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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

15.07.2012

Unsere Kernaufgabe ist: Den Antifaschismus mit der sozialen Fragen zu verbinden!

Rede von Landessprecher Falk Mikosch bei den NRW-Linken und schriftliches Grußwort an die Linken

Am 30.06.2012 hatte die VVN-BdA NRW Gelegenheit zu einem mündlichen Grußwort an die Delegierten des Landesparteitages der NRW-Linken. Den Redetext sowie das schriftliche Grußwort im Folgenden.

Liebe Freundinnen und Freunde,

Vielen Dank für die Gelegenheit zu einem Grußwort auf eurem Parteitag. Mein Name ist Falk Mikosch und ich bin Landessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten. Im Auftrag unseres Verbandes übermittle ich euch die herzlichsten Grüße und wünsche euch einen erfolgreichen Parteitag. Ganz besonders möchten wir uns dafür bedanken, dass DIE LINKE den Antifaschismus in das nordrheinwestfälische Landesparlament gebracht hat.

Wie ist es mit der Zukunft der Erinnerung, wenn die Zeitzeugen des deutschen Faschismus uns so langsam verlassen. Gehen wir in unserer Erinnerung doch mal 100 Jahre zurück. Kaum noch jemand erinnert sich zum Beispiel an den Beginn des ersten Weltkrieges am 1. August 1914.

Der politische Bildungsstand in Deutschland

Mehr als 2,5 Millionen Menschen sollen in der Bundesrepublik nicht fähig sein, zusammenhängende Texte zu begreifen. Der politische „Bildungsstand“ wird durch Befragungsergebnisse dokumentiert, die besagen, dass nur vierzig Prozent der bundesrepublikanischen Bevölkerung das Datum der Beendigung des Zweiten Weltkrieges kennen; sechzig Prozent sind jedoch davon überzeugt, dass Polen mit einem Angriff auf das „Deutsche Reich“ den Krieg provoziert hat.

In dieses Schema passt die Tatsache, dass Boulevardblätter, die Standardlektüre einer Bevölkerungsmehrheit über einen durchschnittlichen Wortschatz von 400 Wörtern verfügen.

Übrigens Boulevardblätter!

Wenn ihr nicht widersprochen habt, konntet ihr vor einer Woche eine Sonderausgabe der BILD in euren Briefkästen finden. BILD gibt es jetzt seit 60 Jahren (Auflage 2,7 Mio./Tag).

Obwohl das deutsche Parlament mit der Zustimmung zum Fiskalpakt der eigenen Entmachtung zugestimmt hat, war die Hauptschlagzeile heute, dass sich Tom Cruise scheiden lassen will.

BILD betreibt Menschenjagd für Auflage

Der zweite Chefredakteur Rudolf Michael hat in den 50. Jahren das Konzept präzisiert, das im Kern bis heute das Blatt prägt:

Zitat: „Wir glauben, das aussprechen zu können, was Millionen in Deutschland fühlen, ohne dass ihnen im Augenblick die Worte zu Gebote stehen, mit denen man so etwas verständlich machen kann“.

Heute preist sich Kai Diekmann, derzeitiger Chefredakteur als Volksthermometer an:

Zitat: „Bild mißt die Temperatur im Lande. Wenn Zeitungen wie die FAZ schreiben, was passiert, dann schreiben wir, wie das, was passiert, sich anfühlt“.

Aus dieser Gefühlswerkstatt stammen dann Wörter wie

Döner-Mord, Pleite-Grieche, Teufels-Killer, Boxen-Luder ...

Schürfen im Gefühlshaushalt der deutschen Nation

Bild schürft täglich tief im Gefühlshaushalt der deutschen Nation nach Stereotypen, Vorurteilen und Abneigungen, um ihn auszuplündern. So wie das Blatt Anfang 2010 in der Griechenland- und Euro-Krise eine Kampagne gegen die Griechen führte, so wurden früher Kriege vorbereitet.

BILD erfindet Ressentiments nicht, aktualisiert und radikalisiert sie jedoch, verleiht ihnen Ausdruck, verhilft ihnen damit zu gesellschaftlicher Macht, nimmt so Einfluss darauf, was als Normalität gilt.

