21.04.2012 1952: Jugendlicher vor Essener Grugahalle von
Polizei erschossen! Gedenkdemonstration
für Philipp Müller am 12.5.2012 in Essen Am 11. Mai 1952 kamen in Essen 30.000 junge
Menschen aus der ganzen Bundesrepublik zur
„Jugendkarawane“ zusammen, um gegen die
Wiederbewaffnung Deutschlands zu demonstrieren.
Regierungsbehörden verboten die Friedensdemonstration nur
wenige Stunden vor Beginn und gingen mit einem riesigen Polizeiaufgebot
und dem Einsatz von Waffengewalt gegen die Jugendlichen vor. Polizisten
erschossen den 21jährigen Kommunisten Philipp Müller,
einen Arbeiter aus München – das erste Todesopfer
des kalten Krieges in Deutschland. Wogegen Philipp
Müller demonstriert hat, ist eingetreten: Die Bundeswehr war
beteiligt am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen
Jugoslawien, und sie führt seit 10 Jahren Krieg in Afghanistan. Deutschland
ist beim Kriegstreiben in aller Welt mit von der Partie. Der
Rüstungsetat der Bundesrepublik beträgt 2012 31,7
Mrd. € und ist der zweitgrößte
Haushaltsposten. Deutsche Rüstungsfirmen verkauften 2011
Waffen und Kriegsgerät für 2,1 Milliarden €
ins Ausland - Deutschland ist zum drittgrößten
Waffenexporteur der Welt aufgestiegen und heizt damit weltweit Krisen
und Kriege an. Militarisierung der Gesellschaft
bedeutet neben Krieg und Aggression nach Außen auch
Repression nach Innen. Das zeigt sich beim brutalen Vorgehen der
Polizei gegen die Teilnehmer der Demonstration gegen die
jährliche Münchener
NATO-„Sicherheitskonferenz“, bei der
Kriminalisierung von AntifaschistInnen in Dortmund und Dresden, beim
gewalttätigen Einsatz gegen die Gegner von Stuttgart 21. Und
längst ist es Alltag, dass sich die Bundeswehr in
Arbeitsagenturen und JobCentern, auf Jugend- und Jobmessen und in
Klassenzimmern als „bombensicherer“ Arbeitgeber zur
Schau stellt. Die Jugendkarawane von 1952 wollte ein
entmilitarisiertes Deutschland und damit die Lehren aus zwei
Weltkriegen ziehen. Nie wieder Krieg - dieses Anliegen Philipp
Müllers ist heute hochaktuell. Kommt zur
Gedenkdemonstration für Philipp Müller 12.5.2012
11 Uhr Rüttenscheider Brücke, Essen Kommt
zu Kranzniederlegung: 11.5.2012 17 Uhr 30
Rüttenscheider Brücke, Essen Beats
against militarism! Gedenkkonzert für Philipp Müller: 11.5.2012 19
Uhr Weststadthalle, Essen Hier
ein Auszug aus dem Buch der VVN-BdA über Jupp Angenforts
Leben, herausgegeben von Hannes Stütz mit Nachworten von Klaus
Hübotter und Ulrich Sander (Die VVN-BdA hat auch einen
DVD-Film zu Jupp gemacht) Philipp
Müller – 11. Mai 1952 Es war das Jahr 1952, die Bundesregierung plante,
den Generalvertrag abzuschließen. Sein Inhalt war, die
Bundeswehr nicht nur aufzustellen, auszubauen, sondern einzugliedern in
die sogenannte europäische Verteidigungsgemeinschaft. Das ist
auf diesem Weg, will ich einfügen, nicht geglückt,
weil das französische Parlament Widerspruch einlegte. Aber
zunächst war das die Planung, die Remilitarisierung auf diesem
Weg nach vorne zu bringen. Dagegen gab es außerordentlichen
Widerstand, gegen die Remilitarisierung im Prinzip, gegen den
Generalvertrag, der unter der Jugend oder auch bei anderen
Remilitarisierungsgegnern damals nur Generalkriegsvertrag genannt wurde. Unter
den Jugendorganisationen oder Vertretern von Jugendorganisationen
bildete sich eine lockere Gruppierung mit dem Ziel, eine
große Demonstration gegen diesen Generalvertrag zu machen.
