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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

09.06.2012

Als die Bundeswehr gegründet wurde – und auf massenhaften Widerstand traf

Ulrich Sander sprach über  „Widerstand gegen Wiederbewaffnung – Zwischen Kriegsangst und neuem Wehrwillen“

Vor 60 Jahren wurde ein entscheidender Schritt im Kalten Krieg – hin zur Kriegsfähigkeit der Bundesrepublik – vollzogen. Am 26. Mai 1952 kam es zur Unterzeichnung des Generalvertrages zwischen der deutschen Bundesrepublik, England, Frankreich und der USA. Er vergrößerte die Rechte der Bundesrepublik, sollte aber vor allem den Weg zum Abschluss eines Vertrages über die "Europäische Verteidigungsgemeinschaft" (EVG) öffnen. Der EVG-Vertrag sah die Aufstellung deutscher Divisionen unter europäischem Kommando vor; er wurde trotz großem Widerstand 1954 vom Bundestag ratifiziert, scheitert allerdings an der Mehrheit der französischen Nationalversammlung. So kommt es am 23. Oktober 1954 zur Unterzeichnung der Pariser Verträge. Nach dem Scheitern der EVG am französischen Widerstand erfolgt durch die Pariser Verträge die Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO.  Ulrich Sander, VVN-BdA-Bundessprecher, referierte am 7. Juni 2012 im Rahmen der Konferenzreihe „Zwischen Bizone und EVG – Restauration und Neuanfang im Westen“ bei Helle Panke e.V. – Rosa Luxemburg Stiftung – in Berlin. Sein Thema war: „Widerstand gegen Wiederbewaffnung – Zwischen Kriegsangst und neuem Wehrwillen“.

Referat von Ulrich Sander am 7.6.12 – Konferenzreihe „Zwischen Bizone und EVG – Restauration und Neuanfang im Westen“ – Helle Panke e.V. – Rosa Luxemburg Stiftung Berlin

Widerstand gegen Wiederbewaffnung – Zwischen Kriegsangst und neuem Wehrwillen

Erste Bemühungen um Deutschlands Weiterverwendung als kriegführende antikommunistische Macht verzeichnen wir bereits vor Kriegsende. Am „15. April 1945 im US-Außenministerium,“ da tagte eine Expertengruppe, mit dabei der spätere Außenminister John F. Dulles. Es wurde protokolliert: „Die Gruppe (der Besprechungsteilnehmer) beschloss (…) Deutschland wieder aufzubauen und dann zu remilitarisieren. Deutschland sollte zu einem ‚Bollwerk’ gegen Russland gemacht werden.“ [„Geschichte der Bundesrepublik – Beiträge“, Pahl Rugenstein Köln 1979 (von Albrecht, Huffschmidt, Deppe u.a.), S. 316 FN 3]

Winston Churchill wies schon vor dem 8. Mai 1945 seinen Oberkommandierenden in Deutschland an, die Deutschen unter Waffen und in Bereitschaft für den gemeinsamen Kampf gegen die Russen zu halten.

Auch viele deutsche Nazis hielten sich im Frühjahr 1945 bereit, gegen den Bolschewismus zusammen mit den Westalliierten zu kämpfen. Sie wussten, dass dabei die freigelassenen Häftlinge, KZler, Todesmarschierer und Zwangsarbeiter nur stören könnten, die sich den Faschisten in den Weg stellen würden. Dies und die panische Russenfurcht führten dazu, dass sich ganz gewöhnliche kleine Nazis noch in den letzten Kriegsmonaten an Massakern gegen die Opfer der Nazis beteiligten. [Siehe dazu Sander „Mörderisches Finale – NS-Verbrechen bei Kriegsende“, (Massenmorde der Nazis in der letzten Phase des 2. Weltkrieges)  2008 Köln, 192 Seiten]

Aber die Fortsetzung des Krieges war insgesamt weder der Mehrheit der internationalen noch der deutschen Öffentlichkeit zu vermitteln. Die Politik der Anti-Hitler-Koalition war nicht so einfach umzuwerfen. So kam es zum Potsdamer Abkommen und zum Urteil des Internationalen Militärgerichtshofs von Nürnberg.

