13.03.2012 Unwahrheiten über Agnes Miegel Rechte Versuche der
Gegenoffensive Anfang August
vorigen Jahres zog der Ardey-Verlag in Münster nur nach einer
Woche das Buch „Agnes Miegel. Ihr Leben, Denken und Dichten
von der Kaiserzeit bis zur NS-Zeit“ wieder aus dem Handel.
Die Verharmlosung der Verstrickungen von Agnes Miegel mit dem NS-Regime
und seinen Größen war dem Verlag und so manchem
Kunden wohl zu viel. Die Herausgeberin Dr. phil. Marianne Kopp,
Vorsitzende der Agnes Miegel Gesellschaft e.V., wurde davon kalt
erwischt. Sie hatte gerade in den letzten Jahres alles dafür
getan, um die persönliche Schuld der Agnes Miegel und ihre
Rolle im Nationalsozialismus zu relativieren. Damit war sie in die
Fußstapfen der Biografin Anni Piorreck getreten, die schon
1967 mit ihrem Buch „Agnes Miegel. Ihr Leben und ihre
Dichtung“ in mehrere Fettnäpfchen getreten war. Der nachfolgende Artikel von Detlev
Beyer-Peters, Vorsitzender der VVN-Bund der Antifaschisten,
Kreisvereinigung Recklinghausen e.V., bietet viele
Hintergrundinformationen, mit denen ein Antrag auf Umbenennung einer
Agnes-Miegel-Straße im jeweiligen Rat erfolgreich
begründet werden kann. Unwahrheiten über
Agnes Miegel: Die Rechten in der Gegenoffensive!? Anfang
August vorigen Jahres zog der Ardey-Verlag in Münster nur nach
einer Woche das Buch „Agnes Miegel. Ihr Leben, Denken und
Dichten von der Kaiserzeit bis zur NS-Zeit“ wieder aus dem
Handel. Die Verharmlosung der Verstrickungen von Agnes Miegel mit dem
NS-Regime und seinen Größen war dem Verlag und so
manchem Kunden wohl zu viel. Die Herausgeberin Dr. phil. Marianne Kopp,
Vorsitzende der Agnes Miegel Gesellschaft e.V., wurde davon kalt
erwischt. Sie hatte gerade in den letzten Jahres alles dafür
getan, um die persönliche Schuld der Agnes Miegel und ihre
Rolle im Nationalsozialismus zu relativieren. Damit war sie in die
Fußstapfen der Biografin Anni Piorreck getreten, die schon
1967 mit ihrem Buch „Agnes Miegel. Ihr Leben und ihre
Dichtung“ in mehrere Fettnäpfchen getreten war. Die
Veröffentlichungen von Marianne Kopp – wen wundert
es – wurden und werden vor allem in neofaschistischen Kreisen
begierig aufgegriffen, um den Kampf für die Erhaltung des
Namens von Agnes Miegel z.B. auf über 100
Straßenschildern in ganz Deutschland und mehreren Schulen
noch erfolgreicher führen zu können. Diese Offensive
der Rechten, die sich maßgeblich gegen die Darstellung von
Agnes Miegel in wikipedia richtet, war schon von langer Hand
vorbereitet worden. Nicht umsonst hatte sich Marianne Kopp als
Hauptreferentin für das Seminar der neofaschistischen
Bildungsstätte des inzwischen verbotenen Vereins Collegium
Humanum „Land der dunklen Wälder… -
Ostpreußens Beitrag zur Kultur Europas“ vom 16. bis
18.02.2001 in Vlotho zur Verfügung gestellt. Detlef Suhr,
Mitglied der Agnes-Miegel-Gesellschaft und Anwohner der
Agnes-Miegel-Straße in Edewecht, bietet normalerweise auf der
Internetseite Kul-tours Kultur-, Musik- und Busreisen ab Oldenburg an.
Er hat es sich aber auch zu seiner Lebensaufgabe gemacht, hier das
Futter für die Gegenoffensive zu liefern und die Inhalte
ständig zu aktualisieren. Tatsächlich
hat gerade das Gutachten der Agnes-Miegel-Gesellschaft die Unsicherheit
in vielen Gemeinden, die z.B. über die Zukunft von
Agnes-Miegel-Straßen zu entscheiden hatten und noch haben,
enorm erhöht. Mancherorts hat die Gegenoffensive der Rechten
dazu beigetragen, dass eine Umbenennung abgelehnt oder
verzögert wurde. Detlev Beyer-Peters, Vorsitzender der
VVN-BdA, Kreisvereinigung Recklinghausen e.V., hat sich daher intensiv
mit den verharmlosenden bzw. verleugnenden Behauptungen über
die Dichterin Agnes Miegel auseinandergesetzt: Huldigung an Paul von Hindenburg Agnes
Miegel hat 1921 von sich gegeben: „Ich hänge
glühend an Ostpreußen“. In ihren Werken
beschreibt sie vor allem die Schönheit des Landes an der
Ostsee. Aber genauso erzählt sie in unzähligen Werken
die wechselvolle Geschichte Ostpreußens. So lässt
sie 1934 in dem Theaterspiel „Die Schlacht von
Rudau“ ihre Figuren sagen: „Was für ein
Land, Wo Fischer Lanze wirft und Bäck die Armbrust
spannt Und Fleischer hoch zu Roß zum Kampfe reiten! Ein
Land, wohl wert Dafür zu ziehn das ritterliche
Schwert! Ein Land, vor allen Wohl wert, für
seiner Freiheit Gral zu streiten! Ein Land mir so verwandt
– Daß es dem Deutschen wert,
dafür zu fallen!! Ja, um
Ostpreußen oder Teile dieses Landes haben mehrere Staaten
immer wieder militärisch gerungen: Polen, Litauen, Russland,
Frankreich, England und eben auch der Deutsche Orden bzw. Deutschland. Zu
Beginn des 1. Weltkrieges war das südliche
Ostpreußen hart umkämpft. Die russische 1. Armee
rückte in das südliche Ostpreußen vor. In
einer Umfassungsschlacht wurde sie nahe bei Tannenberg von der
deutschen 8. Armee unter ihren ostpreußischen Offizieren Paul
von Hindenburg und Erich Ludendorff vernichtend geschlagen. Agnes
Miegel verfasste daraufhin ein Gedicht für Paul von
