15.03.2012 Die Wahrheit über Kiesinger musste
endlich gesagt werden Kiesinger
war kein kleiner Mitläufer, er war eingeweiht in die geheimsten
Nazipläne. Am 10. Dezember 1941 vereinbart er mit den japanischen
Verbündeten die Berichterstattung über das „Ereignis
X“. Einen Tag später tritt das „Ereignis X“ ein:
Hitler erklärt den USA und Großbritannien den Krieg und
schließt mit Japan und Italien ein politisches Abkommen über
die gemeinsame Kriegsführung und die „Neuordnung der
Welt“ (aus Jugendmagazin Elan, Dortmund, Juli/August 1968). In einem
Zeitungsinterview hat Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA,
über die Anfänge der Zusammenarbeit mit Beate
Klarsfeld berichtet. Wie war die Lage im Lande zur Ohrfeigen-Zeit 1968?
Wir veröffentlichen die Erinnerungen an jene Zeit und
fügen als Originaldokumente Artikel von Klarsfeld und Sander
aus jener Zeit an, als da sind: -
Der Fall Fritz Arlt, Judenverfolger im Deutsch-Französischen
Jugendwerk (dem Arbeitsplatz von Beate Klarsfeld), elan Oktober 1967 - Klage gegen DFJW –
Sekretärin enthüllt Vergangenheit Kiesingers und wird
bestraft - Von Ulrich Sander, elan März 1968. - Die Wahrheit über Kiesinger
– Von Beate Klarsfeld, elan Juli/August 1968 (mit
Org.-Schema über den Rang Kiesingers in der Nazi-Propaganda) - Beate Klarsfeld: Ohrfeige für Pg.
2633930, elan Dezember 1968 (mit Klarsfelds Rede
über die Ohrfeige für Kiesinger und mit der
Schriftstellererklärung dazu, unterschrieben u.a. von Peymann,
Eiich, Sonnemann u.a.) - Beate
Klarsfeld gibt nicht auf: Sollte Kritikerin Kiesingers aus der SPD
ausgeschlossen werden?, Frankfurter Rundschau, 08.12.1967 - Übersetzung: Aus den Erinnerungen
von Beate Klarsfeld zu Fritz Rudolf Arlt Interview
mit Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA: Frage:
Wie kam es zur
Zusammenarbeit zwischen Frau Klarsfeld und Ihnen? Antwort:
Sie arbeitete in Paris beim Deutsch-Französischen Jugendwerk.
In einer Zeitung war zu lesen, sie sei entlassen worden, weil sie den
Bundeskanzler Kiesinger kritisiert hätte. In der
französischen Zeitung „Combat“ hatte sie
in einem Artikel moniert, dass es jetzt einen Nazi gibt an der Spitze
der Bundesrepublik Deutschland. Anfang 1967 war das. Ich habe ihr
angeboten, mit ihr zusammenzuarbeiten, um ihr Anliegen noch mehr in den
deutschen Medien zu platzieren. Frage: Wie sah ihr
Wirken in Deutschland konkret aus? Antwort: An den
Fakten über Kiesinger wollte sich keiner die Hände
verbrennen. Interessant war auch, dass Klarsfelds Artikel eigentlich
sowjetkritisch war. Insofern ist es Unsinn, dass die
DDR-Führung sich die Kiesinger-Kampagne ausgedacht hat. Sie
hat darin geschrieben: Die Sowjetunion mache einen großen
Fehler, wenn sie nicht Kiesinger kritisiert. Er, der ehemalige Chef des
NS-Auslandsrundfunks, war damals ja Kanzler der großen
Koalition geworden. Und sie hat gesagt: Damit ist erstmals ein Nazi an
die Spitze gekommen, das ist unerträglich. Die Sowjetregierung
wartete ab. Man dachte wohl, jetzt kommt eine neue
Außenpolitik. Denn der Außenminister der BRD
hieß Willy Brandt. Und davon versprach sich die sowjetische
Seite etwas. Und das kritisierte nun Beate Klarsfeld in dem
Artikel. Ein deutscher Kanzler aus den Reihen der NSDAP. Dazu
positionierte sich Beate Klarsfeld, und ich half, ihre
Veröffentlichungen in die deutschen Medien zu bringen, so in
die Frankfurter Rundschau. Frage: Bekam sie Hilfe von
ihrer Partei, der SPD? Antwort: Gegen ihre Entlassung
wollte Klarsfeld arbeitsrechtlich vorgehen, aber sie hat kein Recht
bekommen. Die SPD hat ihr auch nicht geholfen. Die hat sogar noch
Ehrenerklärungen für Kiesinger damals abgegeben. In
Leitungsgremien des Deutsch-Französischen Jugendwerkes waren
ein enger Mitarbeiter von Himmler und andere Nazis. Nach ihrer
Entlassung hat sie sich dann auf Kiesinger spezialisiert, ist im
Wahlkampf in seinem Wahlkreis als Gegenkandidatin aufgetreten, auf
seinen Veranstaltungen und hat ihn angegriffen. Vorher kam es ja zu
dieser Ohrfeige. Frage: Wie wurde ihr Engagement
damals von der bundesdeutschen Bevölkerung wahrgenommen? Antwort:
Das wurde nicht besonders geachtet. Die Führung der DDR ist
eingestiegen in das Thema, und die außerparlamentarische
Bewegung (APO). Von dort wurde Klarsfelds Engagement zwar
begrüßt. Ich erinnere mich an eine studentische
Konferenz in Frankfurt, auf der sie ihre Aktion ankündigte und
fragte, ob man nicht mitmachen wolle bei so einer Aktion. Das fanden
die meisten Studenten seinerzeit nicht gut, das fanden sie harmlos. Frage:
Warum das? Antwort: Ihr Aufruf fand nicht die
größte Unterstützung. Frauen
führten nicht das ganz große Wort damals. Deshalb
wurde sie auch nicht so ganz ernst genommen in diesen Kreisen. Doch sie
hatte keine Scheu, sich auch mit Kommunisten zu treffen. Sie hatte das
Prinzip: In einem Punkt gehen wir zusammen und in anderen Punkten eben
nicht. Es war auch für einen Teil der Linken etwas
kompliziert: Manche Kommunisten zum Beispiel – gerade wieder
legal - haben gesagt, sie wollten nicht als gewalttätig
erscheinen. Es gab Stimmen, die sagten, die Ohrfeige für
Kiesinger, das sei Gewalt gegen Personen. Gewalt gegen Sachen sei
zulässig, aber gegen Personen nicht. Dabei hat sie ihm doch
nur eine geklebt, alles andere wäre nicht beachtet worden. Frage:
Wie kam es damals zu der Idee, eine kleine Schallplattenaufnahme zu
machen, die die NS-Vergangenheit von Kiesinger dokumentiert und den
Sinn der Ohrfeige erklärt? Antwort: Es gab
das linke Schallplattenlabel »Pläne«, das
Protest- und Ostermarsch-Lieder herausbrachte.
