06.09.2012 Über Ideologie und Praxis der
extremen Rechten Eröffnung
der Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ am
1. September 2012 aus Anlass des Antikriegstages im Rathaus Remscheid Heftige Kritik an Innenminister Ralf
Jäger (SPD) hat Jürgen Schuh
(VVN-BdA-Landesgeschäftsführer) wegen dessen
Gleichsetzung linker Antifaschisten mit Nazis unter der
Überschrift „Anti-Extremismus“
geübt. „Die Losung der VVN-BdA ‚Faschismus
ist keine Meinung sondern ein Verbrechen’ wird in einer
Broschüre des NRW-Innenministeriums als Aufforderung zu
strafbaren Handlungen diffamiert. Innenminister Jäger behauptet,
damit würden die ‚Linksextremisten’ ihrem
politischen Gegner alle demokratischen Rechte absprechen. Aber genau
darum geht es. Neofaschistische Propaganda ist kein demokratisches
Recht!“ Am Montag, dem
3.9.12 berichtete eine Remscheider Kommunalmedium: Der Ausstellung, die
am Samstag (in leider nur kleinem Kreis) Bürgermeister
Lothar Krebs in der 1. Etage des Remscheider Rathauses
eröffnete, ist bis zum 14. September der Besuch vieler
Remscheider Schulklassen zu wünschen. Denn das Thema, das die
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund
der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. (VVN-BdA) - gemeinsam mit
der Gewerkschaft ver.di plakativ und eindringlich aufgegriffen hat, ist
bedrückend aktuell: „Neofaschismus in
Deutschland“. Auf 26 Tafeln
vermitteln rund 300 Dokumente aus den vergangenen fünf Jahren
einen Überblick über das Gesamtphänomen
„Neofaschismus“, informiert über Ideologie
und Praxis der extremen Rechten in der jüngeren Vergangenheit
und in der deutschen Gegenwart. Und zugleich dokumentiert sie die
Ausbreitung rassistischen und nationalistischen Denkens in Teilen der
heutigen deutschen Gesellschaft und benennt Ursachen dafür. Die
Eröffnung am Samstag fiel auf einen denkwürdigen Tag:
Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall auf Polen der
Zweite Weltkrieg, an dessen Ende 50 Millionen Tote zu beklagen waren
und ein zerstörtes Europa. Daran erinnerte am
Samstag Jürgen Schuh, Landesgeschäftsführer
der VVN-BdA NRW. Daran am heutigen Tag zu erinnern, ist sozusagen
Pflicht. Denn wer sich nicht erinnert, wird viele
aktuelle Zusammenhänge nicht begreifen
können!“ Die Ausstellung, die
Jürgen Schuh anschließend den
Zuhörerer/innen näher vorstellte, wurde erstmals 1985
gezeigt. In der fünften aktualisierten Fassung war sie bisher
an 180 Orten in Deutschland zu sehen. Jürgen Schuh:
„Bemüht um Objektivität bei der Beurteilung
der gegenwärtigen Situation, soll die Ausstellung
Denkanstöße für demokratische Gegenwehr
geben. Es geht nicht um Indoktrination. Es geht um die belegbare
Darstellung dessen, was sich vor unserer Haustüre abspielt.
Wir fragen nach dem Nährboden, auf dem Neofaschismus in
unserem Land gedeihen kann.“ Die aktuelle Lage in Deutschland
und in Europa gebe Veranlassung genug, darüber nachzudenken,
„dass Faschisten und Rassisten in vielen
europäischen Parlamenten, in zahlreichen deutschen Landtagen
und in ungezählten Kommunalparlamenten Sitz und Stimme
haben“. Es gehe längst nicht mehr nur um
glatzköpfige Schläger in Springerstiefeln.
„Rassismus und Neofaschismus,
Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Nationalismus und
Militarismus im Nadelstreifen haben längst in der Mitte
unserer Gesellschaft Platz genommen“, so der
VVN-Landesgeschäftsführer. „An die Stelle
der klammheimlichen Zustimmung für neofaschistische Positionen
ist längst die offene getreten. Rechtspopulistische Parolen
finden sich in den Äußerungen fast aller Parteien.
Das ist der Boden, auf dem Neofaschismus gedeihen kann!“ Und
der zunehmende neofaschistische Terror, der in Deutschland seit 1990
fast 200 Menschenleben gekostet habe, werde kaum thematisiert.