Hindenburg, dem Mann, der 1933 die Macht auf Adolf Hitler
übertrug. In dem Lob- und Jubelgedicht
„Hindenburg“ heißt es u.a.: „Das ist Er, Der
Verheißne, der Greis aus dem Berg Vergessenheit, Den
unsere Not gerufen. Er kam. Er hat uns befreit. Vergiß
ihn nie!“ Nie! Und ein verstörtes,
zerquältes Land Griff aufatmend nach seiner
mächtigen Hand Und lehnte sich wie ein Kind an seine
Knie!“ Infolge des Versailler
Friedensvertrages vom 10.01.1920 änderte sich die Situation
für die Bevölkerung in Ostpreußen. Es wurde
der sog. „polnische Korridor“ zur Ostsee
eingerichtet. Das deutsche Kernland war von Ostpreußen
getrennt und nur noch auf dem Seeweg oder in verplombten Zügen
mit teils geschlossenen und verhängten Abteilfenstern zu
erreichen. Agnes Miegel war über die Insellage
Ostpreußens sehr beunruhigt. Marianne Kopp behauptet daher,
dass „nicht ideologische Gründe“ sondern
allein die Beseitigung des „Korridors“ 1939 Agnes
Miegel bewogen habe, 1940 der NSDAP beizutreten. Nach
dem verlorenen Krieg 1918 entwickelten sich die Nationalkonservativen
der Deutschnationalen Volkspartei (DVNP) und die Nationalliberalen der
Deutschen Volkspartei (DVP) zur stärksten parlamentarischen
Kraft in Ostpreußen. Und obwohl Agnes Miegel die Zukunft bei
den Linken sah, standen ihr die Rechten im wahrsten Sinne des Wortes
doch sehr viel näher: „Rechts stehen meine
nächsten Blutsverwandten, stehn die Menschen, die ich hier am
höchsten achte, stehn Vorgesetzte und Menschen, die zu mir
hielten – und ich stehe innerlich nicht zu ihrer Sache, wie
sie sich auswuchs – so konservativ wie mein Wesen auch ist
– und ich weiß doch ziemlich genau, daß
ich mit Blut und Leben dafür einstehen werde.“ Denn
Agnes Miegel arbeitete von 1920 bis 1926 zunächst als
Berichterstatterin und später als Schriftleiterin für
das Feuilleton der Ostpreußischen Zeitung, „der
immer krasser deutschnationalen Zeitung und im Dienst der
Partei“. Es ist die Zeitung der DVNP, die 1920 offen den
Kapp-Putsch unterstützte, sich im Juni 1933 auflöste
und sich danach der NSDAP-Fraktion im Reichstag anschloss. Ab 1927
arbeitete Agnes Miegel als freie Mitarbeiterin für die
Königsberger Allgemeine Zeitung, die der national-liberalen
Deutschen Volkspartei nahestand. Huldigung an Adolf Hitler Dass
Agnes Miegel erst 1940 der NSDAP beigetreten ist, bewertet die
Agnes-Miegel-Gesellschaft als Beleg für eine
„weitgehend unpolitische Haltung der Dichterin“.
Sie war doch nicht das einzige Mitglied. Die Mitgliederzahl
„belief sich bereits 1939 auf 8,5 Millionen - darunter
natürlich auch Tausende Prominente.“
Natürlich. Und ahnungsvoll stellt die Miegel-Gesellschaft die
Frage nach dem Motiv ihres Eintrittes: „wie weit unter
politischem Druck?“. Wenn es Agnes Miegel doch schon bis 1940
ausgehalten hatte, warum hat sie es nicht noch weitere 5 Jahre
geschafft? Ganz einfach: Weil sie von Adolf Hitler und seiner
Kriegspolitik gen Osten total begeistert und von seinen
Blitzkrieg-Siegen wie besoffen war. Den zwei schreibenden Damen Ina
Seidel und Agnes Miegel, die selbst im „Dritten
Reich“ heimlich „Nazissen“ genannt worden
seien, gab Carl Zuckmayer großzügig das
Prädikat, sie seien zwar keine „Nazimegären
oder Frauenschaftsführerinnen“ geworden, aber
„einer völligen Hirnvernebelung“
verfallen, „in deren trübem Qualm sich Hitler als
der gottgesandte Erlöser der Deutschen“ dargestellt
habe. Wie sonst konnten ihrem Hirn solche Huldigungsgedichte wie
„Dem Führer“ bzw. „Dem Schirmer
des Volkes“, „An den Führer“
oder „An Deutschlands Jugend“ entweichen? Hier nur
kleine Ausschnitte aus den ersten beiden Gedichten: „Übermächtig Fällt
mich demütiger Dank, dass ich dieses erlebe, Dir noch
dienen kann, dienend den Deutschen Mit der Gabe, die Gott mir
verlieh!“ oder „Laß in
deine Hand, Führer! uns vor aller Welt bekennen: Du
und wir, nie mehr zu trennen, stehen ein für unser
Vaterland.“ Sowohl von Anni Piorreck als
auch von Marianne Kopp wurde behauptet, dass es sich z.B. bei dem
Gedicht „Dem Schirmer des Volkes“, das 1939
anlässlich des 50. Geburtstages von Adolf Hitler in dem Buch
„Dem Führer“ veröffentlicht
worden ist, um ein Auftragswerk des Reichspropagandaministeriums
gehandelt habe. Hans Carossa beschreibt in seinem Werk
„Ungleiche Welten“, dass er zu Beginn des Jahres
1939 zwei amtliche Briefe erhalten habe, „die beide einen
Glückwunsch zu Hitlers Geburtstag verlangen.“ Das
Gedicht „Dem Schirmer des Volkes“ ist aber schon
wortgleich vor dem 29.03.1936 unter dem Titel „Dem
Führer“ erschienen. Karl Plenzat schrieb dazu im
1938 erschienen Buch „Agnes Miegel – Werden und
Werk“: „Wie jung das Herz dieser Dichterin
geblieben ist, … zeigt ihre freudige und dankbare Bejahung
des Dritten Reiches, ihre verehrungsvolle Liebe zu unserem
Führer und Helden Adolf Hitler“. Und Karl Plenzat
nennt auch den Anlass für das Gedicht: „Als er
(Adolf Hitler – d.Verf.) sein Volk zum 29. März 1936
