telegramme von
Freunden und Genossen, die ihm seine Solidarität bekundeten. Viele waren genauso empört, wie ich es immer noch bin: Man
muss sich das vorstellen, weil mein Vater seinen kritischen Geist
beibehalten hatte, wurde er nicht mehr als Verfolgter der Nazizeit
anerkannt. Richter der Nazizeit erhielten hingegen die volle Pension. Organisationsverbote
führten zur Bestrafung der Widerstandskämpferinnen und
-kämpfer, während Naziorganisationen wie die NPD sich
ungehindert entfalten konnten. Berufsverbote wurden gegen die
Kinder von Antifaschisten ausgesprochen. Das Versammlungsrecht von
Antifaschisten wurde eingeschränkt. Wir setzen uns
dafür ein, dass eine Wiedergutmachung für die so
Benachteiligten erfolgen muss. Vor allem geht es um die Rehabilitierung
der Opfer. Ende der sechziger Jahre gab es zwar ein
Strafrechtsänderungsgesetz, das zahlreichen Verfolgungen ein Ende
setzte, eine Rehabilitierung der Betroffenen erfolgte jedoch nicht,
trotz verschiedener Anträge der Linken im Bundestag Aus
diesem Grund habe ich, als Tochter eines
„Vorbestraften“ die Arbeitsgruppe „Kinder des
Widerstandes – Antifaschismus als Aufgabe“ zusammen mit
drei weiteren Frauen initiiert. Ich fordere die volle Rehabilitierung meines Vaters! Wir melden uns jetzt mit der Initiative „Kinder des Widerstandes – Antifaschismus als Aufgabe“: - weil
wir sehen, dass rechtes, faschistoides Gedankengut mehr und mehr in der
sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ akzeptiert wird.
- weil Neofaschisten national und international immer aggressiver werden.
Wir
als Nachkommen wollen die Erfahrungen und Einschätzungen unserer
Eltern und Großeltern im Kampf gegen Faschismus und Neofaschismus
weitergeben. Wir beteiligten uns bisher an Geschichtsseminaren der
Gewerkschaften, an Veranstaltungen der Naturfreunde und des
Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte... Dabei
wurden wir ermutigt, quasi als „Zeitzeugenersatz“,
weiter in Schulen, Jugendeinrichtungen, Kirchengemeinden und Vereinen
das Gespräch über Faschismus und Neofaschismus zu suchen. In
der öffentlichen Wahrnehmung und im öffentlichen Gedenken
wird der Widerstand gegen das NS Regime meist auf die Geschwister
Scholl bzw. die „Weiße Rose“ und die Männer des
20. Juni reduziert. Viele Jugendliche beklagen, dass sie in der Schule
– unabhängig von der Schulform – über den
Faschismus und seine Ursachen kaum etwas erfahren haben. Oft erschöpfen sich ihre Kenntnisse in Hitler = Nazizeit = Judenverfolgung Wir
mischen uns in die Arbeit der Gedenkstätten ein. Dabei ist
es uns ein besonderes Anliegen,dass der Arbeiterwiderstand, der den
größten Anteil am Kampf gegen die faschistische Diktatur
hatte und die größten Opfer brachte, angemessen
widergespiegelt wird. In der Erinnerungsarbeit der Gedenkstätten
für Opfer des NS-Unrechts werden die Vertreter der 2. und 3.
Generation oftmals abgewiesen. Man erklärt ihnen ungeschminkt:
Euer Anspruch auf Mitsprache in der Gedenkarbeit ist verwirkt.
Genugtuung darüber, dass Zeitzeugen sich nicht mehr einmischen
können, ist unverkennbar. Wir forschen weiter nach
Nachkommen von Widerstandskämpfern, um ihre persönlichen
Geschichten zu hören und dem Vergessen zu entreißen. Aber
auch um weitere Mitstreiter zu bekommen.Wir bitten sie, unseren Aufruf
zu unterschreiben und wenn möglich in unserem Arbeitskreis
mitzuwirken. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss
vom 4. November 2009 erklärt: "Angesichts des einzigartigen
Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft
über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat", sind das
Grundgesetz und die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland "geradezu
als Gegenentwurf" zum nationalsozialistischen Regime zu
verstehen.“ "Das bewusste Absetzen von der Unrechtsherrschaft des
Nationalsozialismus war historisch zentrales Anliegen aller an der
Entstehung wie Inkraftsetzung des Grundgesetzes beteiligten
Kräfte." (Aus den Leitsätzen zum Beschluss des Ersten Senats
vom 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08). Die Gegnerschaft zur Naziherrschaft ist demnach Verfassungsgebot und Staatsdoktrin. Dem sehen wir uns verpflichtet. |