Doch bereits 1948 formulierte der Stab des neu gegründeten Sicherheitsrates der USA als offizielle US-Politik: „Die Niederlage der Kräfte des von den Sowjets angeführten Weltkommunismus ist für die Sicherheit der Vereinigten Staaten von vitaler Bedeutung.“ [Zitiert nach „Geschichte…“, S. 317 FN 9]

Heinrich Hannover schrieb über jene Zeit: „In der Stunde Null des Jahres 1945, als sich die Deutschen in dem Ruf »Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!« einig zu sein schienen, war es unvorstellbar, daß sie sich noch einmal der Herrschaft des Großkapitals unterwerfen würden, dessen Verantwortlichkeit für den Krieg, die 50 Millionen Toten und die zerstörten Städte damals im öffentlichen Bewußtsein war, was sich in Sozialisierungsartikeln einiger Länderverfassungen und sogar im Ahlener Parteiprogramm der CDU niederschlug. Aber die Entfernung des Nazipersonals aus einflußreichen Stellen in Politik, Justiz und Wirtschaft blieb ebenso wie die Einsetzung überlebender Antifaschisten in Regierungsämter und Verwaltungsfunktionen nur Episode. Nur zu bald entdeckten die nur oberflächlich entnazifizierten Deutschen, daß es sich mit amerikanischer Kapitalunterstützung ganz gut leben ließ und daß ihr aus Hitlers Tagen überkommener Antikommunismus durchaus die Sympathien der amerikanischen Besatzungsmacht hatte. Ja, es stellte sich heraus, daß nicht nur die im Kampf gegen die »bolschewistische Gefahr« bewährten Geheimdienstler, sondern auch Hitlers Wehrmachtsoffiziere und Generäle wieder gebraucht wurden, um den Krieg gegen die Sowjetunion vorzubereiten.“ [Ossietzky, Nr. 22/2004, siehe auch Weissbuch der VVN „In Sachen Demokratie“ (Redaktion und Einleitung der Neuherausgabe 2004), Erstauflage 1960,])

Geschaffen wurde die Bonner Republik, die Spaltung Deutschlands wurde vom Westen vollzogen. [Rudolf Augstein stellte zwölf Jahre nach der Republikgründung fest: „Die neue deutsche Armee wurde nicht gegründet, um den Bonner Staat zu schützen, sondern der neue Staat wurde gegründet, um eine Armee gegen die Sowjets ins Feld zu stellen - mag diese Ratio den Paten im In- und Ausland auch nicht voll bewusst gewesen sein.“  (Rudolf Augstein in „Bilanz der Bundesrepublik“, Köln 1961)] Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) reagierte Zeit seiner Kanzlerschaft geradezu panisch auf Bemühungen, Potsdam wiederherzustellen und etwa den sowjetischen Vorschlägen von 1952 für Deutschlands Einheit, Neutralität und Friedensstatus zu folgen und den antimilitaristischen Regungen in der Bevölkerung Rechnung zu tragen. Er entschied kategorisch: „Die Aufgabe besteht nicht in Wiedervereinigung sondern in Befreiung, Befreiung, das ist unsere Losung“ [Siehe „Geschichte…“, S. 217 FN 103-105] Schon 1950 arbeitete Adenauer mit Tricks und Betrug an der Wideraufrüstung. [29. August 1950: In einem Geheimmemorandum Adenauers an den US-Hochkommissar McCloy fordert er die Aufstellung deutscher Militäreinheiten unter europäischem Kommando. Das Bekanntwerden dieses Memorandums löst eine Regierungskrise aus. Dr. Gustav Heinemann, Mitbegründer der CDU und Innenminister, tritt aus Protest zurück. Und so ging es weiter: 26. Mai 1952: Unterzeichnung des Generalvertrages zwischen der deutschen Bundesrepublik, England, Frankreich und der USA. Er vergrößert die Rechte der Bundesrepublik, soll aber vor allem den Weg zum Abschluss eines Vertrages über die "Europäische Verteidigungsgemeinschaft" (EVG) öffnen. Der EVG-Vertrag sieht die Aufstellung deutscher Divisionen unter europäischem Kommando vor; er wird trotz großem Widerstand 1954 vom Bundestag ratifiziert, scheitert allerdings an der Mehrheit der französischen Nationalversammlung. So kommt es am 23. Oktober zur Unterzeichnung der Pariser Verträge. Nach dem Scheitern der EVG am französischen Widerstand erfolgt durch die Pariser Verträge die Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO. Zugleich bestätigen die Vertragspartner das "Alleinvertretungsrecht der BRD" für Deutschland zu sprechen.]