an die Wahlurne treten ließ, damit es sich zu seiner Politik
bekenne, die durch den Einmarsch deutscher Truppen ins Rheinland
Deutschlands Gleichberechtigung mit allen anderen Völkern
wiederhergestellt hatte, widmete sie ihm ein Lied, das keines Wortes zu
seinem Lobe bedarf, weil es für sich selbst spricht.“ Anni
Piorreck und Marianne Kopp haben es genauso wie Agnes Miegel bedauert,
dass man sich nur wegen dieser Gedichte im Nachkriegsdeutschland von
Agnes Miegel distanzierte. Als von Seiten ostdeutscher
Landsmannschaften und der niedersächsischen Landesregierung in
den 1950er Jahren mehrfach Anträge gestellt wurden, Agnes
Miegel das Große Bundesverdienstkreuz zu verleihen, teilte
das Bundespräsidialamt der niedersächsischen
Landesregierung im März 1959 mit, dass „der Herr
Bundespräsident im Interesse von Frau Miegel nicht
wünscht, dass bei einer Ordensverleihung ihr hymnisches
Gedicht auf Hitler abgedruckt wird.“ Nationalsozialistische Karriere Aber
um die bedingungslose Loyalität von Agnes Miegel
gegenüber der NSDAP und den Herrschenden des Nazireiches zu
belegen, bräuchte es eigentlich nicht des Hinweises auf die
genannten Gedichte. Es reicht schon, ihren Karriereweg im 3. Reich
aufzuzeigen: Anfang Mai 1933 wurde sie in die
gleichgeschaltete Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie
der Künste berufen. Am 28.05.1933 schrieb
Agnes Miegel an ihre Freundin Lulu von Strauß:
„...ich wende mich täglich mehr dieser neuen Zeit
zu. Sie ist für Deutschland, am allermeisten aber für
uns im Ostland nicht nur der neue Weg - sondern der einzige Weg,
unendlich hart und mühselig in seinen Anforderungen
für jeden...“ Am 26.10.1933
veröffentliche die Vossische Zeitung (Berlin) ein
Treuegelöbnis auf Adolf Hitler, dass von 88
Schriftsteller/innen und Dichter/innen – u.a. von Agnes
Miegel – unterzeichnet worden war: „Friede, Arbeit,
Freiheit und Ehre sind die heiligsten Güter jeder Nation und
die Voraussetzung eines aufrichtigen Zusammenlebens der Völker
untereinander. Das Bewußtsein der Kraft und der
wiedergewonnenen Einigkeit, unser aufrichtiger Wille, dem inneren und
äußeren Frieden vorbehaltlos zu dienen, die tiefe
Überzeugung von unseren Aufgaben zum Wiederaufbau des Reiches
und unsre Entschlossenheit, nichts zu tun, was nicht mit unsrer und des
Vaterlandes Ehre vereinbar ist, veranlassen uns, in dieser ernsten
Stunde vor Ihnen, Herr Reichskanzler, das Gelöbnis treuester
Gefolgschaft feierlichst abzulegen.“ Am
18.08.1934 erschien im Parteiorgan der NSDAP, dem
„Völkischen Beobachter“ der
„Aufruf der Kulturschaffenden“, der ebenfalls von
Agnes Miegel unterschrieben worden war: „Wir glauben an
diesen Führer, der unseren heißen Wunsch nach
Eintracht erfüllt hat. […] Der Führer hat
uns wiederum aufgefordert, im Vertrauen und Treue zu ihm zu stehen.
Niemand von uns wird fehlen, wenn es gilt, das zu bekunden.
[…] Wir setzen unsere Hoffnung auf den Mann“ und
„gehören zu des Führers
Gefolgschaft“. Der Aufruf erfolgte unmittelbar nach dem Tod
des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und in unmittelbarer
Vorbereitung der Volksbefragung zum „Gesetz über das
Staatsoberhaupt“, das die Vereinigung der Ämter des
Reichspräsidenten und des Reichskanzlers in der Person Adolf
Hitlers vorsah. 1936 erhält Agnes Miegel die
erste nach ihr benannte Plakette der NS-Kulturgemeinde, der
Nachfolgeorganisation des 1934 aufgelösten
nationalsozialistischen „Kampfbund für deutsche
Kultur (KfdK)“. Am 18.12.1936 erhielt sie den
Johann-Gottfried-von-Herder-Preis, ein durch die Nazis zur
Förderung preußisch-baltischer Kultur geschaffener
Preis. „Bald danach (Oktober 1933
– d. Verf.) kam in Ostpreußen die Hitler-Jugend zu
ihr, umgab sie mit Verehrung, holte sie zu Feiern und Lesestunden,
erbat von ihr Rat und Hilfe, (…) Hier und da hat sie auf
Anforderung auch ein paar Verse für die
‚Feiergestaltung‘ dieser Jugend
geschrieben.“ Daher verwundert es nicht, dass Agnes Miegel zu
ihrem 57. Geburtstag 1936 ein Glückwunschtelegramm des
„Reichsjugendführers“ Baldur von Schirach
erhielt. Am 10.05.1939 wurde „der größtem
lebenden deutschen Dichterin“ die Ehrennadel der
Hitler-Jugend verliehen. Durch ihre erfolgreiche Arbeit für
den BDM sei sie Vorbild für die gesamte deutsche Jugend.
Ehrenzeichen und Urkunde erhielt Agnes Miegel anlässlich des
Reichs-Führer- und Führerinnenlagers der HJ in
Braunschweig persönlich vom Reichsjugendführer
überreicht. 1937 wird Agnes Miegel Mitglied
in der NS-Frauenschaft und widmet der Reichsfrauenführer
Scholtz-Klink sogar ein Lobes- und Dankesgedicht in dem es u.a.
heißt: „Haus, das der Führer für
uns wie ein Vater erbaut hat. Das für uns Frauen dann Du, die
Frau, so wohnlich gestaltet.“ Am 08.03.1939
sprach einer der höchsten Repräsentanten der NSDAP,
Reichsleiter Martin Bormann, ein Grußwort zum 60. Geburtstag
von Agnes Miegel im Reichssender Königsberg. Am
30.081940 erhielt Agnes Miegel den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt.
