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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

24.10.2012

Ideale und Traumata

Die Zweite Generation: Kinder von Widerstandskämpfern und Emigranten

Endlich reden wir miteinander, war zu hören. Unter den über hundert Teilnehmern eines Kolloquiums vergangenes Wochenende in Berlin waren zahlreiche Nachfahren von Widerstandskämpfern in Deutschland und im Exil. Die Angehörigen der sogenannten Zweiten Generation, ein Begriff, der Differenzen nicht andeutungsweise abbildet, brachten ihre Familiengeschichten mit - die Geschichte ihrer Mütter und Väter, von in der Zeit des Hitlerfaschismus Verfolgten, Vertriebenen, Verhafteten, Gefolterten, Hingerichteten, Emigranten, Spanienkämpfern, Kämpfern in alliierten Armeen oder im Untergrund.

Von Suzanna Kupfermann

Die nunmehr selbst in die Jahre gekommenen »Kinder« erinnerten sich erneuter Ausgrenzung ihrer kommunistischen und/oder in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) organisierten Eltern im Nachkriegswestdeutschland. In der DDR waren Widerstandskämpfer und Verfolgte des Naziregimes geachtet und übernahmen, sofern sie nicht an sich selber, an stalinistischen oder anderen Rankünen scheiterten, häufig führende Positionen, was wenig Zeit und Kraft für die Kinder ließ. Der Erwartungsdruck, den heroischen Eltern zu entsprechen, überforderte jene vielfach. Verschwiegene biografische Brüche und traumatische Erfahrungen der Eltern, Verluste und Zweifel in den politische Auseinandersetzungen des Kalten Krieges konnten bei den Kindern zuweilen Identitätskrisen auslösen. Die komplizierten Lebenswege der Eltern entsprachen oft nicht der parteioffiziellen Geschichtsschreibung. Aus Schutz-, Scham- und Schmerzgründen unterlassene offene Eltern-Kind-Gespräche schürten Generationskonflikte.

Darüber nunmehr offen zu reden, war das Anliegen des von der Berliner VVN/BdA mit Unterstützung der Hellen Panke ausgerichteten zweitägigen Kolloqiums. Hans Coppi sprach von seinem Verlust als Sohn hingerichteter Hitlergegner. Andrée Fischer-Marum erzählte über seinen Großvater, der als jüdischer SPD-Reichstagsabgeordneter 1934 ermordet wurde, und von seinen kommunistischen Eltern, die über Frankreich nach Mexiko emigriert, mit zwei Kindern in die Heimat zurückgekehrt und in der DDR als »Sympathisanten« von Noel H. Field in die »Säuberungen« der frühen 50er Jahre geraten waren. Alice Czyborra, geborene Gingold, reflektierte, wie in der Bundesrepublik zu gleicher Zeit jüdische Kommunisten verwaltungstechnisch gemaßregelt, denunziert und verfolgt wurden.

Auch Wissenschaftler kamen zu Wort. Dieter Nelles, Armin Nolzen und Heinz Sühnker berichteten über ihre Befragung von über 200 »Kindern des Widerstands« in Wuppertal. Das Projekt dokumentiert die Folgen elterlicher Haft auf die Lebenswege der Nachfahren nach. Manche »Kinder« verweigerten sich nach 1945 jeder Form politischer Arbeit, andere, wie Christa Bröcher und Klara Tuchscherer, geborene Schabrodt, lebten die Ideale der Eltern weiter. Irene Fick und Merilyn Moos aus London informierten über Netzwerke der »second generation«, die Kinder von nicht nach Deutschland zurückgekehrten, zumeist jüdischen Emigranten zur gegenseitigen Hilfe und Kommunikation gegründet haben. Aus Wien berichtete Helene Maimann über die jüdisch¬sozialistische »Kinderjause«, ein Forschungsprojekt über sozial und politisch engagierte Emigrantenkinder. Irene Runge sprach über die Mitte der 80er Jahre in Ostberlin entstandene jüdische Selbstfindungsgruppe säkularer Nachfahren politischer jüdischer Emigranten und Holocaustüberlebender, aus der 1989 der Jüdische Kulturverein Berlin hervorging. Wolfgang Herzberg wiederum untersuchte Grundmuster des mentalen Erbes und wies auf systemimmanente politische, kulturelle und psychologischen Barrieren, die Eltern- wie auch Kindergeneration beschädigten, was die Gesellschaft nicht zur Kenntnis nahm. Micha Brumlik und Irene Dieckmann stellten ihre Forschungen über im Westexil Geborene vor, über biografische Besonderheiten sowie Anpassungen und Aneckung im veränderten gesellschaftlichen Klima in der DDR.