Auf- und Abwertungen

Unterscheiden gehört zu unserem Alltag. BILD macht daraus jedoch eine Waffe im Dienste des Ressentiments: Sie macht aus den Unterschieden Auf- und Abwertungen

  • der gute weiße Deutsche und der böse schwarze Ausländer,
  • der rücksichtslose Faule und der fleißige Gute,
  • der Allah-gläubige Frauenzerstückler,
  • der autoritäts- und rechtsgläubige katholische Steuerzahler.

Weil BILD Menschen auf- und abwertet wie Ratingagenturen Staaten, steckt für die Gesellschaft Zündstoff in diesem Geschäft.

BILD fuchtelt täglich mit dem Benzinkanister.

Sündenböcke

Wenn viele Menschen Angst haben, die Reichen zu reich, die Armen zu arm sind, wenn Sicherheiten schwinden, Konflikte schärfer werden, dann kann ein inszeniertes System aus Abwertungen in kurzer Zeit Minderheiten zu gehetzten Sündenböcken machen, kann morgen die Quoten- und Auflagenjagd via Abwertungsrigorismus von heute bereits Menschenjagd sein.

BILD ist eine menschen- und kulturverachtende Litfaßsäule.

Erfolge rechtsextremer Weltbilder

Genau wie BILD erzielen rechtsextreme Weltbilder ihre Erfolge, weil sie die Widersprüche und Inkonsistenzen unseres Alltagsdenkens nicht angreifen, sondern „produktiv“ daran anschließen und zu ihrem „Recht“ kommen lassen.

Vorurteile werden bestätigt und die falsche Konkretheit der „Lebenspraxis“ systematisiert

etwa durch die Formel, dass jeder ausländische Arbeitskraftverkäufer einem Deutschen den Arbeitspatz wegnimmt, was nicht faktisch, aber numerisch „stimmt“.

Es gibt keine homogene rechtsextremistische Theorie

Die Begründungen ebenso wie die politischen Pamphlete fügen lose jene Bestandteile reaktionärer Ideologie zusammen, die in den jeweiligen historischen Situationen überzeugende Wirkungen versprechen. Auch der Rassismus als rechtsextremes Weltanschauungselement ist flexibel und anpassungsfähig, so dass „er sich nach gesellschaftlichem und historischem Kontext und je nach der Form der Unterdrückung unterschiedlich äußert“. Dem ausländischen Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt wird mit dem Argument begegnet, er würde anderen die Arbeit wegnehmen, aber auch mit dem Vorurteil, er würde sich vor der Arbeit drücken. In dieser Heterogenität liegt auch die Schwierigkeit, das Phänomen des politisch-weltanschaulichen Irrationalismus (Faschismus) exakt zu bezeichnen.

Der Rechtsextremist und Rassist ist ein Mensch der Angst hat

Deshalb reicht ein antifaschistischer, auf Vernunft orientierter Appell als Gegenmaßnahme nicht aus. Weil die rechtsextremen Weltbilder in spontanen Ideologismen und sozial übermittelten Stereotypen begründet sind, ist ihnen mit dem rationalen Appell kaum beizukommen.

Bedürfnis der Menschen, ihre soziale Situation zu verstehen

Fallen die Versuche, die soziale Wirklichkeit mit dem Raster rechter Ideologie zu „erklären“, noch so dürftig aus, so befriedigen sie doch in Ermangelung präsenter Alternativen das Bedürfnis der Menschen, ihre soziale Situation zu »verstehen«.

  • In Ermangelung präsenter Alternativen - Das ist der springende Punkt!
  • Unsere Kernaufgabe ist:
    Den Antifaschismus mit der sozialen Fragen zu verbinden!

Neue Lebensperspektiven und eine realistische Zuversicht

Denn ein Bollwerk gegen den rechten Formierungsprozess kann nur eine soziale Bewegung sein, die nicht nur aufklärend auf die Menschen einwirkt, sondern ihnen auch neue Lebensperspektiven und eine realistische Zuversicht vermittelt.

Von deutschem Boden soll niemals wieder Krieg ausgehen!

Die bedeutenste soziale Bewegung in Deutschland ist die Gewerkschaft. Deshalb also rein in die Betriebe und Gewerkschaften!