Wie der Zufall es wollte, saßen im Verwaltungsrat der Stadt
Frankfurt seit 1935 sowohl Heinrich Himmler als auch Joseph Goebbels.
Letzter war sogar Mitglied des Preiskuratoriums. Aber
was konnte Agnes Miegel für all die Ehre, die ihr das
nationalsozialistische Regime antat? Und was sollte Agnes Miegel gegen
die Zwänge des nationalsozialistischen Systems mehr
unternehmen, als sich zu beugen? So zumindest betrachten es die
Biographinnen von Agnes Miegel und vergessen dabei, dass sich
unzählige Schriftsteller und Dichter – soweit sie
nicht von den Nazis gequält oder ermordet worden waren
– dem Einfluss der Nazis entzogen haben oder sich in die
Passivität zurückgezogen hatten. Lobeshymnen für den
Krieg Es kann sein, dass Agnes Miegel gute Bekannte
nicht mit dem Hitlergruß begrüßte. Es mag
auch sein, dass „das literarische Werke und die Korrespondenz
der ostpreußischen Dichterin … frei von Rassismus
und Antisemitismus“ und „Herabsetzung politisch
Andersdenkender“ war. Es gibt andererseits aber auch nicht
den geringsten Hinweis dafür, dass sie sich diesen
„Elementen, ohne die nationalsozialistische Gewaltherrschaft
und Holocaust nicht denkbar sind“, entgegengestellt
hätte. Aber letztendlich hat sie vom nationalsozialistischen
System persönlich profitiert und partizipiert und war als
beliebte ostpreußische Heimatdichterin zu einem
„literarischen Aushängeschild“ des
NS-Regimes avanciert. Agnes Miegel bot sich mit
ihrer „Heimatliteratur“,
„Neoromantik“ sowie
„Blut-und-Boden-Literatur“ den Nazis
förmlich an. Sie entsprach deren ideologischem Anspruch als
auch deren Kunstgeschmack. Sie fühlte sich von den Nazis
gebauchpinselt und diente sich ihnen regelrecht an. Mit ihren Werken
war sie geistige Vorbereiterin als auch Wegbegleiterin des Zweiten
Weltkrieges. Das Vortragsamt beim Reichsminister
für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Joseph
Goebbels gab ab 1937 jährlich Vorschlagslisten heraus. Damit
sollten die Behörden „alle am literarischen
Vortragswesen interessierten Stellen anregen, sich durch Ansetzung von
Dichterlesungen, Schriftstellervorträgen und literarischen
Sprechkunstabenden in den Dienst der Pflege und Förderung
unseres Schrifttums zu stellen. Sie (die Liste – d.Verf.)
will dem Vortragsveranstalter ein nützliches und notwendiges
Hilfsmittel bei der Planung seines Vortragsprogramms sein.“
Innerhalb der Vorschlagslisten war ein Kern von Autoren in jeweils
einer »Allgemeinen Dichterliste« zusammengefasst.
Hierin fanden sich die Namen derjenigen Schriftsteller, denen das
herausgebende Vortragsamt eine die regionale Zugehörigkeit
überragende Bedeutung zumaß. Zu diesem Kern von
reichsweit einsetzbaren und somit für die Literaturlenkung
besonders geeigneten Dichtern rechnete das Vortragsamt in allen
Ausgaben von 1938 bis 1942 u.a. auch Agnes Miegel. Der
Beginn des Zweiten Weltkrieges war für Agnes Miegel die
Hoffnung, für die sie gelebt und gewirkt hatte und wie sie es
in ihrem Gedicht „Viktoria“ beschrieben hat, dass
erstmals am 15.05.1938 veröffentlicht worden ist. Dort
heißt: „Tiefer
trinkst du den Herbstwind und blickst in die Wolken als siehst du Zu
dir fluten dein Heer zum Siegen und Sterben bereit. Und du
lachst wie ein sorgloses Kind.“ Schon im
Gedicht „Über der Weichsel
drüben“ vom 11.07.1920 gab Agnes Miegel von sich: „Denke der Zeiten, die
dich jung gesehn! ‚Nach Ostland wollen wir reiten, Nach
Ostland wollen wir gehen, Fern über die
gründen Heiden, Fern über die blauen
Seen!‘ Entgegen der Darstellung von
Marianne Kopp erscheint ein ähnlicher Aufruf ein zweites Mal
in der chorischen Dichtung „Memelland“, die am
26.09.1935 im Reichssender Königsberg unter Mitwirkung des
nationalsozialistischen „Bundes Deutscher
Mädel“ erstaufgeführt wurde: „ ‚Nach
Ostland wollen wir reiten, Nach Ostland wollen wir gehen.` Ich
hatte in langen Zeiten so stolze Jugend nicht
gesehn.“ In Ihrem Gedicht „An
Deutschlands Jugend“ ruft sie unmittelbar nach Kriegsbeginn
die Jugend und alle Deutschen zum frühen Kampf auf: „Wir stehen, wir
Deutsche, Volk das zu Volk fand, folgend dem Ruf des
Führers, Stehen zum erstenmal, nicht Gatten und
Brüder, Nur allein, wir stehen, Frauen und Kinder, Alle
im Kampf und stehen gefaßten Herzens, Auf uns zu
nehmen wie sie die Schrecken des Krieges: Feuer und Nacht und
Not und grausames Sterben, Wie es das Schicksal
bestimmt.“ Unzählige
Werke beschreiben den Krieg der Deutschen in Vergangenheit und in ihrer
Gegenwart um die Herrschaft über die Ostgebiete in polnischer,
litauischer oder russischer Hand. Für einen solchen Krieg war
sie bereit, Mord und Totschlag billigend in Kauf zu nehmen.
Dafür wirkte sie unermüdlich. Sie stellte ihre
Gedichte in Feldpostausgaben, „Tornisterschriften“
der Wehrmacht, in Schriften der Truppenbetreuung und in
Soldaten-Zeitschriften zur Verfügung. Nach dem 20.09.1939 geht
sie „unermüdlich, über alle Strapazen
hinwegsehend, mit Kräften, die plötzlich wieder da
waren, über die sie sich selber wunderte“ auf lang
vorbereitete Lesefahrten – zunächst nur nach
Mitteldeutschland und Westdeutschland in Soldatenheime und zu
Verwundeten und später auch bis nach Russland.
