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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

14.06.2012

Keine Toleranz den Mördern gegenüber

Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ in Oberhausen

Der Landesgeschaftsführer der VVN-BdA eröffnete jetzt in Oberhausen, Bert-Brecht-Haus, Langemarkstraße 19, die Neofaschismus-Ausstellung der VVN-BdA. Er erklärte: „Der erste Ministerpräsident des Landes NRW Dr. Rudolf Amelunxen (damals Zentrum), erklärte auf dem Gründungskongress der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes am 26. Oktober 1946 in Düsseldorf vor 500 Delegierten:

‚In der Ausübung der Toleranz darf und muss nur eine Ausnahme gemacht werden, nämlich die, dass es keine Freiheit gibt für die Mörder der Freiheit. Wir kennen diese und werden alles tun, um sie nicht noch einmal zum Zuge kommen zu lassen’“

Eröffnung der Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ am 13. Juni 2012 im Bert-Brecht-Haus, Langemarkstraße19-21 (11.00 Uhr)

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir danken den Kolleg_innen des DGB, auf deren Initiative die Präsentation unserer Ausstellung hier zustande kam. (Übrigens ein geschichtsträchtiger Ort: Langemark steht für eines der schlimmsten Verbrechen des deutschen Imperialismus im 1. Weltkrieg und Brecht für die besten humanistischen Traditionen der deutschen Literatur).

Dies ist die 5. aktualisierte Fassung unserer Ausstellung seit 1985. In dieser Gemeinschaftsproduktion von VVN-BdA und Verdi stecken 25 Jahre Arbeit. Die Ausstellung umfasst auf 26 Tafeln ca. 300 Dokumente aus den letzten 5 Jahren. Sie soll einen Überblick über das Gesamtphänomen Neofaschismus geben, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Ausstellung richtet sich an den Laien. Sie ist keine Ausstellung von „Akademikern für Akademiker“. Sie soll – allgemein verständlich – an das Problem Neofaschismus heranführen und soll Denkanstöße für demokratische Gegenwehr geben.

Diese 5. Fassung wurde bisher ca. 150 mal gezeigt. In Bürgerhäusern, Rathäusern, Gewerkschaftshäusern, Universitäten, Schulen, Kirchengemeinden, Jugendzentren, Volkshochschulen, Bibliotheken, Konferenzen, Festivals usw.

Bemüht waren wir um Objektivität bei der Beurteilung der gegenwärtigen Situation.

Diese Ausstellung gefällt nicht jedem. Es gab in den letzten eineinhalb Jahren mehrfache Versuche des „Mund-tot-machens“.

Diese beziehen sich darauf, dass wir auch nachfragen, wie sich Neofaschisten eigentlich in dieser Gesellschaft bewegen. Die Fragen nach Bezügen in die Mehrheitsgesellschaft, Anknüpfungspunkten, inhaltlichen und personellen Überschneidungen und wenn ja, auf welchen Politikfeldern? Fragen nach dem Nährboden, auf dem Neofaschismus in unserem Land gedeihen kann.

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

Was macht unseres Erachtens diese Ausstellung erforderlich?

Es ist die aktuelle Lage in Deutschland und in Europa, die Veranlassung ist, darüber nachzudenken, dass Faschisten und Rassisten in vielen europäischen Parlamenten, in zahlreichen deutschen Landtagen und in ungezählten Kommunalparlamenten Sitz und Stimme haben. Es geht längst nicht mehr nur um glatzköpfige Schläger in Springerstiefeln.

Rassismus und Neofaschismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Nationalismus und Militarismus im Nadelstreifen haben längst in der Mitte unserer Gesellschaft Platz genommen. Der Griff des Militärs in die Zivilgesellschaft über die sogenannte „Zivil-militärische Zusammenarbeit“ und über die vom NRW-Landtag sanktionierten „Kooperationsverträge“ der Bundeswehr mit Schulen und Universitäten hat die GEW zu entschiedenen Protesten veranlasst. In den sogenannten „Volksparteien“ können sich Rassisten wie Sarrazin, Revanchistinnen wie Steinbach und zahllose andere Volksverhetzer sicher fühlen. Das ist der Boden, auf dem Neofaschismus gedeiht.

Es ist leider nicht so, wie unser neuer Bundespräsident Gauck bei seiner Antrittsrede am 23. März in Berlin erklärte, dass „Nachwirkungen nationalsozialistischer Gedanken...keine gestaltende Kraft...“ wurden.

In unserer Ausstellung stellen wir fest:

“Viele ehemalige Nazis und Mitläufer haben nach 1945 in Westdeutschland die Möglichkeit gehabt, wichtige Positionen in Staat und Gesellschaft wieder zu besetzen. Ein konsequenter Bruch mit den Inhalten und Werten des NS-Regimes wurde trotz des demokratischen Gegenentwurfs ‚Grundgesetz’ versäumt“.

Die personellen Kontinuitäten bestanden in der lückenlosen Übernahme von Nazi-Kadern in Politik, Justiz, Ministerien, Militär, Geheimdiensten und Verfassungsschutz. Und selbstverständlich wurde die Macht der wirtschaftlichen Eliten, die Hitler zur Macht verholfen hatten, wieder hergestellt. Was beweisbar ist.

Nun zu einigen aktuellen Problemen.