Im Grundgesetz ist vieles eindeutig im Sinne eines Konsenses der Alliierten von 1945/46 geregelt. Artikel 139 zum Beispiel bekräftigt noch heute das Verbot des Faschismus und das der nationalsozialistischen und militaristischen Propaganda. Aber sehr oft hob das Bundesverfassungsgericht die Eindeutigkeit des Grundgesetzes auf – in dieser wie in anderen Fragen. Volksbefragungen zur Rüstung und zu Atomwaffen wurden verboten. [13. März 1950: Der Stockholmer Appell zur Ächtung der Atomwaffen wird gestartet. Der ständige Ausschuss des Weltfriedenskongresses fordert alle Menschen auf, durch ihre Unterschrift eine Ächtung aller Atomwaffen zu verlangen. Den westdeutschen Delegierten wurde die Ausreise verweigert. Die Unterschriftensammlung wurde in der BRD verboten. 24. April 1951: Die Regierung Adenauer verbietet die Durchführung einer Volksbefragung gegen die Remilitarisierung. Dennoch: Ab Juni: Durchführung der Volksbefragung trotz Verbot. Die Volksabstimmung wird von einem überparteilich besetzten Hauptausschuss für die Volksbefragung organisiert. Mehr als 6 Millionen Bürger beteiligen sich trotz Verbot und Verfolgung. Auf die Frage: Sind Sie gegen die Remilitarisierung und für den Abschluss eines Friedensvertrages noch im Jahr 1951? antworteten 94,4% mit ja.] Heute sind sogar Angriffskriege laut Karlsruhe erlaubt, - vom Grundgesetztext verboten und einst Hauptanklagepunkt von Potsdam und Nürnberg. Desgleichen die Propagierung von Angriffskriegen. Diese Uminterpretationen haben eine lange Vorgeschichte.

Am 12. März 2011 wurde das Verfassungsgerichtsgesetz 60 Jahre alt. Auf seiner Grundlage wurde im Herbst 1951 das Bundesverfassungsgericht geschaffen. Von 1949 bis 1951 galt allein das Grundgesetz, seitdem gilt es nur noch in der richterlichen Auslegung. Das war von der CDU-Bundesregierung so gewollt. Sie konnte damit dem antimilitaristischen Protest einen Riegel vorschieben, indem das Bundesverfassungsgericht z. B. die KPD verbieten sollte. Von 1951 bis 1964 enthielt das Bundesverfassungsgerichtsgesetz den offenkundig verfassungswidrigen Paragraphen 42, der besagte: „Vorsätzliche Zuwiderhandlungen gegen eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder gegen die im Vollzug der Entscheidung getroffenen Maßnahmen werden mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.“ 10.000 Kommunisten und des Kommunismus verdächtige wurden damals vor allem wegen der Opposition zur Remilitarisierung ohne gültiges Gesetz, nur aufgrund einer Gerichtsentscheidung verurteilt: des KPD-Verbotsurteils. Diese illegalen, weil nicht auf gesetzlicher Grundlage erfolgten Verurteilungen, wurden nie aufgehoben. Die Betroffenen wurden nie rehabilitiert.

