21.09.2012 Glückwunsch an die Antifaschisten von
Stolberg und Aachen OVG Münster erlaubt Blockadetraining Der Erfolg
der Blockierer von Naziaufmärschen, den sie vor dem
Oberverwaltungsgericht in Münster erstritten haben, wurde von
der VVN-BdA NRW sehr gewürdigt. Die Landessprecher/innen
Ulrike Düwel, Falk Mikosch und Jochen Vogler sandten dem
hauptsächlich Betroffenen ein Telegramm: Lieber
Udo, Erfolg in einer juristischen Auseinandersetzung
für ein antifaschistisches Anliegen ist möglich! Vielen
Dank an Dich für den Mut und die Anstrengung, diese
Auseinandersetzung im Namen der VVN/BdA um das elementare demokratische
Recht der Demonstrationsfreiheit ohne polizeiliche
willkürliche Einschränkungen getragen zu haben. Wir
freuen uns alle über diesen juristischen Erfolg! Ulrike
Düwel Falk Mikosch Jochen Vogler Landessprecher
der VVN/BdA Siehe http://lap-aachen.de/cms/index.php/aktuell/meldungen/65-urteil-oberverwaltungsgericht-muenster-staerkt-neonazi-gegner
Verfügungen der
Aachener Polizei gegen Antifaschisten unrechtmäßig
Heute musste das Oberverwaltungsgericht Münster in
einer Berufungsverhandlung
klären, wie Auflagen der Polizeibehörde, die das
Recht auf freie
Meinungsäußerung diskriminieren, zu werten sind. Das
Gericht hat die
Rechtsauffassung der Polizei und des Verwaltungsgerichtes Aachen
vollumfänglich
verworfen und dem Kläger Recht gegeben. Demnach ist es
zulässig, sich mit
symbolischen, szenischen und mimischen Einüben von Blockaden
von
Naziveranstaltungen in die gesellschaftlichen Debatten um das Auftreten
von
Neonazis einzumischen. Die vom Kläger Udo Beitzel
beanstandeten Auflagen der Polizei
sind sämtlich zurückgewiesen, Revision gegen das
Urteil ist nicht zugelassen,
alle Kosten aller bisherigen Verfahren trägt das Land NRW.
Im Mittelpunkt standen die Erfahrungen der letzten Jahre: Zum
Schutz des Rechts
auf freie Meinungsäußerung habe das
Bundesverfassungsgericht mehr als einmal
"die Straße freigemacht für Neonazis", so der
Präsident des 5. Senats
des OVG Münster. In dem vorliegenden Fall müsse
dieses Recht auch Bürgern
zugebilligt werden, die in einem als symbolisch zu betrachtenden
Blockadetraining das Recht beanspruchen, in der Öffentlichkeit
gegen Neonazis
aufzutreten. Für den Beklagten führte
RegierungsOberamtsrat Nürnberger aus, das
Urteil tue ihm im Herzen nicht weh. Tatsächlich kreisten seine
Ausführungen
aber ausschließlich um die Unterstellung, Antifaschisten
neigen prinzipiell und
aufgrund ihrer Nähe zu "Autonomen" zu Gewalt, womit er
grundrechtseinschränkende Auflagen begründete.
Im April 2011 waren in Stolberg zwei Naziaufmärsche
angesagt. Ein breites
regionales Bündnis hatte seinerzeit darauf verwiesen, dass aus
der Naziszene
zahlreiche Übergriffe, Körperverletzungen und
Angriffe auf Orte, in denen Nazis
GegnerInnen vermuten, stattgefunden hatten. Und zwei Aachener Neonazis
waren
damals der Vorbereitung von Sprengstoffanschlägen angeklagt,
die
zwischenzeitlich verurteilt wurden. Angesichts der realen
Bedrohungslage durch
Neonazis rief das Bündnis dazu auf, die Naziveranstaltungen zu
blockieren:
Stolberg 2011 – Den Naziaufmarsch gemeinsam blockieren!
Dem Bündnis gehörten an bzw. es wurde
unterstützt von u.a.:
Den Einzelpersonen: Andrej Hunko, MdB (DIE LINKE), Ralf Woelk
(DGB Regionsvorsitzender),
Rudi Bertram (Bürgermeister Stadt Eschweiler), Ludger Bentlage
(NGG Region
Aachen), Christian Lindner (ver.di Aachen/Düren/Erft), Leo
Gehlen (SPD
Eschweiler), Albert Borchardt, DIE LINKE (Eschweiler), Franz-Dieter
Pieta (Die
GRÜNEN Eschweiler), Prof. em. Dr. Wolfgang Dreßen
(Düsseldorf), Pfarrerin
Susanne Rössler (Düren), Franz-Peter Beckers
(Aachen), Konstantin Wecker und
den Gruppen: Eschweiler Bürgerinitiative “Gemeinsam
gegen Neonazis”, DGB
Regionsvorstand (DGB Region NRW Süd-West), AK Antifa Aachen,
AKKU –
Antifaschistische Koordination Köln und Umland, Antifa-KOK
Düsseldorf,
Antifaschistische Linke Düsseldorf, Antifaschistisches
Aktionsbündnis Aachen,
VVN-BdA Landesvereinigung NRW, Stadtratsfraktion SPD Eschweiler,
Betriebsrat
der Lebenshilfe Aachen e.V., Betriebsrat der Firma Prysmian Kabel
& Systeme
(Eschweiler), Fachschaft Philosophie 7/1, SJD – Die Falken
Kreisverband Aachen,
Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend Aachen, Linke Liste (RWTH).