Der Tagung waren Kolloquien über das Sowjetexil und das verordnete Schweigen über Stalins Terror aus eigener oder elterlicher Erinnerung vorausgegangen. Oswald Schneidratus, der jener Zweiten Generation angehört, plädierte für ein Zusammenbringen der unterschiedlichen Erinnerungsstränge und sprach sich, wie auch andere Teilnehmer, gegen eine Opferhierarchisierung aus.

Mit freundlicher Genehmigung des Neuen Deutschland vom Samstag, 20. Oktober 2012, Seite 23

Bericht zur Tagung von Christa:

Im Frühjahr des Jahres 2011 wandten sich vier Töchter antifaschistischer Widerstandskämpferinnen und -kämpfer mit einem Appell an die Öffentlichkeit: „Hinterbliebene von NS Opfern fordern ihr Recht“: Alice Czyborra (Gingold), Klara Tuchscherer (Schabrod), Inge Trambowsky (Kutz), Traute Sander (Burmester)

Als Folge der breiten Diskussion dieses Appells entstand in NRW die Gruppe: „Kinder des Widerstandes – Antifaschismus als Aufgabe“. Unterstützt werden sie bis jetzt von der VVN/BdA NRW.

An dieser Konferenz nehmen vier Mitglieder unserer NRW Gruppe teil.

Wir haben die Zeit des Faschismus als Kleinkinder erlebt oder sind „Nachgeborene“.

Aber alle sind wir Kinder und Enkelkinder von politisch verfolgten Männern und Frauen.

Wir möchten hier vorstellen, warum und mit welcher Absicht wir unsere Gruppe gründeten.

Und exemplarisch,  auf Grund eigener Erfahrungen, möchten wir begründen, warum  es uns wichtig ist, in dieser Gruppe mitzuwirken.  

Was wollen wir:

Mit der Gruppe „Kinder des Widerstandes – Antifaschismus als Aufgabe“ wollen  wir dem antifaschistischen Kampf ein persönliches Gesicht geben, zeigen was Widerstand, Verfolgung, Inhaftierung, Folter und Terror für den einzelnen Menschen und dessen Familien bedeutete.

Wir wehren uns entschieden gegen alle Meinungen wie „Man muss mal einen Schlussstrich ziehen!“

Doch dies nicht nur aus möglicherweise als sentimental abgestempelten Gründen:

Viele unserer Eltern und Großeltern leisteten schon während der Weimarer Republik Widerstand gegen den aufkommenden Faschismus, klar benennend, wer ein Interesse an der Machtübertragung an die Nazis hatte und welche Ziele diese verfolgten.

Ihre Erkenntnisse sind angesichts des Erstarkens des Rechtsradikalismus in unserem Land brennend aktuell.

Ihre Erfahrungen im Kampf gegen den Faschismus wollen wir weitergeben – auch ihre Einschätzung, warum es nicht gelang, dass „Dritte Reich“ zu verhindern.

Peter Gingold, der Vater von Alice Czyborra, warnt in seinem 2009 erschienenen Buch „Paris Boulevard St. Martin No.11: „Vergesst nicht unsere bitterste Erfahrung! 1933 wäre verhindert worden, wenn alle Hitlergegner die Einheitsfront geschaffen hätten. Dass sie nicht zustande kam, dafür gab es …. nur eine einzige Entschuldigung: Sie hatten keine Erfahrung, was Faschismus bedeutet, wenn er einmal an der Macht ist.

Aber heute haben wir alle diese Erfahrung, heute muss jeder wissen, was Faschismus bedeutet. Für alle zukünftigen Generationen gibt es keine Entschuldigung mehr, wenn sie den Faschismus nicht verhindern.“ so Peter Gingold. (Peter Gingold, „Paris-Boulevard St. Martin No.11“, Hrsg. Ulrich Schneider, PapyRossa Verlag)

Viele der Überlebenden der nationalsozialistischen Verfolgung setzten sich sofort nach 1945 trotz der erlittenen physischen und oft auch psychischen Schäden wieder für ein friedliebendes und demokratisches Deutschland ein – auch unsere Eltern und Großeltern.