Bündnispolitik der VVN

Um der faschistischen Gefahr frontal zu begegnen, entwickelt und beteiligt sich unser Verband an breitesten Bündnissen. Alle, die die Neofaschisten auf der Straße und in den Institutionen bekämpfen, sind als Bundesgenossinnen und Bundesgenossen willkommen.

Landesparteitag der NRW-Linken

Ich wünsche Eurem Parteitag einen erfolgreichen Verlauf. Herzlichen Gruß von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Werdet Mitglied bei uns!!

Wir sehen uns am 1. September in Dortmund!

Grußwort zum Landesparteitag der NRW-Linken am 30.06.2012 in Münster

Liebe Freundinnen und Freunde,

Die VVN-BdA in NRW übermittelt dem Landesparteitag der LINKEN herzliche Grüße!

Antifaschistische Positionen in der Gesellschaft zu verstärken ist unser gemeinsames Anliegen. Die Fraktion der LINKEN im NRW-Landtag hatte dazu in der verkürzten Legislaturperiode wichtige und auch erfolgreiche Impulse durchsetzen können, unter anderem:

  • keine Anwendung der Extremismusklausel in NRW.
  • Einstellung von Mitteln im Haushalt 2011 für zwei Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt.
  • Abschaltung der V-Leute bei der NPD.
  • durch ein große Anfrage zum Thema „Neofaschismus/Rechtsextremismus in NRW“ erfolgte ein umfangreicher Überblick über die Anzahl der Straftaten der rechten Szene, der jetzt der Öffentlichkeit zugänglich ist.

Die vorgezogene Landtagswahl führte dazu, dass die Partei die LINKE nicht mehr im Landtag vertreten ist. Dazu gibt es viele verschiedene Gründe, die ihr sorgfältig aufarbeiten werdet.

Wir danken euch für eure Arbeit im Landtag!

In der folgenden Zeit wird es aufgrund der vielen gesellschaftlichen und politischen Probleme zahlreiche gemeinsame, außerparlamentarische Aktionen geben. Insbesondere geht es nach wie vor darum, die gefährlichen Provokationen der Nachfolge-Nazis zurückzudrängen. Und ebenso geht es darum, nachhaltige friedenspolitische und antimilitaristische Akzente zu setzen.

Ein hochaktuelles Problem in NRW ist der Standort Kalkar. Nato und Bundeswehr haben dort - öffentlich weitgehend unbemerkt - das Hauptquartier für Luftkriegsoperationen eingerichtet. Eingreiftruppen in aller Welt können seit diesem Jahr von der von Seydlitz-Kaserne in Kalkar aus kommandiert werden. Deutschland ist wieder Kriegsschauplatz.

Eine große Demonstration am 3. Oktober in Kalkar soll darauf aufmerksam machen.

Friedenspolitik und Antimilitarismus erfordern starkes gesellschaftliches Engagement. Nie wieder Krieg –- nie wieder Faschismus müssen wieder verstärkt zusammenhängend gedacht werden und in den entsprechenden Aktionen zum Ausdruck kommen.

Mit der notwendigen Ernsthaftigkeit, mit viel Phantasie und deshalb auch mit Vergnügen wollen wir unsere Möglichkeiten gemeinsam nutzen, ein freundliches gesellschaftliches Klima zu schaffen.

Eurem Parteitag wünschen wir einen guten Verlauf und nachhaltig wirkende gute Ergebnisse.

Mit herzlichem Gruß

Ulrike Düwel
Falk Mikosch
Jochen Vogler
VVN-BdA Landessprecherin und Landessprecher Nordrhein-Westfalen

Weitere Beiträge aus der VVN-BdA zur Bedeutung der sozialen Frage für die Demokratie und den Antifaschismus:

ver.di-Landeskonferenz begründet breite "Bewegung für den sozialen Frieden"
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/castroper_erklaerung.htm

„Der 8. Mai 1945 mahnt: Stoppt die Neonazis und ihrer Förderer – Für ein antifaschistisches soziales Nordrhein-Westfalen“
http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0123_ldk_2005.htm

Rede von Jupp Angenfort bei Verdi
http://www.nrw.vvn-bda.de/ai/ai_55_3_2003.pdf