Der zunehmende neofaschistische Terror, der in unseren Städten seit 1990 fast 200 Mordopfer gefordert hat, wird dagegen kaum thematisiert. Er wird gar von der Bundesregierung auf nur 49 Tote heruntergerechnet. Dass wöchentlich, in einigen Regionen fast täglich, Übergriffe von Neofaschisten stattfinden, löst seitens der Politik keine ernsthaften Maßnahmen aus. Spätestens nach der Aufdeckung der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds – NSU“ dürfte klar geworden sein, dass die „Überwachung“ der Faschistenszene durch „V-Männer“ des Verfassungsschutzes wohl mehr eine Duldungs- oder sogar Fördermaßnahme gewesen ist.

Das erste Verbotsverfahren gegen die NPD der Bundesregierung scheiterte an der Nichtbereitschaft des Verfassungsschutzes, seine Vertrauensleute zurückzuziehen.

Wir hören: Dann wäre der Laden nicht mehr zu überwachen. Und außerdem müsse man sich mit denen politisch auseinandersetzen.

Aber ein Verbot wäre ein erster Schritt, sie von der Finanzierung durch den Verfassungsschutz abzukoppeln, ihnen Millionen an Steuergeldern zu entziehen und ihnen die Möglichkeit öffentlichen Auftretens zu nehmen.

Genauso wie ein Verbot von Naziaufmärschen ihnen die Straße nehmen würde.

Aber! Da sind die rechtlichen Hürden sehr hoch!!!

Treffen die Argumente zu? Geht das nicht?

Spätestens nach den Verboten der Demonstrationen in Frankfurt, den Massenverhaftungen der Aktiven der Blokupy-Bewegung gegen die Banken ist das klar gestellt:

Justiz, Behörden, Polizei sind durchaus bereit und in der Lage – selbst unter Bruch bestehender Rechtsnormen, Demonstrationen zu verbieten. Mit Billigung des Bundesverfassungsgerichtes sollten mit einem martialischen Polizeiaufgebot die Proteste gegen die Finanzhaie erstickt werden.

Das ist möglich, wenn es um den Schutz der Hochburgen des Kapitals geht.

Wenn es darum geht, faschistische Zusammenrottungen zu verbieten, wird ständig auf den Schutz des hohen Gutes der Versammlungsrechtes und des Rechtes auf Meinungsfreiheit verwiesen. Auf einem Kongress des DGB-NRW am 28. April unter dem Titel „Strategien gegen Nazis und Rassismus in NRW“ in Dortmund erklärte dies zum wiederholten Male NRW Innenmister Jäger. Die Polizei schütze nicht die Neonazis. Und dann werden ständig tausende Polizisten aufgeboten, um Neofaschisten ungestört zu ermöglichen, faschistische Propaganda auf die Straßen zu tragen.

Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichtes hat nun noch obendrein mit seinem Spruch vom 8. Dezember 2010 klargestellt, dass ein Publikationsverbot für die „Verbreitung rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“ das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Art.5/Abs.1 des Grundgesetzes verletze.

Die Kernfrage, um die es seit Jahren geht, ist, ob es ein vom Grundgesetz gedecktes Recht auf neofaschistische Propaganda gibt. Ob das Grundgesetz bzw. die Landesverfassung von NRW neofaschistische Propaganda für schützenswert hält.

Die Losung der VVN-BdA „Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen“ wird in einer Broschüre des NRW-Innenmisteriums als Aufforderung zu strafbaren Handlungen diffamiert. Damit würden die „Linksextremisten“ ihrem politischen Gegner alle demokratischen Rechte absprechen.

Ja natürlich! Genau darum geht es. Neofaschistische Propaganda ist kein demokratisches Recht! Und an diesem Punkt wird sichtbar, wer es mit dem Kampf gegen Rechts ernst meint.

1933 haben die Faschisten ihr „Recht auf die Straße“ mit Gewalt durchgesetzt. Die entsetzlichen Ergebnisse sind bekannt. Und deshalb sprechen wir heute den Neofaschisten aller Schattierungen das Recht zu demonstrieren und das Recht auf Propaganda ab!

Auch wenn wir uns damit nach Meinung von Polizei, Justiz und Politik strafbar machen, dann sagen wir: Wir verteidigen ein Kernstück des Grundgesetzes.

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

Der erste Ministerpräsident des Landes NRW Dr. Rudolf Amelunxen (damals Zentrum), erklärte auf dem Gründungskongress der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes am 26. Oktober 1946 in Düsseldorf vor 500 Delegierten:

“In der Ausübung der Toleranz darf und muss nur eine Ausnahme gemacht werden, nämlich die, dass es keine Freiheit gibt für die Mörder der Freiheit. Wir kennen diese und werden alles tun, um sie nicht noch einmal zum Zuge kommen zu lassen!“

Freie Entfaltungsmöglichkeiten für Faschisten hat Millionen Menschen das Leben gekostet.

Das darf sich nicht wiederholen! Es bleibt dabei: Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen! Nie wieder Krieg und Faschismus!

Diese Ausstellung ist ein Angebot, sich ein eigenes Bild zu machen. Machen Sie sich ihren eigenen Kopf, wenn sie unsere Kommentierungen und Einschätzungen lesen.

Wenn wir mit dieser Ausstellung auch nur ein wenig dazu beitragen können, dass Rassismus, Ausländerhass, Neofaschismus abgebaut werden, hat sich die Arbeit gelohnt.

Sehen Sie sich die Ausstellung an. Für Fragen stehen wir anschließend zur Verfügung.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.