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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

04.05.2012

Der langjährige Lüdenscheider Stadtarchivar Dieter Saal dankt für unser Buch

Der langjährige ehemalige Stadtarchivar von Lüdenscheid, Dieter Saal , schrieb mir zu dem Buch „Von Arisierung bis Zwangsarbeit – Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933 – 1945“ eine spontane Würdigung. Er geht auch auf das Zustandekommen des Forschungsauftrages an mich ein, der mir 2000 und 2001 ermöglichte, die Zwangsarbeit im Kreis um Lüdenscheid zu erforschen. Um den Auftrag an mich rankte sich ein Verfassungsschutzskandal, dem auch Dieter Saal Beeinträchtigungen in seiner Berufsbiographie zu verdanken hat.

Dieter Saal machte zahlreiche Verbesserungsvorschläge für eine neue Auflage des Buches, die er erhofft, und ergänzt z.B., dass er sich dafür einsetzt, „dass Ulrich Sanders Forschungen über die Zwangsarbeiter in und um Lüdenscheid, die in den Museen der Stadt Lüdenscheid ‚aufbewahrt’ werden, so, wie es ursprünglich vorgesehen war, für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, worüber inzwischen elf Jahre vergangen sind. Das ist ein Skandal! Ich schäme mich für die Stadt Lüdenscheid, meinen ehemaligen Arbeitgeber!“

Dieter Saal schreibt: 

…..

Von Arisierung bis Zwangsarbeit. Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933 bis 1945Ein überaus interessant-spannend wie umfassend kenntnisreich geschriebenes Buch. Es wird einem speiübel zu wissen, wie Deutsche damals Menschen, insbesondere aus anderen europäischen Ländern, zur Zwangsarbeit gezwungen, missbraucht, gequält, ihrer Menschenwürde beraubt und durch Schläge, Hunger, Krankheiten oder Erschöpfung bei zu verrichtender körperlicher Schwerstarbeit oder auch durch planmäßiges Erschießen ermordet haben. Ebenso speiübel wird es mir, wie nachsichtig die Justiz nach Ende des Zweiten Weltkrieges mit den verantwortlichen Verbrechern, insbesondere aus den Reihen der deutschen Wirtschaft, besonders aus Reihen der Großindustrie, umgegangen ist. Das ekelt mich regelrecht an, ebenso das widerwärtige Verhalten der Schuldigen, die sich nicht als Täter zu erkennen vermochten und sich hin und wieder in die Reihen der Widerständler einzureihen versuchten. Hier ist Dein Buch außerordentlich hilfreich und auch zukünftig immer notwendig zum Zwecke, notwendige Aufklärungs- und Informationsarbeit zu leisten. Dies ist insbesondere für die nach uns folgenden Generationen, die auch dieses dunkle, nein tiefschwarze Kapitel deutscher Geschichte kennen lernen müssen, erforderlich.

Goebbels’ Stellvertreter Werner Naumann, der 1982 in Lüdenscheid gestorben ist, lebte zuletzt auch in Lüdenscheid. Sein Grab befindet sich in sehr gepflegtem Zustand auf dem Kommunalen Waldfriedhof Loh in Lüdenscheid-Piepersloh. Das Grab wurde (und wird?) liebevoll gepflegt von der Lebensgefährtin von Naumann.

Ich hätte mir in Deinem Buch noch einige eindrucksvolle Fotos von Zwangsarbeitern bzw. Zwangsarbeiterinnen gewünscht und wohl auch eine Kartei (Vor- und Rückseite), mit welcher diese von den kommunalen Meldeämtern erfasst wurden und die Dir aus Deiner Lüdenscheider Forschungszeit bekannt sind. Auf diesen Karteikarten sind außerordentlich eindrucksvolle, erschütternd-berührende Fotos zu finden.

