15.06.2012 Eine skandalöse Rede Bundespräsident
Gauck plädiert wieder für den "gerechten Krieg" Zur Rede des Bundespräsidenten bei der
Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg erklärte
der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag Peter Strutynski: Es
sollte eine Rede des hohen Tons und der großen
Gefühle werden. Am Ende präsentierte
Bundespräsident Joachim Gauck aber nur mächtige
Worthülsen. Da war von "meiner Armee" und von "unseren
Soldaten" als "Dienern" die Rede, von einer wahren "Armee des Volkes"
als einem Teil des "Demokratiewunders", das die Deutschen 1989/90
geschafft hätten. Und da wurden die hehren Ideale und Ziele
der Bundeswehr gepriesen, "Freiheit, Sicherheit, Menschenwürde
und das Recht des Einzelnen auf Unversehrtheit" zu verteidigen - und
zwar in der ganzen Welt. Mit keinem Wort ging Gauck auf die Interessen
der deutschen Wirtschaft ein, Märkte für den Export
zu sichern, Handelswege notfalls "freizukämpfen" oder sich
"freien Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen und Rohstoffen" in aller
Welt zu schaffen. Das ist immerhin der
unverblümte Auftrag der Bundeswehr in den
Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992, 2003 und 2011 und der
Weißbücher 1994 und 2006. Horst Köhler
hatte wegen eines etwas holprig daher kommenden Interviews vor drei
Jahren auf diese Zusammenhänge aufmerksam machen wollen - und
musste sein Präsidentenamt aufgaben. Offenbar hält
sich Gauck an eine Grundregel der politischen Klasse: Über die
ökonomischen Interessen der Politik spricht man nicht, man
setzt sie nur durch. Obwohl das Instrument Militär zum
sensibelsten Bereich der Politik und des nationalen und internationalen
Rechts gehört, existieren für Gauck weder das
Grundgesetz der Bundesrepublik mit seinem den Krieg ächtenden
Art. 26 und die Bundeswehr auf Landesverteidigung verpflichtenden Art.
87a, noch die UN-Charta mit dem strikten Gewaltverbot nach Art. 2,4,
noch der Einigungsvertrag von 1990, der in Art. 2 definitiv verlangt,
"dass von deutschem Boden nur Frieden ausgehen wird". Er stellt demnach
auch nicht die Frage, ob Krieg völkerrechtlich oder ethisch
sein darf, sondern ihn interessiert nur noch, ob militärische
Einsätze "die gewünschten Ziele erreichen" oder "ob
wir im Einzelfall die Mittel haben, die für ein sinnvolles
Eingreifen nötig sind". So ist der letzte
Schritt nicht mehr weit: Für Gauck gibt es wieder den
"gerechten Krieg". Originalton: "Sie (die Bundeswehr) hat unser
Zutrauen verdient, nicht nur in Debatten um den 'gerechten Krieg' zu
bestehen, sondern auch einem 'gerechten Frieden' einen Weg zu bahnen."
Hätte der ehemalige Pastor und Kirchenfunktionär doch
nur das Wort der deutschen Bischöfe aus dem Jahr 2000 zur
Kenntnis genommen! Dort hatte sich die Kirche endgültig von
Begriff und Konzeption des "gerechten Kriegs" verabschiedet. In Kreisen
der Bundeswehr wird die Rede Gaucks überschwänglich
gefeiert und heute schon als "historisch" bewertet. In einem negativen
Sinn soll sie es auch sein: Gauck soll mit seiner Lobrede die
Köpfe und Herzen der Menschen für die Sorgen und
Nöte der Soldaten öffnen, soll das einstmals beklagte
"freundliche Desinteresse" an der Bundeswehr in eine begeisterte
Zustimmung verwandeln. Die Auslandseinsätze der
Bundeswehr, der "Armee im Einsatz", werden - geht es nach den
Plänen von Regierung und NATO - zunehmen. Dafür
braucht sie zunehmend die Unterstützung der "Heimatfront". Gauck
scheint der rechte Mann dafür zu sein. Peinlich, dass er in
seinem Eifer nicht merkt, dass die Bundeswehr dabei ist, das zu werden,
was er zu Beginn seiner Rede so heftig kritisiert: Mit Blick auf die
DDR geißelt er dort "Aufmärsche" und "die
Militarisierung der Schulen". Hat er denn noch nicht von den
öffentlichen Gelöbnissen, der Präsenz der
Bundeswehr bei Volksfesten und Messen oder der Teilnahme von
Presseoffizieren an Schulveranstaltungen gehört? Eines
können wir nicht nur für den Bundesausschuss
Friedensratschlag, sondern für die Friedensbewegung insgesamt
sagen: Von diesem Präsidenten werden wir nicht
vertreten. Für den Bundesausschuss
Friedensratschlag Peter Strutynski
(Sprecher) Die Rede des
Bundespräsidenten ist hier dokumentiert: http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Bundeswehr/gauck.html
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