Für dieses "Bündnis gegen die
Naziaufmärsche 2011 in Stolberg
(Rhld.)" hatte Udo Beitzel (VVN Aachen/Stolberg) für den 5.
Februar 2011
ein Blockadetraining in Stolberg angemeldet, das die Polizei als
Ordnungsbehörde
mit diskriminierenden Auflagen belegt hatte. Das "Blockadetraining"
als symbolischer Akt de Meinungsäußerung durfte
nicht stattfinden, obwohl von
diesem Training niemandem Gefahr drohte und ein Eingriff in die
Grundrechte
Dritter nicht zu befürchten war. Die Naziaufmärsche
sollte ja erst 2 Monate
später stattfinden!
Zugleich verpflichtete die Polizei den Versammlungsleiter
Beitzel, Ordner
zur Durchsetzung dieser Auflagen einzusetzen und deren Personalien und
die der
anderen Beteiligten vorab der Polizei zu melden.
Mit anderen Worten: Die Polizei zensierte die
öffentliche Veranstaltung und
wollte die Zensur durch die Veranstalter selbst durchsetzen lassen.
Damit ist die Polizei in Münster nun krachend
gescheitert! Die Unterstellung
der Polizei, dem Blockadetraining folge eine Straftat, ist
unzulässig. Die
Polizei könne frühestens eingreifen, wenn in einer
"Blockadeaktion"
Rechtsbrüche feststellbar seien.
Erstens dürfen Blockadetrainings als Akt der
szenischen und mimischen Meinungsäußerung
durch Ordnungsbehörden nicht verhindert werden. Zweitens
müssen Veranstalter
Ordner nicht benennen, um behördliche Auflagen durchzusetzen,
das ist alleine
Aufgabe der Polizei. Und drittens hat die Polizei kein Recht, die
Personalien
von Rednern oder Ordnern prophylaktisch vor dem Vorliegen einer
vermuteten
Straftat zu verlangen. Dieses Vorgehen ist einschüchternd und
beeinträchtigt
das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Der Kläger, Udo Beitzel, und seine Mitstreiter
zeigten sich von diesem Urteil
hocherfreut. Aber sie wiesen darauf hin, dass mit der Anerkennung von
Blockadetrainings als öffentliches Bekennen und Aufrufen zu
antifaschistischem
Engagement Blockaden von Naziveranstaltungen selbst immer noch
juristisch
umstritten sind. Sie bleiben bei Ihrer Haltung, das breites
couragiertes
gesellschaftliches Handeln erforderlich bleibt, wenn der Einfluss von
Neonazis
gemindert werden soll. Dieses Handeln schliesst auch friedliche
Blockaden von
genehmigten Neonaziveranstaltungen ein, denn auch diese unterliegen dem
grundgesetzlichen
Schutz auf freie Meinungsäußerung.
Die nicht enden wollenden skandalösen
Enthüllungen um die Mordbande des NSU
bestärken Beitzel und die anderen: Die Repressionsorgane des
Staates -
Geheimdienste, Polizei, Bundeswehr - haben eine strukturelle
Unfähigkeit an den
Tag gelegt, Nazis als Gefährdung der Bevölkerung zu
erkennen und zu bekämpfen.
Als Gefangene ihrer eigenen Ideologie des "Extremismus" konnten sie
die besondere Gefährlichkeit von Nazis nicht erkennen. Einzig
auf
Antifaschistinnen und Antifaschisten war in den letzten Jahren Verlass,
wenn es
um die Zurückdrängung des Einflusses von Nazis ging.
Ein Erfahrung, die die
Kläger auch in Aachen gemacht haben. Während die
Polizei die erwähnten
Naziaufmärsche genehmigte und harmlose Blockadetrainings
faktisch verbot,
konnte sich die "Kameradschaft Aachener Land (KAL)" der Nazis zu
einer veritablen Bedrohung entwickeln. Erst der Landesinnenminister hat
dem
einen ersten Riegel vorgeschoben, als er die Aachener Anfang des Jahres
gezwungen hat, eine Sonderkommission "Rechts motivierte
Kriminalität
REMOK" zu gründen und ihren Sitz sicherheitshalber nicht in
das Aachener
Polizeipräsidium sondern nach Stolberg verlegte. Das
unlängst erfolgte Verbot
der KAL hat nachträglich die politische und moralische
Auffassung des
Bündnisses "Stolberg 2011 - Den Naziaufmarsch gemeinsam
blockieren!"
bestätigt.
Für den April 2013 sind bereits erneut Kundgebungen
aus dem Umfeld der verbotenen
KAL angemeldet. Beitzel ist zuversichtlich und glaubt, dass die Polizei
und ihr
Präsident Oelze aus den Schlappen der letzten Monate gelernt
haben und diesen
Kundgebungen keinen Schutz mehr gewähren werden.
Der Weg von den Auflagen bis hin zur Zurückweisung
durch das OVG Münster war
weit. Udo Beitzel bedankt sich bei allen Mitstreiterinnen und
Mitstreitern und
seinen Anwälten für ihre moralische und finanzielle
Unterstützung, ohne die er
die Kraft hin zu diesem wegweisenden Urteil kaum hätte
aufbringen können.
für die VVN/BdA Aachen: Detlef Peikert
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