Für Lüdenscheid hätte ich mir auch die Vorgeschichte über die Aufarbeitung der Zwangsarbeit gewünscht. Begonnen mit  dem Buch von Matthias Wagner über die Zwangsarbeiter in Lüdenscheid, welches die Stadt Lüdenscheid nicht herausgeben wollte und dessen Herausgabe ich über den Heimatverein Lüdenscheid veranlasst habe. Auch Dein Forschungsauftrag war heiß umstritten. Der damalige Bürgermeister Schmidt, ein Mann, der aus der Wirtschaft kam, der qua Amt auch Vorsitzender des Heimatvereins Lüdenscheid war, wollte unter allen Umständen die Einrichtung einer AB-Maßnahme zum Thema Aufarbeitung der Zwangsarbeit in Lüdenscheid verhindern, obwohl diese Aufarbeitung vom Vorstand des Heimatvereins Lüdenscheid, der vor seiner Amtszeit die Verantwortung über die Geschicke des Heimatvereins Lüdenscheid zu tragen hatte, einstimmig gefasst worden ist. Ich konnte nur mit der Unterschrift des damaligen zweiten Vorsitzenden, Dr. Dietmar Simon, erreichen, dass dieser in Vertretung von Bürgermeister Schmidt den entsprechenden Antrag an das Arbeitsamt unterschrieben hat. Dann hat sich der zuständige Arbeitsvermittler außerordentlich stark dafür eingesetzt, dass Du mit dieser AB-Maßnahme beauftragt werden solltest, da unter den zur Verfügung stehenden Arbeitssuchenden keiner eine derart hohe fachliche Qualifikation aufweisen konnte als du, obwohl Dich der Arbeitsvermittler im nicht für Lüdenscheid zuständigen Köln auftreiben konnte. Als feststand, dass das Arbeitsamt Dir die AB-Maßnahme zugewiesen hatte, wollte die Stadt Lüdenscheid Dich verhindern und beauftragte das städtische Rechtsamt mit einer Analyse über die VVN/BdA, in der Du eine leitende Funktion bekleidest. Es war ekelhaft. Ich ließ mich jedoch nicht von der Beschäftigung Deiner Person abbringen und trotzte dem Bürgermeister, obwohl ich Mitarbeiter der Stadtverwaltung Lüdenscheid und der Bürgermeister mein oberster Dienstvorgesetzter war. Daraufhin warb der CDU-Bürgermeister eine größere Anzahl von CDU-Ratsherren bzw. CDU-Mitgliedern als Mitglieder für den Heimatverein Lüdenscheid, lud zu einer Mitgliederversammlung ein, in der ich abgewählt und ein Mitarbeiter des Kulturamtes zu meinem Nachfolger gewählt werden sollte. Mir war bekannt, dass ich bei dieser Wahl keine Mehrheit erringen konnte und verzichtete auf meine Kandidatur. Rechtlich war die Abwahl unzulässig, war ich doch lt. Vereinssatzung qua Amt als Stadtarchivar der Stadt Lüdenscheid Geschäftsführer des Heimatvereins Lüdenscheid. Der "christliche Demokrat" Schmidt hätte mich nur dann rechtlich sauber und demokratisch korrekt "vom Hals kriegen können", wenn zuvor die Vereinssatzung geändert worden wäre, wonach der Geschäftsführer dann von der Mitgliederversammlung gewählt oder abgewählt werden muss. Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Schicksale der Lüdenscheider Zwangsarbeiter/innen verlor ich auf undemokratische und rechtlich unzulässige Art und Weise meine Funktion als Geschäftsführer dieses Vereins, die ich seit 1974 ehrenamtlich zum Wohle der Stadt Lüdenscheid und seiner Bürger erfolgreich ausgeübt hatte. Deine elektronisch abgespeicherten Forschungsergebnisse über die Lüdenscheider Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wurden bekanntlich vom Heimatverein Lüdenscheid an die Museen der Stadt Lüdenscheid abgegeben und sollten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, was bis heute noch nicht erfolgt ist, Hieran habe ich in der vergangenen Woche den Vorsitzenden des inzwischen in Geschichts- und Heimatverein Lüdenscheid umbenannten Heimatverein, Dr. Dietmar Simon, erinnert. Auf die Antwort bin ich sehr gespannt. Ebenfalls habe ich vor längerer Zeit die Stadt Lüdenscheid angemahnt, die Dauerausstellung über die NS-Zeit in den Museen der Stadt Lüdenscheid baldmöglich, da überfällig, zu überarbeiten, zu aktualisieren und zu vervollständigen bzw. in Zusammenarbeit mit Kundigen völlig neu zu konzipieren. Hier ruht jedoch still der See, es ist zum Kotzen!

Es grüßt Dich besonders herzlich, auch Deine Frau Traute, die Dir immer wieder helfend zur Seite steht und um die Du zu beneiden bist, Dein/Euer

Dieter Saal

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Aus der Mailing-Liste zu NS-Zwangsarbeit

-----Ursprüngliche Nachricht-----

Betreff: [NS-Zwangsarbeit] (Fwd) [Geschichtskultur] Annotation: Von Arisierung bis Zwangsarbeit. Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933 bis 1945

Sander, Ulrich (Hg.): Von Arisierung bis Zwangsarbeit. Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933 bis 1945, Köln: PapyRossa Verlag 2012, 347 S., 18 s/w-Abb., ISBN 978-3-89438-489-0, 16,90 Euro

Zum Beispiel Krupp. Der Konzern habe sich stets um einen humanen Kapitalismus bemüht, berichtete das Fernsehen zum 200jährigen Firmenjubiläum. Ob da auch an die zwölf Jahre nach 1933 gedacht war?