Die Initiative dazu ergriff der Studentenpfarrer Mochalski, der damals
in Darmstadt Studentenpfarrer war. Er lud Vertreter der
Jugendorganisationen schon im April und dann noch mal Anfang Mai zu
Treffen nach Darmstadt ein, an denen ich teilgenommen habe. Ich war ja
auch noch Landtagsabgeordneter. Das Treffen fand dort statt in den
Räumen, die dem Studentenpfarrer Mochalski als
Diensträume dienten. Ausgehend davon wurde am 1. Mai ein
Aufruf von Jugendvertretern verabschiedet, meiner Erinnerung nach waren
es einige hundert. Er zielte darauf, eine Jugendkarawane, eine
Friedenskarawane in Essen am 11. Mai durchzuführen, gegen den
Generalvertrag und die Remilitarisierung. Jetzt les ich mal ein paar
Namen vor, weil ansonsten werden sie wohl so schnell nicht mehr in der
offiziellen Geschichtsschreibung auftauchen. Es heißt hier,
das Präsidium des westdeutschen Treffens der jungen
Generation: Pastor Herbert Mochalski, Kandidat der
Ingenieurwissenschaften Heinz Kramer, Werner Plaschke, Heinz Stephan,
Gustav Wenig und dann kommen einige Sprecher für die
verschiedensten Bundesländer. Der Korrektheit halber
muß ich sagen, daß die FDJ als Organisation nicht
zu den Trägern dieser Friedenskarawane gehörte, das
ging ja auch gar nicht, die Freie Deutsche Jugend in der Bundesrepublik
war ja bereits verboten, ein offizielles Auftreten im Gremium
wäre eine Provokation gewesen und hätte ein
sofortiges Verbot der Initiative bedeutet. Aber, wie gesagt, ich war da
als Landtagsabgeordneter der KPD und natürlich war
einigermaßen bekannt, daß ich zur damaligen Zeit
Leiter der Freien Deutschen Jugend war. Dann kam der
11. Mai. Da strömten per Zug, per Bus, zu Fuß, per
Fahrrad außerordentliche Mengen von Jugendlichen nach Essen,
um gegen eine neue deutsche Wehrmacht zu demonstrieren. Ich
muß noch vorausschicken, die Stadt Essen hatte die
Demonstration genehmigt, aber entgegen der Genehmigung der Stadt Essen
kam ein ganz kurzfristiges Verbot, vielleicht sieben, acht Stunden
vorher durch die Polizei und später wurde bekannt,
daß das Verbot direkt angeregt worden war vom damaligen
Ministerpräsidenten Arnold, CDU-Ministerpräsident von
Nordrhein-Westfalen. Es war überhaupt nicht möglich,
den Teilnehmern das Verbot mitzuteilen, die Kommunikationsmittel waren
damals ja nicht so wie heute. Die Jugendlichen kamen
also in der festen Überzeugung, zu einer
vernünftigen, friedlichen Demonstration zu kommen und wurden,
wo sie in Gruppen auftraten, verjagt, geschlagen, zum Teil bereits in
Gewahrsam genommen. Und es gab dann den Ratschlag,
sich vor der Gruga zu sammeln, auch von der Leitung der Demonstration.