Als Beispiel berichtet Christa Bröcher über ihren Großvater, Anton Melchers, und ihre Mutter, Christel Lückhardt:

Mein Großvater, Anton Melchers, war nach mehrjährigen Inhaftierungen  im KZ Börgermoor und Sachsenhausen im Jahr1946 Mitbegründer der VVN in NRW und setzte sich für die Belange der überlebenden Opfer des NS Regimes ein. Er starb 1947 an den Folgen der erlittenen Haft.

Meine Mutter, Christel Lückhardt, wurde als junge Frau in Düsseldorf verurteilt. Sie hatte daran mitgewirkt, die Verbindungen zwischen Widerstandsgruppen am Niederrhein und im Ruhrgebiet aufrecht zuhalten und neue zu suchen. Obwohl sie  durch den Gefängnisaufenthalt gesundheitlich schwer geschädigt war, war sie nach 1945 z. B. tätig in der Schulpflegschaft der Volksschule, die ich als Kind besuchte, sie war Mitglied im Schulausschuss der Stadt Düsseldorf und sie setzte sich für bessere Wohnbedingungen von Familien, die noch in Bunkern hausten, ein.

Klara Tuchscher sagt über ihren Vater:

Für meinen Vater, Karl Schabrod, war es nach fast 12 Jahren Zuchthaus und Konzentrationslager, selbstverständlich, getreu dem Schwur von Buchenwald, sofort am Aufbau eines demokratischen Deutschland mitzuwirken. Er  war als KPD Abgeordneter Mitglied des Landtages von NRW und beteiligt an der Ausarbeitung der Verfassung von NRW.

Es ließen sich noch hunderte Beispiele nennen, wie überlebende Frauen und Männer, aktive Gegner des Nationalsozialismus, sich in den Wiederaufbau an hervorragender Stelle einbrachten.

Dieser Einsatz wird von der offiziellen BRD Politik heute fast völlig unterschlagen.

Im Gegenteil, die Verfolgten des Naziregimes fanden sich bald wieder neuen Diffamierungen und Repressionen ausgesetzt.

So zum Beispiel, wenn sie sich als ihre Konsequenz aus der Geschichte in den Jahren nach 1945 gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands einsetzten und die „Ohne Mich-Bewegung“ unterstützten. Die „Ohne Mich-Bewegung“ führte auf Anregung Martin Niemöllers 1951 zur Volksbefragung. Gefragt wurde:

"Sind Sie gegen die Remilitarisierung und für den Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland noch im Jahre 1951?".

Der VVN und ihren Mitgliedern wurde wegen ihrer Unterstützung und Beteiligung an der Volksbefragung vorgeworfen, gegen die verfassungsmäßige Ordnung zu verstoßen.  

Während sich viele Altnazis in einflussreichen Stellen tummelten, wurde sogar am 19. September 1950 von der Bundesregierung ein Erlass veröffentlicht, wonach Mitglieder der VVN nicht staatliche Angestellte sein könnten – also schon 1950 die ersten Berufsverbote!

Am 24. April 1951 wurde die Volksbefragung verboten.

Zuvor hatte das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen,  in den verschiedenen Städten und Großbetrieben Plakate anbringen lassen, auf denen folgender Text stand:

"Wer an der kommunistischen Volksbefragung teilnimmt, gefährdet den Frieden und stellt sich in den Dienst des Bolschewismus."

Trotzdem wurde die Volksbefragung von April 1951 bis April 1952 durchgeführt und es wurden – nach unterschiedlichen Angaben - 6 bis 9 Millionen Stimmen gegen die Wiederbewaffnung gesammelt.

Immer wieder kam es bei den zahlreichen Demonstrationen zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Wie müssen sich unsere Eltern gefühlt haben, wenn ihnen bei Demonstrationen vom Straßenrand   zugerufen wurde: „Wenn Euch das nicht passt, dann geht  doch nach drüben!“ und man sie quasi ausweisen wollte. Oder wenn gerufen wurde: „Euch haben Sie vergessen zu vergasen!“. Solche „Sprüche“ kamen von Passanten noch bei den Ostermärschen der 60Jahre.

Doch noch einmal zurück: Wir möchten auch daran erinnern, dass es vor 60 Jahren, am 11. Mai 1952, in Essen den ersten Toten bei einer politischen Demonstration in der BRD gab. Philipp Müller starb durch zwei Kugeln, als die Polizei in Essen auf Teilnehmer einer Demonstration gegen die bundesdeutsche Wiederbewaffnung schoss. Dies war das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass ein Demonstrant durch die Polizei getötet wurde.

