24.02.2012 Protest und Zivilcourage gegen Rechts wird
kriminalisiert - ein Gespräch mit Heinrich Fink Unter dem Vorwand der
Rädelsführerschaft wurden durch die Polizei in
Dresden am 13. Februar die Personalien von Heinrich Fink,
langjähriger Bundesvorsitzer der VVN-BdA (Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und
Antifaschisten) kontrolliert. Damit sollen offenbar Heinrich Fink und
mit ihm wieder einmal antifaschistisches Engagement und vor allem die
VVN-BdA kriminalisiert werden. Die UZ sprach mit Heinrich Fink
darüber, sowie über antifaschistische Aktionen und
die Rolle der sächsischen Justiz und Polizei. UZ: Alle guten Dinge
sind drei! Nach den erfolgreichen antifaschistischen Aktionen 2010 und
2011 stießen die Faschisten in diesem Jahr am 13. und am 18.
Februar in Dresden auf einen noch breiteren Widerstand. Allerdings
konnten sie in diesem Jahr am 13. Februar unter Polizeischutz
aufmarschieren und ihre Aktion starten – wenn auch nur auf
einer verkürzten Route. Am 18. Februar wichen sie auf andere
Städte aus. Allerdings mit jämmerlichen Resultaten.
Sind zumindest in Dresden nun wirklich alle guten Dinge drei? Heinrich
Fink: Ja! Über 6 000 demokratisch gesonnene
Bürgerinnen und Bürger haben es zum dritten Mal
geschafft, den jährlichen Großaufmarsch der Neonazis
am 13. Februar zur Erinnerung an das Bombardement in Dresden auf der
von ihnen angemeldeten Strecke zu verhindern. Aber sie durften 1 200
Meter marschieren, sogar mit Fackeln, obwohl – wie mir ein
sächsischer Abgeordneter sagte – dies nicht
offiziell genehmigt war. Ein martialisches Polizeiaufgebot mit
Wasserwerfern und Pferdestaffeln sicherten den Nazis den Weg, mit
Gitterabsperrungen vor den Gegendemonstranten, die ihnen die
Straße blockieren wollten. Ich schließe daraus,
dass in Sachsen Demokratie, wo die NPD im Landtag sitzt, nur mit
Neonazis denkbar ist. Der Aufwand, der betrieben wurde, um den
„Trauermarsch“ zu ermöglichen, steht in
keinem Verhältnis zu der Aufklärung zu dem
militanten, politischen und sozialen Umfeld der sogenannten
„NSU“ zu den spärlichen
Ermittlungsergebnissen der sächsischen
Ermittlungsbehörden der Neonazi- Morden. Der laute Ruf der
protestierenden Bürger, dass Dresden nazifrei sein
müsse, war nicht zu überhören. UZ: Die
sächsische Regierung, die Justiz und Polizei des Landes haben
bislang mit allen Mitteln versucht, die antifaschistischen Proteste
2010 und 2011 zu kriminalisieren. Das betraf auch die Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und
Antifaschisten (VVN-BdA) und setzt sich doch wohl – wie du am
13. Februar selbst erfahren musstest – ungebrochen fort? Heinrich Fink: Die
Dresdner Polizei und Staatsanwaltschaft ergehen sich in immer
abenteuerlicheren und absurden Konstrukten und Anschuldigungen gegen
Antifaschistinnen und Antifaschisten. Noch ein Jahr nach den
erfolgreichen Blockaden in Dresden 2011 sucht der Ermittlungsapparat
nach deren „Rädelsführern“, aber
nicht Antifaschistinnen und Antifaschisten haben in Dresden den
„Landfrieden“ gebrochen, sondern die
sächsische Politik und Polizei, die jeglichen Protest und
Zivilcourage gegen Rechts zu kriminalisieren versucht. Die
sächsische Demokratie hat also Nachhilfe bitter
nötig. Nach Ende des Protestes hingegen kontrollierten
Polizisten überraschend meine Personalien. Sie hatten Bilder
aus der Kamera eines Wasserwerfers auf die antifaschistischen
Gegendemonstranten gerichtet war mit Fahndungsbilder von den Protesten
im vergangenen Februar 2011 abgeglichen und glauben, einen
„älteren Herrn mit VVN-BDA-Fahne“ in mir
wiedererkannt zu haben, nach dem wegen Teilnahme an den Blockaden
gefahndet wird. Ich war aber 2011 gar nicht in Dresden. Der Polizist
argumentierte, dass der Mann auf dem Bild aber auch eine VVN-Fahne
trage. UZ:
Ministerpräsident Tillich beteiligte sich nach Medienberichten
am 18. Februar – zuvor am 13. Februar andere CDU-Vertreter
– zumindest am Rande an Antinazi-Aktionen. Ist das angesichts
der bisherigen Verfolgungen von Antifaschistinnen und Antifaschisten
durch die sächsische Justiz und Polizei etwa ein Zeichen
für Einsichten oder gar einen Politikwechsel? Oder sollen nur
die NSU-Geschichte und der ganze Skandal
„ausgesessen“ werden? Heinrich Fink: Sie
spielen ein Glasperlenspiel. Sie kriminalisieren antifaschistische
Aktionen und Engagement von Antifaschisten und behindern sie massiv.
Hausdurchsuchungen, massenhafte Funkzellenabfrage und Verfahren wegen
so genannter krimineller Vereinigung, Landfriedensbruch und Sprengung
von Versammlungen zeugen davon, dass alle Mittel recht sind, um
Nazigegner zu schikanieren. Hingegen betonen sie immer wieder, dass die
NPD ja eine zugelassene Partei ist, im Landtag in Sachsen und
Mecklenburg sitzt, von daher auch das Recht hat, unter dem Schutz der
Demokratie zu stehen. Wenn es ein Politikwechsel wäre,
hätten die den protestierenden Dresdnern und Dresdnerinnen in
bundesweiter antifaschistischer Solidarität erreicht. Ein
Zeichen der Einsicht wäre, die NPD zu verbieten. UZ: Wie kann jetzt
– durch die VVN-BdA, durch alle anderen antifaschistischen
Kräfte – der Druck erhöht werden auf die
Regierenden, endlich die NPD und alle anderen faschistischen Parteien
und Organisationen aufzulösen und zu verbieten? Heinrich Fink: Vor
allem sollte die Gemeinsamkeit aller derer, die das NPD - Verbot
wirklich wollen, gestärkt werden. Wichtig ist die Haltung der
Gewerkschaften, die nicht nur eine kurze Gedenkminute in den Betrieben
für die Opfer des Naziterrors durchführen sollten,
sondern in den Betrieben und auf der Straße noch machtvoller
das NPD-Verbot verlangen sollten – mit Delegationen, die zu
den Politikern gesandt werden, mit Mahnwachen und Demonstrationen. Es
sollte vielfältig die Unterschriftensammlung der VVN-BdA
„NoNPD“ unterstützt werden. Die SPD sollte
dort, wo sie regiert, nicht nur das NPD-Verbot fordern, sondern auch
die Hemmnisse beseitigen, und das heißt: Endlich den Skandal
beenden, dass der Geheimdienst mit V-Leuten die NPD
unterstützt und unkontrolliert gegen Demokraten vorgeht. Es
gibt noch viel zu viele Politiker, die wie die der Union zwar das
NPD-Verbot öffentlich gut finden, aber ansonsten alles
dafür tun, dass es nicht kommt. Die Fragen für die UZ
stellte Nina Hager (Vorabdruck aus der UZ vom 24.02.2012)
Foto: VVN/BdA |