Während der Fahrten zu den Lesungen steht Agnes Miegel
stundenlang in den überfüllten kalten Zügen,
findet abends im verdunkelten Königsberg nur mühsam
nach Hause. Sie hielt durch, bis sie 1944 in die
„Sonderliste A“ der „Unersetzlichen
Künstlern“ der sog.
„Gottbegnadeten-Liste“ aufgenommen wurde. Damit war
sie – neben fünf weiteren Schriftstellern
– „in Würdigung ihrer besonderen
künstlerischen Fähigkeiten“ von jeglichem
Kriegseinsatz befreit. Aber auch für die
kriegerische Haltung der Dichterin findet die Agnes-Miegel-Gesellschaft
eine Entschuldigung. Agnes Miegel habe in den Gedichten doch auch schon
den „Weltenbrand und Untergang“ vorausgesehen. Die
Agnes-Miegel-Gesellschaft hat jedoch die von ihr fehlinterpretierte
Stelle des Gedichts „Dem Führer“ (1936)
aus dem Zusammenhang gerissen. Vollständig heißt es
nämlich dort: „Und
er lehrte dich, o Volk, erkennen: Du bist aller Zukunft Herz
und Pfand! Wenn aus deinem First die Flammen steigen, wird
des weißen Mannes Welt entbrennen, wenn sich deine
Sonnenfahnen neigen, sinkt die Nacht über das
Abendland!“ Es handelt sich hierbei eher um
eine Kriegsdrohung mit der Stärke des Führers und des
deutschen Volkes, die im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte des
Gedichtes zu sehen ist. Das Gedicht sollte das deutsche Volk
aufputschen, um es zur Wahlurne zu treiben und die Zustimmung
für die Besetzung des Rheinlandes durch deutsche Truppen zu
erhalten. Bekanntlich waren Truppenteile der Wehrmacht am 7.
März 1936 als Reaktion auf die Ratifizierung des
Französisch-Sowjetischen Beistandsvertrages am 27. Februar
1936 in die entmilitarisierte Zone im Rheinland einmarschiert. Und
noch vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion habe Agnes Miegel
den „bevorstehenden Verlust ihrer Heimat
Ostpreußen“ prophezeit. Auch hier hat die
Agnes-Miegel-Gesellschaft unredlicher Weise ein verkürztes
Zitat aus dem Zusammenhang gerissenen, um Agnes Miegel zu entlasten. So
schreibt Agnes Miegel in dem Buch „Dichter schreiben
über sich selbst“ auf Seite 59: „Und so
sage ich jetzt, wo der Abschied mit jedem Abend näher kommt zu
dem Land zwischen Weichsel und Memel, wie der Samurai zu der edlen
Braut, der er sich vor dem Schrein seiner Ahnen verlobt: Ich
vermähle mich dir für die nächsten vier
Inkarnationen.“ Scheinbar hatte Agnes Miegel die Absicht,
nach ihrem Tode immer wieder neu in unserer Welt aufzutauchen. Agnes
Miegel hat mit dem Abschied also vielmehr ihren eigenen Tod als den
Verlust der Heimat gemeint. Dazu braucht es allerdings keiner
Vorhersehung. Entnazifizierung Marianne
Kopp behauptet mit Hinweis auf Richard Wagner, dass sich Agnes Miegel
der Verlogenheit der Instant-Entnazifizierung verweigert“
habe. Dabei verweisen die rechten Verteidiger von Agnes Miegel selbst
gebetsmühlenartig auf ihr Entnazifizierungsurteil von 1949:
„Frau Dr. h.c. Miegel ist entlastet. (Kategorie
V)“. Danach könne sie „nicht als
Unterstützerin der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
angesehen werden, da sowohl Motive wie Handlungen niemals NS-Geist
verraten haben. Das wird von allen Zeugen bestätigt und ist
zudem allgemein bekannt.“ Mit diesem Urteil wurde
gleichzeitig das über Agnes Miegel verhängte
Veröffentlichungsverbot aufgehoben. Ab dem
Frühjahr 1946 waren Deutsche von den Briten offiziell an der
Durchführung der Entnazifizierung beteiligt worden. Ende 1947
hatten die Briten die Verantwortung für die Entnazifizierung
weitgehend in deutsche Hände gelegt. Waldemar Augustiny wurde
zum Vorsitzenden des Entnazifizierungsausschusses in
Osterholz-Scharmbeck berufen. So konnte er guten Freunden wie Georg
Grabenhorst, ehem. Landesleiter der Schrifttumskammer Hannover, August
Hinrichs, ehem. Landesleiter der Reichsschrifttumskammer Weser-Ems, und
eben auch Agnes Miegel einen „Persilschein“
ausstellen. Im Rahmen des „Freundeskreis Niederdeutscher
Schriftsteller“ sahen sich Waldemar Augustiny und Agnes
Miegel regelmäßig wieder. Besonders
kritisierte aber der Ardey-Verlag, dass auf einer Seite des Buches von
Marianne Kopp, wo es um das Entnazifizierungsverfahren Miegels geht,
der NS-Schriftsteller Hans Grimm zitiert wird, ohne auf dessen enge
Verstrickung mit dem NS-Regime hinzuweisen. Hans Grimm hatte Agnes
Miegel zu deren Entlastung eine Beurteilung zur Verfügung
gestellt. Er hatte ihr bescheinigt, dass sie „in
Königsberg, als sie die zunehmende Bedrohung des deutschen
Ostens merkte, der NSDAP beitrat, weil sie zu sehen glaubte, dass die
NSDAP dort am stärksten alle deutschen Klassen in Achtung
zusammenfasse und also am sichersten eine Gemeinschaftshilfe gegen die
Gefahr aus Russland, aus Polen und aus Litauen herbeiführe.