Durch Polizeikugeln schwer verletzt wurden außerdem der Sozialdemokrat Bernhard Schwarze aus Kassel und der Gewerkschafter Albert Bretthauer aus Münster.

Unsere Sozialisation fand also in dieser Zeit des „Kalten Krieges“ statt. In unserer Kindheit und Jugend  kam zu der indirekten Betroffenheit wegen Widerstand und Verfolgung unserer Eltern und Großeltern die direkte Betroffenheit – diesmal wegen ihrer weiteren politischen Tätigkeit nach 1945.

Mittelbar betroffen waren wir aus verschiedenen Gründen: Natürlich wirkte sich der gesundheitlich schlechte Allgemeinzustand, die häufigen Krankenhausaufenthalte, auf das Familienleben aus und weckte in uns Ängste.

Und wir hörten manche Gespräche über Erlebnisse während der Nazizeit mit, von denen unsere Eltern an nahmen, dass wir sie noch nicht verstanden.

Allerdings bemerkten wir bei ihnen keine Zweifel daran, dass es richtig war, sich trotz Familie und Kindern für den  antifaschistischen Kampf entschieden zu haben.

Direkt betroffen waren wir wegen der Tätigkeit unserer Eltern besonders in der Atmosphäre des  „Kalten Krieges“. Unsere Eltern waren in der Öffentlichkeit exponiert, als Zeitzeugen in Diskussionen, als Mitglieder der VVN, als „Unterschriftensammler“, als Kandidaten für die KPD, als Mitglieder in Parlamenten und Ausschüssen,

Ihre Haltung, als Person eine Meinung und ein Anliegen zu repräsentieren, beinhaltete auch für uns  Kinder, uns „gut zu benehmen“ und „ordentlich auszusehen“, von der Schule gute Noten mitzubringen.

Wir mussten uns natürlich auch früh mit dem auseinandersetzen, was unsere Eltern politisch taten.

Als deren Kinder wurde uns unterstellt, dass wir genauso dachten. Wir wurden sozusagen in „Meinungshaft“ genommen. Es gab  sachliche Diskussionen aber auch bösartige  Anfeindungen – verbal und körperlich.  

Die Solidarität unserer Familien untereinander, das gemeinsame Erleben in Kinder- und Jugendgruppen gaben uns Rückhalt und ließen in uns nicht das Gefühl entstehen, wir seien gesellschaftlich isolierte „Einzelkämpfer“.

Der frühe Zwang zur Auseinandersetzung mit verschiedenen politischen Meinungen, Aktivitäten  und philosophischen Weltsichten führte sicher dazu, dass auch wir uns als Jugendliche und Erwachsene politisch engagierten, zum Beispiel in der VVN/BdA, in der Gewerkschaft,  der  Friedensbewegung, bei den Ostermärschen...

Besonders empört waren unsere Eltern und Großeltern darüber, dass und wie schnell Altnazis auf allen Ebenen z. B. als Richter, Staatsanwälte, Minister, sogar als Staatsoberhaupt, wieder in Amt und Würden kamen.

Die „Entnazifizierung“ wurde nur halbherzig durchgeführt, sagte mein Vater immer. Er war im

August 1946 in Düsseldorf in den Entnazifizierungsausschuss für Polizei und Feuerwehr berufen worden. Schon im Januar 1947 wurde ihm mitgeteilt, dass die Überprüfungen weitgehend abgeschlossen seien. Das Gremium wurde auf drei Personen reduziert

Ganz anders erlebten wir das in den Jahren vor und nach dem KPD Verbot von 1956.

Bereits im Dezember 1954 wurde dem Vater von Margret Rest, Wilhelm Rattai, von der Stadt Essen die Ausstellung eines Reisepasses verweigert, und zwar mit folgender Begründung:

„Ihr Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses wird gemäß § 7 Absatz 1a des Passgesetzes vom 4. 3. 52 (Bundesgesetzblatt I S.290) abgewiesen.