Der gehörte unter anderem an der damalige Mitarbeiter der
evangelischen Kirche Arnold Haumann. Er wurde später
Studentenpfarrer in Essen, später Pfarrer in Essen und ist nun
im Ruhestand, im wohlverdienten Ruhestand, aber, muß ich
hinzufügen, immer noch engagiert in Sachen Frieden,
Demokratie. Der Sinn des Ratschlags, sich vor der Gruga zu sammeln,
war, möglicherweise doch noch, trotz der
Verfolgungsmaßnahmen, dort vielleicht eine Kundgebung oder
eine kleine Demonstration zu machen. Die Gruga war ja damals und ist
heute noch zwar stadtnah, aber nicht im Kern der Stadt. Da
passierte zunächst auch gar nichts. Dann setzte sich von der
Gruga aus eine Demonstration in Bewegung Richtung Innenstadt. Diese
Demonstration wurde von der Polizei blockiert, so daß gar
keine andere Möglichkeit war, als in einem schrägen
Winkel durch andere Straßen etwa in Richtung Gruga
zurückzukehren. Dort waren in der Umgebung des
Rüttenscheider Kirmesplatzes, der liegt in unmittelbarer
Nähe der Gruga, inzwischen Hundertschaften der Polizei
aufmarschiert, die dort furchtbar einschlugen auf die Jugendlichen. Ich
war vielleicht einige hundert Meter vom Platz Rüttenscheid
entfernt. Der Platz sollte möglicherweise damals eine feste
Decke bekommen, es lagen auch Haufen mit Schotter da. Es hat auch
Jugendliche gegeben, die mit Steinen geschmissen haben. Aber das ist ja
zu verstehen aus dieser Situation. Entscheidend aber ist, die
Jugendlichen flohen weg vom Rüttenscheider Platz in Richtung
Gruga. Und dann hörte ich Schüsse. War mir aber nicht
sicher, ob das Schüsse sind, denn damit hatte ich nicht
gerechnet, daß sie so weit gehen und so etwas passieren
könnte. Und dann kamen Jugendliche zu mir
gelaufen und sagten: »Auf dem Rüttenscheider
Kirmesplatz ist einer erschossen worden.« Und ich hab gesagt:
»Das kann nicht wahr sein«, und bin dorthin. Aber
da war bereits alles vorüber. Ein Polizeiflitzer war da, das
hab ich auch schon alles gar nicht mehr gesehen, ich kenn das nur aus
Schilderungen anderer. Der Philip Müller wurde auf diesen
Polizeiflitzer gelegt und ein Stück weggefahren und ist dann
erst später umgeladen worden in einen richtigen Krankenwagen.
Das Ergebnis war jedenfalls: Philipp Müller war in den
Rücken getroffen und tot. Er war 21 Jahre. Bei den anderen
Verletzten waren es alles Schüsse von hinten, in die
Hüfte, in die Kniekehle. Ich will mal zwei von ihnen nennen:
Albert Bretthauer, gehörte keiner Partei an, Dreher aus
Kassel, vierundzwanzig Jahre, Bernhard Schwarzer,
einunddreißig Jahre, aus Münster, Mitglied der SPD.
So war also der zunächst mal traurige Ablauf. Das
Ganze war eine böse Provokation der Polizei, eine Absicht,
nicht, jemanden zu erschießen, aber das Ganze
niederzuknüppeln. So waren die Befehle. Ist unter anderem
daraus zu ersehen, daß vierzehn Tage später, war
wiederum in Essen, eine Kundgebung der Friedenskarawane stattfand, die
völlig ruhig verlief. Es waren einige tausend Jugendliche da.
Ich habe dort auch gesprochen. Das, was eigentlich am 11. Mai
hätte gesagt oder demonstriert werden sollen, wurde dort auf
der Kundgebung, natürlich vor beträchtlich weniger
Jugendlichen, gesagt. Die örtliche und überregionale
Presse hat kaum darüber berichtet. Nun
zurück nach Essen zum 11. Mai 1952. Es haben sich einige
Bundestagsabgeordnete wie Fritz Rische und Heinz Renner, der ja in
Essen wohnte, sofort eingeschaltet, sind zur Polizei gegangen. Der
Polizeidirektor Knorr hat behauptet, bevor die Polizei geschossen habe,
hätten FDJler geschossen und das habe die Polizei
dermaßen in Erregung gebracht, daß sie dann
später auch geschossen habe. Es hat
später einen Untersuchungsausschuss des Landtags
Nordrhein-Westfalen gegeben. Und das Ergebnis dieses
Untersuchungsausschusses war in diesem Punkt, jetzt les ich mal einen
Satz vor aus der Wahrheit, Landesorgan der KPD Niedersachsen vom
siebzehnten Mai 1952: »Der Bericht Arnolds, also
Ministerpräsident, hat vor dem Untersuchungsausschuß
bestätigt, daß die Polizei die Jugendlichen in die
Enge trieb und als diese sich mit Steinwürfen wehrten, der
Führer eines Polizeikommandos zunächst drei
Warnschüsse abgeben ließ und dann den
Schußwaffengebrauch anordnete.« Also von
»FDJ hat als erste geschossen« war nicht mehr die
Rede, ist auch später weggefallen. Die Behauptung wurde nicht
wiederholt. Allerdings, vor einigen Jahren hat
Springers Welt diese Behauptung doch noch mal aus dem Gully gezogen und
als ich einen Leserbrief an Springers Welt geschrieben habe und die
Dinge dargelegt habe aus meiner Kenntnis, hat Springers Welt
bezeichnenderweise diesen Leserbrief nicht gebracht. Unser
Fraktionsvorsitzender im Landtag von NRW Karl Schabrod hat, ich glaube,
es war am nächsten Tag, also am zwölften, es kann
auch der dreizehnte gewesen sein, sofort darauf gedrungen,
daß der Hauptausschuß des Landtags tagt, dazu
brauchte es ja keine Vorbereitungen. Der Hauptausschuß hat
getagt, ich hab an dieser Beratung des Hauptausschusses teilgenommen.