[...] Dass sehr menschliche Schwächen dem Parteibetrieb
anhängen könnten, war ihr, wie ich aus Unterhaltungen
weiß, bei der Sauberkeit und Wärme ihres Herzens
vollkommen unfassbar.“ Nachkriegszeit Erich
Wiechert, ostpreußischer Dichter, hatte unmittelbar nach 1945
einen Wunsch an Agnes Miegel: „Wir wollen ihr nichts
Böses tun, aber sie soll ihr Leben in Schweigen zu Ende
führen.“ Hat sie aber nicht. Sie hat zwar bis zu
ihrem Tode am 26.10.1964 nur noch wenig Literarisches geschaffen, erst
recht keine Huldigungsgedichte mehr. Dafür hat sie sich aber
zu ihrer Schuld geäußert: „Auf Ihre
Anfrage über meine Stellung zum Nationalsozialismus kann ich
nur sagen, dass ich, die Grenzdeutsche, mich aus Idealismus dazu
bekannte, wie die vielen wertvollen Menschen, die ich darin fand, -
denen wie mir, alles, wofür wir einstanden, zusammengebrochen
ist (...)“ Passend dazu gab es auch noch ihr Gedicht
„Der Apfel“: „Jener Apfelbiss war
doch zum Segen, Was es auch an Schlimmen gegeben, - Mir
gefällt dieses Leben.“ Ja, ja, der
Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Bei Erich
Wiechert hörte sich das da schon ganz anders an: „Wir säten
Tot, wir säten Qual, auf unsren Stirnen brennt das
Mal, wir büßen, wir
büßen.“ Karl-Georg Mix
schätzte in „Deutsche Flüchtlinge in
Dänemark 1945 – 1949“ die Haltung der
berühmten Dichterin so ein: „Für Agnes
Miegel war alles furchtbare Geschehen zwischen 1933 und 1945 nicht
vergessen, aber wie ein Kokon verpuppt, eine Erinnerung an eine
frühere Existenz, ohne gegenwärtige Verantwortung.
Alles war Schicksal. … Es gab keine Ansätze von
Schuldbewusstsein, was es auch an Schlimmem gegeben hatte.“ Und
im Übrigen: Agnes Miegel wollte niemanden an ihrer
persönlichen Aufarbeitung teilhaben lassen außer
einen: „Dies habe ich mit meinem Gott alleine abzumachen und
mit niemand sonst.“ Na, der wird sich gefreut haben. Marianne
Kopp erweckt in ihren Darstellungen immer wieder den Eindruck, dass
Agnes Miegel doch nur Vieles mit sich hat machen lassen. „An
ihrem Alterswohnsitz in Bad Nenndorf (seit 1948) versuchten ehemalige
BDM-Führerinnen immer wieder, sich um die inzwischen alte
Dichterin zu kümmern, welche damals in schwierigen
finanziellen Verhältnissen lebte. Wie aus Briefen Agnes
Miegels hervorgeht, war diese organisierte Fürsorge der
Dichterin eher unangenehm, und sie versuchte immer wieder
abzuwinken.“ Auch dieser Versuch scheint ihr schicksalshaft
nicht gelungen zu sein. Agnes Miegel ließ immer all das zu,
was ihrer eigenen Überzeugung entsprach. So ließ sie
es zu, dass ihr alter und neuer Verlag der rechtsextremen Zeitschrift
„Nation Europa“ die Genehmigung zum Abdruck einiger
ihrer Gedichte erteilte. Kein Wunder, denn diese Zeitschrift ist von
Menschen gegründet und betrieben worden, von denen Agnes
Miegel viele aus alter Zeit kannte. So kannte sie deren
Gründer Herbert Böhme. Auch Hans Grimm publizierte
fleißig in der Zeitschrift. Warum sollten da also nicht auch
Gedichte von Agnes Miegel drin stehen? Schließlich durfte
doch auch das „Ostpreußenblatt“ der
Landsmannschaft Ostpreußen regelmäßig die
Leserschaft mit Gedichten und Geschichten von Agnes Miegel
beglücken. Traf nicht auch dieses Blatt den Nerv von Agnes
Miegel? „Ich kann mich nicht erinnern, unter den vielfachen
dort veröffentlichten Erinnerungen an Leben und Geschehnisse
in der alten Heimat je Beiträge gefunden zu haben, die sich
mit dem Nationalsozialismus in Ostpreußen auseinandergesetzt
oder über NS-Verbrechen dort genauer informiert
hätten. Das braune Themenfeld wird aus der Erinnerung
ausgeblendet, ebenso wie Leben und Schicksal der jüdischen
Ostpreußen.“ resümierte Reinhard Henkys
vom Verein „Gegen Vergessen – Für
Demokratie“. Und in der Satzung der Landsmannschaft
hieß es noch bis November 2008: "Sie fordert für die
angestammte ostpreußische Heimat, von der die
Ostpreußen seit dem Jahr 1945 unter Bruch des
Völkerrechts und Verletzung der Menschenrechte getrennt sind,
die Wiederherstellung des vor der Vertreibung und Okkupation
bestehenden Rechtsstandes…Die Landsmannschaft erstrebt die
Wiedervereinigung Ostpreußens mit ganz Deutschland in Frieden
und Freiheit." Irgendwie fühlt man sich bei dieser Sichtweise
an die Demagogie der sog. „Friedensrede“ Adolf
Hitlers vom 17.05.1933 erinnert. Und weil Agnes Miegel der
Landsmannschaft die Treue hielt, erhielt sie am 1962 deren
höchste Auszeichnung: das Ostpreußenschild, ein
handtellergroßes Emaille an einer Halskette. Diese
Auszeichnung darf nicht von mehr als 15 lebenden Personen getragen
werden und wird jeweils am 25. Februar verliehen, dem Tag an dem im
Jahre 1947 durch Beschluss des Alliierten Kontrollrates die
Auflösung des preußischen Staates verfügt
wurde. Das Preußenschild soll diejenigen ehren, die sich in
außergewöhnlicher Weise um Ostpreußen
verdient gemacht haben. Dass
ausgerechnet der damalige regierende Bürgermeister von Berlin
und frisch gekürte Kanzlerkandidat, Willy Brandt, der alten
Dame aus Anlass ihres 82. Geburtstages am 01.06.1961 die Aufwartung
machte, war entweder Unwissenheit über ihre Vergangenheit,
eine politische Dummheit oder der Versuch, am rechten
Wählerrand zu fischen. Noch heute ergötzen sich die
nationalistischen Fürsprecher von Agnes Miegel an diesem
offiziellen Besuch und instrumentalisieren Willy Brandt als Beweis
dafür, dass die politische und persönliche Schuld der
Dichterin nicht so groß gewesen sein kann. Wer war…. Waldemar Augustiny? Waldemar
Augustiny setzte sich im 3. Reich für eine von fremden
Einflüssen freie deutsche Kunst ein, die "mit der Landschaft
und den Menschen der Heimat verwurzelt sein sollte". 1933 erschien sein
erster Roman "Die Fischer von Jarsholm", demzufolge eine Gemeinschaft
"nur unter Opfern" geboren werden kann. Die dörfliche
Gemeinschaft der Fischer in AugustinysWerk ist "Modell für die
Volksgemeinschaft". In seinem erfolgreichen zweibändigen Roman
"Die große Flut. Chronik der Insel Strand" propagierte
Augustiny1943 "in übler Form das Gebot der Rassentrennung und
der Reinhaltung der Rasse". "Eine Tochter, die von einem Fremden ein
Kind erwartet, verdient nichts anderes als den Tod durch das Wasser".