In der Geschichtsschreibung der Bundesrepublik wird der Koreakrieg als der auslösende Faktor für die Wiederbewaffnung hingestellt. Der Korea-Konflikt ab Juni 1950 bot den willkommenen Anlass, die Gefahr einer sowjetischen Aggression mit der ganzen Manipulationsmacht der Massenmedien in den schlimmsten Farben zu schildern. Es erschien den Kriegsbefürwortern in Westdeutschland die Massenhysterie, aber auch offene Repressionsmaßnahmen gegen die Friedensbewegung notwendig. So konnte auch die sozialdemokratische Opposition in Deutschland abgewürgt werden.

In dieser Situation setzten sich hohe Militärs a.D. sowohl über Potsdam als auch über das Grundgesetz hinweg, das seit 1949 galt. Es war - wie wir am Beispiel des Artikels 139 sehen - ein antimilitaristisches Grundgesetz. Die Generäle a.D. jedoch formulierten: „Die Wehrkraft zur Ausfüllung der großen Lücke in der europäisch-atlantischen Verteidigung ist im deutschen Volke wohl vorhanden, doch fehlt in weiten Kreisen noch der Wehrwille. Das deutsche Volk hat sich zu den freiheitlichen Idealen des Westens bekannt, ist aber vielfach innerlich noch nicht bereit, dafür Opfer zu bringen. Durch die Diffamierung der letzten fünf Jahre auf vielen Gebieten menschlichen und staatlichen Seins ist der Behauptungswille und damit auch der Gedanke der Landesverteidigung systematisch untergraben worden.“ So steht es in der lange Zeit geheim gehaltenen Himmeroder Denkschrift, verfasst 1950 von einer Anzahl von Wehrmachtsobersten und -generälen [Die Denkschrift trug den Titel: „„Denkschrift über die Aufstellung eines deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas“. Siehe auch Sander „Die Macht im Hintergrund – Militär und Politik in Deutschland“ , Köln 2004] auf einer Tagung im Eiffelkloster Himmerod.

Die Denkschrift enthielt auch die Forderungen: „Maßnahmen zur Umstellung der öffentlichen Meinung im In- und Ausland.“ Wörtlich wird verlangt: „Einstellung jeder Diffamierung des deutschen Soldaten (einschließlich der im Rahmen der Wehrmacht seinerzeit eingesetzten Waffen-SS)“ [Siehe „Geschichte…“, Seite 335/336. Ferner Sander „Macht im Hintergrund“, Köln, 2004]

Streit gab es in Himmerod und auch später immer wieder um die Innere Führung. „Das Deutsche Kontingent darf nicht ein ‚Staat im Staate’ werden. Das Ganze wie der Einzelne haben aus innerer Überzeugung die demokratische Staats- und Lebensform zu bejahen.“ Solche Sätze wurden in die Denkschrift auf Drängen des Oberst a.D. Graf Wolf von Baudissin hineingeschrieben. Er wird später der „Vater der Inneren Führung“ genannt werden, der den preußisch-deutschen Militarismus verbannt habe. Etwas nüchterner ist daran zu erinnern: Baudissin war auch zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Himmeroder! Er sorgte fürs gute Verkaufen der Denkschriftforderungen. Er musste die Pläne zur Rüstung gegen den Osten und zur Rückgängigmachung der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges - die Pläne für den Krieg - in der Öffentlichkeit „verkaufen“. Bedenken mussten zerstreut werden, denn 75 Prozent der Bevölkerung waren strikt gegen einen deutschen Wehrbeitrag.

