Logo VVN/BdA NRW

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Landesvereinigung NRW

 

16.02.2012

»Am kommenden Samstag bin ich in Dresden wieder dabei«

VVN-BdA-Bundesvorsitzender wurde am Montag bei antifaschistischen Protesten für kurze Zeit festgenommen. Gespräch mit Heiner Fink

Der evangelische Theologieprofessor Heiner Fink ist Bundesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA). Von 1990 bis 1992 war er Rektor der Humboldt-Universität. Die Junge Welt interviewte Heinrich Fink zu seiner versuchten Festnahme am Montag in Dresden.

Sie waren am Montag dabei, als Antifaschisten aus ganz Deutschland gegen den jährlichen Neonaziaufmarsch in Dresden protestiert haben. Warum sind Sie dabei für kurze Zeit festgenommen worden?

Als ich nach der Kundgebung vom Platz gehen wollte, stellte sich plötzlich ein Polizeiauto quer. Die Beamten stiegen aus und verkündeten mir, ich sei festgenommen, sie müßten jetzt meine Personalien aufnehmen. Ich fragte verwundert zurück, ob etwas gegen mich vorliege. Antwort: »Das ist nicht das Thema, wir wollen Ihre Personalien haben!«

Ich gab ihnen also meinen Ausweis – auch den früheren Bundestagsausweis, es ist immer gut, den bei sich zu haben. Als ich dann auf einer Begründung für diesen Überfall bestand, bekam ich zur Antwort, ich habe mich bei der entsprechenden Demonstration vor einem Jahr auffällig und wahrscheinlich auch gesetzwidrig verhalten: Landfriedensbruch!

Und was sollen Sie gemacht haben?

Das frage ich mich auch, ich war vergangenes Jahr nämlich gar nicht in Dresden, ich lag in meiner Berliner Wohnung krank im Bett.

Hat das die Beamten überzeugt?

Nein. Sie hätten schließlich Beweise, sagte einer von ihnen. In dem Moment kam von hinten eine Polizistin mit einem Foto in der Hand, das einen älteren Herrn mit vollem Haar und einer VVN-Fahne in der Hand zeigte. Als Beweis, daß ich das nicht sein konnte, nahm ich meine Baskenmütze ab und wies auf meine Glatze hin: Die habe ich schon seit ungefähr 20 Jahren.

Das haben mir die Beamten wohl nicht geglaubt – einer warf sogar ein, es sei überhaupt nicht schwierig, im Verlauf eines Jahres zum Glatzenträger zu werden. Ich habe mir dann dieses dumme Geschwätz verbeten und verlangt, daß sie mich ernst nehmen.

Dann kam die Begründung, der Mann auf dem Foto trage schließlich eine VVN-Fahne, davon gebe es ja nicht so viele. Ironischerweise kam uns in diesem Augenblick ein Demonstrationszug entgegen, in dem ich sofort ein halbes Dutzend dieser angeblich seltenen Fahnen ausmachen konnte.

Was ist denn kriminell daran, eine VVN-Fahne zu tragen?

Das habe ich die Beamten auch gefragt, aber keine Antwort bekommen. Es wäre natürlich interessant, zu erfahren, warum Fotos von den Protesten vor einem Jahr so wichtig sind, daß sie heute noch als Fahndungsgrundlage dienen. Ich vermute mal, daß die Beamten irgendwie durch den Wind waren, sie konnten es wohl nicht fassen, daß die antifaschistische Demonstration mit ihren 6.000 Teilnehmern so gewaltig war.

Wurden bei der Gelegenheit noch andere Personen festgenommen?

Das habe ich nicht gesehen. Es kam schließlich André Hahn hinzu, der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im sächsischen Landtag. Als er fragte, was dieses Schauspiel zu bedeuten habe, hieß es nur noch: Herr Fink, Sie werden von der Staatsanwaltschaft hören!

Gab es wenigstens eine Entschuldigung?

Wo denken Sie hin? Die Polizisten waren sehr aggressiv im Ton, hatten auch keinerlei Neigung, auf irgendwelche Argumente einzugehen. Für sie stand nach wie vor fest, daß ich der Mann vom Foto bin.

Die Demo vom Montag war so etwas wie die Generalprobe für den kommenden Samstag. Sind Sie dann wieder in Dresden dabei?

Auf jeden Fall. In welcher Weise die Nazis am Samstag in Dresden auftreten werden, ist noch unbekannt, meines Wissens haben sie keine Demonstration angemeldet. Ich rechne mit rund 10.000 Antifaschisten – denn zum Wochenende hin ist es für viele einfacher, nach Dresden zu fahren als an einem Arbeitstag. Was mich am Montag sehr überrascht hat, waren die vielen sehr jungen Teilnehmer – sie haben an diesem Tag das Bild der Stadt geprägt.

Quelle: Junge Welt vom 15.02.2012