24.07.2012 Heute gibt es nur noch rund 4000
überlebende Kriegsgefangene 5,7 Millionen
Rotarmisten in Kriegsgefangenschaft: Einsatz für
Entschädigung Das
Mindener Tageblatt hat dieser Tage ein Tabuthema angerührt:
Die Haltung der Deutschen zu den russischen Kriegsgefangenen. Von bis
zu 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen sind bis zu 3,3
Millionen in deutscher Gefangenschaft umgekommen. Die
Überlebenden wurden nie entschädigt, auch nicht, wenn
sie zu Zwnagsarbeiternm gemacht wurden. Ihnen wird auch die
Entschädigung aus der Stiftung für
Zwangsarbeiterentschädigung verweigert. Heute noch. Minden
(mt). Es leben nur noch wenige ehemalige sowjetische Zwangsarbeiter und
Kriegsgefangene. Für eine Entschädigung setzt sich
die in Berlin ansässige Organisation Kontakte-KOHTAKTbI ein.
Mit der Mitarbeiterin Sibylle Suchan-Floß sprach MT-Redakteur
Jürgen Langenkämper. Wie viele Zwangsarbeiter gab es
während des Zweiten Weltkriegs? Im
Reichsgebiet waren es circa 13,5 Millionen, eventuell gab es ebenso
viele in den besetzten Gebieten, aber darüber gibt es bis
jetzt keine genauen Zahlen. Wie
viele sowjetische Kriegsgefangene waren darunter? Im
Reichsgebiet wurden circa 1,5 Millionen sowjetische Kriegsgefangene
(unter den Zwangsarbeitern) registriert, in den besetzen Gebieten,
Polen und Skandinavien etwa 1,3 Millionen. Davon überlebten
viele nicht bis zu ihrem Arbeitseinsatz. Die höchste Zahl
sowjetischer Kriegsgefangener im Arbeitseinsatz im Reichsgebiet betrug
im September 1944 gut 600.000. Wo waren die
größten "Russenlager"? Die
größten "Russenlager": Stalag 326 Senne (Paderborn),
Stalag 318 Lamsdorf (Oberschlesien), die "Heidelager" Stalag 311, 310,
321 Wietzendorf, Bergen-Belsen, Oerbke, Zeithain und Mühlberg
in Sachsen mit jeweils zwischen 120000 und 180000 nachgewiesenen
Registrierungen. Allerdings wurden sowjetische Kriegsgefangene auch in
alle anderen Stalags verlegt und registriert. Die
größten Lager mit den schlimmsten Bedingungen waren
aber die Dulags (Durchgangslager) und die Zwischenlager in Polen und im
Wehrkreis I. Von den circa 3,35 Millionen bis Februar 1942 gefangen
genommenen Rotarmisten starben in diesem Zeitraum zwei Millionen an
Auszehrung infolge ungenügender Essensrationen, mangelnder
medizinischer Betreuung und fehlenden Schutzes vor Hitze und
Kälte, sowohl im Reichsgebiet als auch in den besetzten
Gebieten vor den Augen der Bevölkerung. Aus Wietzendorf gibt
es einen Zeitzeugenbericht, der die Zustände in Buchenwald,
wohin er strafweise verlegt wurde, als "Paradies" bezeichnet. Dazu
kamen gezielte Erschießungen von Juden und "politisch
untragbaren" Gefangenen und Übergriffe der Wachmannschaften.
Die Gesamtzahlen: Von bis zu 5,7 Millionen sowjetischen
Kriegsgefangenen sind bis zu 3,3 Millionen in deutscher Gefangenschaft
umgekommen. Und
wie viele haben überlebt und sind in die Sowjetunion
zurückgekehrt? Repatriiert aus dem Ausland
wurden rund 1,5 Millionen. Eine unbekannte Zahl gelangte in die USA,
Kanada und Großbritannien. Insgesamt überlebt haben
circa 2,4 Millionen, darunter sind auch die in der Sowjetunion aus den
Lagern der Wehrmacht befreiten. Was macht die Anerkennung und
Entschädigung der heute noch Lebenden so schwierig? Nach
dem Völkerrecht, der Genfer Konvention, fällt die
Entschädigung von Kriegsgefangenen unter das Reparationsrecht,
der Entsenderstaat ist dafür zuständig. Das gilt auch
für die zivilen Zwangsarbeiter. Bei den sowjetischen
Kriegsgefangenen erschwert der Reflex der Aufrechnung begangenen
Unrechts die Beschäftigung mit den an den sowjetischen
Kriegsgefangenen begangenen Verbrechen. Sowjetische Kriegsgefangene
wurden aus rassistischen und ideologischen Gründen als
"jüdisch-bolschewistische Untermenschen" von Deutschland
rechtswidrig aus dem Schutz des Völkerrechts genommen. Kontakte-KOHTAKTbI hat 2006
eine Eingabe an den Petitionsausschuss des Bundestags gerichtet? Was
war der Zweck? Zweck war die Anerkennung der
"Russenlager" als KZ-ähnliche Haftstätten. Damit
sollten die sowjetischen Kriegsgefangenen im Gesetz über die
Stiftung EVZ - Erinnerung, Verantwortung und Zukunft - als
"leistungsberechtigt" anerkannt werden. Nach §11,3 sind
Kriegsgefangene explizit ausgeschlossen, sofern sie nicht in KZ-Haft
waren. Die Kriterien für Haftstätten unter
KZ-Bedingungen sind ungenügende Essensrationen, kein Zugang zu
medizinischer Betreuung und mangelhafte Unterbringung. Diese Kriterien
treffen für die "Russenlager" zu. Sie waren Sterbelager, wenn
auch keine Vernichtungslager. Und was ist seither geschehen? Über
die Petition ist immer noch nicht entschieden.
Bundestagspräsident Lammert hat die sowjetischen
Kriegsgefangenen am 27. Januar 2011 als NS-Opfer gewürdigt und
in der Bundestagsdebatte zum 22. Juni 2011 haben Redner aller
Fraktionen, besonders Gernot Erler, die Behandlung der sowjetischen
Kriegsgefangenen als Verbrechen bezeichnet. Was wurde aus den betroffenen
Veteranen? Wie viele leben Ihres Wissens heute noch? Die
Repatriierten durchliefen Filtrationslager des "Smersch", der
militärischen Abwehr "Tod den Spionen". Etwa 15 Prozent -
darunter auch tatsächliche Kollaborateure - wurden dem NKWD
übergeben, 22 Prozent kamen in Arbeitsbataillone, 43 Prozent
mussten weiter Militärdienst leisten, 18 Prozent wurden nach
Hause entlassen. Die meisten wurden weiterhin sozial ausgegrenzt und
hatten Probleme bei Studium, Arbeitsaufnahme etc. Rehabilitiert wurden
sie 1995. Wir schätzen, dass etwa 4000 noch leben. Gibt es auch Fortschritte? In
den Heimatländern sind fast alle inzwischen als
Kriegsveteranen anerkannt - vorher nur als Kriegsteilnehmer wie etwas
die Bevölkerung der besetzten Gebiete. Das hatte finanzielle
Folgen. In Deutschland bemühen sich SPD, Grüne und
Linke um die Realisierung einer humanitären Zahlung an die
Überlebenden, aber die Regierungskoalition ist dagegen. Quelle:
http://www.mt-online.de/lokales/minden/6871301_Heute_gibt_es_nur_noch_rund_4000_Ueberlebende.html
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