Ja, die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, vor allem der Jugend, lehnte den Wehrbeitrag ab. Die Ohne-uns-Bewegung (1950 bis 1956) , die Paulskirchenbewegung von 1955 [29. Januar 1955: Paulskirchenbewegung gegen die Pariser Verträge. Mit einem "Deutschen Manifest" wendet sich die Paulskirchenbewegung gegen die Wiederaufrüstung. Zu den Initiatoren gehören unter anderen Gustav Heinemann, Renate Riemeck und der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer. 27. Februar 1955: Der Bundestag ratifiziert mit den Stimmen der Regierungsparteien die Pariser Verträge.] und die Beschlüsse der Gewerkschaften [6. Januar 1951: Der DGB-Vorstand beschließt "jedwede Remilitarisierung in Deutschland abzulehnen."  4. Oktober 1951: Der zweite DGB-Kongress wendet sich erneut gegen die Remilitarisierung, die die internationale Entspannung und die Möglichkeit der Wiedervereinigung ernsthaft gefährde. 4. bis 9. Oktober 1954: Der 3. ordentliche DGB-Kongress unterstreicht die Ablehnung jeglichen Wehrbeitrags durch die Gewerkschaften.] zeugten davon. Dennoch verhielten sich die Bundestagsparteien so, als müsse man um diese Menschen als Wähler nicht ringen. Die große Niederlage der SPD, die Adenauer ihr 1957 bei der Bundestagswahl zufügte, machten es ja scheinbar auch deutlich: Eine Antikriegsmehrheit wurde keine Bundestagsmehrheit. So kümmerte man sich um die Vertriebenen und die ehemaligen Soldaten, um sie als Wähler zu gewinnen. Der wehrunwilligen Jugend wurde hingegen mit dem restriktiven Kriegsdienstverweigerungsrecht viele Jahre lang eine hohe Hürde errichtet.

Ein Beispiel: Von 1945 bis 1955 galt in ganz Deutschland das alliierte Verbot des Tragens aller Kriegsauszeichnungen der beiden Weltkriege. In der Bundesrepublik musste es dann „mit Rücksicht auf den Aufbau der Bundeswehr einer Revision unterzogen werden,“ heißt es im Gesetzeskommentar zum Ordensgesetz [siehe Ordensgesetz vom 26. Juli 1957, auch bei Wikipedia. Siehe auch Sander „Die Macht im Hintergrund – Militär und Politik in Deutschland“, Köln 2004]. Schon 1953 hatte sich die Bundesregierung von einem Sachverständigenausschuss, bestehend aus den wieder erstarkten, höchst einflussreichen soldatischen Traditionsverbänden, Kriegsopfer- und Heimkehrerorganisationen, raten lassen, weitestgehend die Auszeichnungen der Weltkriege zuzulassen. Allenfalls sollten die Hakenkreuze gestrichen werden. Die „Sachverständigen“ begründeten ihren Vorschlag mit der Geschichtslüge, „dass die Taten der Träger von Kriegsauszeichnungen nicht in Verbindung gebracht werden könnten mit den politischen Zielen, die das nationalsozialistische Regime mit dem Krieg verfolgt habe.“ Die Stellungnahme stand unter dem bezeichnenden, von keiner Regierung seit Mitte der fünfziger Jahre angezweifelten Motto „Kriegs- und Tapferkeitsauszeichnungen sind und bleiben ehrwürdig, die Taten ihrer Träger der Anerkennung wert“.

Was die Sachverständigen forderten, das beschloss 1956 der Bundestag. Wie den Bundestagsprotokollen zu entnehmen war, herrschte Einmütigkeit – außer in der Frage, ob neben den Hakenkreuzen auch die Farben Schwarz-Weiß-Rot zu weichen hätten. Die SPD forderte allen Ernstes, aber vergeblich, die Farben der BRD Schwarz-Rot-Gold den faschistischen und monarchistischen Orden hinzuzufügen, um sie somit zu „reinigen“. Die Orden der Nazis wurden – nach Entfernung der Hakenkreuze – neu hergestellt und auf Wunsch an „Berechtigte“ ausgegeben.

