25.04.2012 Publizität für VVN-Aktion
gegen Thyssen-Ehrung und für die Würdigung von Martha
Hadinsky Eine Aktion im Rahmen
der Spurensuche „Rallye Verbrechen der Wirtschaft an Rhein
und Ruhr 1933-1945“, eine Aktion der VVN-BdA NRW, wird -
leider ohne Nennung der Aktion – in Beiträgen des
Neuen Deutschlands und der WAZ-Gruppe DERWESTEN geschildert. Dazu
erschien nun: „Von
Arisierung bis Zwangsarbeit – Verbrechen der Wirtschaft an
Rhein und Ruhr 1933 – 1945“. Papy rossa Verlag
Köln, Neue Kleine Bibliothek 178, 367 Seiten, 18 s/w
Abbildungen, EUR 16,90 [D], ISBN 978-3-89438-489-0. Eine weitere Initiative startete die VVN-BdA
NRW unter dem Motto „Kinder des Widerstandes“, in
der die Hinterbliebenen solcher Menschen wie Martha Hadinsky
dafür sorgen wollen, dass ihre Eltern und Großeltern
nicht länger diffamiert werden, wie es in jenen
Bundestagssitzungen vom 8. Mai 2008 und 11. November 2011 geschah, in
denen die Herren von Essen (FDP) und Günter Baumann (CDU) ihre
Hetze gegen den Arbeiterwiderstand und gegen die Opfer des Kalten
Krieges verbreiteten (Siehe:
http://www.derwesten.de/staedte/muelheim/die-geschichte-weist-den-weg-id6414996.html
und
http://www.neues-deutschland.de/artikel/224956.ein-sieg-fuer-thyssen-an-der-ruhr.html,
ferner: http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0850_seminar.htm). Der Beitrag in Neues Deutschland vom 24. 4. 12
hat diesen Wortlaut. Neues
Deutschland 24.04.2012
/ Inland / Seite 13 Ein
Sieg für Thyssen an der Ruhr Ehrung einer
Widerstandskämpferin in Mülheim verweigert Von
Hans Canjé Die Antifaschistin Martha
Hadinsky wurde von den Nazis eingekerkert, in der Bundesrepublik wurde
sie als Kommunistin erneut eingesperrt. Nachdem man ihr dann die
Anerkennung als NS-Opfer entzog, nahm sie sich am 26. April 1963 das
Leben. Ein Antrag von VVN-BdA und Linkspartei in Mülheim an
der Ruhr, eineFritz-Thyssen-Straße in M
artha-Hadinsky-Straße umzubenennen, scheiterte. »Es
würde eine nach einem Unterstützer der Nazis benannte
Straße aus unserer Stadt verschwinden.« So lautet
die zusammengefasste Begründung für den Antrag
»Betreff: Umbenennung der Fritz-Thyssen-Straße in
Martha-Hadinsky-Straße«, über den die
Bezirksvertretung 2 der Stadt Mülheim/Ruhr zu befinden hatte.
Eingebracht hatte den Antrag die Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes (VVN-BdA) gemeinsam mit dem Vertreter der Linkspartei. Der
Großindustrielle Fritz Thyssen (1873-1951),
»Profiteur von Krieg und Massensterben«, so weiter
im Antrag, hat als Finanzier der NSDAP ab 1923 »die
Tür zur westfälischen Schwerindustrie«
geöffnet und half somit »Hitler zum Aufstieg und
bereitete Deutschland und Europa sowie angrenzenden Kontinenten den Weg
ins Verderben«. Durch die mit der Umbenennung
»verbundene Ehrung einer konsequenten
Widerstandskämpferin gegen den Faschismus«, werde
»gleichermaßen ein Zeichen gegen die leider
hochaktuellen neofaschistischen Umtriebe (siehe z.b. NSU)
gesetzt«. Acht Jahre Nazi-Zuchthaus Die
am 31.Oktober 1911 geborene Martha Hadinsky war 1936 wegen ihres
aktiven Engagements in einer antifaschistischen Jugendgruppe verhaftet
worden. Ein Sondergericht verurteilte sie im Duisburger
»Jugendprozess« zu acht Jahren Zuchthaus. Im
Frauenzuchthaus Ziegenhain bei Kassel erkrankte sie an einer
lebensgefährlichen TBC. Nach ihrer Entlassung nahm sie
illegale Kontakte zu den politischen Häftlingen des
Bombenräumkommandos aus dem Zuchthaus Lüttringhausen
auf. Die Bundesrepublik Deutschland gestand ihr 1957
für die Jahre in faschistischer Haft eine monatliche Rente von
93 (dreiundneunzig) DM zu. Schöpfer und Vollstrecker der
faschistischen Justiz konnten zu diesem Zeitpunkt schon lange und
weitaus stattlichere staatliche Leibrenten kassieren. Am
27. August 1959 - drei Jahre nach dem KPD-Verbot - stand Martha
Hadinsky wieder vor einem politischen Sondergericht. Jetzt vor der 1.
