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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

27.06.2012

Von „Hunde wollt ihr ewig leben“ zu Gaucks Hetze gegen „Glückssüchtige“ im Krieg

„Hunde wollt Ihr ewig leben?“ Das soll Friedrich der Große den fliehenden preußischen Soldaten bei der gegen Österreich verlorenen Schlacht von Kolin zugerufen haben. Dort machte nun Bundespräsident Joachim Gauck Anleihen, als er vor der Bundeswehrakademie in Hamburg den Spruch absonderte: „Dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glücksüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen.“ Gauck warb für noch mehr Bundeswehrauslandseinsätze. Den nötigen Kommentar zu der skandalösen Rede des unchristlichen Pastors schrieb der christliche Versöhnungsbund.

Offener Brief des Internationalen Versöhnungsbundes - Deutscher Zweig an Herrn Bundespräsident Joachim Gauck

Minden, den 26. Juni 2012

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Gauck,

mit Entsetzen und Empörung haben wir Ihre Rede bei der Führungsakademie der Bundeswehr am 12.6.2012 vernommen. Insbesondere sehen wir Ihre Rede sehr kritisch als eine Rechtfertigung und Verharmlosung von Kriegseinsätzen an. Wir wollen und können uns nicht damit abfinden, dass noch mehr (deutsche) SoldatInnen getötet werden und auch andere Menschen töten, was Sie im übrigen nicht erwähnen.

Eine Gesellschaft in diesem Kontext als "glückssüchtig" zu bezeichnen, finden wir sehr zynisch, da es nicht einfach um "Hedonismus" geht, von dem Sie an anderer Stelle sprechen, sondern um die Würde und das Recht auf Leben und Unversehrtheit, die jeder Mensch - egal ob als SoldatIn oder ZivilistIn - besitzt. Über dieses Recht setzen Sie sich mit Ihrer Rede hinweg, das ebenso für alle Menschen gilt wie z. B. für die Menschen, die im September 2009 im afghanischen Kundus bei der vom deutschen Oberst Georg Klein befohlenen Bombardierung getötet wurden.

Nach den neuen „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ des Verteidigungsministers de Maizière gehört die Rohstoffabsicherung zu den „nationalen Interessen“ (Quelle s. u.). Es geht also nicht um die von Ihnen beschworene Freiheit, oder bedeutet Freiheit nach Ihrem Verständnis, dass die Bundesrepublik wie andere Industriestaaten die Freiheit hat, die Zweidrittel-Welt auszuplündern? Die Bundeswehr praktiziert die staatlich-institutionalisierte Aufhebung des in unserer Gesellschaft verankerten Tötungstabus. SoldatInnen erlernen dort die Anwendung tötender Gewalt.  

Bereits das Erlernen, wieviel mehr die Androhung und erst recht die Anwendung tötender Gewalt stehen im direkten Widerspruch zur Gewaltfreiheit. Unseres Erachtens ist Gewaltfreiheit eine unverzichtbare Voraussetzung, wenn nicht der Ermöglichungsgrund für jede Art menschlicher Kommunikation. Ohne Gewaltfreiheit ist die Achtung vor der Würde des Menschen nicht möglich. In diesem Sinne können wir es nicht verstehen, wenn Sie die "Ohne uns"-Haltung gegen eine neue Erstarkung des Militarismus in Deutschland kritisieren. Sie selbst bezeichnen (militärische) Gewalt als ein Übel, rechtfertigen sie aber als ein - manchmal notwendiges - Mittel, um andere Gewalt zu überwinden.

Uns geht es auch nicht nur um "Ohne uns": Sie ignorieren, dass es viele zivile, gewaltfreie Alternativen der Konflitkbearbeitung gibt, von denen einige als Ziviler Friedensdienst auch von der Bundesregierung finanziert werden. Dabei sind auch die zivilen Interventionen in Konflikte nach dem "Do no harm"-Ansatz von Mary B. Anderson mit der notwendigen Konfliktsensibilität durchzuführen, die wir bei militärischen Interventionen vermissen. Wenn nun Waffengewalt und Kriege Frieden schaffen würden, sozusagen als Ihre Lehre aus der Geschichte, dann müsste ja nach all dem Töten, den Zerstörungen und den Grausamkeiten, nach all den zivilen und militärischen Toten der letzten Jahrhunderte, der Weltfrieden schon längst ausgebrochen sein. Das ist er aber nicht.

Auch unser Lehrer und Bruder, der Wanderprediger aus Nazareth, in dessen Nachfolge Sie als Pfarrer stehen, war an dieser Stelle schon anderer Meinung als Sie.  

Der Internationale Versöhnungsbund setzt sich seit 1914 für eine Kultur der Gewaltfreiheit ein und ist weltweit in über 40 Ländern vertreten. Seine Mitglieder haben in zahlreichen Projekten Erfahrungen damit gesammelt, Gewalt gewaltfrei zu überwinden. Bekannt geworden sind vor allem die Friedensnobelpreisträger Martin Luther King, Mairead Corrigan-Maguire und Adolfo Maria Pérez Esquivel. In der Hoffnung auf einen in dieser Hinsicht alsbald wirksamen Politikwechsel – für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung – verbleiben wir mit freundlichen Grüßen

Dr. Matthias Engelke, Vorsitzender des Internationalen Versöhnungsbundes - Deutscher Zweig

Zitierte Quelle:

vgl. Bundesministerium der Verteidigung (2011): Die Verteidigungspolitischen Richtlinien:

http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/!ut/p/c4/LY1BDsIwDARfRHznxiugXJCTWu6qiVMlbvg-
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