Karl Schabrod hatte mich mitgenommen, weil ich ja in gewissem Sinne
alles Wesentliche miterlebt habe. Und ich hab mir damals auf der
Beratung des Hauptausschusses einige stenographische Notizen gemacht,
die in einem Punkt besonders interessant sind, nämlich
bezüglich der Frage: Welche Position nahmen denn nun Vertreter
der Parteien oder einiger Parteien zu der Tatsache ein, daß
hier die Polizei in Jugendliche hineingeschossen hatte und
daß Philipp Müller durch einen Schuß in
den Rücken getötet worden war und die von
Polizeikugeln Verletzten alle von hinten getroffen waren, also auf der
Flucht getroffen waren, nicht etwa, wie man darzustellen versuchte, in
einer Situation, wo sie die Polizei angriffen. Ich
habe hier in meinen stenographischen Notizen einen Ausspruch von
Wilhelm Johnen, Abgeordneter der CDU, damals Rechtsanwalt und Notar in
Jülich, der sagte folgendes: »Wenn die Polizei heute
handelt, muß man damit rechnen und auch einverstanden sein,
daß sie, die Polizei, einmal daneben tritt. Wir
müssen unserer Polizei dankbar sein. Man soll sich hinter die
Polizei stellen, auch wenn sie mal daneben getreten hat. Wir
müssen moralisch hinter unserer Polizei stehen. Wir
müßten eigentlich aufstehen und ihr
danken.« So also mein stenographisches Protokoll. Nach
Johnen sprach der Abgeordnete Hans Gerhard von der FDP. Ich hab mal im
Handbuch des Landtages nachgeschaut. Er schreibt unter anderem,
daß er von 1934 bis 1945 Bürgermeister in
Leichlingen war, also in der Nazizeit. Er unterstützte Johnen,
er sagte das ausdrücklich, da nehm ich wieder mein Stenogramm:
»Es ist doch selbstverständlich, daß die
Polizei einmal in solch einem Fall zur Schußwaffe greift. Wir
müssen dankbar sein, daß die Polizei ihren Mann
gestanden hat.« Dann hat noch unter anderem
gesprochen Dr. Bruno Six, Abgeordneter der CDU aus Mettmann, von Beruf
Schriftleiter. Der sagte: »Ich möchte der Polizei
ausdrücklich den Dank aussprechen, daß sie sich so
mannhaft gezeigt hat.« Das waren
Äußerungen in dieser Hauptausschußsitzung
des Landtags von NRW. Hier liegt Springers Welt vom
13. Mai 1952. Dort wird in der Überschrift mitgeteilt:
»Führer der Friedenskarawane vor dem
Richter.« Das ist auch tatsächlich passiert. Es hat
einen Prozeß gegen das Gremium gegeben, das zur
Friedenskarawane aufgerufen hat. Und dann heißt der letzte
Satz dieses Abschnittes: »Der Ministerpräsident von
Nordrhein-Westfalen Arnold sagte nach seiner Rückkehr von
Essen, die Polizei habe sich bei den Zwischenfällen korrekt
verhalten, er bewundere die innere Selbstbeherrschung der
Beamten.« Also ein Toter, mehrere
Verletzte, alle von hinten getroffen und Ministerpräsident
Arnold, der sich darüber hat Bericht erstatten lassen vom
Polizeidirektor in Essen, bewundert die innere Zurückhaltung
oder Selbstbeherrschung der Beamten. Das war der
Geist des Kalten Krieges, der damals herrschte. Und so waren auch die
Gedanken von bestimmten Politikern, vornehmlich angesiedelt bei CDU/CSU
und FDP, wie man mit dem politischen Gegner umspringen solle oder
könne, vor allen Dingen in Fragen, die von großer
politischer Bedeutung waren. Und dieser Generalvertrag und die damit
einhergehende Remilitarisierung war natürlich eine Frage von
großer politischer Tragweite. Wie groß, haben wir
ja erlebt aus den geschichtlichen Ereignissen. Aber es waren ja nicht
alle so. Daß damals Minister Heinemann unter Protest sein Amt
niederlegte, weil er das mit seinem Gewissen nicht vereinbaren konnte,
soll man nicht vergessen. Vom
»Bund Deutscher Jugend« (BDJ) Ob
es schon vor oder erst nach dem FDJ-Verbot war, kann ich nicht sagen.