Im Jahr des Ordensgesetzes werden auch die ersten Wehrpflichtigen einberufen, die ab Juli 1937 geborenen, Sie treffen auf Vorgesetzte, die u.a. mit den alten Orden – und mit Geld - in die Bundeswehr geködert wurden. Übrigens: Mitte der 90er Jahre wurde ein neuer Kommentar zum Ordensgesetz fällig, mit dem die Durchführung des Gesetzes neu geregelt wurde. Während die Legitimierung der Naziorden beibehalten wurde, kam es zu Delegitimierung der DDR-Orden. Denn dies seien für Menschenrechtsverletzungen verliehen worden. [DDR-Orden und DDR-Ehrenzeichen zu tragen wurde allen Uniformierten im vereinten Deutschland verboten. Die DDR-Zeichen wurden „in militärischen Anlagen“ untersagt, zumal wenn sie für Taten verliehen wurden, „die aus hiesiger Sicht eine Menschenrechtsverletzung darstellen“. Diese „hiesige Sicht“ bedeutet: Es wurde das Bandenkampfabzeichen, das Hitler und Himmler den Massenmördern verliehen hatte, weiter geschützt, die DDR-Medaille für den Kämpfer gegen den Faschismus wurde geächtet.]

Die Änderung des Grundgesetzes zur Einführung von Wehrpflicht, Bewaffnung und NATO-Mitgliedschaft war das vordingliche Ziel der CDU/CSU in der ersten Hälfte der 1950er Jahre. In dieser Zeit ergab sich noch einmal ein Aufschwung der Zusammenarbeit der Sozialdemokraten und Kommunisten, vieler Christen und Pazifisten in der Bewegung gegen die Wiederbewaffnung. Dies war vor allem eine Aufgabe der jungen Generation. Die Jugendverbände Freie Deutsche Jugend, Die Falken, Naturfreundejugend, Jungsozialisten und Gewerkschaftsjugend kämpften in vorderster Reihe und oftmals gemeinsam. Um die Bewegung zu zerschlagen, betrieb Konrad Adenauer das Verbot von FDJ und KPD. Beide Verbote setzte er durch. Die Bewegung gegen die Wiederbewaffnung wurde dadurch entscheidend geschwächt. Rund 10.000 politische Urteile gegen Kommunistinnen und Kommunisten und andere Mitglieder der Friedensbewegung signalisierten Abschreckung, hinzu kamen 250.000 bis 500.000 Ermittelungsverfahren, Berufsverbote, Entlassungen aus den Betrieben.

Die Zeit der der Remilitarisierung hat die politische Kultur unseres Landes bis heute beschädigt. Das Ringen um Frieden mit dem Osten, um die Einheit Deutschlands unter blockfreien, neutralen Vorzeichen, der Antikapitalismus und die Ablehnung der Wiederherstellung der alten Besitz- und Machtverhältnisse waren Straftatbestände, soweit diese Forderungen von Kommunisten und des Kommunismus Verdächtige – wie der Friedensrat und die Deutsch-Sowjetische Freundschaftsgesellschaft usw. - erhoben wurden [Die Urteile wurden begründet mit "Geheimbündelei“, „Staatsgefährdung“, “Landesverrat“, „Rädelsführerschaft“ und „kommunistische Wühltätigkeit“.]. Zum Teil lange Haftstrafen wurden – so in den Fällen Angenfort, Schabrod, Steigerwald und Wils - ausgesprochen. Es gab keine Haftverschonung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Haft, wenn die rund 10.000 politischen Häftlinge in den fünfziger und sechziger Jahren nicht ihrer Gesinnung abschworen. Philipp Müller, ein FDJ-Mitglied, wurde bei einer Massendemonstration der Friedensbewegung in Essen im Mai 1952 von der Polizei erschossen. Schwerstkranke Häftlinge wurden in den Selbstmord getrieben oder starben wie der Bergmann Karl Jungmann nach unterlassener Hilfeleistung im Februar 1956 im Bochumer Gefängnis. Wiederholt wurde festgestellt, dass man politische Häftlinge mit tuberkulösen Häftlingen zusammensperrte, um sie zu gefährden. Besonders widerwärtig wurde mit kommunistischen antifaschistischen Widerstandskämpfern umgegangen, die sich auch in der Zeit des Kalten Krieges für ihre Auffassungen einsetzten. Ihnen wurde die Entschädigungsrente aberkannt, ja, sie wurden zur Rückzahlung der bereits erlangten Zahlungen gezwungen. Die schwerkranke Martha Hadinsky aus Mülheim, Häftling unter Hitler und unter Adenauer, nahm sich das Leben als sie 1963 die Rückzahlungsforderung in Händen hielt.