„Spätestens nach der Aufdeckung der Mordserie des
‚Nationalsozialistischen Untergrunds –
NSU’ dürfte klar geworden sein, dass die
‚Überwachung’ der Faschistenszene durch
‚Vertrauensmänner’ des Verfassungsschutzes
wohl mehr eine Duldungs- oder gar eine
Fördermaßnahme gewesen ist!“ „Garantiert
das Grundgesetz auch neofaschistische Propaganda?“,
fragte Jürgen Schuh und erinnerte an den
Gründungskongress der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes am 26. Oktober 1946 in Düsseldorf. Damals habe der
erste Ministerpräsident des Landes NRW, Dr. Rudolf Amelunxen
vor 500 Delegierten erklärt: „“In der
Ausübung der Toleranz darf und muss nur eine Ausnahme gemacht
werden, nämlich die, dass es keine Freiheit gibt für
die Mörder der Freiheit. Wir kennen diese und werden alles
tun, um sie nicht noch einmal zum Zuge kommen zu lassen!“
– Jürgen Schuh: „Wenn wir mit dieser
Ausstellung auch nur ein wenig dazu beitragen können, dass
Rassismus, Ausländerhass, Neofaschismus abgebaut werden, hat
sich die Arbeit gelohnt!“ (aus www.waterboelles.de
„Kommunalpolitisches Forum für Remscheid“
3.9.12) Der
Wortlaut der Rede von Jürgen Schuh: Sehr
geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, dies
ist heute ein denkwürdiger Tag. Der 1. September 1939 ist der
73. Jahrestag des Überfalls auf Polen und der Beginn eines
mörderischen Krieges, an dessen Ende 50 Millionen Tote und ein
zerstörtes Europa lagen. Es war nicht nur
„Hitlers Krieg“, es war der Krieg, der auch von der
großen Teilen der deutschen Großindustrie und der
Banken zur Eroberung Europas vorbereitet und geplant war und
geführt wurde. Diese Tatsache ist unangenehm und wird gerne
verschwiegen. Daran am heutigen Tag zu erinnern, ist sozusagen Pflicht,
weil, wer sich nicht erinnert, wird viele aktuelle
Zusammenhänge nicht begreifen können. Nun
zur Ausstellung: Dies ist die 5. aktualisierte
Fassung unserer Ausstellung seit 1985. In dieser aktuellen
Gemeinschaftsproduktion von VVN-BdA und Verdi stecken 25 Jahre Arbeit.
Die Ausstellung umfasst auf 26 Tafeln ca. 300 Dokumente aus den letzten
fünf Jahren. Sie soll einen Überblick über
das Gesamtphänomen Neofaschismus geben, erhebt aber keinen
Anspruch auf Vollständigkeit. Die
Ausstellung richtet sich an den Laien. Sie ist keine Ausstellung von
„Akademikern für Akademiker“. Sie soll
– allgemein verständlich – an das Problem
Neofaschismus heranführen und soll
Denkanstöße für demokratische Gegenwehr
geben. Diese 5. Fassung wurde bisher ca. 180 mal
gezeigt. In Bürgerhäusern, Rathäusern,
Gewerkschaftshäusern, Universitäten, Schulen,
Kirchengemeinden, Jugendzentren, Volkshochschulen, Bibliotheken,
Konferenzen, Festivals usw. Bemüht waren wir
um Objektivität bei der Beurteilung der gegenwärtigen
Situation. Es geht nicht um „Indoktrination“. Es
geht um die belegbare Darstellung dessen, was sich vor unserer
Haustüre abspielt. Wir fragen nach, wie sich
Neofaschisten eigentlich in dieser Gesellschaft bewegen. Wir fragen
nach Bezügen in die Mehrheitsgesellschaft,
Anknüpfungspunkten, inhaltlichen und personellen
Überschneidungen und wenn ja, auf welchen Politikfeldern? Wir
fragen nach dem Nährboden, auf dem Neofaschismus in unserem
Land gedeihen kann. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe
Kolleginnen und Kollegen, Was macht unseres Erachtens
diese Ausstellung erforderlich? Es ist die aktuelle
Lage in Deutschland und in Europa, die Veranlassung ist,
darüber nachzudenken, dass Faschisten und Rassisten in vielen
europäischen Parlamenten, in zahlreichen deutschen Landtagen
und in ungezählten Kommunalparlamenten Sitz und Stimme haben.