Um sein Werk ungestört fortsetzen zu können, wurde
Waldemar Augustiny vom Wehrdienst freigestellt. 1950 charakterisierte
Augustiny sich selbst als Standhaften, der Wahres gedacht und das
Eigene nicht verleugne. Doch Augustiny war auch
Journalist und schrieb für diverse Zeitungen, darunter so
illustre Blätter wie die „Niedersächsische
Tageszeitung -Kampfblatt für den
Nationalsozialismus“, die „Westfälische
Landeszeitung –Amtliches Blatt der NSDAP“ und
für den „Schlüssel“, einer Bremer
Kulturzeitschrift, die von dem Bremer Bürgermeister und
Obergruppenführer der SA Nordsee Johann Heinrich
Böhmker (wegen seiner rohen Brutalität intern auch
„Latten-Böhmker“ genannt) herausgegeben
wurde. Böhmker war wiederum als Schirmherr des Eutiner
Dichterkreises ein Vertrauter Augustinys und lobte den
„Schlüssel“, dass der sichtbar seine
nationalsozialistische Ausrichtung erwiesen habe. Im
„Schlüssel“ also schrieb Augustiny so
bemerkenswerte Zeilen wie „...erst mit der
Neuschöpfung des Reiches war die allgemein verpflichtende
geistige Grundlage gegeben, überall und auf breiter Basis
Künstler und Kunsthandwerker zu einheitlichem Zusammenwirken
aufzurufen.“ Hans
Grimm? 1926 erschien der Roman von Hans Grimm
„Volk ohne Raum“ und machte ihn schlagartig
bekannt. Darin propagierte er den Erwerb von Lebensraum als
Lösungsstrategie für die wirtschaftlichen und
politischen Probleme der deutschen Republik. 1933
wird er zum Senator in der Deutschen Akademie für Dichtung
ernannt und nimmt in der Reichsschrifttumskammer die Funktion des
Präsidialrates wahr. 1936 gründete
Grimm die Zeitschrift „Die neue Literatur“, in der
er sich klar für die Herrenrasse ausspricht. Im
„Dritten Reich“ sah er die einzige
Möglichkeit, seine kolonialen, sozialen und nationalistischen
Ideen zu verwirklichen. In Hitler sah er noch nach 1945 einen
„Reformator“. Nach Ende des
Zweiten Weltkrieges war er einer der ersten, die versuchten, den
Nationalsozialismus zu verteidigen. Er publizierte in der
rechtsextremen Monatsschrift „Nation und Europa“.
Bei der Bundestagswahl 1953 kandidierte Grimm auf der Liste der
rechtsextremen Deutschen Reichspartei. Herbert Böhme? Am
1. Mai 1933 wurde Herbert Böhme Mitglied der NSDAP und trat am
01.09.1933 der SA bei. Er wurde Mitglied im Kulturkreis der obersten
SA-Führung. Nach 1933 wurde er
Abteilungsleiter für Dichtung beim Reichssender Berlin. 1934
gab er die Gedichtsammlung „Rufe in das Reich“
heraus, die mehrere Gedichte von Agnes Miegel enthält. 1935
avancierte er zum Hauptschriftleiter in der Reichsleitung der NSDAP und
war Leiter der Fachschaft Lyrik der Reichsschrifttumskammer. Im Meyers
Lexikon von 1936 wird Böhme als „Leidenschaftlicher
Verkünder der Ideale des Dritten Reichs“ beschrieben. Ab
1937 war er für die Reichspropagandaleitung der NSDAP sowie
als Lektor des NSDAP-Zentralverlags tätig. Nach
1945 war er einer der wichtigsten rechts-extremen
Kulturfunktionäre. Er war Mitglied im Witikobund und
gründete zur Pflege nationalistischen Kulturgutes 1950 das
Deutsche Kulturwerk Europäischen Geistes (DKEG). 1951 war er
Mitgründer und Herausgeber der Zeitschrift der DKEG
„Klüter Blätter“, die 1982 in
„Deutsche Monatshefte“ umbenannt wurde und 1990 mit
„Nation Europa“ (NE), einer Zeitschrift, die
Böhme 1951 zusammen mit Arthur Ehrhardt gegründet
hatte, zu „Nation und Europa“ fusionierte. Agnes Miegel als Namenspatronin Insbesondere
von den ostpreußischen Flüchtlingen und
Vertriebenen, die sich i.d.R. in der Ostpreußischen
Landsmannschaft organisierten, wurde Agnes Miegel nach 1949 zur
„Mutter Ostpreußens“ hochstilisiert. Agnes
Miegel war für sie eine Identifikationsfigur, deren
heimatbezogene Werke nicht nur in Veranstaltungen der Landsmannschaft
Ostpreußen sondern bis in die 70er Jahre auch in vielen
Schulbüchern zitiert wurden. Die nationalsozialistische
Vergangenheit der Dichterin war hingegen tabu. Zahlreiche
Schulen wurden seit 1950 nach Agnes Miegel benannt. Eine davon war die
evangelische Volksschule in Alsdorf/Siedlung Ost, die ihren Namen 1960
erhalten hatte. Und im Foyer der Schule hingen – wie es in
der damaligen Kalten-Kriegs-Zeit halt üblich war –
nahe des Schriftzuges „Agnes-Miegel-Schule“ die
Wappen aller ehemaligen ostdeutschen Gebiete. Die Zahl der
„Agnes-Miegel-Schulen“ ist kontinuierlich
geschrumpft. So gibt es die Schule in Alsdorf nicht mehr. In NRW wurden
Schulen in Düsseldorf-Golzheim und Willich-Schiefbahn
umbenannt. Vor
allem in den Siedlungen, die zur Unterbringung von
Flüchtlingen und Vertriebenen gebaut worden waren, wurden nach
deren Fertigstellung seit 1955 Straßen, Wege und
Plätze nach Agnes Miegel benannt. Insgesamt existierten noch
vor wenigen Jahren 101 in ganz (West-)Deutschland. Die Zahl ist