Da tauchte als eine Art Gegenvereinigung zur FDJ ein »Bund
Deutscher Jugend« auf, gefördert von
allerhöchsten Stellen. Auf Betreiben der sozialdemokratisch
geführten hessischen Regierung laut der Welt am Sonnabend vom
19. Oktober 1952 sind um diesen Zeitpunkt herum einige Führer
des BDJ festgenommen worden. Der Verdacht war:
Ausbildung und Übungen im lautlosen Morden. Dann hatten sie
eine Liste von achtzig Leuten, die am Tage X, dem Tag des
Kriegsausbruches, ermordet werden sollten. Da waren auch
Sozialdemokraten drauf. Weil es ein so gravierendes Delikt war, sind
sie dem Bundesgerichtshof oder der Generalbundesanwaltschaft
überstellt worden. Und sind tatsächlich in Karlsruhe
ins Untersuchungsgefängnis gekommen. Waren aber schon wieder
draußen, als ich da ankam. Man hat damals geschrieben: Ein
Lastwagen von Beweismaterial sei zum Generalbundesanwalt geschickt
worden. Der ist bedauerlicherweise nie angekommen in Karlsruhe. Der ist
auf dem Weg nach Karlsruhe verschwunden und bis zum heutigen Tage nicht
mehr gefunden worden. Und hier wird nun geschildert,
in der »Welt am Sonnabend« vom 18. Oktober 1952,
daß der General Eddy, der Oberbefehlshaber der amerikanischen
Streitkräfte in Europa, damals 24 Stunden nach den
Enthüllungen des hessischen Ministerpräsidenten
über den BDJ von seinem Heidelberger Hauptquartier nach Bonn
eilte, um sich mit dem amerikanischen Hochkommissar Donelly hinter
dicken Polsterwänden auszusprechen wegen dieser Geschichte.
Und dann steht hier, jetzt zitiere ich mal: »Seit Ende 1950
ist mit amerikanischen Geldern, mit amerikanischen Waffen und unter
amerikanischer Aufsicht eine Kerntruppe von annähernd
zweitausend Mann aus dem Bund Deutscher Jugend herausgeschält
worden, um unter der Bezeichnung ›Technischer
Dienst‹ für den Fall einer russischen
Überrollung auf Partisanendienst gedrillt zu
werden.« Im ersten Schock wußten
Eddy und Donelly offensichtlich überhaupt keine Antwort und
leugneten beharrlich jede Verbindung zu amerikanischen Dienststellen.
Aber dann mußte man sich doch zu einem Geständnis
bequemen, denn dem hessischen Regierungschef Zinn war Material in die
Hände gefallen, gegen das kein Kraut gewachsen war. Dann
stehen hier noch einige Einzelheiten. Der Technische Dienst wurde von
dem ehemaligen zweiten Vorsitzenden des BDJ Gerhard Peters in Frankfurt
geleitet. Über eine Scheinfirma in Neu-Isenburg bei Frankfurt
wurden ihm für fingierte Besatzungsaufträge monatlich
50.000,- Mark von einer USA-Dienststelle überwiesen. Von
diesem Geld wurden einige Hauptfunktionäre mit 500 bis
1.000,- DM monatlich besoldet sowie ein Ausbildungsheim im idyllischen
Odenwalddörfchen Waldmichelbach gekauft. Mitglieder der
Geheimorganisation waren zum größten Teil ehemalige
Offiziere der Waffen-SS, des Heeres und der Luftwaffe, im Alter von 35
bis 50 Jahren, in den früheren Diensträngen vom
Oberleutnant bis zum Obersten. Nur zwei Zwanzigjährige nahmen
an Partisanenlehrgängen teil. Der Leiter Peters war
Berufsoffizier, sein Stabschef und gleichzeitiger
Leiter des politischen Referates 11 war der frühere
SS-Obersturmbannführer Hans Otto aus Frankfurt. Beide, Peters
und Otto, wurden nach den ersten Festnahmen am 22. September von den
Amerikanern aus dem Verkehr genommen und zunächst dem
Verhör deutscher Behörden entzogen. Nach
absolvierten Lehrgängen in Waldmichelbach schaffte man die
Partisanenanwärter im Sommer 1951 in Drillichzeug und mit
amerikanischen Militärpapieren nach einem
US-Truppenübungsplatz, wo sie mit amerikanischen und
russischen Handfeuerwaffen und Sprengmitteln vertraut gemacht wurden.