Es geht längst nicht mehr nur um glatzköpfige
Schläger in Springerstiefeln. Rassismus und
Neofaschismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus,
Nationalismus und Militarismus im Nadelstreifen haben längst
in der Mitte unserer Gesellschaft Platz genommen. Der Griff des
Militärs in die Zivilgesellschaft über die sogenannte
„Zivil-militärische Zusammenarbeit“ und
über die vom NRW-Landtag beschlossenen
„Kooperationsverträge“ der Bundeswehr mit
Schulen und Universitäten hat die GEW zu entschiedenen
Protesten veranlasst. Die „Volksparteien“ bringen
derweilen nicht mehr die Kraft auf, sich von Rassisten wie Sarrazin,
Revanchistinnen wie der Berufsvertriebenen Steinbach und zahllosen
andere Volksverhetzern zu trennen. „Rechts“ ist in
der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. An Stelle der
klammheimlichen Zustimmung für neofaschistische Positionen ist
längst die offene getreten. Rechtspopulistische Parolen finden
sich in den Äußerungen von Vertretern fast aller
Parteien. (Auch das wird mit unserer Ausstellung belegt.) Das ist der
Boden, auf dem Neofaschismus gedeihen kann. Es ist
leider nicht so, wie Bundespräsident Gauck bei seiner
Antrittsrede am 23. März 2012 in Berlin erklärte,
dass „Nachwirkungen nationalsozialistischer Gedanken...keine
gestaltende Kraft...“ wurden. In unserer
Ausstellung stellen wir fest: “Viele
ehemalige Nazis und Mitläufer haben nach 1945 in
Westdeutschland die Möglichkeit gehabt, wichtige Positionen in
Staat und Gesellschaft wieder zu besetzen. Ein konsequenter Bruch mit
den Inhalten und Werten des NS-Regimes wurde trotz des demokratischen
Gegenentwurfs ‚Grundgesetz’
versäumt“. Die personellen
Kontinuitäten bestanden in der lückenlosen
Übernahme von Nazi-Kadern in Politik, Justiz, Ministerien,
Militär, Geheimdiensten und Verfassungsschutz. Dass noch 1956
der Blutrichter des Hammer NS-Sondergerichts Hubert Schrübbers
zum Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes berufen wurde,
ist nur ein haarsträubendes Beispiel. Und
selbstverständlich wurde die Macht der wirtschaftlichen
Eliten, die Hitler zur Macht verholfen hatten, wieder hergestellt. Was
zu beweisen ist. Nun zu einigen aktuellen Problemen. Der
zunehmende neofaschistische Terror, der in unseren Städten
seit 1990 fast 200 Mordopfer gefordert hat, wird dagegen kaum
thematisiert. Er wurde gar von der Bundesregierung auf nur 49 Tote
heruntergerechnet. Dass wöchentlich, in einigen Regionen fast
täglich, Übergriffe von Neofaschisten stattfinden,
löst seitens der Politik keine ernsthaften Maßnahmen
aus. Spätestens nach der Aufdeckung der Mordserie des
„Nationalsozialistischen Untergrunds –
NSU“ dürfte klar geworden sein, dass die
„Überwachung“ der Faschistenszene durch
„Vertrauensmänner“ des Verfassungsschutzes
wohl mehr eine Duldungs- oder sogar Fördermaßnahme
gewesen ist. Der
„geständige“ Waffenbeschaffer des NSU
Carsten Schultz – seit 2004 als aktiver Neonazi dem
„Staatsschutz“ als Spitzenfunktionär der
Thüringischen Neonazi- und NPD-Szene bekannt – wurde
erst 2012 verhaftet. Nach 8 Jahren. Carsten Schultz wurde aus der Haft
entlassen und bekam eine „neue Identität“.