Das letzte Tabu sei gebrochen, hatte es mit Blick auf die verdienstvolle Ausstellung »Verbrechen der Wehrmacht« geheißen. Aber »blinde Flecken« blieben trotzdem. So in einem Bereich, der weniger lautstark diskutiert wird, jedoch mindestens ebenso wichtig war für die Funktionsweise der faschistischen Herrschaft in Deutschland wie die Wehrmacht: Die Rolle von Wirtschaftsführern und Unternehmen bei faschistischen Planungen für Krieg und Massenmord, als Akteure und insbesondere als Profiteure.

Das Buch stützt sich auf selbstrecherchiertes Material von Geschichtswerkstätten und VVN-BdA, um an Verbrechen der wirtschaftlichen Eliten an Rhein und Ruhr zu erinnern: Von Abs bis Zangen, von Flick bis Quandt, von IG Farben bis Oetker-Pudding, von Arisierung bis Zwangsarbeit. Und auch Krupp wird nicht vergessen.

Ulrich Sander, *1941. Journalist und freier Autor. Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA).

INHALT

Vorbemerkung des Herausgebers 8

Von »Verbrechen der Wehrmacht« zu »Verbrechen der Wirtschaft«.
Eine notwendige Erweiterung der Perspektive in der Geschichtspolitik
Eine Einleitung von Ulrich Schneider 13

1. Die große Koalition der Rechten: Die Harzburger Front
Von Manfred Weißbecker 28

2. Mit Hitler und Göring im Industrie-Club 1932
Die Einladung kam von Thyssen & Co. 40

3. Ende 1932: Langnamverein stellt die Weichen.
Das Januar-Treffen Hitlers mit der Wirtschaft in Köln und das Folgetreffen in Dortmund 50

4. Krupp in Essen 
Die blutigen Spuren der Dynastie 79

5. Der Fall Abs 
Kapitalverbrechen einer Bank 105

6. Die I. G. Farben - und Bayer heute.
Arisierung - Sklavenarbeit - Mord 113

7. Vor und nach 1945: Die unbekannten Verbrechen der Quandts.
Wirtschaftswunder als Resultat der Kriegswirtschaft 137

8. »I paid Hitler« - Die Thyssen-Story.
Der Erste, der Hitler bezahlte 148

9. Der Fall Flick - Erfolgsgeschichte eines Sklavenhalters.
Aktion »Flick ist kein Vorbild« setzte sich durch 161

10. Es ging um mehr als um Backpulver - Dr. Oetkers NS-Musterbetrieb
Die Entlarvung des Richard Kaselowsky 173

11. Oberhausen und der Herr der »Ruhrlade«: Paul Reusch
Wie soll der Opfer gedacht werden? 184

12. Bertelsmann - Verlag der Vernichtungskrieger
Bericht einer Recherchegruppe aus Gütersloh 204

13. Der väterliche Freund Hitlers
Emil Kirdorf - ohne ihn lief nichts 214

14. Henkel immer dabei - und mit ihm die Wehrwirtschaftsführer von Düsseldorf
Wo geschahen in Düsseldorf die Verbrechen? 228

15. Wer zählt die Orte, wer kennt die Namen?
Im Land an Rhein und Ruhr: Tatorte der Wirtschaft
Von einer Autorengruppe mit Sebastian Schröder, Günther Gleising, Klaus Kunold +, Manfred Demmer + 256

16. Der Strippenzieher von Essen - Ernst Achenbach
Ein Schreiben ging im Rathaus ein 267

17. Rückschau auf die Zwangsarbeiterentschädigung - Kein Schlussstrich!
Wirtschaftswunder als Resultat der Kriegswirtschaft
Von Thomas Kuczynski 277

18. Die Sklaven der Bosse - Kriegsgefangene bei Kohle und Stahl
VVN-BdA Herten: Gedenken an Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene am Mahnmal »Sag Nein!«
Aus einer Rede von Hans Heinrich Holland + 286

19. Sonntags spricht er von Demokratie ...
Herr Berg, Herr Kleinewefers und andere
Von Manfred Demmer + 299

20. Lüdenscheid und die Zwangsarbeiter in Südwestfalen
Antrag auf eine Mahntafel 310

21. Faschismus an der Macht und Kapitalismus 325
Von Kurt Pätzold

Brief an Thomas Gottschalk
Nach dem Urteil von Den Haag zur Verweigerung jeder Entschädigung für NS-Opfer in Griechenland und Italien
Anstelle eine Nachwortes 334

Literatur 337

Abkürzungen 340

Personenregister 341

Mit freundlichen Gruessen / Cordialement

Oliver Benjamin Hemmerle