Mit der wachsenden Stärke der Alliierten und Absinken der
akuten Kriegsgefahr schien jedoch das Interesse der Amerikaner an
dieser Widerstandsbewegung zu schwinden. Dann heißt es ein
wenig weiter: »Daß dieser Werwolf seine
Wiedergeburt lediglich der Laune eines untergeordneten amerikanischen
Abwehrchefs verdankt, ist kaum glaubhaft. 50.000,- DM monatlich und die
Ausbildung mit scharfer Munition sind immerhin keine Tatsachen, die dem
Heidelberger Hauptquartier zwei Jahre lang verborgen bleiben konnten,
auch wohl kaum den zuständigen Bonner Stellen, obgleich es
heute dort mit Entrüstung behauptet wird. Was freilich die
Gönner und Mitwisser nicht wußten, war die
sorgfältige Aufstellung einer Kartei der Abteilung 1F dieses
Partisanenvereins. Hier waren neben 15 maßgebenden
kommunistischen Funktionären auch etwa 80 führende
SPD-Mitglieder verzeichnet, die im Kriegsfall notfalls kalt gestellt
werden sollten.« Das ist das Wesentliche aus dieser
»Welt am Sonnabend« vom 18. Oktober 1952. Wir
Kommunisten haben im Landtag von Nordrhein-Westfalen das Thema
aufgegriffen und ich habe in einer ziemlich ausführlichen Rede
nachgewiesen, daß wir diesen Bund Deutscher Jugend auch in
Nordrhein-Westfalen haben. Habe Namen genannt, habe Orte genannt, wo
Terrorüberfälle bereits gewesen sind und habe vom
Innenminister, das war damals der Meyers, verlangt, der Bund Deutscher
Jugend muß auch in Nordrhein-Westfalen verboten werden. In
Hessen war er verboten worden. Worauf der Kern der Antwort von Meyers
war, Hessen ist eine Sache, hier in Nordrhein-Westfalen ist den
Behörden die Existenz des Bundes Deutscher Jugend, speziell
des Technischen Dienstes, nicht bekannt. Er sieht keine Veranlassung,
für Nordrhein-Westfalen ein Verbot auszusprechen. Das ist der
gleiche Meyers, der dann im April des nächsten Jahres die FDJ
in Nordrhein-Westfalen verboten hat. Und im übrigen hat die
Bundesregierung ein Treffen des Bundes Deutscher Jugend in Frankfurt
finanziell unterstützt. Wie wir heute
wissen, war diese Aufstellung von Terroreinheiten, die damals unter der
italienischen Bezeichnung »Gladio«, also Schwert,
liefen, eine Sache, die nicht auf die Bundesrepublik
beschränkt blieb, sondern in allen westeuropäischen
Staaten von den USA in Zusammenarbeit mit den Regierungsstellen und den
einheimischen Geheimdiensten in die Wege geleitet wurde. Wobei die
Presse sagte, daß die Sache am weitesten fortgeschritten in
Italien war. Und auch am längsten gewährt hat. Und
diese Leute vom Bund Deutscher Jugend, die Führer, die von
Hessen nach Karlsruhe überstellt wurden, waren, als ich im
März ’53 dort ankam, schon wieder entlassen. Das war
dann auch eine meiner Angriffswaffen in meinem Prozeß. Ich
habe darauf hingewiesen, daß man die FDJ verbietet und
verfolgt, die nachgewiesenermaßen nichts
Gewalttätiges getan hat, im Wesentlichen immer die
Notwendigkeit der Verteidigung der demokratischen Rechte und Freiheiten
betont hat, gegen Remilitarisierung, für demokratische Einheit
Deutschlands – die sitzen und diejenigen, die hier Terror
vorbereitet haben, Mordterror, sind auf freien Fuß gesetzt
worden. Das ging so weit, daß ich sagte,
nun will ich mal prophezeihen: »Gegen die Leute vom Bund
Deutscher Jugend wird vor diesem Gericht oder einem anderen
überhaupt kein Prozeß stattfinden. Das trauen sich