Nach den angeführten gesetzlichen Bestimmungen ist ein Paß zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller als Inhaber eines Reisepasses die innere oder äussere Sicherheit oder sonstwie erhebliche Belange der Bundesrepublik oder eines deutschen Landes gefährdet. Die Paßstelle ist auf Grund der Feststellungen der Polizei zu der Auffassung gelangt, daß diese Voraussetzungen in ihrem Falle gegeben sind. Sie sind nach den vorliegenden Erkenntnissen als eine politisch aktiv eingestellte Persönlichkeit zu bezeichnen, die bestrebt ist, die westdeutsche demokratische Grundordnung zu untergraben. Es ist die Annahme gerechtfertigt, daß sie im Falle des Zusammentreffens mit Gesinnungsgenossen im Ausland erhebliche Belange der Bundesrepublik gefährden.“

Die nach dem KPD Verbot vom 17. August 1956 „eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder und der Partei nahe Stehenden hatten zum Teil erhebliche persönliche Konsequenzen, selbst wenn keine Verurteilung erfolgte. Denn der Verdacht einer strafbaren Handlung konnte als wichtiger Grund für eine Kündigung dienen.[24] Ebenfalls reichte die reine politische Betätigung am Arbeitsplatz zur Kündigung aus.[25] Dazu sind Fälle bekannt, in denen der Verfassungsschutz bei Neueinstellung eines Kommunisten, auf seine politische Vergangenheit hinwies, was zur erneuten Entlassung führen konnte.[26] Die Zahl der eingeleiteten Ermittlungen und Verurteilungen wird mit 125.000 bis 200.000 Ermittlungen und 7.000 bis 10.000 Verurteilungen angegeben - bei 6.000 bis 7.000 KPD-Mitgliedern zum Zeitpunkt des Verbots der Partei.[27] Bis 1958 gab es auf Länderebene 80 Verbote gegen Organisationen, die als von der KPD gelenkt galten und somit unter das Urteil fielen.[28]“

(de.wikipedia.org/wiki/KPD-Verbot; dort nach 24. Carl Nedelmann, Die Gewalt des politischen Staatschutzes und ihre Instanzen. In: Der CDU-Staat 1, Suhrkamp, München 1967, S. 199 f. ,↑ Alexander von Brünneck, Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik, Suhrkamp, FfM 1978, S. 299 ff.;  Diether Posser, Politische Strafjustiz aus der Sicht des Verteidigers, Karlsruhe 1961, S. 26 ↑ name="ab242"; Alexander von Brünneck, Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik, Suhrkamp, FfM 1978, S. 242; Rolf Gössner, Die vergessenen Justizopfer des Kalten Krieges, Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1998, S. 26, ↑ Alexander von Brünneck, Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik, Suhrkamp, FfM 1978, S. 113f.)

Dazu berichtet Klara Tuchscherer kurz über ihren Vater, Karl Schabrod:

Nach juristischer Abklärung seiner Rechte nach dem KPD-Verbot, kandidierte er als unabhängiger Kandidat und später für eine Kommunistische Wählervereinigung. Zur gleichen Zeit gab er, orientiert an der Pressefreiheit „Die freie Meinung“ heraus. Im Juli 1962, in einem von mehreren gegen ihn geführten Prozessen, wurde ihm vorgeworfen, er habe die Justiz als Institution angegriffen. Als Beweis wurde ein Artikel aus „Die freie Meinung“ angeführt mit der Überschrift: „NS Lagerleiter von Börgermoor jetzt freigesprochen“ (Nr. 22/59 S. 6)

Mein Vater, der selbst den Naziterror im Börgermoor erleben musste, schreibt in seinem Prozessschlusswort: „Bei diesem Nazifunktionär wird ein millimetergenauer Maßstab angelegt, der keine einzige Straftat als erwiesen gelten lässt. Trotz aller Zeugenaussagen. Dieser Maßstab des Gerichts führt zum Freispruch, zur Haftentschädigung und Nachzahlung der Beamtenbezüge ab 1948“

Meinem Vater wurde dagegen bereits 1959 die Eigenschaft als Verfolgter aberkannt.

Seine Tätigkeit brachte ihm nach einem Monat U-Haft beim ersten Prozess 9 Monate auf Bewährung danach nochmals U-Haft von 3 Monaten und beim 2. Prozess (1962) zwei Jahre Gefängnishaft ein. Schlimm, auch für unsere Familie war, dass mein Vater 5 Jahre mit Berufsverbot als Journalist, ihm die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt wurden und die Verfolgtenrente gestrichen wurde.

Als mein Vater am Aschermittwoch des Jahres 1963 aus dem Düsseldorfer Gefängnis "Auf der Ulm" entlassen wurde, drückte ihm ein Vollzugsbeamter einen Pappkarton in die Hand -- 7000 Briefe, Karten und Telegramme von Freunden und Genossen, die ihm seine Solidarität bekundeten.