inzwischen auf 92 geschrumpft, weil 9 Stadt- und Gemeinderäte
den Mut zur Umbenennung aufgebracht hatten. In einigen weiteren
Städten wird derzeit über eine Umbenennung
diskutiert. In 12 Städten klappte das nicht. Zu diesen
Städten gehört leider auch Herten. Der dortigen
SPD-Mehrheit war es weder peinlich, dass ausgerechnet die
Straße, die über das ehemalige Gelände des
Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlagers der Zeche Schlägel
& Eisen führt, nach Agnes Miegel benannt wurde noch
dass dieser Name nach einer Abstimmung im Rat der Stadt am 27.06.2001
überraschend beibehalten wurde. Immerhin verständigte
man sich darauf, einen Zusatz zum Straßenschild anzubringen,
was aber bis heute nicht in die Tat umgesetzt wurde. Das einzige, was
an die Schrecken dieses Ortes erinnert, ist eine
„Stolperplatte“ in Erinnerung an das Lager, die der
VVN-Bund der Antifaschisten mit Unterstützung der Stadt Herten
2004 am Fuße des Verkehrsschildes in den Boden eingelassen
hat. Die einfachen Argumente gegen eine Umbenennung entsprechen denen,
die z.B. der NPD-Unterbezirk Oberweser in Gemeinschaft mit den freien
Kräften der Kameradschaft Hildesheim angeführt hat: „Wenn
es zu einer Umbenennung kommt, werden immense Kosten entstehen. Nicht
nur der kostenpflichtige Verwaltungsaufwand, durch das Ändern
von Personalausweisen, Fahrzeugpapieren und Grundbucheinträge
kommt auf die betroffenen Bewohner der Agnes-Miegel-Straße
zu. Nein, es werden auch Straßenkarten,
Navigationsgeräte, Adressaufkleber und vieles mehr
geändert werden müssen.“ Für die
Neofaschisten kommt jedoch noch ein weiteres Argument hinzu:
„Doch in erster Linie müssen wir den Namen dieser
Straße erhalten, weil Agnes Miegel eine deutsche
Schriftstellerin gewesen ist. Sie ist eine Heimatdichterin, und als
solche für den gesamten deutschsprachigen Raum von
historischer Bedeutung. Besonders für die aus
Ostpreußen vertriebenen Deutschen hat sie einen hohen
Identifikationswert.“ Anwohner von
Agnes-Miegel-Straßen, die sich gegen eine Umbenennung zur
Wehr setzen, können sich im Übrigen auf ein Urteil
des Oberverwaltungsgerichtes NRW stützen, dass folgende
Leitsätze beschlossen hat: „1. Der Beschluss zur
Umbenennung einer Straße ist ein adressatloser sachbezogener
Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung. 2. Die
Straßenbenennung erfolgt ausschließlich im
öffentlichen Interesse. 3. Bei einer
Straßenumbenennung sind die für die Anlieger dadurch
ausgelösten nachteiligen Folgen in die Ermessensentscheidung
einzubeziehen. Die Anlieger verfügen insoweit über
eine die Klagebefugnis begründende eigene Rechtsposition
(Fortentwicklung der Rechtsprechung). 4. Die Zuständigkeit
einer Bezirksvertretung zur Straßenumbenennung bemisst sich
nach der objektiven Bedeutung dieser Angelegenheit im Hinblick auf die
Stadt.“ Die antragstellende Anwohnerin
hatte allerdings das Verfahren verloren. Das Gericht
begründete dies im Urteil wie folgt: „Der angefochtene
Umbenennungsbeschluss ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die
Belastung, die die Klägerin durch die Umbenennung
erfährt, unverhältnismäßig
wäre. Die Umbenennung liegt im weiten Ermessen der
Antragsgegnerin. Mit der Benennung einer Straße nach Personen
will die Stadt … verdiente Personen würdigen. Dabei
ist Voraussetzung, dass bei Personen überregionaler Bedeutung
das Geschichtsbild abgeklärt ist. Die Stadt will es also
vermeiden, wegen eines Straßennamens in eine Diskussion um
das Geschichtsbild von Personen hineingezogen zu werden. Dies ist ein
legitimes Benennungsinteresse. Mit der hier erfolgten Umbenennung wird
angesichts der öffentlichen Diskussion um D. E. genau dieses
Interesse verfolgt. Diesem anerkennenswerten Interesse stehen
unzumutbare gegenläufige geschützte Interessen der
Antragstellerin nicht entgegen. … Soweit die Antragstellerin
eine Kostenbelastung in Höhe von 150.000 Euro geltend macht,
vermag dies die Rechtmäßigkeit des
Umbenennungsbeschlusses nicht in Frage zu stellen.“ Insoweit
ist die Chance für Anwohner, gegen eine Umbenennung einer
Agnes-Miegel-Straße vor Gericht zu obsiegen, als fast
aussichtslos einzuschätzen und nur dann gegeben, wenn
unverhältnismäßig hohe und zwingende Kosten
nachgewiesen werden könnten. Dieser Artikel
bietet insoweit genügend Hintergrundinformationen, mit denen
ein Antrag auf Umbenennung einer Agnes-Miegel-Straße im
jeweiligen Rat erfolgreich begründet werden kann. Weitere
umfassende Informationen sowie Quellenhinweise zu diesem Artikel: http://www.vvn-bda-re.de/index.php?site=textsite&textsite=Faschismus%20in%20Herten
17.12.2011 von Detlev
Beyer-Peters, Vorsitzender der VVN-Bund der Antifaschisten,
Kreisvereinigung Recklinghausen e.V. |