die deutschen Behörden gegenüber den amerikanischen
gar nicht zu.« Worauf der Gerichtsvorsitzende Geier sagte:
»Herr Angenfort, Sie stehen hier vor einem demokratischen
Gericht. Das ist unparteiisch und ohne Rücksicht auf die
Person setzt dieses Gericht Recht durch.« Darauf
habe ich gesagt: »Ich bleibe bei meiner
Prophezeiung.« Das war im Jahre ’55 und im Jahre
1957 hat der damalige Generalbundesanwalt, er, der Bundesanwalt, der an
sich ja Strafverfahren in Gang bringt, von sich aus beim
Bundesgerichtshof beantragt, das Verfahren gegen die Führer
des Bundes Deutscher Jugend einzustellen. Es hat nie ein Verfahren
gegeben. Denen wurde mitgeteilt, das Verfahren gegen sie ist
eingestellt. So, als wärst du einmal schwarz gefahren mit der
Straßenbahn. Aber sowas wird ja gar nicht eingestellt,
insofern ist das Beispiel nicht richtig. Da mußt du die
Strafe direkt oder später zahlen. Hier in
Düsseldorf war gerade so ein Fall. Da ist ein Türke
dreimal schwarz gefahren, dreimal erwischt worden und hat dann die
Aufforderung bekommen, soundso viel Geldstrafe zu zahlen. Das hat er
nicht getan. Daraufhin haben sie ihn eingefahren in die Ulmer
Höh, ins Düsseldorfer Gefängnis. Er hat zwar
dann beteuert, um Gottes Willen, man soll ihn rauslassen, das erste,
was er tun wird, wird sein, diese Geldstrafe, die inzwischen was
geklettert war, zu bezahlen. Darauf haben die sich nicht eingelassen.
Der blieb sitzen. Obwohl keine Fluchtgefahr bestand. Der war hier
verheiratet, der hatte irgendeine Döner-Bude oder sowas. Das
sind die unterschiedlichen Maße. Einfügung des
Herausgebers 1951/52 war ich 15 bzw. 16 Jahre alt.
Ich besuchte das Parler-Gymnasium in Schwäbisch
Gmünd. Dort war in einem dieser Jahre ein Aushang am Schwarzen
Brett. Er lud zu einem Jugendtreffen nach Frankfurt ein, Waldstadion.
Bahnfahrt, Unterkunft in Zelten, Verpflegung, und das alles
für ein Nasenwasser. Der Aushang konnte nicht ohne Billigung
höchster Stellen, eingeschlossen des Kultusministeriums,
dorthin gelangt sein. Der Direktor der Schule war ein
überkorrekter, überstrenger Altphilologe, Dr. Ludwig
Fricker, ohne dessen Wissen und nötigenfalls Einschreiten
nichts an dieser Schule vor sich gehen konnte. Vier,
fünf aus unserer Klasse sagten sich, für so ein paar
Mark kommen wir nie mehr nach Frankfurt. Wir fahren hin. Das haben wir
getan. Von irgendeinem politischen Hintergrund hatten wir null Ahnung.
Was dann da ablief, war zuerst lächerlich für uns,
mit Antreten, Marschieren, jeder Menge merkwürdig
Uniformierter, die die Blöcke umbellten wie Hirtenhunde,
Führeransprache (Herr Lüth?) vor den gestaffelten
Marschblöcken – und das alles zunächst im
Waldstadion unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Viel
Freude hatten sie nicht an uns. Es erinnerte mich verflucht an die
HJ-Aufmärsche, die ich als Kind beobachtet hatte. Am
nächsten Tag ging es dann nach der Übung zu einer
Demo in die Frankfurter Innenstadt. Da haben wir uns abgeseilt. Aber
wohin wir da aufgrund des Aushangs an dem Schwarzen Brett unserer
Schule geraten waren, wußten wir immer noch nicht. Es hat uns
nur nicht gepaßt. Wir waren nur doofe, uninformierte
Oberschüler, für ein Wochenende in den
Fängen des BDJ, geködert möglicherweise vom
baden-württembergischen CDU- Kultusministerium. http://www.philipp-mueller-1952.de/ |