Großen Strafkammer des Landgerichts Dortmund. Die ihr
angelasteten »Vergehen und Verbrechen« habe sie
durch die Fortsetzung der Tätigkeit der verbotenen KPD
begangen, hieß es. Ihr Wille sei auf
»Beeinträchtigung des Bestandes der
Bundesrepublik« gerichtet. »Sie
ist eine überzeugte Kommunistin.« Zu
Gunsten der Angeklagten war zu berücksichtigen, fuhren die
Richter fort, »dass sie im sogen. Dritten Reich schweres
Unrecht erlitten hat, an dessen Folgen sie noch heute
leidet«. Auf der anderen Seite sei aber auch »aus
Abschreckungsgründen eine solche Strafe auszuwerfen, die
geeignet ist, die zunehmende kommunistische Wühlarbeit
einzudämmen«. Die Strafe: Ein Jahr und drei Monate
Gefängnis. »Sie ist
haftgewohnt« Nach
Verbüßung von zwei Drittel der Strafhaft beantragte
der Verteidiger die Haftentlassung von Martha Hadinsky. Dies wurde
abgelehnt. Die Gefangene habe keine Reue gezeigt, hatte der Leiter der
Duisburger Vollzugsanstalt befunden. Der zuständige
Staatsanwalt entschied: auf Grund des Vorlebens der Beschuldigten sei
die bedingte Entlassung nicht gerechtfertigt. Hinzu komme,
»dass die Verurteilte in einem Verfahren, in dem sie als
Zeugin vernommen werden sollte, die Aussage grundlos verweigert hat.
Sie wurde in eine Beugehaft von 6 Monaten genommen (§ 70, Abs.
2 StGB).« Am 9. November 1960
hätte Martha Hadinsky nach 15 Monaten Haft entlassen werden
müssen. Nun begann die sechsmonatige
»Erzwingungshaft«, die nach zehn Wochen aufgehoben
wurde. Es bestünden »erhebliche Bedenken«,
hieß es in dem Gerichtsbeschluss, »eine Fortdauer
der Haft bis zur Höchststrafe von 6 Monaten werde die Zeugin
zu einer Aussage veranlassen. Die Zeugin hat bereits wegen ihrer
Gegnerschaft zum Nationalsozialismus 8 Jahre Zuchthaus erlitten. Sie
hat aus politischer Überzeugung gehandelt und auch
während des gesamten Strafverfahrens gegen sie keinerlei
Aussagen über ihre Mittäter gemacht; sie ist
haftgewohnt und die bereits verbüßte erhebliche Zeit
der Beugehaft hat sie nicht zu einer Änderung ihres
Standpunktes zu zwingen vermocht (...)«. Das
war dann das Signal für die zuständige
Landesrentenbehörde: Die Zahlung der
Entschädigungsrente an die unbelehrbare
»Rechtsfeindin« wurde eingestellt. Die bereits
gezahlten 3205 DM aus der erhaltenen
»Wiedergutmachung« wurden zurückverlangt.
Alle Widersprüche wurden zurückgewiesen. Die
angeordnete Vollstreckung der Rentenpfändung konnte allerdings
nicht mehr vollzogen werden. Am 26. April 1963, unmittelbar vor dem
Pfändungstermin, nahm sich Martha Hadinsky das Leben. Sie
zerbrach, nachdem ihr nach der Verfolgung durch das faschistische
Regime und dann durch die politische Justiz im
»Rechtsstaat« Bundesrepublik auch noch die
Anerkennung als Opfer der NS-Verfolgung entzogen worden war. Martha
Hadinsky war eine von rund 10 000 Bürgern der Alt-BRD, die in
den Jahren von 1951 bis 1968 in die Fänge der politischen
Justiz geraten und zu zum Teil hohen Gefängnis- bzw.
Zuchthausstrafen verurteilt worden waren. Berechnungen der mit diesen
Fällen befassten Rechtsanwälte gehen von etwa 250 000
Ermittlungsverfahren aus, in die an die 500 000 Personen mittelbar oder
unmittelbar in strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen
einbezogen und damit verängstigt worden waren. Nicht
alle Schicksale der Betroffenen verliefen so dramatisch wie das von
Martha Hadinsky. Gemeinsam ist ihnen aber allen, dass sie als damals
verfemte »Kollaborateure« (Jörg von Essen,
FDP, im Bundestag) bis heute nicht rehabilitiert, geschweige denn
für zu Unrecht erlittene Verfolgung entschädigt
wurden, wie etwa die Frauen und Männer, die in der DDR zu
Opfern der politischen Strafjustiz geworden sind. SPD
für Hitlerfinanzier In der Sitzung der
Mülheimer Bezirksvertretung 2 hatte der bei der Stadt
zuständige Dezernent Peter Vermeuen mit Zustimmung der
SPD-Fraktion vor einer Umbenennung der Thyssen-Straße mit dem
Argument »gewarnt«, die »historische
Figur (Thyssen, H.C.) nur einseitig zu betrachten«. Einer
Betrachtung der »historischen Figur« Martha
Hadinsky wichen die Abgeordneten mit einem Trick aus: sie
erklärten sich für »nicht
zuständig«. Es handele sich hier ja um eine Kreis-
und keine Bezirksstraße. Der Forderung von
VVN-BdA und LINKE, dann den Antrag an den Rat der Stadt weiterzugeben,
»schlossen sich die Bezirksvertreter mehrheitlich nicht
an«, vermeldete das Internetportal der WAZ-Mediengruppe
»Der Westen«. Das Zeichen wurde nicht gesetzt.
Hitlerfinanzier Thyssen siegte an der Ruhr über die
Widerstandskämpferin. URL:
http://www.derwesten.de/staedte/muelheim/die-geschichte-weist-den-weg-id6414996.html
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