Schallplattendokumentationen waren etwas ganz Neues: Dass man politisch
nicht mit einem Lied, sondern mit einer Rede eingreift. Ich habe das
der Beate Klarsfeld vorgeschlagen, und die war auch Feuer und Flamme.
Denn Sie müssen sehen: Es gab ja überhaupt kaum ein
Medium für Antifaschismus. Es gab höchstens mal eine
kleine Meldung in der Presse darüber, was sie macht. Aber
größere Interviews überhaupt nicht. Wir
haben auf der Platte an Klarsfelds Erklärung eine kleine
Dokumentation gehängt. Da haben wir einen Schauspieler gehabt,
der spricht Kiesinger-Texte. Damals hieß es, Kiesinger sei
ein Mitläufer und kleiner Mitarbeiter gewesen. Und wir haben
dokumentiert, was er alles so zu Papier gebracht hat. Frage:
Wie ist denn die Ohrfeige von der bundesdeutschen
Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen worden? Antwort:
Viele Bürger waren eigentlich schockiert über die
APO, über das, was mit der Jugend los ist: Dass die jetzt den
Kanzler haut und auch sonst alle möglichen Sachen macht. Und
über die sexuelle Revolution. Man hat überhaupt nicht
zur Kenntnis genommen, dass wir einen Kanzler haben, der ein Nazi war.
Nach der Ohrfeige hat Klarsfeld gesagt: »Man kann
leider in diesem Lande nur einen Skandal aufdecken, indem man einen
Skandal anzettelt.« Und das stimmte ja auch. Die Aufregung
über Nazis in hohen Ämtern war beschränkt
auf einen kleinen Teil der Bevölkerung. In der Mehrheit
hieß es: „Alle Länder haben doch ihre
Verbrechen begangen“, „so ist der Krieg nun
mal“ usw. Das waren die Redensarten. Insofern löste
Kiesinger nicht die allergrößte Unruhe
aus. Das änderte sich dann schlagartig, im Wortsinne. Frage: Wir
haben über Beate Klarsfeld gesprochen, es ging vor allem um
die Jahre 67-69. Was gibt es heute zu tun? Antwort:
Unsere Aktionen gehen doch weiter. Die Bundesregierung weigert sich,
für die NS-Opfer aus Griechenland und Italien sowie die
Zwangsarbeiter aus dem Kreis der Kriegsgefangenen zu zahlen und die
Täter zu bestrafen. Dazu gab es einen Prozess in Den Haag, den
Berlin leider gewann. Dazu sind wir mit Beate Klarsfeld im
Gespräch, um Aktionen vorzubereiten. Den ehemaligen SS-Leuten
auf dem Baltikum zahlt Deutschland noch immer Renten! Dagegen wollen
wir angehen. Die FDP weigert sich, die Vergangenheit aufzuarbeiten und
sie hält immer noch am Andenken an Herrn Ernst Achenbach fest,
der die Judendeportationen aus Frankreich mit organisierte und der
später hoher Politiker wurde. Dagegen gehen wir an –
und wir sind im Gespräch mit Beate K., auf dass dagegen
Aktionen stattfinden. Von Anfang an – schon 1967 –
verlangte Beate Klarsfeld das Verbot der NPD. Also: Es gibt keinen
Schlussstrich. - Der Fall
Fritz Arlt, Judenverfolger im Deutsch-Französischen Jugendwerk
(dem Arbeitsplatz von Beate Klarsfeld), elan, Oktober 1967
- Klage gegen DFJW –
Sekretärin enthüllt Vergangenheit Kiesingers und wird
bestraft - Von Ulrich Sander, elan März 1968.
- Die
Wahrheit über Kiesinger – Von Beate Klarsfeld,
elan Juli/August 1968 (mit Org.-Schema über den Rang
Kiesingers in der Nazi-Propaganda)
- Beate Klarsfeld: Ohrfeige für Pg.
2633930,
elan, Dezember 1968 (mit Klarsfelds Rede über die Ohrfeige
für Kiesinger und mit der Schriftstellererklärung
dazu,
unterschrieben u.a. von Peymann, Eiich, Sonnemann u.a.)
- Beate Klarsfeld gibt nicht auf: Sollte
Kritikerin Kiesingers aus der SPD ausgeschlossen werden?,
Frankfurter Rundschau, 08.12.1967
- Übersetzung: Aus den Erinnerungen
von Beate Klarsfeld zu Fritz Rudolf Arlt, Quelle: http://www.holocaust-history.org/klarsfeld/Wherever/T037.shtml
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