Im März des Jahres 1957 wurde gemeldet: Auf westdeutschem Boden lagern bereits seit zwei Jahren Atomwaffen – das gaben die in Westdeutschland stationierten US-Truppen erstmals zu. Eine Protestbewegung unter dem Titel „Kampf dem Atomtod“ bildete sich, zunächst unter Führung der SPD. Sie richtete sich vor allem gegen den Plan der CDU/CSU, eigene Atomwaffen für die Bundeswehr zu erlangen. Doch die Westalliierten wollten die Massenvernichtungsmittel unter ihrer Regie behalten. Sie gaben der Bundeswehr atomare Landminen, nukleare Artilleriegranaten und Luftabwehrsprengköpfe, ohne aber den Deutschen die Verfügungsgewalt über den Einsatz zuzugestehen. [In den Medien ließen die USA tröstliche Meldungen verbreiten wie „McNamara: Ein Atomkrieg würde nur ein paar Dutzend ‚Megatote’ kosten“. McNamara war damals der US-Verteidigungsminister. Das Hamburger Echo vom 28. November 1962, das die Meldung dreispaltig verbreitete, rechnete vor: Ein Megatoter bedeutet eine Million Tote.] Damit wurde die Atomrüstung nicht weniger gefährlich, doch der SPD genügte es. [Atomrüstung]

Konsens in der Friedensbewegung, der Gewerkschaftsbewegung, bei Kommunisten und Sozialdemokraten war bis 1960 die Ablehnung der Wiederbewaffnung und Wehrpflicht – und vor allem der Atomrüstung. Allerdings hatte schon 1956 die SPD durch Zustimmung zur Grundgesetzänderung den Weg zur Wiederbewaffnung freigemacht.

Am 30. Juni 1960 hielt der stellvertretende Vorsitzende der SPD Herbert Wehner dann seine große Rede im Bundestag, um die Sozialdemokratie vollkommen auf die NATO-Linie, die Hochrüstung, die Bundeswehr einzuschwören und sich als „regierungsfähig“ anzubiedern. [Siehe Hamburger Echo vom 5. Juli 1960] Er nahm, den erst ein Jahr zuvor bekanntgegebenen Deutschlandplan [Wortlaut in Hamburger Echo vom 19. März.1959] der SPD zurück, der ein Mitteleuropa des Friedens und der Entspannung, ohne Militärblöcke und Kernwaffen vorsah. Nun kam das strikte Bekenntnis der SPD zur NATO. Wir wissen heute, daß ein solches Bekenntnis die Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung ist. Das galt damals für die SPD und später auch für die Grünen.