Viele waren genauso empört, wie ich es immer noch bin:

Man muss sich das vorstellen, weil mein Vater seinen kritischen Geist beibehalten hatte, wurde er nicht mehr als Verfolgter der Nazizeit anerkannt. Richter der Nazizeit erhielten hingegen die volle Pension.

Organisationsverbote führten zur Bestrafung der Widerstandskämpferinnen und -kämpfer, während Naziorganisationen wie die NPD sich ungehindert entfalten konnten.

Berufsverbote wurden gegen die Kinder von Antifaschisten ausgesprochen. Das Versammlungsrecht von Antifaschisten wurde eingeschränkt.

Wir setzen uns dafür ein, dass eine Wiedergutmachung für die so Benachteiligten erfolgen muss. Vor allem geht es um die Rehabilitierung der Opfer. Ende der sechziger Jahre gab es zwar ein Strafrechtsänderungsgesetz, das zahlreichen Verfolgungen ein Ende setzte, eine Rehabilitierung der Betroffenen erfolgte jedoch nicht, trotz verschiedener Anträge der Linken im Bundestag

Aus diesem Grund habe ich,  als Tochter eines „Vorbestraften“  die Arbeitsgruppe „Kinder des Widerstandes – Antifaschismus als Aufgabe“ zusammen mit drei weiteren Frauen initiiert.

Ich fordere die volle Rehabilitierung meines Vaters!

Wir melden uns jetzt mit der Initiative „Kinder des Widerstandes – Antifaschismus als Aufgabe“:

  • weil wir sehen, dass rechtes, faschistoides Gedankengut mehr und mehr in der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ akzeptiert wird.
  • weil Neofaschisten national und international immer aggressiver werden.

Wir als Nachkommen wollen die Erfahrungen und Einschätzungen unserer Eltern und Großeltern im Kampf gegen Faschismus und Neofaschismus weitergeben. Wir beteiligten uns bisher an Geschichtsseminaren der Gewerkschaften, an Veranstaltungen der Naturfreunde und des Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte...

Dabei wurden wir ermutigt, quasi als  „Zeitzeugenersatz“, weiter in Schulen, Jugendeinrichtungen, Kirchengemeinden und Vereinen das Gespräch über Faschismus und Neofaschismus zu suchen.

In der öffentlichen Wahrnehmung und im öffentlichen Gedenken wird der Widerstand gegen das NS Regime meist auf die Geschwister Scholl bzw. die „Weiße Rose“ und die Männer des 20. Juni reduziert. Viele Jugendliche beklagen, dass sie in der Schule – unabhängig von der Schulform – über den Faschismus und seine Ursachen kaum etwas erfahren haben.

Oft erschöpfen sich ihre Kenntnisse in Hitler = Nazizeit = Judenverfolgung

Wir mischen uns in die Arbeit der Gedenkstätten ein.  Dabei ist es uns ein besonderes Anliegen,dass der Arbeiterwiderstand, der den größten Anteil am Kampf gegen die faschistische Diktatur hatte und die größten Opfer brachte, angemessen widergespiegelt wird. In der Erinnerungsarbeit der Gedenkstätten für Opfer des NS-Unrechts werden die Vertreter der 2. und 3. Generation oftmals abgewiesen. Man erklärt ihnen ungeschminkt: Euer Anspruch auf Mitsprache in der Gedenkarbeit ist verwirkt. Genugtuung darüber, dass Zeitzeugen sich nicht mehr einmischen können, ist unverkennbar.

Wir forschen weiter nach Nachkommen von Widerstandskämpfern, um ihre persönlichen Geschichten zu hören und dem Vergessen zu entreißen. Aber auch um weitere Mitstreiter zu bekommen.Wir bitten sie, unseren Aufruf zu unterschreiben und wenn möglich in unserem Arbeitskreis mitzuwirken.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 4. November 2009 erklärt: "Angesichts des einzigartigen Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat", sind das Grundgesetz und die Entstehung der Bundesrepublik Deutschland "geradezu als Gegenentwurf" zum nationalsozialistischen Regime zu verstehen.“ "Das bewusste Absetzen von der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus war historisch zentrales Anliegen aller an der Entstehung wie Inkraftsetzung des Grundgesetzes beteiligten Kräfte." (Aus den Leitsätzen zum Beschluss des Ersten Senats vom 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08).

Die Gegnerschaft zur Naziherrschaft ist demnach Verfassungsgebot und Staatsdoktrin. Dem sehen wir uns verpflichtet.