Das erste Verbotsverfahren gegen die NPD der
Bundesregierung scheiterte an der Nichtbereitschaft des
Verfassungsschutzes, seine „Vertrauensleute“
zurückzuziehen. Wir hören: Dann
wäre der Laden nicht mehr zu überwachen. Und
außerdem müsse man sich mit denen politisch
auseinandersetzen. Aber ein Verbot wäre
ein erster Schritt, sie von der Finanzierung durch den
Verfassungsschutz abzukoppeln, ihnen Millionen an Steuergeldern zu
entziehen und ihnen die Möglichkeit öffentlichen
Auftretens zu nehmen. Genauso wie ein Verbot von
Naziaufmärschen ihnen die Straße nehmen
würde. Aber! Da sind die rechtlichen
Hürden sehr hoch!!! Treffen die Argumente
zu? Geht das nicht? Spätestens nach den
Verboten der Demonstrationen in Frankfurt, den Massenverhaftungen der
Aktiven der Blokupy-Bewegung gegen die Banken ist das klar gestellt: Justiz,
Behörden, Polizei sind durchaus bereit und in der Lage
– selbst unter Bruch bestehender Rechtsnormen,
Demonstrationen zu verbieten. Mit Billigung des
Bundesverfassungsgerichtes sollten mit einem martialischen
Polizeiaufgebot die Proteste gegen die Finanzhaie erstickt werden. Das
ist möglich, wenn es um den Schutz der Hochburgen des Kapitals
geht. Wenn es darum geht, faschistische
Zusammenrottungen zu verbieten, wird ständig auf den Schutz
des hohen Gutes der Versammlungsrechtes und des Rechtes auf
Meinungsfreiheit verwiesen. Auf einem Kongress des DGB-NRW am 28. April
2012 unter dem Titel „Strategien gegen Nazis und Rassismus in
NRW“ in Dortmund erklärte dies zum wiederholten Male
NRW Innenmister Jäger. Die Polizei schütze nicht die
Neonazis. Und dann werden ständig tausende Polizisten
aufgeboten, um Neofaschisten ungestört zu
ermöglichen, faschistische Propaganda auf die
Straßen zu tragen. Der 1. Senat des
Bundesverfassungsgerichtes hat noch obendrein mit seinem Spruch vom 8.
Dezember 2010 klargestellt, dass ein Publikationsverbot für
die „Verbreitung rechtsextremistischen oder
nationalsozialistischen Gedankenguts“ das Grundrecht auf
Meinungsfreiheit nach Art.5/Abs.1 des Grundgesetzes verletze. Die
zu beantwortende „Gretchenfrage“, um die es seit
Jahren geht, ist, ob es ein vom Grundgesetz gedecktes Recht auf
neofaschistische Propaganda gibt. Ob das Grundgesetz bzw. die
Landesverfassung von NRW neofaschistische Propaganda für
schützenswert hält. Die Losung der
VVN-BdA „Faschismus ist keine Meinung sondern ein
Verbrechen“ wird in einer Broschüre des
NRW-Innenmisteriums als Aufforderung zu strafbaren Handlungen
diffamiert. Innenminister Jäger behauptet,
damit würden die „Linksextremisten“ ihrem
politischen Gegner alle demokratischen Rechte absprechen. Aber
genau darum geht es. Neofaschistische Propaganda ist kein
demokratisches Recht! Und an diesem Punkt wird sichtbar, wer es mit dem
Kampf gegen Rechts ernst meint. 1933 haben die
Faschisten ihr „Recht auf die Straße“ mit
Gewalt durchgesetzt. Die entsetzlichen Ergebnisse sind bekannt. Und
deshalb sprechen wir heute den Neofaschisten aller Schattierungen das
Recht zu demonstrieren und das Recht auf Propaganda ab! Auch
wenn wir uns damit nach Meinung von Polizei, Justiz und Politik
strafbar machen, dann sagen wir: Wir verteidigen ein Kernstück
des Grundgesetzes. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe
Kolleginnen und Kollegen, Der erste
Ministerpräsident des Landes NRW Dr. Rudolf Amelunxen (damals
Zentrum), erklärte auf dem Gründungskongress der
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes am 26. Oktober 1946 in
Düsseldorf vor 500 Delegierten: “In der
Ausübung der Toleranz darf und muss nur eine Ausnahme gemacht
werden, nämlich die, dass es keine Freiheit gibt für
die Mörder der Freiheit. Wir kennen diese und werden alles
tun, um sie nicht noch einmal zum Zuge kommen zu lassen!“
Freie Entfaltungsmöglichkeiten für
Faschisten hat Millionen Menschen das Leben gekostet. Das
darf sich nicht wiederholen! Es bleibt dabei: Faschismus ist keine Meinung
sondern ein Verbrechen! Nie wieder Krieg und Faschismus! Und
deshalb machen wir diese Ausstellung! Diese
Ausstellung ist ein Angebot, sich ein eigenes Bild zu machen. Machen
Sie sich ihren eigenen Kopf, wenn sie unsere Kommentierungen und
Einschätzungen lesen. Wenn wir mit dieser
Ausstellung auch nur ein wenig dazu beitragen können, dass
Rassismus, Ausländerhass, Neofaschismus abgebaut werden, hat
sich die Arbeit gelohnt. Wir bedanken uns bei der
Stadt Remscheid für die Präsentation im Rathaus. Ich
danke Ihnen! |