Ein weiteres Beispiel: Von 1958 bis 1960 durchlief ich eine kaufmännische Ausbildung bei der SPD-Tageszeitung „Hamburger Echo“, die es heute nicht mehr gibt. Im ersten Lehrjahr wurde ich von Chefs und Kollegen aufgefordert, mit zur großen Antiatomkundgebung auf dem Hamburger Rathausmarkt zu kommen, und ich reihte mich gern bei den 150.000 ein. Nachdem ich ab 1960 Mitglied der Leitung der deutschen Ostermärsche wurde und die SPD-Führung auf NATO-Kurs gegangen war, da wehte ein anderer Wind. Die SPD-Betriebsgruppe verlangte meine Entlassung aus dem Betrieb.

Mit dem Umschwenken der SPD und dem Verbot der KPD wurde die Friedensbewegung zwangsläufig, aber auch z.T. erwünscht partei-unabhängiger. Sie hatte keine Vertretung mehr im Bundestag. Ein historisches Dokument ist der Aufruf zum ersten deutschen Ostermarsch. „Schon einmal hat man dem deutschen Volk den Vorwurf gemacht, geschwiegen zu haben, wo mutige Worte und Taten notwendig waren. In den Konzentrationslagern – wie Bergen-Belsen – kamen Millionen Menschen ums Leben. Bei Fortsetzung der Versuchsexplosionen und der atomaren Aufrüstung aber drohen der gesamten Menschheit Vernichtung.“ So begann der Aufruf zum ersten deutschen Ostermarsch der Atomwaffengegner, der 1960 von Hamburg zum Raketenübungsplatz Bergen-Hohne (unweit von Bergen-Belsen) führte. Ich gehörte zu den Organisatoren, die dann auch halfen, die Ostermärsche im ganzen Land vorzubereiten. Das geschah auch dadurch, daß wir die Pressearbeit übernahmen und mittels eines alten Fernschreibers, den Arno Klönne besorgte, die Medien mit Ostermarschmeldungen versorgten. Es gelang ein Durchbruch an oppositioneller Medienarbeit. [Dass sich die veröffentlichte Meinung der Friedensbewegung zuwendet, ist mit entscheidend für ihren Erfolg. Anfang der 80er Jahre in der Mittelstreckenraketendebatte gelang es, die Mehrheit in der öffentlichen Meinung zur Mehrheit auch in der veröffentlichten Meinung zu machen. Heute haben wir in Sachen Afghanistan wieder eine Mehrheitsmeinung, aber sie setzt sich nicht durch, die veröffentlichte Meinung ist entscheidend.]

Hat es sich unser Kampf gelohnt? Die Kanzlerin Angela Merkel führte vor zwei Jahren aus, sie sei zutiefst davon überzeugt, daß es richtig ist, „daß wir eine repräsentative Demokratie und keine plebiszitäre Demokratie haben“, denn: „Wir können im Rückblick auf die Geschichte der Bundesrepublik sagen, daß all die großen Entscheidungen keine demoskopische Mehrheit hatten, als sie gefällt wurden. Die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft, die Wiederbewaffnung, die Ostverträge, der NATO-Doppelbeschluß, das Festhalten an der Einheit, die Einführung des Euro und auch die zunehmende Übernahme von Verantwortung durch die Bundeswehr in der Welt – fast alle diese Entscheidungen sind gegen die Mehrheit der Deutschen erfolgt.“ [Rede zur Vorstellung des „Allensbacher Jahrbuchs der Demoskopie ‚Die Berliner Republik’“, 2010]

Merkels Äußerung macht ihr zynisches Verhältnis zur Meinung der Bevölkerung deutlich. Demokratie? Keine Spur. Solchen Politikerinnen und Politikern geht es nur darum, die Macht zu erringen und mit List und Täuschung ihre Politik durchzusetzen.

Und daher ist die Opposition unerlässlich. Keine wirkliche Veränderung im Lande ergab sich ohne Kampf – und zwar nicht nur im Parlament. Neben den bestehenden Bewegungen muss auch die Friedensbewegung wieder einen Aufschwung erleben.